Aktenzeichen M 1 K 17.1987
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 7, Abs. 4 S. 1 Nr. 1, Nr. 3
BayBO Art. 55 Abs. 1, Art. 68 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
Leitsatz
1 Da der Bauherr durch seinen Bauantrag bestimmt, was Gegenstand der Baugenehmigung sein soll und die Baugenehmigungsbehörde kein abweichendes Vorhaben genehmigen darf, muss bereits der Bauantrag hinreichend bestimmt sein. Daran fehlt es, wenn eine Nutzungsänderung in einen “Gewerbebetrieb“ beantragt wird. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Voraussetzung für die Begünstigung einer Nutzungsänderung nach § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 BauGB ist unter anderem, dass die bauliche Anlage oder der für die Nutzungsänderung vorgesehene Anlagenteil „bisher“ tatsächlich privilegiert im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BauGB genutzt worden ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der ablehnende Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Versagung des gemeindliche Einvernehmen war rechtmäßig, es kann nicht ersetzt werden (Art. 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB).
Das streitgegenständliche Vorhaben ist genehmigungsbedürftig, Art. 55 Abs. 1 BayBO. Allerdings ist es nicht nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO genehmigungsfähig, da der Bauantrag zu unbestimmt ist (1.) und davon abgesehen das Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig wäre (2.).
1. Der Bauantrag bezüglich der Nutzungsänderung ist zu unbestimmt und daher bereits aus diesem Grund nicht genehmigungsfähig.
Eine Baugenehmigung muss gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG inhaltlich bestimmt sein, d.h. Inhalt, Reichweite und Umfang der getroffenen Regelung eindeutig erkennen lassen, damit der Bauherr die Bandbreite der für ihn zulässigen Nutzungen und Drittbetroffene das Maß der für sie aus der Baugenehmigung erwachsenden Betroffenheit zweifelsfrei feststellen können. Eine solche, dem Bestimmtheitsgebot genügende Aussage muss der Baugenehmigung selbst – gegebenenfalls durch Auslegung – entnommen werden können, wobei die mit Zugehörigkeitsvermerk versehenen Bauvorlagen bei der Ermittlung des objektiven Erklärungsinhalts der Baugenehmigung heranzuziehen sind (vgl. OVG Münster, U.v. 25.1.2013 – 10 A 2269/10 – BeckRS 2013, 48665). Da der Bauherr durch seinen Bauantrag bestimmt, was Gegenstand der Baugenehmigung sein soll und die Baugenehmigungsbehörde kein abweichendes Vorhaben genehmigen darf (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.2014 – 4 B 21/14 – juris Rn. 13), muss bereits der Bauantrag hinreichend bestimmt sein. Diesem Bestimmtheitserfordernis genügt der streitgegenständliche Bauantrag nicht. Der Kläger beantragte die Nutzungsänderung der bestehenden Maschinen- und Bergehalle in „einen Gewerbebetrieb“. Der Begriff des Gewerbebetriebs ist dabei zu unbestimmt. Bereits die gesetzliche Unterscheidung zwischen nicht störenden Gewerbebetrieben (z.B. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO), nicht wesentlich störende Gewerbebetrieben (§ 5 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO), nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben (vgl. § 8 Abs. 1 BauNVO) und Gewerbebetrieben, die in anderen Baugebieten unzulässig sind (§ 9 Abs. 1 BauNVO) zeigt, dass Gewerbebetriebe aufgrund der unterschiedlichen Störwirkung, die mit der jeweiligen Nutzung einhergeht, rechtlich völlig unterschiedlich zu beurteilen sein können und deshalb die Art der gewerblichen Nutzung mit ihrem Störpotenzial zur Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des jeweiligen Vorhabens hinreichend genau bestimmt sein muss. Dies gilt auch für eine gewerbliche Nutzung im Außenbereich. Die Baugenehmigungsbehörde muss aufgrund der hinreichend bestimmten Bauantragsunterlagen unter anderem beurteilen können, ob es sich bei dem maßgeblichen gewerblichen Vorhaben um ein privilegiertes Vorhaben (insbesondere einen sog. ortsgebundenen gewerblichen Betrieb im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB) handelt oder das Vorhaben unter Umständen nach § 35 Abs. 4 BauGB teilprivilegiert ist. Sie muss prüfen können, ob öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt werden oder entgegenstehen, insbesondere ob durch das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB hervorgerufen werden können. Eine solche Beurteilung des beantragten Vorhabens ist aufgrund der nur sehr vagen Angaben des Klägers („Gewerbebetrieb“) nicht möglich, so dass bereits aus diesem Grund die beantragte Nutzungsänderung nicht genehmigungsfähig ist.
2. Darüber hinaus wäre die vom Kläger beantragte Nutzungsänderung bauplanungsrechtlich unzulässig.
Das streitgegenständliche Grundstück befindet sich im bauplanungsrechtlichen Außenbereich, § 35 BauGB. Die beantragte Nutzungsänderung der Maschinen- und Bergehalle in einen „Gewerbebetrieb“ ist nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die beantragte gewerbliche Nutzung der Maschinen- und Bergehalle nicht in Zusammenhang mit der von ihm bereits betriebenen Biogasanlage stehen solle. Er wisse noch nicht, welcher Gewerbebetrieb dort angesiedelt werden solle, könne sich aber z.B. einen Handwerksbetrieb vorstellen. Trotz der Unbestimmtheit des Bauantrags ist jedenfalls davon auszugehen, dass kein sog. ortsgebundener gewerblicher Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB beabsichtigt ist. Das klägerische Vorhaben wäre auch – unabhängig von der konkreten Art der gewerblichen Nutzung – nicht nach § 35 Abs. 4 BauGB teilprivilegiert.
2.1 Die Voraussetzungen des Teilprivilegierungstatbestands des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB sind nicht erfüllt. Auf diese Vorschrift wurde bereits die Baugenehmigung vom 31. März 2015 für die Neuerrichtung des Ersatzbaus gestützt. Da die Vorschrift die Neuerrichtung eines „gleichartigen“ Gebäudes verlangt, das mit dem vorherigen in Bauvolumen, Nutzung und Funktion vergleichbar ist (vgl. Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 35 Rn. 152; Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, 7. Aufl. 2013, § 35 Rn. 130), kann eine Nutzungsänderung hierauf nicht gestützt werden.
2.2 Auch der Teilprivilegierungstatbestand des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB greift nicht ein, da das maßgebliche Gebäude bisher weder zu landwirtschaftlich privilegierten Zwecken tatsächlich genutzt worden noch die 7-Jahresfrist des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d BauGB eingehalten ist.
Voraussetzung für die Begünstigung einer Nutzungsänderung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB ist unter anderem, dass die bauliche Anlage oder der für die Nutzungsänderung vorgesehene Anlageteil „bisher“ tatsächlich privilegiert im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BauGB genutzt worden ist (BVerwG, B.v. 10.1.1994 – 4 B 192/93 – juris Rn. 9). Hierfür spricht schon der eindeutige Wortlaut der Vorschrift („Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes“). Auch dem Sinn und Zweck der Teilprivilegierung kann nur auf diese Weise angemessen Rechnung getragen werden. Hintergrund des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB ist, dass im Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Betrieb errichtete bauliche Anlagen auf einer – die Privilegierung rechtfertigenden – für Generationen gedachten Planung beruhen, der nunmehr durch den raschen Strukturwandel in der Landwirtschaft der Boden entzogen wird (BVerwG, B.v. 29.9.1987 – 4 B 191/87 – juris Rn. 5). Nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung soll durch die Begünstigung bestimmter Vorhaben erweiterter Bestandsschutz gewährt und der Strukturwandel in der Landwirtschaft erleichtert werden, indem der Verlust des in die ehemals landwirtschaftlichen Gebäude langfristig investierten Kapitals und der Verfall der Bausubstanz verhindert werden (BVerwG, B.v. 10.1.1994 – 4 B 192/93 – juris Rn. 9; BVerwG, B.v. 29.9.1987 – 4 B 191/87 – juris; U.v. 25.1.1985 – 4 C 35/81 – NVwZ 1985, 825; BayVGH, U.v. 5.2.2007 – 1 BV 05.2981 – juris Rn. 29; Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, 7. Aufl. 2013, § 35 Rn. 114). Allein die Genehmigung des Ersatzbaus für einen landwirtschaftlichen Betrieb ohne eine tatsächliche landwirtschaftlich privilegierte Nutzung reicht daher nicht aus, um eine Teilprivilegierung der Nutzungsänderung zu rechtfertigen. Zwar kann es im Einzelfall genügen, dass ein Teil eines einheitlichen Gebäudes privilegiert genutzt worden ist und ein anderer Teil dieses Gebäudes umgebaut wurde, ohne selbst landwirtschaftlich genutzt zu sein (BVerwG, U.v. 25.1.1985 – 4 C 35/81 – NVwZ 1985, 825; U.v. 18.5.2001 – 4 C 13/00 – juris Rn. 21). Jedoch ist diese Konstellation nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar, da es sich nicht um den Umbau eines Gebäudeteils, sondern den selbständigen Ersatzbau einer vollständigen Maschinen- und Bergehalle handelt. Hier wurden keine Investitionen für eine langfristige Planung getroffen, die landwirtschaftliche Nutzung in dem neu errichteten Gebäude wurde nie aufgenommen. Auch bestehen seitens des Gerichts im Hinblick auf die von der Baugenehmigung vom 31. März 2015 abweichende tatsächliche Bauausführung (vgl. insoweit die Dokumentation zur Baukontrolle am … März 2016) erhebliche Zweifel, ob bei Errichtung des Ersatzbaus überhaupt jemals ernsthaft beabsichtigt wurde, die Maschinen- und Bergehalle landwirtschaftlich zu nutzen.
Im Übrigen sind die Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe d BauGB nicht erfüllt, da zwischen der zulässigen Errichtung des Gebäudes und der Nutzungsänderung weniger als sieben Jahre liegen. Aufgrund des eindeutigen Wortlauts und des Sinns und Zwecks der Vorschrift ist die Regelung eng auszulegen, so dass im Hinblick auf die 7-Jahresfrist auf die Errichtung des Ersatzbaus und nicht die des abgebrannten Gebäudes abzustellen ist. Denn die Regelung bezweckt gerade die Vermeidung von Vorhaben, die in erster Linie mit dem bereits absehbaren Ziel einer späteren Nutzungsänderung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB errichtet werden (Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 35 Rn. 137).
2.3 Eine Kombination der Teilprivilegierungstatbestände des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 BauGB oder eine analoge Anwendung der Vorschriften zugunsten des Klägers ist nicht möglich und widersprächen dem klaren Willen des Gesetzgebers. Grundsätzlich gilt im Außenbereich für nicht privilegierte Vorhaben ein Bauverbot. Der Außenbereich soll mit seiner naturgegebenen Bodennutzung und seinen Erholungsmöglichkeiten für die Allgemeinheit grundsätzlich vor dem Eindringen wesensfremder Nutzung bewahrt bleiben (BVerwG, U.v. 14.3.1975 – IV C 41.73 – juris Rn. 31). Die Teilprivilegierungstatbestände des § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB lockern diesen Grundsatz sowie das Prinzip der Einheit von Substanz und Funktion als Ausnahmeregelungen auf. Aufgrund ihres Charakters als Ausnahmevorschriften sind sie im Zweifel eng auszulegen und nicht analogiefähig (s. BVerwG, B.v. 29.9.1987 – 4 B 191.87 – juris; Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, 7. Aufl. 2013, § 35 Rn. 98). Hierfür spricht insbesondere auch der eindeutige Wortlaut des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB („Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes“) sowie der Wortlaut des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB, wonach nur ein gleichartiges Gebäude als Ersatzbau in Betracht kommt. Das bedeutet auch, dass bei dem Ersatzbau die Nutzung als solche gleich bleiben und demselben Zweck zugeordnet bleiben, also dieselbe Funktion behalten muss (s. 2.1; vgl. Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 35 Rn. 152; Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, 7. Aufl. 2013, § 35 Rn. 130).
2.4 Die vom Kläger beabsichtigte Nutzungsänderung stellt somit ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB dar, welches öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt. Das Vorhaben widerspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplans, da das streitgegenständliche Grundstück im Flächennutzungsplan der Gemeinde G. als Fläche für die Landwirtschaft ausgewiesen ist (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB). Darüber hinaus lässt das Vorhaben die Entstehung bzw. Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten (§ 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB), was mit dem Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs nicht vereinbar ist. Ob darüber hinaus durch das Vorhaben auch schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Nr. 3 BauGB hervorgerufen werden können, ist aufgrund der mangelnden Bestimmtheit des Bauantrags (s. 1.) nicht hinreichend feststellbar.
Die vom Kläger beabsichtigte Nutzungsänderung wäre nach alldem bauplanungsrechtlich unzulässig.
3. Die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens war somit rechtmäßig und es kann nicht ersetzt werden (Art. 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB).
4. Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.