Baurecht

Erfolglose Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für Flüchtlingsheim im Mischgebiet

Aktenzeichen  M 9 K 15.2357

Datum:
3.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 55665
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1
BauGB § 30 Abs. 1
BauNVO 1977 § 6 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Festsetzungen eines Bebauungsplans werden nur dann funktionslos und damit unwirksam, wenn sich die Verhältnisse in dem Bereich, für den die Festsetzungen gelten, so entwickelt haben, dass eine Verwirklichung der Festsetzungen auf nicht absehbare Zeit ausgeschlossen ist und diese Tatsache so offenkundig ist, dass ein Vertrauen auf die Fortgeltung der Festsetzungen nicht mehr schutzwürdig ist. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Mischgebiet hat die besondere Funktion, dass es qualitativ und quantitativ der Durchmischung von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe dient. In quantitativer Hinsicht ist zu beachten, dass die beiden Hauptnutzungsarten (Wohnen und Gewerbe) in einem ausgewogenen Verhältnis vorhanden sind. (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Funktionslosigkeit der Festsetzung als Mischgebiet kommt nicht erst bei Verdrängung einer der beiden Hauptnutzungsarten, sondern schon bei einer Dominanz von mehr als 80 Prozent durch eine Hauptnutzungsart in Betracht. (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Verlust der letzten noch freien Flächen für die Realisierung des Gebietscharakters eines Baugebiets als Mischgebiet führt bei entsprechender Dominanz der Nutzungsart Wohnen dazu, dass jede Zweckbestimmung eines Bauvorhabens, die keine gewerbliche ist, der Eigenart des Baugebiets widerspricht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

In dem Verfahren konnte gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden, da alle Parteien auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet haben.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klagefrist des § 74 Abs. 2 i.V.m Abs. 1 VwGO von einem Monat gewahrt. Der streitgegenständliche Bescheid vom 16. April 2015 wurde den Bevollmächtigten der Klägerin ausweislich des in Kopie vorgelegten Eingangsstempels der Kanzlei erst am 7. Mai 2015 zugestellt. Die Klagefrist endete somit gemäß § 74 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO erst am Montag, den 8. Juni 2015. An diesem Tag ging die Klageschrift per Fax beim Bayerischen Verwaltungsgericht München ein.
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung. Der Bescheid des Landratsamts … vom 16. April 2015 ist deshalb rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Im vorliegenden Fall stehen der Errichtung des geplanten Flüchtlingsheims die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Bauplanungsrechts entgegen. Das Vorhaben ist aufgrund der Art der Nutzung mit dem Bebauungsplan Nr. 13 „St… Straße“ nicht vereinbar. Die Festsetzung der Gebietsart im streitgegenständlichen Bereich ist wirksam (1.). Die geplante Nutzung widerspricht im Einzelfall gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO 1977 dem Gebietscharakter (2.).
1. Die zulässige Art der Nutzung ist für das streitgegenständliche Vorhaben gem. § 30 Abs. 1 BauGB der Festsetzung des Bebauungsplans Nr. 13 „St… Straße“ vom 18. Februar 1981 zu entnehmen. Die dort für das Baugrundstück und dessen Umgebung getroffene Festsetzung eines Mischgebiets ist nicht funktionslos und damit unwirksam geworden.
Festsetzungen eines Bebauungsplans werden nur dann funktionslos und damit unwirksam, wenn sich die Verhältnisse in dem Bereich, für den die Festsetzungen gelten, so entwickelt haben, dass eine Verwirklichung der Festsetzungen auf nicht absehbare Zeit ausgeschlossen ist und diese Tatsache so offenkundig ist, dass ein Vertrauen auf die Fortgeltung der Festsetzungen nicht mehr schutzwürdig ist (BayVGH, U. v. 3.9.2001 – 1 N 98.48 – juris Rn. 31 m. w. N.). Bei der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist entscheidend, ob die jeweilige Festsetzung geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung i. S. des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen wirksamen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird jedoch nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich erfüllen kann, ist eine Funktionslosigkeit anzunehmen (BVerwG, B. v. 9.10.2003 – 4 B 85/03 – juris Rn. 8).
Gemessen an diesen Vorgaben ist ohne die Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens nicht von einer Funktionslosigkeit der Mischgebietsfestsetzung auszugehen.
1.1 Zu betrachten ist hierbei das gesamte im Bebauungsplan festgesetzte und durch Perlschnur einheitlich von dem allgemeinen Wohngebiet abgegrenzte Mischgebiet. Die Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin, wonach zwei getrennte Mischgebiete zu bilden seien, findet im Bebauungsplan keine Grundlage. Dies ergibt sich schon daraus, dass der gesamte Bereich im Norden und Westen des Bebauungsplans einheitlich als Mischgebiet festgesetzt wurde. Eine planliche Abgrenzung durch Perlschnur erfolgte nicht. Aus den Festsetzungen zum Maß der Nutzung und insbesondere den vorgeschlagenen Baukörpern in dem Bereich zwischen der Westtangente und dem nordwestlichen Bereich der D. Straße ergibt sich, dass in diesem Teil des Mischgebiets nach der Konzeption des Bebauungsplans eher eine Wohnnutzung zugelassen werden sollte. Um die im Mischgebiet erforderliche Durchmischung zwischen Gewerbe und Wohnen zu ermöglichen, ist es deshalb offensichtlich erforderlich, dass gerade in dem nördlichen Bereich des einheitlichen Mischgebiets vorwiegend Gewerbe untergebracht wird. Die Konzeption des Bebauungsplans sieht angesichts der Baugrenzen und Baukörper gerade nicht vor, dass der Bereich zwischen der Westtangente und dem nordwestlichen Teil der D. Straße ein getrenntes, eigenständiges Mischgebiet bilden soll. Erst durch den für Gewerbe besser geeigneten Bereich um das Baugrundstück lässt sich eine für ein Mischgebiet erforderliche Durchmischung erreichen.
1.2 Die mit der Planung vorgesehene gemischte Nutzung durch Gewerbe und Wohnen (§ 6 Abs. 1 BauNVO 1977) ist noch realisierbar.
Aus der von dem Beklagten vorgelegten Aufstellung der vorhandenen Nutzungen (Bl. 72 der Gerichtsakten) ergibt sich, dass in dem gesamten Mischgebiet derzeit bereits in sehr großem Umfang Wohnbebauung vorherrscht. Eine reine Gewerbenutzung liegt lediglich auf dem Grundstück FlNr. 1565/6 vor. Das Seniorenzentrum im Norden des Baugrundstücks (FlNr. 1561/213) ist eine Einrichtung für soziale Zwecke und keine gewerbliche Nutzung. Wegen der derzeit tatsächlich nur in geringem Umfang vorhandenen Gewerbenutzung ist indes nicht anzunehmen, dass die Festsetzung der Gebietsart „Mischgebiet“ bereits funktionslos geworden ist. Wie bereits ausgeführt, würde eine solche Funktionslosigkeit voraussetzen, dass die Verwirklichung der Nutzungsart auf nicht absehbare Zeit in Zukunft ausgeschlossen und diese Tatsache offenkundig ist. Maßgeblich ist daher, ob auch in absehbarer Zeit nach der Verkehrsauffassung keine Realisierung gewerblicher Nutzungen im Mischgebiet zu erwarten ist und deshalb die gewünschte Durchmischung nicht mehr erreicht werden kann. Dies ist nach dem Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins hier nicht der Fall. Vielmehr bietet sich insbesondere das derzeit lediglich mit einem kleinen Wohnhaus und Nebengebäuden zur Kleintierhaltung bebaute Grundstück FlNr. 1561/269 und das Grundstück FlNr. 1561/206 aufgrund seiner von Hauptverkehrsstraßen umgebenen Lage besonders für eine künftige gewerbliche Nutzung an. Nach der Verkehrsanschauung ist aufgrund der Immissionsbelastung sogar zu erwarten, dass dieses Grundstück künftig nicht mehr zum Wohnen genutzt werden wird. Bauliche Ergänzungen und ein Ersatz des bestehenden Wohnhauses werden aller Wahrscheinlichkeit nach nur gewerblich genutzt werden können. Ähnliches wäre für das Grundstück FlNr. 1565/9 zu erwarten. Zwar existiert eine Baugenehmigung, die einen größeren Anteil von Wohnen vorsieht. Mit der Realisierung des Vorhabens wurde jedoch noch nicht begonnen. Angesichts der Lage des Grundstücks ist es grundsätzlich geeignet, mischgebietsverträgliches Gewerbe in größerem Umfang aufzunehmen. Dies kann etwa auch durch Nutzungsänderungen im Fall der Realisierung der Baugenehmigung geschehen. Die verkehrsgünstige Lage an der H. Straße in unmittelbarer Nähe der Westtangente würde nach der Verkehrsanschauung in Zukunft eine gewerbliche Nutzung – auch etwa für den Einzelhandel – erwarten lassen.
Auch auf dem streitgegenständlichen Baugrundstück ist in größerem Umfang eine gewerbliche Nutzung möglich. Zwar mag dieses Grundstück angesichts der Lage nahe einer Wohnbebauung und dem Seniorenzentrum ohne belebte Hauptverkehrsstraße nicht für Gewerbe mit Kundenverkehr geeignet sein. Gleichwohl ist es möglich, hier etwa Büronutzungen in größerem Umfang unterzubringen. Auch auf diesem Grundstück können somit künftig gewerbliche Nutzungen zur Aufrechterhaltung des Mischgebietscharakters realisiert werden. Nachdem auf den genannten Grundstücken nach dem Bebauungsplan – anders als in dem südwestlichen Bereich des Mischgebiets – ein größeres Nutzungsmaß zugelassen wird (3 Vollgeschosse), bleibt es möglich, die im Mischgebiet erforderliche Durchmischung von Wohnen und gewerblicher Nutzung zu realisieren. Die Festsetzung eines Mischgebiets ist derzeit, bei Verzicht auf die Realisierung des streitgegenständlichen Vorhabens, noch nicht auf Dauer ungeeignet, eine städtebauliche Ordnungsfunktion zu erfüllen.
2. Die mit dem Bauantrag begehrte Nutzung des Grundstücks als Flüchtlingsheim ist bauplanungsrechtlich unzulässig, da sie gemäß § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO 1977 aufgrund der geplanten Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widerspricht.
Der gemäß § 30 Abs. 1 BauGB für die Beurteilung der planungsrechtlichen Zulässigkeit maßgebliche Bebauungsplan Nr. 13 der Beigeladenen setzt als Art der baulichen Nutzung für das Baugrundstück ein Mischgebiet fest. Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 5 i. V. m. § 1 Abs. 3 BauNVO 1977 sind im Mischgebiet Anlagen für soziale Zwecke wie das streitgegenständliche Flüchtlingsheim allgemein zulässig. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO 1977 sind die allgemeinen zulässigen Nutzungsarten indes im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Dies ist hier für die geplante Nutzung als Anlage für soziale Zwecke der Fall. Sie widerspricht in dem geplanten Umfang der Eigenart des vorliegenden Mischgebiets.
Die Eigenart eines Mischgebiets wird nach § 6 Abs. 1 BauNVO 1977 dadurch gekennzeichnet, dass es sowohl dem Wohnen als auch der Unterbringung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben dienen soll. Nach der Gestaltungsvorstellung des Verordnungsgebers der Baunutzungsverordnung sollen die beiden Nutzungsarten auch in ihrer Quantität gemischt sein (BVerwG, U. v. 4.5.1988 – 4 C 34/86 – NJW 1988, 3168). Das Mischgebiet hat daher die besondere Funktion, dass es qualitativ und quantitativ der Durchmischung von Wohnen und nicht wesentlich störendem Gewerbe dient. In quantitativer Hinsicht ist zu beachten, dass die beiden Hauptnutzungsarten (Wohnen und Gewerbe) in einem ausgewogenen Verhältnis vorhanden sind. Es ist dabei nicht erforderlich, dass die beiden Nutzungsarten zu gleichen Teilen im jeweiligen Gebiet vertreten sind. Andererseits darf eine der beiden Hauptnutzungsarten nicht nach Anzahl und/oder Umfang beherrschend oder übergewichtig in Erscheinung treten (BVerwG a. a. O.). Ob ein derartiges Übergewicht einer Nutzung vorliegt, lässt sich nicht allein nach den Anteilen der Grundfläche der jeweiligen Nutzungsart bestimmen. Erforderlich ist stets eine Bewertung aller für eine quantitative Beurteilung infrage kommenden tatsächlichen Umstände im Einzelfall. Die Bandbreite der typischen Eigenart des Mischgebiets wird nicht erst dann verlassen, wenn eine der beiden Hauptnutzungsarten als eigenständige Nutzung im Gebiet verdrängt wird und das Gebiet deshalb in einen anderen Gebietstyp umkippt mit der Folge, dass die Festsetzung als Mischgebiet letztlich funktionslos wäre (BVerwG a. a. O.). Eine Funktionslosigkeit der Festsetzung als Mischgebiet kommt vielmehr schon bei einer Dominanz von mehr als 80% durch eine Hauptnutzungsart in Betracht (BayVGH, U. v. 3.9.2001 – 1 N 98.48 – juris Rn. 39 ff.). Um ein derartiges Funktionsloswerden des Bebauungsplans in Form des Umkippens des Gebiets in eine andere Gebietsart zu verhindern, muss deshalb die quantitative Grenze, bei der nach § 15 Abs. 1 BauNVO eine ausgewogene Durchmischung noch gewährleistet ist, unter der Grenze der Funktionslosigkeit liegen.
Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben wäre im Fall der Zulassung des streitgegenständlichen Vorhabens zu erwarten, dass eine den Gebietscharakter zwingend prägende Durchmischung des Gebiets mit einem bedeutenden Gewerbeanteil auf Dauer nicht mehr möglich ist. Aus der Aufstellung der Nutzungsarten des Landratsamts … (Bl. … der Behördenakte) ist ersichtlich, dass in dem Mischgebiet bereits zum jetzigen Zeitpunkt ein deutliches Überwiegen der Wohnnutzung festzustellen ist. Sofern man die durch das Landratsamt ermittelten Grundflächen der Wohngebäude mit den vorhanden Geschossen vervielfacht, ergibt sich eine ungefähre durch Wohnen genutzte Geschossfläche von 10.000 m². Dem steht derzeit eine durch Gewerbenutzung belegte Geschossfläche von lediglich 993,45 m² gegenüber. Verbliebe es bei diesem Verhältnis zwischen Wohnen und Gewerbe, wäre eine ausreichende Durchmischung i. S. v. § 6 Abs. 1 BauNVO 1977 nicht mehr gegeben. Angesichts der auf dem Baugrundstück noch möglichen gewerblichen Nutzung sowie der denkbaren gewerblichen Nutzung des Grundstücks FlNr. 1565/9 und der möglichen gewerblichen Nutzung des Grundstücks FlNr. 1561/206 käme indes die Realisierung der erforderlichen Durchmischung weiter in Betracht, sofern die dann zumindest noch möglichen ca. 3.000 m² gewerblichen Geschossflächen tatsächlich realisiert würden. Nachdem die auf FlNr. 1561/213 vorhandene Nutzung als Seniorenzentrum wegen ihrer Eigenschaft als Anlage für soziale Zwecke bei der Betrachtung außen vor bleiben muss, wäre derzeit somit noch ein Wohnanteil von 76% und ein Gewerbeanteil von 24% realisierbar.
Die Verwirklichung eines solchen durch die Baunutzungsverordnung noch gedeckten Durchmischungsverhältnisses wäre aber auf Dauer ausgeschlossen, sofern das streitgegenständliche Vorhaben realisiert würde und auf Dauer fortbestünde.
Es kommt dabei nicht darauf an, ob es sich bei der streitgegenständlichen Nutzung um eine wohnähnliche Nutzung handelt. Maßgeblich ist, dass es sich bei der geplanten Nutzung nicht um eine für die Erhaltung des Gebietscharakters angesichts der umfangreich vorhandenen Wohnnutzung nunmehr erforderliche gewerbliche Nutzung handelt. Der Verlust der letzten noch freien Flächen für die Realisierung des Gebietscharakters führt dazu, dass jede Zweckbestimmung eines Bauvorhabens, die keine gewerbliche ist, der Eigenart des Baugebiets i. S. v. § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO 1977 widerspricht.
Dies gilt umso mehr, als im vorliegenden Fall die gewerbliche Nutzung des Grundstücks auch in qualitativer Hinsicht erforderlich ist (vgl. BayVGH, B. v. 11.3.2015 – 2 ZB 13.1309 – juris Rn. 8). Das vorliegende Mischgebiet ist dadurch gekennzeichnet, dass der Bereich entlang der Westtangente, nordwestlich der D. Straße, aufgrund der kleinräumigen Baugrenzen und der Nähe zu dem allgemeinen Wohngebiet im Südosten für eine gewerbliche Nutzung kaum in Betracht kommt. Nachdem das Grundstück FlNr. 1561/212 im Osten des Baugrundstücks durch eine massive Wohnbebauung gekennzeichnet ist, verbleiben nur der Bereich des Baugrundstücks sowie die Grundstücke an der H. Straße und der Westtangente, um dort gewerbliche Nutzungen zu realisieren. Aufgrund der Lage und der Einteilung des Baugebiets ist somit gerade der Bereich des Baugrundstücks für eine gewerbliche Nutzung als geeignet anzusehen. Hinzu kommt, dass die Vertreter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen haben, es sei in der Vergangenheit bereits eine Umwidmung des Baugrundstücks in eine Wohnbebauung erwogen worden. Dies sei nach einer schalltechnischen Prüfung jedoch nicht weiterverfolgt worden (vgl. Bl. 84 der Gerichtsakte). Nachdem für den Bereich des Baugrundstücks eine für die weiter südlich gelegene Wohnbebauung vorhandene Lärmschutzeinrichtung zur Westtangente hin fehlt, ist eine Wohnnutzung auf dem Baugrundstück auch aufgrund der von der Beigeladenen geprüften Lärmbelastung nicht ohne Weiteres zu realisieren. Auch aus diesem Grund eignet sich das Baugrundstück in qualitativer Hinsicht in erster Linie für eine gewerbliche Nutzung, die die Durchmischung des Gebiets sicherstellen kann.
Sofern durch die Realisierung des streitgegenständlichen Vorhabens die für die gewerbliche Nutzung geeignete Fläche durch eine Anlage für soziale Zwecke dauerhaft einer gewerblichen Nutzung entzogen würde, kommt eine Kompensation dieses Vorgangs durch die Nutzungsänderung bisher wohngenutzter Flächen kaum in Betracht. Da damit dauerhaft eine Realisierung eines ausreichenden gewerblichen Anteils im Plangebiet ausscheiden würde, käme nach einer Realisierung des Vorhabens eine Funktionslosigkeit des Bebauungsplans entsprechend der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U. v. 3.9.2001 – 1 N 98.48 – juris Rn. 39 ff.) in Betracht. Das „Umkippen“ des Plangebiets in ein allgemeines Wohngebiet wäre damit schon mit der streitgegenständlichen Anlage kaum mehr zu verhindern.
Nach alledem besteht kein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung, so dass der Bescheid des Landratsamts … vom 16. April 2015 nicht zu beanstanden ist. Auf die Übereinstimmung des Vorhabens mit Bauordnungsrecht und die Vereinbarkeit mit den Baugrenzen des Bebauungsplans kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an.
Eine Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Verbescheidung des Bauantrags kommt nicht in Betracht, da die Voraussetzungen für die planungsrechtliche Zulässigkeit nach dem vorstehend Ausgeführten nicht bestehen und daher kein Raum für eine erneute Entscheidung des Landratsamts vorhanden ist.
Die Klägerin hat als unterlegene Partei gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten gemäß § 162 Abs. 3 VwGO selbst, da sie sich nicht durch die Stellung eines Antrags einem Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 100.000,00 festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.1.2.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Die Kammer nimmt in ständiger Rechtsprechung bei der Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung als Streitwert 10% der hier ca. 1 Million Euro betragenden Baukosten an.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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