Aktenzeichen M 11 E1 17.4430
Leitsatz
1 Die Baugenehmigungsbehörde besitzt keine Normverwerfungskompetenz und darf daher einen für unwirksam erachteten Bebauungsplan nicht unangewendet lassen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb auf einem Standort errichtet wurde, der ursprünglich dem Außenbereich (§ 35 BauGB) zuzuordnen war, hindert dies nicht, dass bei zwischenzeitlich erfolgtem Heranrücken der Bebauung die Hofstelle nun einem Bebauungszusammenhang iSv § 34 Abs. 1 BauGB angehört. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3 Inhaber von lediglich schuldrechtlichen Rechten an einem Grundstück haben von vorne herein keine Möglichkeit, auf die Verletzung von baurechtlichen Vorschriften gestützte Nachbarrechtsbehelfe anzubringen (§ 42 Abs. 2 VwGO). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 3.750,- festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller zu 1) und 2) sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung … Auf dem Grundstück befindet sich ein landwirtschaftlicher Betrieb, mit dem die Antragsteller zu 1) und 2) im Jahr 1980 an diese Stelle ausgesiedelt sind und der mittlerweile an den Antragsteller zu 3) verpachtet ist. Dieser besteht aus einem Hofstellengebäude mit Wirtschaftsteil im Norden und Wohnteil im Süden. An den Wirtschaftsteil schließt sich östlich, in West-Ost-Ausrichtung, ein Stallgebäude an, an das sich östlich wiederum eine größere Freifläche anschließt. Im Norden befindet sich auf dem unmittelbar angrenzenden Grundstück ein Gebäude, an das sich ebenso eine größere Freifläche anschließt. Beides gehört nicht zum landwirtschaftlichen Betrieb der Antragsteller.
Unmittelbar südwestlich an das Grundstück FlNr. … grenzt das mit einem Wohngebäude bebaute Grundstück FlNr. …, Gemarkung … an. Unmittelbar südöstlich an das Grundstück FlNr. … grenzt das bisher unbebaute Grundstück FlNr. …, Gemarkung … an. Unmittelbar südlich des Grundstücks FlNr. … und der westlichen Hälfte des Grundstücks FlNr. … grenzt das Grundstück FlNr. …, Gemarkung … an. Dieses ist im westlichen Bereich mit einem Wohngebäude bebaut.
Mit Beschluss vom 6. April 2017 beschloss die Gemeinde … für die Grundstücke FlNr. … und …, die bisher grünlandwirtschaftlich genutzt wurden, im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. … „…straße“, dessen Ziel, aufgrund der landwirtschaftlichen Prägung und der entsprechenden Festsetzung im Flächennutzungsplan, die Ausweisung des Planbereichs als Dorfgebiet ist.
Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 16. Mai 2017, vom 31. Mai 2017 und vom 10. August 2017 ließen die Antragsteller Einwendungen gegen den Bebauungsplan im Rahmen des Aufstellungsverfahrens erheben.
Gemäß einer Stellungnahme des Landratsamts – Untere Immissionsschutzbehörde – vom 31. Mai 2017, die im Rahmen des Bauleitplanverfahrens eingeholt worden ist, bestünden aus immissionsschutzfachlicher Sicht erhebliche Bedenken gegen die Aufstellung des Bebauungsplans. Dies wurde damit begründet, dass die tatsächliche bauliche Nutzung im Bereich südlich des Betriebs der Antragsteller entgegen dem Flächennutzungsplan eher einem allgemeinen oder möglicherweise sogar reinen Wohngebiet entspreche. Für diesen Fall sei anhand der Bestandsgröße des Betriebs ein erforderlicher Mindestabstand von 57 m zur nächstgelegenen Wohnbebauung ermittelt worden. Auch sei in Betracht zu ziehen, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb gewisse Erweiterungsmöglichkeiten benötige. Hierbei sei insbesondere in Betracht zu ziehen, dass der Bundesrat bereits im April 2016 einen Beschluss hinsichtlich des Verbots der ganzjährigen Anbindehaltung auf den Weg gebracht habe. Sollte das Verbot in nächster Zeit in Kraft treten, werde ein erheblicher Erweiterungsbau notwendig, falls die Landwirtschaft weiterhin existieren solle. Durch die geplante Bebauung auf FlNr. … werde dem Betrieb die einzige Erweiterungsmöglichkeit, nämlich Richtung Osten, genommen.
Jeweils unter dem 16. August 2017 reichten die Beigeladenen eine Vorlage im Genehmigungsfreistellungsverfahren bei der Gemeinde … zum Neubau einer Doppelhaushälfte mit Garage und Carport auf dem Grundstück FlNr. … ein.
Mit Beschluss des Gemeinderats der Gemeinde … vom 24. August 2017 wurde der Bebauungsplan Nr. … „…straße“ als Satzung beschlossen. Gemäß Nr. 1.1.1 der textlichen Festsetzungen ist der gesamte Geltungsbereich des Bebauungsplans der Art der Nutzung nach als Dorfgebiet i.S.d. § 5 BauNVO festgesetzt.
Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans ging die Gemeinde … davon aus, dass aufgrund des Zuschnitts der noch freien Grundstücke u.a. im überplanten Gebiet, eine Ansiedlung landwirtschaftlicher Vollerwerbsbetriebe nicht mehr möglich sei. Denkbar seien eine maßvolle Erweiterung auf der südwestlich gelegenen FlNr. … bis an die …straße heran sowie eine nebenerwerbliche landwirtschaftliche Nutzung in Form von Gebäuden für Kleintierhaltung (Schafe, Ziegen, Hühner) im Bereich des großen Baufensters auf FlNr. … (vgl. S. 10 der Begründung des Bebauungsplans).
Ebenfalls am 24. August 2017 beschloss der Gemeinderat, dass für die Vorhaben der Beigeladenen jeweils kein Genehmigungsverfahren durchgeführt werden solle und die Gemeinde eine Untersagung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauGB nicht beantragen werde.
Dies wurde dem Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 5. September 2017, der Beigeladenen zu 2) mit Schreiben vom 4. September 2017 mitgeteilt.
Mit Schreiben der Beigeladenen vom 7. September 2017 teilten die Beigeladenen den Antragstellern zu 1) und 2) mit, dass im Rahmen des Bebauungsplans Nr. … „…straße“ jeweils Bauanträge im Genehmigungsfreistellungsverfahren zur Errichtung jeweils einer Doppelhaushälfte mit Garage und Carport auf dem Grundstück FlNr. … eingereicht worden waren. Mit selben Schreiben wurden die erstellten Genehmigungspläne im Rahmen der Nachbarbeteiligung zur Kenntnis übersandt.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 7. September 2017 ließen die Antragsteller einen Antrag auf Normenkontrolle nach § 47 VwGO bezüglich des Bebauungsplans Nr. … „…straße“ zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof stellen.
Jeweils unter dem 12. September 2017, eingegangen beim Landratsamt … … (im Folgenden: Landratsamt) jeweils am 18. September 2017, zeigten die Beigeladenen den Baubeginn an.
Im Folgenden wurde jeweils mit der Errichtung der Doppelhaushälften begonnen.
Mit Schriftsatz vom 15. September 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tag ließen die Antragsteller durch ihren Bevollmächtigen sinngemäß beantragen,
1.Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aufgegeben, die Arbeiten zur Errichtung zweier Doppelhaushälften mit Garagen und Carport auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, einstweilen einzustellen.
2.Bis zur Entscheidung der Kammer über diesen Antrag trifft der Vorsitzende eine Entscheidung nach §§ 123 Abs. 2 Satz 3, 80 Abs. 8 VwGO.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht:
Im Betrieb der Antragsteller würden ca. 31 Jungrinder mit Nachzucht gehalten. Die einzige betriebliche Weiterentwicklungsmöglichkeit für den vorhandenen Stall befinde sich im Osten. Durch die heranrückende Bebauung sei der Betrieb langfristig in seinem Bestand und v.a. in seiner Entwicklungsmöglichkeit gefährdet. Der Antragsteller zu 3) beabsichtige langfristig, die vorhandene Anbindehaltung abzuschaffen, den Tierbestand zu vergrößern und das Stallgebäude zu erweitern. Es müsse daher sichergestellt sein, dass die Auslaufflächen bis unmittelbar an die Grundstücksgrenzen uneingeschränkt gewährleistet seien. Der Abstand zwischen dem Wirtschaftsgebäude der Antragsteller und der gemeinsamen Grundstücksgrenze zum Grundstück FlNr. … betrage ca. 24 m. Es sei ein größerer Abstand zum Betrieb der Antragsteller zu wahren. Die Festsetzung als Dorfgebiet sei in planungsrechtlich unzulässiger Weise erfolgt, und zwar ausschließlich um den Anschein zu erwecken, dass die immissionsschutzrechtlichen Mindestabstände zwischen Wohnbebauung und dem landwirtschaftlichen Betrieb eingehalten werden können. Dieser betrage laut Stellungnahme der Immissionsschutzbehörde vom 30. März 2017 in einem Dorfgebiet 28,5 m, in einem Wohngebiet 57 m. Anders als hinsichtlich des Wohngebäudes auf FlNr. …, dessen Abstand vom Wirtschaftsteil 35 m betrage, und bezüglich dessen der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Jahr 1992 (1 CS 92.3007) festgestellt habe, dass unzumutbare Beeinträchtigungen nicht zu befürchten seien, da das Wohngebäude vom Wirtschaftsteil durch den Wohnteil der Hofstelle abgeschirmt werde, sei in Richtung der geplanten Bebauung auf FlNr. … keine abschirmende Wirkung durch den Wohnteil der Hofstelle gegeben. Die Festsetzung eines Dorfgebiets sei unwirksam, da es ausgeschlossen sei, dass sich dorfgebietsprägende Nutzungen, insbesondere landwirtschaftliche Betriebe ansiedelten. Der Gebietscharakter im Bereich des Planumgriffs entspreche allerdings dem eines Wohngebiets. Angesichts der umliegenden Bebauung auf den an das Plangebiet angrenzenden Grundstücken und insbesondere angesichts der auf dem Grundstück FlNr. … bereits vorhandenen Wohnbebauung sei es ausgeschlossen, dass sich auf dem Grundstück FlNr. … bzw. auf dem Grundstück FlNr. … ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb niederlassen könne. Dies müsse nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Wirksamkeit der Dorfgebietsfestsetzung allerdings zumindest möglich sein. Dies gelte insbesondere bei sehr kleinen Baugebieten, die zudem durch eine Erschließungsstraße zerschnitten seien und bei denen daher nicht erwartet werden könne, dass sich eine Mischung der in einem Dorfgebiet vorgesehenen Nutzungen umsetzen werde. Da die Festsetzung eines Dorfgebiets unzulässig sei und eine Festsetzung als Wohngebiet gemäß der Stellungnahme der unteren Immissionsschutzbehörde im Bebauungsplanverfahren mit dem landwirtschaftlichen Betrieb der Antragsteller unvereinbar wäre, könne eine Wohnbebauung auch nicht durch den Bebauungsplan herbeigeführt werden, da der geforderte Mindestabstand von 57 m nicht eingehalten werden könne. Die Antragsteller befürchteten, dass es durch die Verwirklichung der Vorhaben zu einem Konflikt zwischen dem vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb und der heranrückenden Bebauung kommen werde und dem Betrieb somit die einzige Entwicklungsmöglichkeit genommen werde. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei geboten, da mit einer kurzfristigen Fertigstellung und Nutzungsaufnahme der Doppelhaushälften zu rechnen sei. Ein vorheriger Antrag beim Landratsamt auf bauaufsichtliches Einschreiten sei nicht gestellt worden, da der Bebauungsplan, trotz des zwischenzeitlich gestellten Normenkontrollantrags, vorerst gültig bleibe und dem Landratsamt keine Normverwerfungskompetenz zukomme. Da die Vorhaben der Beigeladenen den Festsetzungen des Bebauungsplans entsprächen, könne das Landratsamt keine Baueinstellung erlassen. Es sei daher direkt ein Antrag bei Gericht auf Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten gewesen, da trotz etwaigen späteren Erfolgs der Klage, die Vorhaben nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten rückgängig gemacht werden könnten.
Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2017 hat der Antragsgegner die Akten vorgelegt und sich im Wesentlichen dahingehend geäußert, dass im vorliegenden Fall im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. … „…straße“ seitens des Landratsamts mit Schreiben vom 6. Juni 2017 und 9. August 2017 aus bauplanungsrechtlicher Sicht ausdrücklich auf die Problematik der Festsetzung eines Dorfgebiets hingewiesen worden sei. Der Hinweis sei in der Gemeinderatssitzung am 24. August 2017 besprochen worden, eine Änderung der Planung sei allerdings nicht erfolgt. Der Bebauungsplan sei zum 4. September 2017 in Kraft getreten, dem Landratsamt stehe keine Normverwerfungskompetenz zu.
Die Beigeladenen beantragen,
den Antrag abzulehnen.
Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2017 äußerte sich die Bevollmächtigte der Beigeladenen zum Verfahren. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass das Stallgebäude bislang dem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb der Antragsteller zu 1) und 2) in Form von Milchviehhaltung gedient habe. In den 1990er-Jahren habe der Nebenerwerbsbetrieb die Haltung von 13 Stück Milchvieh und Jungtieren umfasst, was der Bayerische Verwaltungsgerichtshof so in seiner Beschwerdeentscheidung vom 16. Oktober 1992 im Verfahren 1 CS 92.3007 festgestellt habe. Die Nebenerwerbslandwirtschaft sei von den Antragstellern zu 1) und 2) somit lediglich in sehr geringem Umfang und mit nur wenigen Milchkühen betrieben worden. Die Milchviehhaltung sei bereits vor längerer Zeit aufgegeben worden. Aktuell seien in dem Stallgebäude und auf den angrenzenden Freiflächen auf FlNr. … nur sieben Jungrinder feststellbar. Zu welchem Zeitpunkt der Antragsteller zu 3) den Betrieb angepachtet habe und wie das Pachtverhältnis aussehe, werde in der Antragsschrift vom 15. September 2017 nicht dargelegt. Den Ausführungen der Antragsteller lasse sich nicht entnehmen, in welchem genauen Umfang der landwirtschaftliche Betrieb derzeit noch geführt werde, welche Flächen bewirtschaftet würden und ob der Antragsteller zu 3), der im Haupterwerb einem anderen Beruf nachgehe, über eine fachliche Landwirtschaftsausbildung verfüge. Das nordöstlich des Stallgebäudes gelegene, kleinere Festmistlager weise ebenso auf eine Tierhaltung mit geringem Bestand hin. Der Vortrag, dass der Betrieb über 31 Jungrinder verfüge, könne anhand des von außen Wahrnehmbaren nicht nachvollzogen werden. Konkrete Erweiterungsabsichten seien den Beigeladenen weder bekannt noch von den Antragstellern dargelegt. Die nördliche Außenwand des in Bau befindlichen Doppelhauses halte zur südlichen Außenwand des Stallgebäudes einen Abstand von ca. 32 m ein. Die notwendige Dringlichkeit für eine Entscheidung durch den Vorsitzenden sei nicht gegeben und auch von den Antragstellern nicht dargelegt worden. Der Antrag sei bereits unzulässig, da die Antragsteller sich zuvor nicht an das Landratsamt gewandt hätten. Hiervon habe nicht abgesehen werden können, da das Landratsamt jedenfalls zu prüfen gehabt hätte, ob eine Rechtsverletzung der Antragsteller durch die Baumaßnahme überhaupt im Raume stehe. Den Antragstellern stehe kein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten zu, da dies einen Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften voraussetze, der im vorliegenden Fall aber nicht gegeben sei. Es könne dahinstehen, ob der Bebauungsplan wirksam sei. Unabhängig von der festgesetzten Gebietsart weise die streitgegenständliche Ortsrandlage eine dörfliche Prägung auf. Rechte der Antragsteller würden, die Unwirksamkeit des Bebauungsplans unterstellt, keinesfalls verletzt, unabhängig davon, ob bezüglich des Vorhabenstandorts von einer Innen- oder einer Außenbereichslage auszugehen sei. Auch sei das Vorhaben nicht rücksichtlos. Lärmbeeinträchtigungen durch den landwirtschaftlichen Betrieb seien nicht ersichtlich, da die Hofstelle und das Stallgebäude von Westen her bzw. über den nördlich des Stalls gelegenen kleinen Fahrweg angefahren würden. Auch sei nicht zu erwarten, dass die Vorhaben der Beigeladenen sich unzumutbaren Geruchsbeeinträchtigungen aussetzen würden. Hierfür existierten keine verbindlichen Vorschriften oder technischen Regelwerke. Auf Grundlage der Erhebungen der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der TU München-Weihenstephan (Gelbe Hefte 52 und 63), die als Orientierungshilfe heranzuziehen seien, ergäben sich für den vorliegenden Fall keine unzumutbaren Beeinträchtigungen. Rinderhaltung und insbesondere Jungrinderhaltung sei grundsätzlich emissionsarm. Der durchschnittliche Abstand, bei dem Stallgeruch aus konventionellen Rinderställen gerade noch schwach wahrnehmbar sei, liege in einer Größenordnung von 30 m. Dieser Abstand werde vorliegend von den Emissionsquellen (Stallgebäude, Festmistlagerstätte) eingehalten, da der Abstand rund 32 m betrage. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass im Dorfgebiet bzw. in Gebieten mit dörflicher Siedlungsstruktur und insbesondere aufgrund der Lage zum Außenbereich im Einzelfall mehr Immissionen hinzunehmen seien. Dies habe auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Jahr 1992 für die hiesige Örtlichkeit, nämlich hinsichtlich der Wohnbebauung auf FlNr. … festgestellt. Auch sei die kleine Betriebsgröße der Nebenerwerbslandwirtschaft zu berücksichtigen. Auch seien bereits damals die seinerzeit angeführten Erweiterungsinteressen berücksichtigt worden. Wesentliche Änderungen seien jedoch seitdem nicht eingetreten, insbesondere habe sich die Betriebsgröße nicht erhöht. Auch bei Anwendung der GIRL wäre die Geruchsbelastung noch im Bereich des Zumutbaren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, einschließlich der Bauvorlagen und des Bebauungsplans Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag der Antragsteller zu 1) und 2) ist zulässig.
Der Antrag nach § 123 VwGO ist im vorliegenden Fall eines gemäß Art. 58 BayBO genehmigungsfrei gestellten Vorhabens statthaft, da in diesem Fall der gemäß § 123 Abs. 5 VwGO grundsätzlich vorrangige Rechtsschutz nach §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO mangels Baugenehmigungsbescheid und folglich mangels Möglichkeit der Erhebung einer Anfechtungsklage in der Hauptsache ausscheidet.
Auch haben die Antragsteller zu 1) und 2) vorgetragen, als Eigentümer des mit einem landwirtschaftlichen Betrieb bebauten Grundstücks FlNr. … durch die Verwirklichung der Vorhaben der Beigeladenen in ihren Rechten verletzt zu sein und einen Anspruch auf Erlass einer Baueinstellungsverfügung zu haben, weil die heranrückende Wohnbebauung sich unzumutbaren Geruchsimmissionen ihres Betriebs aussetze und deshalb rücksichtslos sei. Da in derartigen Fällen ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten grundsätzlich möglich ist, können die Antragsteller zu 1) und 2) einen Anordnungsanspruch zumindest behaupten, § 123 VwGO. Schließlich haben die Antragsteller zu 1) und 2) einen Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO behauptet, da sie vorgetragen haben, dass durch die Fertigstellung der Vorhaben der Beigeladenen, mit der auch realistischerweise vor Ergehen der Entscheidung in einer etwaigen Hauptsache zu rechnen sei, die Schaffung nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln rückgängig zu machender Tatsachen droht. Eine grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache ist hierdurch nicht gegeben.
Auch ist der Antrag nicht deswegen unzulässig, weil die Antragsteller zu 1) und 2) sich nicht zuvor mit dem Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten an das Landratsamt gewandt haben. Jedenfalls in der vorliegenden Konstellation eines genehmigungsfrei gestellten Vorhabens, das den Festsetzungen eines Bebauungsplans entspricht, den ein Antragsteller für unzulässig hält und bei dem der Antragsteller allein im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans eine Rechtsverletzung behauptet, erscheint das Fordern eines vorhergehenden Antrags bei der Bauaufsichtsbehörde als unnötige Förmelei. Das Landratsamt hat bei Beachtung von Recht und Gesetz keine Normverwerfungskompetenz und darf daher den für unwirksam erachteten Bebauungsplan nicht unangewendet lassen. In einem derartigen Fall, wenn der Antrag also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgelehnt werden wird, wäre das Erfordernis einer vorherigen Antragstellung bei der Behörde eine überzogene und vor dem Hintergrund des Gebots des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht mehr zu rechtfertigende Anforderung.
2. Der Antrag der Antragsteller zu 1) und 2) ist allerdings unbegründet.
Die Antragsteller zu 1) und 2) haben jedenfalls keinen Anordnungsanspruch auf Erlass einer Baueinstellungsverfügung gemäß Art. 75 BayBO glaubhaft gemacht.
Ob nach der im Eilverfahren gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung der Angelegenheit anhand der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakten davon auszugehen ist, dass der Bebauungsplan Nr. … „…straße“ unwirksam ist, kann letztlich dahinstehen.
Sollte der Bebauungsplan wirksam sein und somit als Art der Nutzung in zulässiger Weise ein Dorfgebiet nach § 5 BauNVO festgesetzt worden sein, werden die notwendigen Mindestabstände zur Rinderhaltung des Antragsstellers eingehalten. Zugrunde gelegt werden insoweit zum einen die Abstandsregelungen für Rinderhaltung des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ (Stand 03/2009). Hiernach ist bei einer Betriebsgröße von 31 Großvieheinheiten in einem Dorfgebiet bereits ab einem Abstand der Wohnbebauung von ca. 27 – 28 m nicht mehr von schädlichen Umweltauswirkungen auszugehen. Der tatsächliche Abstand der nördlichen Außenwand des Doppelhauses zum Stall der Antragsteller zu 1) und 2) beträgt nach dem Vortrag der Beigeladenen 32 m. Der Abstand des Rinderstalls von der Grundstücksgrenze ist nicht maßgeblich. Bei Zugrundelegung eines Abstands von ca. 32 m beträgt nach den Abstandsregelungen diejenige Betriebsgröße, ab der sogar erst eine Einzelfallprüfung erforderlich wird, überschlagsmäßig zwischen 65 und 70 Großvieheinheiten. Schädliche Umwelteinwirkungen vermutet würden sogar erst ab einer Betriebsgröße von überschlagsmäßig ca. 225 Großvieheinheiten. Zwischen 65 – 70 und 225 Großvieheinheiten könnte also aufgrund einer Einzelfallprüfung ebenfalls die Zumutbarkeit für das Vorhaben der Beigeladenen festgestellt werden. Selbst bei Zugrundelegung des südlichsten Punkts des Wirtschaftsteils entspricht der Abstand zur nördlichen Wand des Doppelhauses immer noch ca. 28 m. Auch in diesem Fall wäre die Schwelle der Betriebsgröße, ab der überhaupt eine Einzelfallprüfung erforderlich wäre, überschlagsmäßig erst ab einem Bestand von ca. 45 Großvieheinheiten erreicht. Zwar haben die Antragsteller zu 1) und 2) vorgetragen, ihren Betrieb erweitern zu wollen. Jedoch wäre – bei Zugrundelegung des Abstands zum Stallgebäude – bereits mehr als eine Verdoppelung des Tierbestands von 31 Großvieheinheiten nötig, um in den Bereich zu gelangen, in dem in einem Dorfgebiet nach den Abstandsregelungen für Rinderhaltung des Bayerischen Arbeitskreises „Immissionsschutz in der Landwirtschaft“ (Stand 03/2009) überhaupt eine Einzelfallprüfung erforderlich ist. Bei einem Tierbestand von weniger als überschlagsmäßig 65 – 70 Großvieheinheiten kann nach diesen Regelungen ohne weiteres vom Nichtvorliegen schädlicher Umweltauswirkungen ausgegangen werden. Da konkrete Pläne und Zahlen von den Antragstellern zu 1) und 2) schon gar nicht genannt worden sind, kann jedenfalls bei lebensnaher Betrachtung nicht davon ausgegangen werden, dass die beabsichtigte Betriebserweiterung sich in den Dimensionen mindestens einer Verdoppelung der Bestandsgröße bewegt, da andernfalls die dahingehende Absicht klar geäußert worden wäre. Sollten Pläne für eine Erweiterung in dieser Größenordnung existieren, kann aufgrund der Nichtnennung jedenfalls davon ausgegangen werden, dass diese Plane noch nicht ausreichend konkret und nur vage umrissen sind. Auch dürfte eine etwaige bloße dahingehende Behauptung für eine Berücksichtigung nicht ausreichend sein, ohne dass sich diese Pläne in irgendeiner konkreten Art und Weise abzeichnen oder manifestieren. Das gleiche gilt für eine Erweiterung des Betriebs auf 45 Großvieheinheiten, was einer Erweiterung der Betriebsgröße um immerhin 50% entspricht. Auch auf Grundlage der Erhebungen der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der TU München-Weihenstephan (hier: Gelbes Heft 52) stellen sich die zu befürchteten Geruchsimmissionen nicht als unzumutbar dar. Hiernach liegt die Geruchsschwellenentfernung für die Klassifizierung „Stallgeruch schwach“, die keine signifikante Abhängigkeit von der Stallkapazität aufweist (vgl. S. 14), für sämtliche untersuchte Rinderställe bei maximal 24 m (vgl. S. 15). Bei Milchviehhaltung liege der Mittelwert für die Klassifizierung „Stallgeruch schwach“ bei ca. 28,5 m. Daraus könnte zunächst geschlossen werden, dass die Milchviehhaltung eine signifikant höhere Geruchsschwellenentfernung aufweise als die Mastviehhaltung. Allerdings habe die statistische Überprüfung ergeben, dass die Mittelwerte sich nicht signifikant unterscheiden (vgl. S. 18). Selbst bei Annahme eines Geruchsschwellenwerts von 28,5 m ergeben sich hinsichtlich der Vorhaben der Beigeladenen im konkreten Fall keine unzumutbaren Beeinträchtigungen. Der Abstand der nördlichen Wand des Doppelhauses zum – insoweit relevanten – Stall beträgt nach Aktenlage tatsächlich 32 m. Für den Fall der wirksamen Festsetzung eines Dorfgebiets ist also, selbst unter Berücksichtigung einer etwaigen Betriebserweiterung in maßvollem Umfang, ohne weiteres davon auszugehen, dass vom Betrieb auf dem Grundstück der Antragsteller zu 1) und 2) keine für die Vorhaben der Beigeladenen unzumutbaren Geruchsbeeinträchtigungen ausgehen.
Für den Fall, dass die Dorfgebietsfestsetzung nach § 5 BauNVO unwirksam sein sollte, was wohl zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. … „…straße“ führen dürfte, ergibt sich letztlich das gleiche Ergebnis, da nach Aktenlage davon auszugehen ist, dass die Vorhabenstandorte dem Innenbereich gemäß § 34 BauGB zuzuordnen sind und aufgrund der Eigenart der näheren Umgebung vom Vorliegen eines faktischen Dorfgebiets auszugehen ist, §§ 34 Abs. 2 BauGB, 5 BauNVO. Bei dem Grundstück FlNr. …, in dessen westlicher Hälfte die Vorhaben der Beigeladenen realisiert werden, sowie dem östlichen Bereich des Grundstücks FlNr. … handelt es sich aufgrund der maßgebenden Umstände des Einzelfalls um bloße Baulücken, die den Bebauungszusammenhang nicht unterbrechen. Dies folgt daraus, dass die unbebauten Flächen sich aufgrund des Zuschnitts der umliegenden Grundstücke und der Eigenart der umliegenden Bebauung sich nicht als derart groß darstellen, dass der Eindruck entstehen würde, es handele sich um selbständige, der Bebauung grundsätzlich nicht zugängliche Flächen. Vielmehr dominiert aufgrund der relativ geringen Größe der unbebauten Flächen am Vorhabenstandort der Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit der Bebauung.
Die Eigenart der näheren Umgebung entspricht hierbei einem Dorfgebiet, §§ 34 Abs. 2 BauGB, § 5 BauNVO. Auf FlNr. … sowie … befindet sich bereits Wohnnutzung. Auch ist die landwirtschaftliche Hofstelle der Antragsteller zu 1) und 2) selbst in den Bebauungszusammenhang einbezogen und damit bei der Bestimmung des Gebietscharakters der näheren Umgebung zu berücksichtigen. Auch wenn der landwirtschaftliche Betrieb auf dem Grundstück der Antragsteller zu 1) und 2) seinerzeit an diese Stelle aussiedelte, der Vorhabenstandort damals dem Außenbereich zuzuordnen war und auch die Baugenehmigung auf dieser Grundlage erteilt worden ist, hindert dies nicht, dass bei zwischenzeitlich erfolgtem Heranrücken der Bebauung, die Hofstelle nun dem Bebauungszusammenhang angehört. Ein an einen Bebauungszusammenhang angrenzendes bebautes Grundstück ist im Regelfall als Teil des Bebauungszusammenhangs anzusehen (BVerwG, B. v. 09.11.2005 – 4 B 67.05). Bei einer landwirtschaftlichen Hofstelle mit Wohnteil, wie im vorliegenden Fall, handelt es sich auch, jedenfalls wegen des Wohnteils, der zum ständigen Aufenthalt von Menschen bestimmt ist, um prägende Bebauung, sodass die Hofstelle Teil des Bebauungszusammenhangs ist. Da die Hofstelle dem Bebauungszusammenhang angehört und somit für die Charakterisierung des faktischen Gebietstyps zu berücksichtigen ist, ist von einer Lage des Vorhabenstandorts in einem faktischen Dorfgebiet auszugehen. Unter Berücksichtigung der Hofstelle auf dem Grundstück der Antragsteller zu 1) und 2) befindet sich jedenfalls mindestens eine aktive Landwirtschaft in der näheren Umgebung, § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO. Ob auch nicht störende Gewerbebetriebe und der Versorgung der Bewohner des Gebiets dienende Handwerksbetriebe in der näheren Umgebung vorhanden sind, ist unerheblich. Das letztendlich entscheidende Kriterium für das Vorliegen eines Dorfgebiets ist das Nebeneinander von landwirtschaftlicher Nutzung und Wohnnutzung, was auch durch § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO bestätigt wird. Das Fehlen von gewerblicher Nutzung im Einzelfall kann mithin nicht dazu führen, dass nicht vom Vorliegen eines Dorfgebiets ausgegangen werden könnte, sofern nur Landwirtschaft und Wohnen nebeneinander existieren. Wo genau in Richtung Süden die Grenze des faktischen Dorfgebiets zu ziehen ist, kann letztlich dahinstehen. Selbst wenn die Schule und das Rathaus sowie die auf gleicher Höhe westlich hiervon gelegenen Hühner-, Schaf- und Rinderställe noch miteinbezogen werden, folgt hieraus nichts Gegenteiliges. Das Vorhandensein weiterer landwirtschaftlicher Betriebe würde die Charakterisierung als Dorfgebiet umso mehr bestätigen. Auch das Rathaus sowie Schule bzw. Kindergarten sind nach § 5 Abs. 2 Nr. 7 BauNVO in einem Dorfgebiet allgemein zulässig.
Da im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans vom Vorliegen eines faktischen Dorfgebiets auszugehen ist, gelten die obigen Ausführungen zur Zumutbarkeit der Geruchseinwirkungen auf die Vorhaben der Beigeladenen entsprechend.
Die von der landwirtschaftlichen Hofstelle auf dem Grundstück der Antragsteller zu 1) und 2) ausgehenden Emissionen sind von den Beigeladenen daher in jedem Fall hinzunehmen.
3. Der Antrag des Antragstellers zu 3) ist unzulässig.
Der Antragsteller zu 3) kann bereits keinen Anordnungsanspruch geltend machen, da er nach seinem eigenen Vortrag lediglich Pächter des landwirtschaftlichen Betriebs auf dem Grundstück FlNr. …, jedoch nicht Miteigentümer des Grundstücks ist. Da es sich beim öffentlichen Baurecht allein um grundstücksbezogenes Recht handelt, kommt Inhabern von lediglich schuldrechtlichen Rechten an einem Grundstück, wie es beim Antragsteller zu 3) hier der Fall ist, von vorne herein keine Möglichkeit zu, auf die Verletzung von baurechtlichen Vorschriften gestützte Nachbarrechtsbehelfe anzubringen, § 42 Abs. 2 VwGO entsprechend.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren billigerweise den Antragstellern aufzuerlegen, da die Beigeladenen sich durch Stellung eines Sachantrags dem Kostenrisiko ausgesetzt haben. Der festgesetzte Streitwert entspricht der Hälfte des voraussichtlich in einem entsprechenden Klageverfahren anzunehmenden Streitwerts, wobei die vorliegende Konstellation entsprechend Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs behandelt wird.