Baurecht

Erfolglose Klage gegen die Versagung einer Baugenehmigung für ein Wettbüro und eine entsprechende Nutzungsuntersagung

Aktenzeichen  AN 9 K 17.02667

Datum:
14.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 33469
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, § 114 S. 1
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO § 4 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2
BayBO Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 4 Nr. 1, Art. 76 S. 2
LStVG BY Art. 9

 

Leitsatz

1 Zur Abgrenzung eines Wettbüros von einem Internetcafe mit Lotto/Toto/Oddset-Annahmestelle (Rn. 48) sowie zum Begriff des Wettbüros als Vergnügungsstätte. (Rn. 51 und 58) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei dem durch Art. 76 S. 2 BayBO eingeräumten Entschließungsermessen handelt es sich um ein sogenanntes intendiertes Ermessen. (Rn. 59) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Nutzungsuntersagung als Dauerverwaltungsakt umfasst sowohl das Verbot, die Räume selbst zu dem untersagten Zweck weiter zu nutzen als auch die Räume durch einen Dritten zu demselben Zweck nutzen zu lassen. (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Wegen der Verzichtserklärungen der Parteien konnte ohne (weitere) mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO entschieden werden.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. November 2017 und der von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung für das konkrete mit dem Bescheid vom 27. November 2017 abgelehnte Bauvorhaben. Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 27. November 2017 ersichtlich einen Einzelfall auf Grund der hierbei zu prüfenden Vorschriften geprüft und verbeschieden, die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung wiederum ist Gegenstand des vorliegenden Gerichtsverfahrens. Nicht Gegenstand des Behördenverfahrens und damit auch des Gerichtsverfahrens ist die Frage einer generellen Haltung der Beklagten im Hinblick auf Wettbüros oder Spielhallen, zumal es sich vorliegend gerade um einen Verwaltungsakt im Einzelfall und nicht um eine Planung oder übergreifende Regelung handelt, zumal das vorliegende Bauvorhaben in einem Bereich liegt, für den kein qualifizierter Bebauungsplan durch die Beklagte existiert und für die insoweit ersichtlich keine sonstigen örtlichen Rechtsvorschriften in Bezug auf die geplante Nutzung vorhanden sind und angewendet wurden. Da die Beklagte, wie dem Gericht aus anderen Gerichtsverfahren bekannt ist, Wettbüros im Einzelfall durchaus genehmigt hat, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Ablehnung des vorliegenden Bauantrags von vorne herein festgestanden hätte und somit die baurechtliche Prüfung nur mit dem Ziel der Rechtfertigung einer bereits vorab getroffenen Entscheidung durchgeführt worden wäre; auch sind hierfür keine stichhaltigen Anhaltspunkte aus den Akten ersichtlich. Damit kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Prüfungspraxis der Beklagten im Hinblick auf das gegenständliche Bauvorhaben, nämlich die Prüfung der Vereinbarkeit einer geplanten Nutzungsänderung mit der konkreten bauplanungs- und bauordnungsrechtlichen Situation und den sich daraus ergebenden Regelungen, einen Eingriff in Grundrechte oder europarechtliche Positionen der Klägerin darstellt.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. November 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, sie hat deshalb weder einen Anspruch auf Aufhebung dieses Bescheids noch auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der begehrten Baugenehmigung, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Genehmigung der beantragten Nutzungsänderung, da die von ihr gewünschte Nutzung auf dem Vorhabensgrundstück bauplanungsrechtlich unzulässig ist.
Für das Baugrundstück besteht kein qualifizierter Bebauungsplan, so dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB beurteilt. Die Kammer ist insbesondere auf Grund des durchgeführten Augenscheins der Auffassung, dass die Eigenart der näheren Umgebung um das Baugrundstück einem allgemeinen Wohngebiet im Sinn des § 34 Abs. 2 BauGB, § 4 BauNVO entspricht.
1.1 Die Grenzen der näheren Umgebung im Sinne des § 34 BauGB lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Damit sind die Grundstücke in der Umgebung insoweit zu berücksichtigen, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwG v. 26.5.1978 – 4 C 9.77, Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB § 34 Rn. 36). Eine Straße kann dabei ein trennendes oder verbindendes Element sein.
Demnach ist im vorliegenden Fall die Bebauung in dem durch die … Straße, die …- …Straße sowie die …straße begrenzten Bauquartier, in dem auch das Baugrundstück gelegen ist, einschließlich der südlich der …straße gelegenen Anwesen …straße * und … sowie … Straße …, 1* …, maßgeblich.
Die Bebauung und Nutzungen jenseits der …Straße prägen demgegenüber nach Auffassung der Kammer, die sich insbesondere auf das Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins stützt, das Baugrundstück nicht in maßgeblicher Weise, die … Straße besitzt hier nach Auffassung der Kammer trennende Wirkung. Es handelt sich dabei um eine der meistbefahrenen … Ausfallstraßen, die weiter stadtauswärts in die Bundesstraße …übergeht, und die im hier maßgeblichen Bereich jeweils nicht nur zwei Fahrbahnen in beide Richtungen besitzt, sondern in deren Mitte auch noch in einem baulich von der Fahrbahn abgetrennten Bereich zwei Straßenbahngleise verlaufen. Eine Fahrbahnquerung durch Fußgänger ist zwischen der …straße und der … Straße mangels eines Überwegs nicht gefahrlos möglich und wird derzeit zudem durch die auf der östlichen Seite befindliche Baustelle verhindert.
Somit kann das Baugrundstück ebenso wie die … Straße, die …straße und die dort befindlichen Parkplätze nur von der westlichen Fahrbahn aus angefahren werden, wobei auf der Westseite der … Straße absolutes Halteverbot angeordnet ist. Diese Verkehrsführung und -regelung bedingt, dass Parksuchverkehr der Nutzer des Wettbüros zu einem erheblichen Teil das Bauquartier, in dem sich das Vorhaben befindet, umfahren wird, so dass auch die Anlieger der …- und … von dem vom Vorhaben ausgelösten Verkehr, gerade auch an Wochenenden und abends, betroffen sind.
Auch ist die Bebauung gegenüber dem Baugrundstück östlich der … Straße durch eine Reihe großer Bäume von der Fahrbahn und damit auch vom Bereich westlich optisch abgesetzt. Die funktionelle und optische Trennung im hier maßgeblichen Bereich führt hier zur Annahme einer trennenden Wirkung der … Straße.
Das Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, welches eine Fläche von ca. 14.400 m2 besitzt und das große Verwaltungsgebäude der …Direktion Mittelfranken beinhaltet, zählt demgegenüber nicht zur näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB. Denn dieses Grundstück prägt trotz seiner dominanten und großvolumigen Bebauung das hier maßgebliche Baugrundstück nicht mit. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass entlang der nördlichen und östlichen Grenze dieses Grundstücks zur …straße und zur … Straße hin ein durchgehender begrünter Bereich von erheblicher Breite vorhanden ist, der das Grundstück, dessen Bebauung und Nutzung vom Bereich jenseits der …straße wie von den Anwesen …straße … bis … und … Straße … bis … abschirmt. Hinzu kommt, dass sich auf Grund einer vorhandenen Mauer sowie Einfriedung kein Zugang zum …-Gebäude von der …straße aus befindet, ebenso ist das …-Grundstück gegenüber den genannten Grundstücken südlich der …straße und östlich der … Straße abgeschlossen und nicht zugänglich. Die zur …straße hin vorhandene Notausfahrt ist mit einem Tor verschlossen und dient nicht als Zugang zum Gebäude oder Grundstück von der …straße aus. Zugang und Zufahrt zu diesem Grundstück sind weiter westlich von der … Straße oder weiter südlich von der … Straße möglich. Auf Grund dieser optischen und funktionalen Abgrenzung dieses Grundstücks von dem nördlich und nordöstlich gelegenen Bereich, der die nähere Umgebung um das Baugrundstück bildet, sowie auf Grund der sich von der Bebauung und den Nutzungen dort völlig abhebenden Bebauung und Nutzungsstruktur ist dieses Grundstück bei der Einstufung der näheren Umgebung nicht mit heranzuziehen.
1.2 Die bauplanungsrechtliche Einstufung des somit maßgeblichen Bauquartiers, in dem das Baugrundstück gelegen ist, ergibt insbesondere nach dem Ergebnis des Augenscheins, dass hier ein allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO vorliegt. In der maßgeblichen näheren Umgebung sind zahlreiche ganz oder teilweise wohngenutzte Gebäude vorhanden, so dass die Voraussetzung für ein allgemeines Wohngebiet in § 4 Abs. 1 BauNVO, wonach das Gebiet vorwiegend dem Wohnen dient, erfüllt ist.
Daneben sind im hier maßgeblichen Gebiet auch keine Nutzungen vorhanden, die im allgemeinen Wohngebiet nicht allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind und durch ihre prägende Wirkung das Vorliegen eines allgemeinen Wohngebiets verhindern würden.
Soweit der Klägervertreter insofern auf die im Nachbaranwesen … Straße … aber auch im gegenständlichen Anwesen … Straße … seit einiger Zeit betriebenen Wettbüros abstellt, so sind diese bei der Gebietseinstufung nicht zu berücksichtigen, weil zwar einerseits die tatsächlich vorhandene Bebauung maßgebend ist, aber insbesondere durch den Erlass der im vorliegenden Verfahren angegriffenen Nutzungsuntersagung wie den entsprechenden Nutzungsuntersagungsbescheiden in den Parallelverfahren bezüglich der genannten Anwesen weder in zeitlicher noch in tatsächlicher Hinsicht Zweifel daran bestehen, dass sich die Beklagte mit dem Vorhandensein der Nutzung nicht abgefunden hat (vgl. BayVGH, B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 – juris Rn. 12, BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 9 ZB 15.1846 – juris Rn. 11).
Soweit der Klägervertreter auf die Gaststätte „…“ in der …straße … verweist, so handelt es sich insoweit nach Auffassung der Kammer um eine der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaft im Sinn des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO, die somit im allgemeinen Wohngebiet generell zulässig ist. Dies ergibt sich zum einen aus den beim Augenschein wahrgenommenen Speisekarten und dem daraus ersichtlichen Angebot an Speisen und Getränken sowie aus den ebenfalls per Aushang ersichtlichen Öffnungszeiten ebenso wie der Betriebsgröße und Ausstattung, die üblichen Gaststätten entsprechen. Entsprechendes gilt für die vom Klägervertreter angeführte Pizzeria im Anwesen … Straße … sowie die weiteren Gastronomiebetriebe in der Umgebung, selbst wenn dort die nach dem Glücksspielrecht zulässige Anzahl von Spielautomaten vorhanden ist.
Soweit der Klägervertreter auf die Nutzung im Anwesen … Straße …, Erdgeschoss, rechts von der Eingangstür verweist, so handelt es sich dort nach den Feststellungen beim Augenschein um ein kleines Ladengeschäft mit Internetcafe, dort werden Speisen und Getränke, Bonbons und Kaugummis, Zigaretten sowie Handykarten angeboten. Zusätzlich befindet sich an der südlichen Wand eine Lottoannahmestelle mit Toto und Oddset, im rückwärtigen Bereich ist ein kleines Internetcafe untergebracht, in einer Ecke befinden sich auch zwei Telefonzellen. Die dort ausgeübte Nutzung, für die nach Angabe der Beklagten eine Baugenehmigung erteilt wurde, stellt sich in der Gesamtschau nach Auffassung des Gerichts als wohngebietsverträgliche Nutzung und insbesondere nicht als Vergnügungsstätte dar. Dies ergibt sich zum einen aus dem beim Augenschein gewonnenen Eindruck, wonach sowohl die Toto/Lotto/Oddset-Annahmestelle als auch die im rückwärtigen Bereich vorhandenen internetfähigen Computerplätze den vorhandenen Nutzungsmix nicht dominieren, sondern dies von der vorhandenen Theke mit dem Warenangebot und den angebotenen Dienstleistungen aus erfolgt. Dafür spricht auch neben der räumlichen und optischen Dominanz dieser Nutzungsteile die außen an der Ladenfassade und den Fenstern bzw. der Tür angebrachte Werbung, bei der neben einem kleinen beleuchteten Werbekasten für Lotto Bayern und einem kleinen beleuchteten Werbekasten für das Internetcafe weitere beleuchtete Werbekästen für die im Laden angebotenen Dienstleistungen sowie zahlreiche Beklebungen und Werbeaufdrucke für die im Laden angebotenen Waren und Dienstleistungen vorhanden sind, die das Erscheinungsbild dominieren und neben denen auch der an der Tür befestigte Aushang mit dem Jackpot der Woche für Lotto untergeordnet erscheint. Gerade die daneben im Anwesen … Straße …, aber auch im Anwesen … Straße …vorhandene vollflächige Schaufensterbeklebung mit Werbung für Sportwetten zeigt, dass es sich bei der Mischnutzung im Anwesen … Straße … um eine sich deutlich vom Gesamteindruck eines Wettbüros abhebende Nutzung handelt. Dem stehen auch die vorhandenen Bildschirme mit Internetanschluss nicht entgegen, da mit diesen zwar wie mit jedem internetfähigen Gerät ein Zugriff auf die im Internet vorhandenen Glücksspiel- oder Wettseiten möglich ist. Allerdings wird hierfür weder geworben noch in sonstiger Weise ein Anreiz dafür geschaffen, anders als etwa in einer Vergnügungsstätte, bei der der Kunde durch die großflächigen Anzeigen von Wettmöglichkeiten und Wettquoten in auffälliger Weise über das Wettangebot informiert und somit zum Abschluss von Wetten bewegt werden soll. Auch die an der Ladentür aufgedruckten Öffnungszeiten für diese Nutzung Mo-Sa von 8.00 Uhr bis 23.00 Uhr und Sonn- und Feiertag von 12.00 Uhr bis 23.00 Uhr führen zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen widersprechen sie bezogen auf das Internetcafe der Betriebsbeschreibung zum Bauantrag vom 28. April 2012, bei denen die Öffnungszeiten entsprechend den normalen Ladenöffnungszeiten bis maximal 20.00 Uhr sowie ohne Öffnung an Feiertagen aufgeführt ist, so dass eine genehmigte Nutzung diesbezüglich über die Ladenöffnungszeiten hinaus nicht gegeben ist. Entsprechendes gilt für die Toto/Lotto und Oddset-Wettannahmestelle, die als Teil der Verkaufsstelle § 1 des Ladenschlussgesetzes unterliegt.
Was den Hinweis des Klägervertreters auf eine im Anwesen …Straße … im Erdgeschoss geplante Pilsbar angeht, so wird diese derzeit nicht betrieben, die betreffenden Räume sind nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme ungenutzt und werden umgebaut, so dass eine Prägung hiervon nicht ausgeht.
Die maßgebliche nähere Umgebung um das Baugrundstück entspricht hiernach einem allgemeinen Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO i.V.m. § 34 Abs. 2 BauGB, dort sind Vergnügungsstätten weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig.
1.3 Das von der Beklagten zur Genehmigung gestellte Bauvorhaben stellt eine Vergnügungsstätte dar, dies ergibt sich neben der Größe und Ausstattung auch aus der geplanten Aufstellung von Quotenbildschirmen und Bildschirmen, an denen elektronisch Wetten abgegeben werden können neben der Abgabe von Wettscheinen. Denn damit werden im hier geplanten Wettbüro sogenannte Live-Wetten ermöglicht, die nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 15.1.2016 – 9 ZB 14.1146 – juris), der sich die Kammer anschließt, zur Einstufung einer Wettannahmestelle als Wettbüro und Vergnügungsstätte führen. Hinzu kommt, dass die geplante Nutzung auf Grund ihrer beträchtlichen Größe und den geplanten umfangreichen Sitzmöglichkeiten gerade im Hinblick auf die sich verändernden Wettquoten zum Aufenthalt, zur Beobachtung der Entwicklung und möglicherweise zum Abschluss weiterer Wetten einlädt. Dabei ist nicht entscheidungserheblich, ob die hier heranzuziehende Nutzfläche des Wettbüros, wie vom Architekten im Bauantrag angegeben, 101,37 m2 beträgt oder weniger als 100 m2, wie vom Klägervertreter, allerdings ohne substantiierte Darlegung insoweit, behauptet wird, da jedenfalls nach den Einzeichnungen im mit den Bauvorlagen vorgelegten Plan „Grundriss EG“ eine Wettannahme einmal mit 72,28 m2 und noch einmal mit 6,66 m2 Fläche vorhanden ist, wobei noch der Eingangsbereich mit 7,75 m2 hinzuzurechnen sein wird. Hinzu kommt, dass der von der Klägerin gestellte Bauantrag ersichtlich und auch nach dem Vortrag des Klägervertreters der Weiterführung der bisher ausgeübten Nutzung als Wettbüro dient, so dass auch der bisherige Wettbetrieb vom Umfang und Gepräge her ergänzend herangezogen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 19.7.2016 – 9 ZB 14.1147 – juris). Demnach handelt es sich hier um ein großzügiges, mit zahlreichen Bildschirmen und Sitzgelegenheiten bestücktes und auch vom Straßenbild von weitem erkennbares Wettbüro, wozu auch ergänzend die umfangreiche Werbebeklebung der Schaufenster beiträgt. Keinesfalls kann hier davon ausgegangen werden, dass es sich um eine ladenmäßige, etwa einer kleinen Toto/Lotto-Annahmestelle vergleichbare und im allgemeinen Wohngebiet gebietsverträgliche Nutzung handelt.
Damit war die Ablehnung des Bauantrags wegen bauplanungsrechtlicher Unzulässigkeit rechtmäßig, so dass die Frage, ob auch bauordnungsrechtliche Bedenken gegen die Genehmigung bestehen und ob diese ausräumbar sind oder nicht, wie etwa die Frage der Notwendigkeit des Nachweises weiterer Stellplätze, hier nicht entscheidungserheblich ist.
Damit hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung für das geplante Vorhaben, ebenso besteht kein Anspruch auf Neuverbescheidung, da der der den Bauantrag ablehnende Ausspruch des angefochtenen Bescheids rechtmäßig erging, so dass die Klage insoweit abzuweisen war.
2. Auch die Regelung in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids vom 27. November 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung einer Anlage untersagt werden, wenn sie öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Eine Nutzung von Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die den Erlass einer Nutzungsuntersagung rechtfertigt, liegt bei einem genehmigungspflichtigen Vorhaben grundsätzlich schon dann vor, wenn das Vorhaben ohne Baugenehmigung ausgeführt wird. Über die formell rechtswidrige Nutzung hinaus ist nicht zu prüfen, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Allerdings darf eine formell rechtswidrige Nutzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit regelmäßig dann nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.2.2015 – 1 B 13.648 – juris).
Nach diesen Vorgaben ist die streitgegenständliche Nutzungsuntersagung nicht zu beanstanden. Die Nutzung der streitgegenständlichen Räume als Wettbüro steht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften, da es sich um eine nicht genehmigte, aber baugenehmigungspflichtige Nutzungsänderung handelt (vgl. 2.1.). Die Anordnung der Nutzungsuntersagung weist keine Ermessensfehler auf (2.2), sie ist insbesondere verhältnismäßig, da die geänderte Nutzung nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist (2.2.1). Auch die Auswahl des in Anspruch genommenen Adressaten ist nicht zu beanstanden (2.2.2). Die Androhung des Zwangsgeldes begegnet keinen rechtlichen Bedenken (2.3).
2.1 Die im Erdgeschoss links des Gebäudes … Straße … in … ausgeübte Nutzung als Wettbüro ist in formeller Hinsicht rechtswidrig, da die erforderliche Baugenehmigung für die Nutzungsänderung nach Art. 55 Abs. 1 BayBO nicht vorliegt. Die Änderung der Nutzung der gegenständlichen Räume von Laden und Schneiderei entsprechend der ursprünglichen Baugenehmigung aus dem Jahr 1963 in ein Wettbüro ist nicht nach Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO verfahrensfrei zulässig, da für die neue Nutzung andere öffentlich-rechtliche Anforderungen in Betracht kommen als für die bisherige Nutzung, so etwa die bauplanungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen oder die Stellplatzpflicht. Auch verlässt die nunmehrige Nutzung als Wettbüro, wie sie zur Zeit des Erlasses des Bescheids am 27. November 2017 und auch noch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sowie des in unmittelbarem Zusammenhang stattgefundenen Augenscheins betrieben wurde, die Bandbreite der genehmigten Nutzung.
Die tatsächlich ausgeübte und von der Beklagten aufgegriffene Nutzung stellt ein Wettbüro dar. Als solches werden Betriebe bezeichnet, in denen zwischen dem Kunden, dem Wettbüro als Vermittler und dem teilweise im europäischen Ausland ansässigen Wettunternehmen Sportwetten oder Wetten auf diverse sonstige Ereignisse abgeschlossen werden. Sowohl nach den Feststellungen der Beklagten bei den vor der Nutzungsuntersagung erfolgten Ortseinsichten als auch beim Augenschein durch das Gericht wird in den gegenständlichen Räumen zweifelsfrei ein Wettbüro betrieben, dies zeigt die vorhandene Ausstattung, insbesondere die zahlreich vorhandenen Quotenbildschirme, die Sitzgelegenheiten, die Tische mit Stühlen und auch die Sitzbänke vor den Fenstern; hinzu kommen die vier großen Bildschirme mit Sportübertragung, der Getränkeautomat sowie der Zigarettenautomat. Auch der Umfang der genutzten Fläche, nach Angabe der Beklagten 129,46 m2, wenn man den Bereich im rückwärtigen Raum hinter der Theke miteinbezieht, aber selbst bei Abzug der Fläche hinter der Theke von ca. 100 m2 ebenso wie das Erscheinungsbild und die Werbung an den großen Fenstern und an der Tür zeigen nach Auffassung der Kammer, dass es sich im vorliegenden Fall um ein Wettbüro, nicht aber um eine ladenmäßig betriebene Wettannahmestelle handelt. Denn die Räumlichkeiten bieten abgesehen von ihrer Größe auch durch die Verbindung der Wettgelegenheit, dem Verfolgen von Sportübertragungen, der laufenden Verfolgung der Wettquoten auf den Bildschirmen sowie den zahlreichen Sitzgelegenheiten gerade die Gelegenheit und den Anreiz zum geselligen Aufenthalt. Damit ist hier von einem Wettbüro in Gestalt einer Vergnügungsstätte auszugehen, wobei die Frage, ob es sich um eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte oder nicht handelt, für die vorliegende Entscheidung nicht von Bedeutung ist. Denn auch eine nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätte unterliegt bauplanungsrechtlich anderen Anforderungen als die genehmigte Nutzung als Laden und Schneiderei, die Nutzungsänderung weist auch eine für ein Vorhaben im Sinn von § 29 Abs. 1 BauGB erforderliche bodenrechtliche Relevanz auf. Die genehmigungspflichtige Nutzungsänderung ist mangels einer erforderlichen Baugenehmigung für das Vorhaben formell baurechtswidrig, die ausgeübte Nutzung steht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne des Art. 76 Satz 2 BayBO.
2.2 Die Beklagte hat das ihr eingeräumte Ermessen rechtsfehlerfrei innerhalb der gesetzten Grenzen und unter Berücksichtigung des Zwecks der Eingriffsermächtigung ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO). Falls wie hier die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung vorliegen, muss im Regelfall nicht näher begründet werden, weshalb von der Eingriffsbefugnis Gebrauch gemacht wird, eine weitergehende Begründung der Ermessenserwägung ist somit entbehrlich, da es sich bei dem durch Art. 76 Satz 2 BayBO eingeräumten Entschließungsermessen um ein sogenanntes intendiertes Ermessen handelt. Demnach ist die Ermessensbetätigung der Beklagten nicht zu beanstanden.
Die angeordnete Nutzungsuntersagung ist verhältnismäßig, insbesondere da das genehmigungspflichtige Vorhaben nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist (2.2.1). Auch die Auswahl des in Anspruch genommenen Adressaten ist nicht zu beanstanden (2.2.2).
2.2.1 Im Hinblick auf die hier ausgeübte und von der Beklagten untersagte Nutzung als Wettbüro lässt sich auf Grund der Feststellungen in den Akten und beim Augenschein mit hinreichender Sicherheit beurteilen, dass das Vorhaben nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist. Das streitgegenständliche Vorhaben liegt nicht im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans, die Gebietseinstufung nach § 34 Abs. 1 BauGB mit der Feststellung, ob ein Baugebiet im Sinn der §§ 34 Abs. 2 BauGB, 2 ff. BauNVO vorliegt, erforderten eine Beweisaufnahme in Form eines Augenscheins. Sowohl die qualitative Einstufung der näheren Umgebung, aber auch schon die Bestimmung des Umfangs der heranzuziehenden Bebauung und Nutzungen ist unter den Parteien umstritten und musste durch Beweisaufnahme vor Ort geklärt werden, eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit der untersagten Nutzung liegt allein deshalb nicht vor.
Im Übrigen liegt das Baugrundstück in einem Bereich, der als allgemeines Wohngebiet nach §§ 4 BauNVO, 34 Abs. 2 BauGB einzustufen ist (siehe oben 1.2).
Damit ist ein Wettbüro in Form einer Vergnügungsstätte hier planungsrechtlich unzulässig, keinesfalls kann aber davon ausgegangen werden, dass ein entsprechendes Vorhaben im hier gegenständlichen Bereich offenkundig bauplanungsrechtlich zulässig wäre. Damit erging die angeordnete Nutzungsuntersagung insoweit verhältnismäßig.
2.2.2 Auch die Störerauswahl der Beklagten ist hier nicht zu beanstanden.
Bauaufsichtsrechtliche Anordnungen ergehen gegenüber derjenigen Person, die die sicherheitsrechtliche Verantwortung für den baurechtswidrigen Zustand trägt. Mangels spezialgesetzlicher Regelung in der Bayerischen Bauordnung ist für die Auswahl des in Anspruch zu nehmenden Adressaten auf die allgemeinen sicherheitsrechtlichen Grundsätze zurückzugreifen, insbesondere auf Art. 9 LStVG. Demnach kann die Anordnung sowohl gegenüber dem sogenannten Handlungsstörer, dem Zustandsstörer oder dem Nichtstörer ergehen. Handlungsstörer ist derjenige, dessen Verhalten die Gefahr oder die Störung verursacht hat, Zustandsstörer ist der Inhaber der tatsächlichen Gewalt oder der Eigentümer einer Sache oder einer Immobilie, deren Zustand Grund für die Gefahr oder die Störung ist.
Handlungsstörer ist bezogen auf die Nutzungsuntersagung also derjenige, der für die formelle und materiell rechtswidrige Nutzung unmittelbar verantwortlich ist. Die baurechtswidrige Nutzung der Räumlichkeiten ist vorliegend einerseits dadurch veranlasst, dass die …GmbH als Pächterin der Räumlichkeiten durch die Ausübung des auf sie angemeldeten Gewerbes ein Wettbüro betreibt, andererseits aber auch dadurch, dass die Klägerin durch den Bauantrag den Weiterbetrieb des Wettbüros, ob durch die … GmbH oder einen anderen Betreiber, ermöglichen und bewirken will. Damit geht ihr Handeln über die bloße Verpachtung der Räume hinaus, die Klägerin übernimmt durch den Bauantrag die Bauherrschaft und damit die Regelung der Art und des Umfangs der zur Genehmigung gestellten Nutzung. Auch führt die Stellung des Bauantrags, sofern dieser nicht offensichtlich aussichtslos erscheint, erfahrungsgemäß zu einer Zurückhaltung der BOB beim Einschreiten gegen den ungenehmigten Betrieb des Wettbüros, wie auch die Argumentation des Klägervertreters und die Tatsache, dass ein weiterer, modifizierter Bauantrag für ein Wettbüro bzw. eine Wettannahme in diesem Räumen gestellt wurde, zeigen.
Bei einer Mehrheit von Störern hat die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen über deren Inanspruchnahme zu entscheiden. Gesetzliche Richtschnur für die fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens unter mehreren Störern sind die Umstände des Einzelfalles, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und auch das Gebot der schnellen und effektiven Gefahrbeseitigung. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Handlungsstörer durch seine Tätigkeit mehr zur Störung der Rechtsordnung beiträgt als etwa der Grundstückseigentümer als Zustandsstörer, wird es dabei regelmäßig sachgerecht sein, den Handlungsstörer vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen (vgl. BayVGH, B.v. 28.5.2001 – 1 ZB 01.664 – juris). Nach dem Grundsatz der effektiven Bekämpfung des rechtswidrigen Zustandes ist es ermessensfehlerfrei, sowohl die Klägerin als auch die Pächterin oder Mieterin der Räumlichkeiten und Betreiberin des Wettbüros in Anspruch zu nehmen (vgl. BayVGH, B.v. 16.2.2015 – 1 B 13.648 – juris).
Dass die Beklagte gleichzeitig mit der Nutzungsuntersagung gegen die Klägerin auch eine bauaufsichtsrechtliche Anordnung mit dem Ziel der Beendigung der Nutzung und der Verhinderung der Wiederaufnahme einer gleichartigen Nutzung gegen den Eigentümer … erlassen hat, steht ungeachtet der Frage der Rechtmäßigkeit dieser Anordnung jedenfalls der Anordnung gegenüber der Klägerin als Handlungsstörerin nicht entgegen.
Die streitgegenständliche Nutzungsuntersagung gegenüber der Klägerin stellt sich danach nicht als unverhältnismäßig dar, ein schonenderes Mittel der Gefahrenabwehr zur Herstellung rechtmäßiger Zustände ist nicht ersichtlich. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder eine willkürliche Vorgehensweise der Beklagten ist nicht ersichtlich, insbesondere nachdem auch eine vergleichbare Nutzung im Nachbaranwesen …Straße … aufgegriffen und bauordnungsrechtlich geahndet wurde.
Die der Klägerin in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids vom 27. November 2017 gegenüber ergangene Anordnung ist auch nicht unbestimmt, es handelt sich im Übrigen auch um eine einheitliche Anordnung, die einer Nutzungsuntersagung für die bezeichneten Räume entspricht. Denn die Nutzungsuntersagung als Dauerverwaltungsakt umfasst sowohl das Verbot, die Räume selbst zu dem untersagten Zweck weiter zu nutzen als auch die Räume durch einen Dritten zu demselben Zweck nutzen zu lassen, so dass die Anordnungen in Satz 1 und 2 der Nr. 2 des angefochtenen Bescheids im Kern die gleiche Regelung betreffen.
Die angefochtene Nutzungsuntersagung im angefochtenen Bescheid vom 27. November 2017 erweist sich somit als rechtmäßig.
3. Auch das angedrohte Zwangsgeld begegnet keinen rechtlichen Bedenken, nachdem die durchzusetzende Unterlassungspflicht rechtmäßig angeordnet wurde. Im Hinblick auf die Größe und Ausstattung des Wettbüros scheint es keinesfalls als überhöht, entsprechende substantiierte Einwendungen wurden insofern auch nicht erhoben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Zulassung der Berufung war hier nicht veranlasst, da keiner der Zulassungsgründe nach §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO vorliegt.

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