Aktenzeichen 6 ZB 17.1099
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BayStrWG Art. 47 Abs. 1
Leitsatz
1. Ist eine Straße, für die die Gemeinde die Straßenbaulast hat, tatsächlich abgenutzt und die übliche Nutzungszeit abgelaufen, ist ihre vollständige Erneuerung ohne Rücksicht darauf sachgerecht, ob die Gemeinde die Straße ordnungsgemäß unterhalten hat oder nicht. Das gleiche gilt, wenn die Straße früher in der Straßenbaulast eines Dritten stand. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Anders als im Erschließungsbeitragsrecht genügt bei der Erhebung eines Straßenbaulastbeitrags zur Annahme eines Sondervorteils bereits die qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit einer vorhandenen, lediglich erneuerten oder verbesserten Ortsstraße als solche. Diese kommt im Grundsatz jeder sinnvollen und zulässigen, nicht nur der baulichen oder gewerblichen Nutzung zugute, soweit sie rechtlich gesichert ausgeübt werden kann. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
AN 3 K 16.103 2017-02-23 Urt VGANSBACH VG Ansbach
Tenor
I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. Februar 2017 – AN 3 K 16.103 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 8.509,24 € festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Klägerin‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg. Der allein (sinngemäß) geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
1. Dieser Zulassungsgrund wäre gegeben, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Die Klägerin wurde von der beklagten Stadt mit Bescheid vom 15. Oktober 2013 und Änderungsbescheid vom 15. November 2013 als Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 242 für die Erneuerung der S. Straße, einer Orts Straße, zu einem Straßenausbaubeitrag in Höhe von 8.509,24 € herangezogen. Ihre nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil vom 23. Februar 2017 abgewiesen. Es ist zum Ergebnis gelangt, dass es sich bei der streitigen Ausbaumaßnahme um eine beitragsfähige Erneuerung im Sinn von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3 KAG handele und der Beitragsbescheid weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden sei.
Der Zulassungsantrag der Klägerin zeigt keine Gesichtspunkte auf, die ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils begründen und weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedürfen.
a) Das Verwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung (BayVGH, B.v. 3.11.2016 – 6 ZB 15.2805 – juris Rn. 11 m.w.N.; U.v. 14.7.2010 – 6 B 08.2254 – juris Rn. 28 f) davon ausgegangen, dass eine beitragsfähige Erneuerung vorliegt, wenn eine erneuerungsbedürftige Straße oder Teileinrichtung nach Ablauf der für sie üblichen Nutzungsdauer in einen Zustand versetzt wird, der mit ihrem ursprünglichen Zustand im Wesentlichen vergleichbar ist. Es hat festgestellt, dass die S. Straße erneuerungsbedürftig war. Das zieht die Klägerin insoweit nicht in Zweifel. Sie wendet vielmehr ein, die Beklagte habe die S. Straße in einem bereits völlig verschlissenen Zustand als Orts Straße in ihre Straßenbaulast übernommen. Es könne nicht sein, dass die Sanierung dann auf Kosten der Anlieger erfolge, vielmehr hätte der vorherige Straßenbaulastträger die Straße vor der Übergabe erneuern müssen. Dieses Argument geht fehl.
Ist nämlich eine Straße, für die die Gemeinde die Straßenbaulast (Art. 47 Abs. 1 BayStrWG) hat, tatsächlich abgenutzt und die übliche Nutzungszeit abgelaufen‚ ist ihre vollständige Erneuerung ohne Rücksicht darauf sachgerecht‚ ob die Gemeinde die Straße ordnungsgemäß unterhalten hat oder nicht (ständige Rechtsprechung, u.a. BayVGH‚ B.v. 3.11.2016 – 6 ZB 15.2805 – juris Rn. 13; B.v. 13.8.2014 – 6 ZB 12.1119 – juris Rn. 12; B.v. 21.7.2009 – 6 ZB 06.3102 – juris Rn. 9;). Das gleiche gilt, wenn die Straße früher in der Straßenbaulast eines Dritten stand. Selbst wenn also der frühere Straßenbaulastträger, hier die Bundesrepublik Deutschland, die erforderlichen Instandsetzungs- und Unterhaltungsmaßnahmen in der Vergangenheit nicht durchgeführt haben sollte‚ so wäre dies nach Ablauf der üblichen Nutzungszeit belanglos. Entscheidet sich eine Gemeinde nach Ablauf der üblichen Nutzungsdauer und im Hinblick auf den schlechten Zustand für eine Erneuerung‚ ist es auch nicht erforderlich‚ den entstandenen Aufwand um einen Reparaturabschlag zu kürzen (vgl. Driehaus‚ Erschließungs- und Ausbaubeiträge‚ 9. Aufl. 2012‚ § 32 Rn. 22 m.w.N.). Denn eine unterlassene ordnungsgemäße Unterhaltung und Instandsetzung hat bei zweifellos erfolgtem Ablauf der Nutzungszeit und tatsächlich vorliegender Abgenutztheit keine eigenständige Bedeutung (BayVGH, B.v. 3.11.2016 – 6 ZB 15.2805 – juris Rn. 13; OVG NW, B.v. 22.3.1999 – 15 A 1047/99 – juris Rn. 6 bis 9).
b) Ebenfalls keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils ergeben sich aus dem weiteren Einwand der Klägerin, die Ausbaumaßnahme an der im Altstadtbereich gelegenen S. Straße stelle wegen des verwendeten Kopfsteinpflasters für ihr Grundstück keinen besonderen Vorteil im Sinn des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG dar.
Für die Annahme eines straßenausbaurechtlichen Sondervorteils im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S 1 KAG sind zwei Merkmale entscheidend: zum einen die spezifische Nähe des Grundstücks zur ausgebauten Orts Straße, wie sie bei Anliegergrundstücken und ihnen aus dem Blickwinkel einer rechtlich gesicherten Inanspruchnahmemöglichkeit grundsätzlich gleich zu stellenden Hinterliegergrundstücken gegeben ist, zum anderen eine Grundstücksnutzung, auf die sich die durch den Ausbau verbesserte Möglichkeit, als Anlieger von der Orts Straße Gebrauch zu machen, positiv auswirken kann. Den Eigentümern von Flächen‚ bei denen beide Voraussetzungen vorliegen‚ kommt der Straßenausbau in einer Weise zugute‚ die sie aus dem Kreis der sonstigen Straßenbenutzer heraushebt und die Heranziehung zu einem Beitrag rechtfertigt (vgl. u.a. BayVGH, B.v. 12.12.2016 – 6 ZB 16.1404 – juris Rn. 8; U.v. 30.6.2016 – 6 B 16.515 – juris Rn. 16 m.w.N.). Anders als im Erschließungsbeitragsrecht genügt bei der Erhebung eines Straßenausbaubeitrags zur Annahme eines Sondervorteils bereits die qualifizierte Inanspruchnahmemöglichkeit einer vorhandenen‚ lediglich erneuerten oder verbesserten Orts Straße als solche. Diese kommt im Grundsatz jeder sinnvollen und zulässigen‚ nicht nur der baulichen oder gewerblichen Nutzung zugute, soweit sie rechtlich gesichert ausgeübt werden kann (BayVGH, B.v. 12.12.2016 – 6 ZB 16.1404 – juris Rn. 8; U.v. 8.3.2010 – 6 B 09.1957 – juris Rn. 18).
Gemessen an diesem Maßstab hat das Grundstück der Klägerin durch die Erneuerung der S. Straße einen besonderen Vorteil. Das Grundstück liegt unmittelbar an der ausgebauten S. Straße an und ist (massiv) bebaut. Der Ausbau der Straße, bei dem u.a. die verschlissene Asphaltdecke durch eine Decke mit Großkopfsteinpflaster ersetzt wurde, erfüllt das Tatbestandsmerkmal der Erneuerung einer Orts Straße. Beitragsrechtlich ist es unerheblich, ob die Klägerin die Maßnahme subjektiv als vorteilhaft empfindet oder nicht (vgl. BayVGH, B.v. 17.3.2017 – 6 CS 17.353 – juris Rn. 6). Ohne Belang ist auch, dass die eingetretene Verkehrsberuhigung nach Ansicht der Klägerin auf den Wegfall des Schwerlastverkehrs und des Verkehrs von Baufahrzeugen und nicht auf die Pflasterung zurückzuführen ist. Dass mit der Pflasterung mehr Lärm durch den Autoverkehr verbunden sein mag, lässt den besonderen Vorteil im Sinn des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG ebenfalls nicht entfallen. Es ist nämlich nicht entscheidend, ob sich durch die Straßenbaumaßnahme das Wohnumfeld oder die Wohnqualität verändert oder die anliegenden Grundstücke eine Steigerung des Verkehrswerts erfahren (vgl. BayVGH, B.v. 4.9.2013 – 6 ZB 12.2616 – juris Rn. 7; Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 302c).
c) Soweit die Klägerin – ohne substantiierte Erörterung und Auseinandersetzung mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil – lediglich Bezug nimmt auf Schriftsätze im Widerspruchs- und Klageverfahren, genügt der Zulassungsantrag nicht dem Darlegungsgebot (BayVGH, B.v. 25.5.2016 – 6 ZB 16.94 – juris Rn. 1; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 59).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).