Aktenzeichen Au 5 K 17.1555
Leitsatz
1 Ob Baugrenzen oder Baulinien nachbarschützend sind oder ausschließlich städtebauliche Aussagen treffen, beurteilt sich nach ihrer Zweckbestimmung. Eine derartige Zweckbestimmung lässt sich nur im Fall der Festsetzung von Baugrenzen oder Baulinien in einem Bebauungsplan nachvollziehen. Im Fall einer faktischen Baugrenze oder Baulinie ist hierfür kein Raum. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2 Dem Nachbarn steht kein allgemeiner Schutzanspruch auf Nichtausführung objektiv nicht genehmigungsfähiger Vorhaben im Außenbereich zu. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3 Für eine Berufung auf ein drittschützendes Gebot der Rücksichtnahme ist regelmäßig kein Raum, wenn hinsichtlich der Rechte, deren Verletzung geltend gemacht wird, bauordnungsrechtliche Bestimmungen einschlägig sind und das Vorhaben ihnen, soweit sie nachbarschützend sind, entspricht. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthafte Klage auf Aufhebung der Baugenehmigung vom 11. September 2017 bzw. des dieser vorausgegangenen Vorbescheides des Beklagten vom 7. April 2017 ist zulässig, aber in der Sache unbegründet. Die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung und der dieser Baugenehmigung vorangegangene Vorbescheid vom 7. April 2017 verletzen den Kläger nicht in ihn nachbarschützenden subjektiv-öffentlichen Rechten.
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Kläger klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO, denn er kann geltend machen, durch die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung bzw. den Vorbescheid vom 7. April 2017 möglicherweise in eigenen Rechten verletzt zu sein. Der Kläger ist als Eigentümer des nordwestlich an das vorgesehene Baugrundstück angrenzenden Grundstücks Fl.Nr. … der Gemarkung, unmittelbarer Grundstücksnachbar zu dem von den Beigeladenen in Aussicht genommenen Baugrundstück. Insoweit ist es für die Zulässigkeit der Klage ausreichend, dass eine Verletzung eigener Rechte nicht von vorne herein ausgeschlossen ist; ob tatsächlich eine Rechtsverletzung des Klägers vorliegt, ist indessen eine Frage der Begründetheit der Klage.
Ob eine Verletzung eigener Rechte in Betracht kommt, beurteilt sich danach, ob eine Verletzung solcher Vorschriften des öffentlichen Baurechts in Betracht kommt, die Drittschutz vermitteln und der Rücksichtnahme auf individuelle Interessen oder deren Ausgleich untereinander dienen (vgl. BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8/84 – juris).
Ausgehend hiervon ist nicht von vorne herein auszuschließen, dass der Kläger möglicherweise durch den der Baugenehmigung vorangegangenen Bauvorbescheid (Art. 71 BayBO) bzw. die nachfolgende Baugenehmigung vom 11. September 2017 für ein Einfamilienhaus mit Doppelgarage verletzt sein könnte oder ihm gegenüber ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme vorliegen könnte.
2. Die Klage führt in der Sache nicht zum Erfolg, denn die angefochtene Baugenehmigung vom 11. September 2017 und der dieser vorausgegangene Bescheid des Beklagten vom 7. April 2017 verstoßen nicht gegen solche öffentlich-rechtliche Bestimmungen, die dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt sind, also subjektiv-rechtlichen Charakter aufweisen, so dass der Kläger nicht in eigenen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt wird.
Eine Baunachbarklage kann ohne Rücksicht auf die etwaige objektive Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung nur dann Erfolg haben, wenn die erteilte Genehmigung gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die gerade auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind und dieser dadurch in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen ist. Eine Verletzung von Nachbarrechten kann darüber hinaus wirksam geltend gemacht werden, wenn durch das Vorhaben das objektiv-rechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird, dem drittschützende Wirkung zukommen kann.
Diese Grundsätze gelten sowohl für einen einer Baugenehmigung vorausgegangenen Bauvorbescheid im Sinne von Art. 71 BayBO als auch für die das Bauvorhaben umfassend beurteilende Baugenehmigung im Sinne des Art. 68 Abs. 1 BayBO. Nachdem in beiden Fällen für den Erfolg einer Nachbarklage Voraussetzung ist, dass der betroffene Nachbar in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist, bedarf es vorliegend auch keiner Entscheidung darüber, ob im mit der Klage angegriffenen Schreiben des Beklagten vom 7. April 2017 ein Bauvorbescheid im Sinne der gesetzlichen Bestimmung des Art. 71 BayBO zu erblicken ist. Weiter bedarf es vorliegend keiner Entscheidung über die Frage, ob das Schreiben des Beklagten vom 7. April 2017, falls es als Bauvorbescheid im Sinne des Art. 71 BayBO gewertet wird, durch die nachfolgend am 11. September 2017 erteilte Baugenehmigung überholt und konsumiert worden ist (vgl. zu dieser streitigen Frage Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand: November 2017 Art. 71 Rn. 115 ff). Da auch bei Annahme einer selbstständigen Fortwirkung eines Bauvorbescheides neben einer nachfolgend erteilten Baugenehmigung ein Erfolg der Nachbarklage nur dann gegeben ist, wenn der jeweils betroffene Nachbar durch die angegriffenen Bescheide in subjektiv-öffentlichen eigenen Rechten betroffen ist, kann dahinstehen, ob der Beklagte dem Schreiben vom 7. April 2017 tatsächlich die Bedeutung einer Entscheidung im Sinne des Art. 71 BayBO beigemessen hat bzw. aus Sicht des Klägers dem Schreiben dieser objektive Erklärungswert beizumessen war.
3. Das Vorhaben verstößt nicht gegen im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfende bauplanungsrechtliche Vorschriften, die zu einer Verletzung von Nachbarrechten des Klägers führen. Dabei kann letztlich dahingestellt bleiben, ob der Beklagte in Bauvorbescheid und Baugenehmigung zurecht davon ausgegangen ist, dass sich das Baugrundstück der Beigeladenen und hier insbesondere der in Aussicht genommene konkrete Standort des Einfamilienhauses im äußersten Westen des Baugrundstücks noch im Innenbereich (§ 34 BauGB) befindet oder ob das gesamte Grundstück bereits dem Außenbereich (§ 35 BauGB) zuzurechnen ist. In beiden Fällen ist keine Verletzung drittschützender Normen erkennbar.
3.1 Geht man von einer Lage des Baugrundstücks im Innenbereich aus, wofür nach Auswertung von Lageplänen und den Erkenntnissen des Ortsaugenscheins vom 13. März 2018 sowohl die nördlich auf dem Grundstück des Klägers als auch die südlich auf den Grundstücken … und … bzw. … vorhandene Bebauung, die sich ebenfalls in wesentlichen Teilen nach Osten in die bislang vorhandenen Freiflächen erstreckt, sprechen könnte, lässt sich ein Abwehranspruch des Klägers gegen die beabsichtigte Bebauung der Beigeladenen nicht begründen. Bei Annahme einer Lage im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB) kann letztlich dahingestellt bleiben, ob es sich bei der festzustellenden näheren Umgebung, die eine wechselseitige Prägung von Baugrundstück und Umgebung verlangt, um ein faktisches Baugebiet im Sinne des § 34 Abs. 2 BauGB bzw. um einen Fall des § 34 Abs. 1 BauGB handelt.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung (BauNVO), so beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 34 Abs. 2 BauGB nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre.
Ein Erfolg der Klage ergibt sich nicht bereits aus der von den Beigeladenen beabsichtigten künftigen Wohnnutzung auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung …. Hinsichtlich der Art der künftigen baulichen Nutzung des Grundstücks ist diese bauplanungsrechtlich zulässig. Sie hält sich innerhalb der in der näheren Umgebung vorzufindenden Variationsbreite prägender Nutzungen. Der in § 34 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BauGB verwendete Begriff der näheren Umgebung stellt dabei auf die wechselseitige Prägung von Bauvorhaben und Umgebung ab. Maßgeblich ist insoweit das Straßengeviert, in welches das künftige Bauvorhaben eingebettet ist. Dieses wird vorliegend nach Auswertung der Luftbildaufnahmen und den Erkenntnissen des Augenscheins vom 13. März 2018 gebildet durch die im Westen verlaufende …gasse, im Osten die …-Straße, die …-Straße im Norden und die …straße im Süden des Bauquartiers. Hier befindet sich zum weit überwiegenden Teil reine Wohnnutzung. Ob sich aufgrund der Darstellung im Flächennutzungsplan als Mischgebiet (MI) im Sinne von § 6 BauNVO hier etwas anderes ergibt, bedarf ebenfalls keiner Entscheidung. Unabhängig davon, ob man die nähere Umgebung als faktisches allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO oder als faktisches Mischgebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO begreift, ist die von den Beigeladenen beabsichtigte künftige Wohnnutzung jedenfalls allgemein zulässig (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 bzw. § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO). Die von den Beigeladenen beabsichtigte Nutzung entspricht im Übrigen der Nutzung des klägerischen Grundstücks. Vor diesem Hintergrund scheidet eine Verletzung des drittschützenden Gebietserhaltungsanspruchs, welcher auch in einem faktischen Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB Geltung beansprucht, aus. Kommt man im maßgeblichen Bauquartier zu der Einschätzung, dass es keinem der in § 34 Abs. 2 BauGB typisiert aufgezählten Baugebiete entspricht, so liegt nur eine bloße Gemengelage vor, bei der für die Annahme eines Gebietserhaltungsanspruches bereits begrifflich kein Raum bleibt. Auch diesbezüglich wäre dann ausgehend von den tatsächlich vorgefundenen Nutzungen die von den Beigeladenen beabsichtigte Wohnnutzung unproblematisch zulässig, da sie sich im Rahmen der bereits vorhandenen Nutzungen bewegt.
3.2 Ob, wie der Bevollmächtigte des Klägers meint, das Bauvorhaben bei angenommener Lage im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB eine rückwärtige Baugrenze zu den Grundstücken Fl.Nr. … und … der Gemarkung … verletzt, bedarf ebenfalls keiner Entscheidung. Selbst bei Annahme einer derartigen rückwärtigen Baugrenze im Sinne des § 23 Abs. 1 BauNVO, wäre diese nicht geeignet, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen und einen Erfolg seiner Klage zu begründen.
Dabei kann dahinstehen, ob mit wohl überwiegender Rechtsprechung Baugrenzen als Element des Maßes der baulichen Nutzung generell nachbarschützende Wirkung abgesprochen wird (vgl. VG München, B.v. 1.9.2010 – M 8 SN 10.3907 – juris) oder ob davon auszugehen ist, dass im Rahmen eines Bebauungsplans festgesetzte seitliche Baugrenzen und Baulinien regelmäßig nachbarschützend sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 2.6.2003 – 8 S 1098/03 – juris). Dies bedarf vorliegend keiner Entscheidung, denn soweit in der Rechtsprechung Baugrenzen überhaupt nachbarschützende Wirkung beigemessen wird, bezieht sich dies stets auf durch Bebauungsplan förmlich festgesetzte Baugrenzen (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2015 – 1 CS 15.2207 – juris Rn. 8). Vorliegend handelt es sich indes allenfalls um eine faktische, einer gemeindlichen Zweckbestimmung im Rahmen der planerischen Entscheidung mithin entzogene Baugrenze. Dieser kommt keine drittschützende Wirkung zu (vgl. Geiger in Birkl, Stand: September 2015, Bauplanungs- und Immissionsschutzrecht, Rn. E 150). Dem maßgeblich objektiv-rechtlichen Rücksichtnahmegebot – hier entnommen aus dem Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB – kommt nur ausnahmsweise eine drittschützende Wirkung zu. Eine Ausnahme in diesem Sinne liegt nur vor, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Dies schließt eine erfolgreiche Berufung auf die Einhaltung tatsächlicher faktischer Baugrenzen oder Baulinien aus. Ob Baugrenzen oder Baulinien nachbarschützend sind oder ausschließlich städtebauliche Aussagen treffen, beurteilt sich nach ihrer Zweckbestimmung (Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 23 Rn. 6). Eine derartige Zweckbestimmung lässt sich nur im Fall der Festsetzung von Baugrenzen oder Baulinien in einem Bebauungsplan nachvollziehen. Im Fall einer faktischen Baugrenze oder Baulinie ist hierfür kein Raum, da es an einer für die drittschützende Wirkung maßgeblichen planerischen Entscheidung der Gemeinde fehlt (VGH Baden-Württemberg, B.v. 15.11.1994 – 8 S 2937/94 – juris Rn. 3; OVG Sachsen, B.v. 20.10.2005 – 1 BS 251/05 – BauR 2006, 1104 ff.).
Überdies bleibt festzuhalten, dass es sich selbst bei Annahme einer Baugrenze im Sinne des § 23 Abs. 1 BauNVO um eine solche an der dem Kläger abgewandten Ostseite des Grundstückes zu den rückwärtigen, bislang unbebauten Grundstücksflächen handeln würde.
3.3 Sofern man mit dem Bevollmächtigten des Klägers von einer Lage des Baugrundstückes im Außenbereich (§ 35 BauGB) ausgehen wollte, ist ebenfalls keine Rechtsverletzung des Klägers in eigenen Rechten erkennbar. Geht man vorliegend von einer Außenbereichslage des Grundstücks der Beigeladenen nach § 35 BauGB aus, so scheidet ein Gebietserhaltungsanspruch von vorne herein aus. Den Nachbarn steht kein allgemeiner Schutzanspruch auf Nichtausführung objektiv nicht genehmigungsfähiger Vorhaben im Außenbereich zu (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger BauGB, Stand August 2017, § 35 Rn. 187). Ein Anspruch auf Erhaltung der Außenbereichsqualität ist nicht anzuerkennen (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1999 – 4 B 38.99 – juris).
Damit ist es dem Kläger verwehrt, sich auf das objektive Vorliegen der Voraussetzungen für eine Baugenehmigung im Außenbereich zu berufen. Der vorgetragene öffentliche Belang der Entstehung einer Splittersiedlung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB) und auch die sinngemäß vorgetragene Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft infolge der Veränderung des bislang unberührt vorhandenen Grüngürtels zwischen der Bebauung westlich entlang der …-Straße bzw. östlich der Bebauung an der …gasse (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) sind jeweils Ausfluss der gesetzgeberischen Intention, den Außenbereich bestmöglich zu schonen und von Bebauung grundsätzlich frei zu halten. Sie bestehen damit im öffentlichen Interesse und vermitteln dem Kläger keinen Drittschutz. Gleiches gilt für die in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB genannten Darstellungen des Flächennutzungsplanes der Stadt ….
Der Kläger ist bei Annahme einer Lage des Baugrundstücks im Außenbereich auf das bauplanungsrechtliche Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme verwiesen, welches über § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB bzw. als ungeschriebener Belang, bei Annahme eines Innenbereichs über den Begriff des „Einfügens“ in
§ 34 Abs. 1 BauGB Einzug in die Zulässigkeitsprüfung findet (vgl. BayVGH, U.v. 10.5.2016 – 2 B 16.231 – juris).
3.4 Die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verstößt nicht zu Lasten des Klägers gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
Seine gesetzliche Ausprägung findet das Gebot der Rücksichtnahme, wenn ein Bauvorhaben bauplanungsrechtlich nach § 34 Abs. 2 BauGB zu beurteilen ist, in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Ist das Bauvorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen, so ist das Gebot der Rücksichtnahme indem in dieser Bestimmung genannten Begriff des „Einfügens“ enthalten (vgl. BVerwG, U.v. 18.10.1985 – 4 C 19.82).
Grundsätzlich hat das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme einen objektiv-rechtlichen Behalt (BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8/84 – NVwZ 1987, 409). Nachbarschützende Wirkung kommt ihm im Einzelfall insoweit zu, als in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Insoweit müssen die Umstände des Einzelfalles eindeutig ergeben, auf wen Rücksicht zu nehmen und inwieweit eine besondere rechtliche Schutzwürdigkeit des Betroffenen anzuerkennen ist (BVerwG, U.v. 5.8.1983 – 4 C 36/79 – BVerwGE 67, 334 ff).
Das Gebot der Rücksichtnahme besagt, dass ein Bauvorhaben im Einzelfall unzulässig ist, wenn von ihm Beeinträchtigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart der Umgebung unzulässig sind. Ob eine bauliche Anlage gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, wie schutzwürdig die Umgebung ist, wobei bestehende Vorbelastungen nicht außer Betracht bleiben dürfen (vgl. BVerwG, U.v. 21.1.1983 – 4 C 59/79 – BRS 40 Nr. 199). Eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme ist dann anzunehmen, wenn sich unter Abwägung der widerstreitenden Interessen im konkreten Einzelfall ergibt, dass die Verwirklichung des jeweiligen Bauvorhabens dem Nachbarn nicht mehr zugemutet werden kann. Dabei setzt der Schutz des Nachbarn bereits unterhalb der eigentumsrechtlich im Sinne des Art. 14 Grundgesetz (GG) maßgebliche Schwelle eines „schweren und unerträglichen Eingriffs“ ein. Allerdings ist für eine Berufung auf ein drittschützendes Gebot der Rücksichtnahme regelmäßig kein Raum, wenn hinsichtlich der Rechte, deren Verletzung geltend gemacht wird, bauordnungsrechtliche Bestimmungen einschlägig sind und das Vorhaben ihnen, soweit sie nachbarschützend sind, entspricht (BVerwG, B.v. 18.12.1985 – NVwZ 1986, 468).
Dies zugrunde legend ist ein Verstoß unter keinem in Betracht kommenden und vorgetragenen Aspekt für den Kläger gegeben. Zu beachten ist dabei insbesondere, dass das Rechtsinstitut der Nachbarklage dem Nachbarn nicht das Recht vermittelt, von jeglichen Beeinträchtigungen verschont zu werden. Ein Abwehranspruch entsteht erst dann, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht.
Was den Erschließungseinwand des Klägers betrifft, bleibt festzuhalten, dass die verkehrliche Erschließung von der …-Straße her erfolgt und insoweit gesichert ist (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bzw. § 35 Abs. 2 BauGB). Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Nutzung der Zufahrt zum Baugrundstück aufgrund ihrer Länge und ihres Verlaufs nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bzw. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB das darin verankerte Rücksichtnahmegebot verletzt, ist zu verneinen.
Soweit zunächst geltend gemacht wird, mit dem Bauvorhaben seien aufgrund der Lage der beabsichtigten Doppelgarage an der nördlichen Grundstücksgrenze zum Grundstück des Klägers für diesen unzumutbare Lärm bzw. Abgasimmissionen verbunden, ist davon auszugehen, dass sich die Fahrzeugbewegungen von zwei unterzubringenden Kfz im normalen Rahmen einer Wohnnutzung halten werden und insbesondere nicht – wie etwa bei gewerblichen Nutzungen – mit einer permanenten Anbinde- und Abfahrtsverkehr gerechnet werden muss. Überdies regelt § 12 Abs. 2 BauNVO, der allerdings nur in Plangebieten oder faktischen Plangebieten direkte Anwendung finden kann, dass Stellplätze und Garagen in Wohngebieten für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig sind. Hieraus folgt, dass die mit ihnen typischerweise verbundenen Lärm- und Geruchsimmissionen vom Nachbarn grundsätzlich zu dulden und hinzunehmen sind. Der mit einer Garagennutzung verbundene, auf das Nachbargrundstück einwirkende Verkehrslärm gehört zu einem durch Wohnnutzung geprägten Gebiet, er ist Begleiterscheinung der Kraftfahrzeugnutzung als üblichem Zubehör des täglichen Lebens und damit sozial-adäquat zumutbar. Weder die TA-Lärm noch die VDI-Richtlinie 2058 finden auf diese Art des Lärms Anwendung. Auch sind kurzfristige Überschreitungen der dortigen Immissionsrichtwerte für die Nacht grundsätzlich hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 11.6.1999 – 20 ZB 99.1359, 20 C 99.1360 – juris Rn. 5).
Zwar ist es zutreffend, dass ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme in Betracht kommen kann, wenn atypische Besonderheiten der Gestalt vorliegen, dass sich die Lage und Ausgestaltung der Garagen von den in dem Bauquartier bisher vorhandenen Garagen abhebt und ein Nachbar darauf vertrauen konnte, dass sein Gartenbereich auf Dauer von Kraftfahrzeuglärm, der von einer unmittelbar benachbarten Garage ausgeht, freibleibt (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2014 – 1 CS 14.397 – juris Rn. 16). Eine derartige atypische Situation, die den Kläger begünstigen könnte, vermag die Kammer vorliegend jedoch nicht zu erkennen. Dies insbesondere bereits deshalb, da vorliegend nicht, wie behauptet eine längere Vorbeifahrt am wohngenutzten Grundstück des Klägers stattfindet. Ausweislich der zum Gegenstand der Genehmigung erklärten Baupläne ist die Doppelgarage der Beigeladenen auf einer Höhe geplant, wo sich bereits der östliche Abschluss des klägerischen Grundstücks befindet. Die Vorbeifahrt, die der Kläger befürchtet, ist daher allenfalls von geringfügigem Umfang. Würde das Baugrundstück der Beigeladenen von der westlich gelegenen …gasse erschlossen, wäre die Vorbeifahrt am Grundstück des Klägers wesentlich länger. Überdies hat der Kläger keinen Anspruch auf unveränderte Beibehaltung des bislang vorhandenen Grüngürtels. Auch dessen Darstellung im Flächennutzungsplan verschafft ihm einen solchen unter Drittschutzaspekten nicht.
Soweit der Kläger diesbezüglich auf die Grundstücke Fl.Nr. … bzw. … der Gemarkung … verweist, ergibt sich kein anderes rechtliches Ergebnis. Das Grundstück mit der Fl.Nr. … der Gemarkung … ist unbebaut und vom Kläger derzeit lediglich gepachtet. Soweit fehlt es bereits an einer schützenswerten Nachbarstellung des Klägers im vorliegenden Verfahren. Hinsichtlich des Grundstücks mit der Fl.Nr. … der Gemarkung … ist der Kläger zwar Grundstückseigentümer, eine Vorbeifahrt im Wege der Erschließung des Hinterliegergrundstücks der Beigeladenen aber bereits insoweit angelegt, als hier bereits eine Erschließungsstraße von der …-Straße vorhanden ist. Inwiefern die Benutzung dieses Teilstücks der vorhandenen Erschließungsstraße für den Kläger unzumutbar sein soll, erschließt sich für die Kammer nicht. Eine nennenswerte Beeinträchtigung schützenswerter Wohnnutzungen des Klägers auf den Grundstücken Fl.Nr. … bzw. … der Gemarkung … durch eine mit dem Bauvorhaben verbundenen Fahrverkehr ist jedenfalls im Hinblick auf die vorgesehene Nutzung nicht anzunehmen.
Schließlich kann auch hinsichtlich der Größe und der Situierung des Baukörpers auf dem Beigeladenengrundstück keine Rücksichtslosigkeit festgestellt werden. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme kann nach der Rechtsprechung in Betracht kommen, wenn das Wohngebäude des Klägers durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird, ihm also „abriegelnde“ Wirkung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017; B.v. 25.1.2013 – 15 ZB 13.68; B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris), insbesondere bei übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris). Zu berücksichtigen ist dabei, dass auch die landesrechtlichen Vorschriften zu den Abstandsflächen – wenn auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht Prüfungsgegenstand – die Verhinderung einer unzumutbaren einmauernden oder erdrückenden Wirkung beabsichtigen und ein Mindestmaß an Belichtung, Belüftung und Besonnung des benachbarten Grundstücks sicherstellen sollen. Sind daher diese Vorschriften eingehalten, bildet dies ein Indiz dafür, dass auch gegen das Gebot der Rücksichtnahme diesbezüglich nicht verstoßen wird (vgl. BayVGH, B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2326; B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – jeweils juris). Danach ist ein Verstoß im vorliegenden Fall fernliegend. Das beabsichtigte Wohnhaus der Beigeladenen hält die landesrechtlich erforderlichen Abstandsflächen ein. Die beabsichtigte Doppelgarage kann ihrerseits die gesetzliche Privilegierung in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BauNVO für sich in Anspruch nehmen.
4. Auf die Verletzung nachbarschützender bauordnungsrechtlicher Vorschriften kann sich der Kläger nicht berufen, weil diese im hier einschlägigen vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (Art. 59 BayBO) nicht Prüfgegenstand sind.
Diesbezüglich ebenfalls nicht geeignet, einen Erfolg der Klage zu begründen, sind die vom Kläger gerügten Umstände des vom Beklagten durchgeführten Genehmigungsverfahrens. Sollte diesbezüglich ein Verfahrensfehler vorliegen, so führt dieser nicht zum Erfolg eines Nachbarrechtsbehelfs. Für einen solchen kommt es ausschließlich darauf an, ob das genehmigte Bauvorhaben selbst materiell-rechtswidrig ist und insoweit Rechte des Nachbarn verletzt (vgl. BayVGH, B.v. vom 2.2.2001 – 26 ZS 00.2347 – juris Rn. 12). Über etwaige formale Verstöße hinaus bedarf es stets einer Beeinträchtigung des Nachbarn in einer ihn schützenden materiell-rechtlichen Rechtsposition (vgl. Dirnberger in Simon/Busse a.a.O., Art. 66 Rn. 294), woran es vorliegend ersichtlich fehlt. Daher bedurfte es auch keiner vertiefenden Betrachtung des zur streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 11. September 2017 führenden Genehmigungsverfahrens. Ein Erfolg der Klage, gestützt auf diesen Umstand, ist bereits begrifflich ausgeschlossen.
5. Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.
Da sich die Beigeladenen ohne Antragstellung keinem Prozesskostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlich entstandenen Aufwendungen selbst zu tragen haben.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).