Aktenzeichen 9 ZB 16.882
Leitsatz
Ob Verweisungen in einem älteren Bebauungsplan auf der Grundlage der BauNVO 1977 auf Regelungen der BauNVO als statisch oder dynamisch anzusehen sind, hängt vom jeweiligen Inhalt der Verweisung ab. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
4 K 15.717 2016-03-01 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Kläger begehren die Erteilung einer Tekturgenehmigung hinsichtlich der ihnen mit Bescheid des Landratsamts Aschaffenburg vom 10. März 2015 erteilten Baugenehmigung für den Neubau eines Mehrfamilienhauses auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung K… Mit Bescheid vom 30. Juli 2015 lehnte das Landratsamt die beantragte Tekturgenehmigung ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 1. März 2016 abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung der Kläger.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. An der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
Die Kläger berufen sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Hieraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Die Kläger machen geltend, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass sich die Verweisung im Bebauungsplan „Nördlicher … – Teil V“ auf § 17 BauNVO 1977 betreffend der GFZ (und der GRZ) als „statisch“ und nicht als „dynamisch“ darstelle. Demzufolge bedürfe es für die beantragte Tektur auch keiner Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von diesem Bebauungsplan.
Ernstliche Zweifel am verwaltungsgerichtlichen Urteil lassen sich daraus im Ergebnis nicht ableiten. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält der Bebauungsplan eine zwingende Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 BauNVO 1977. Dem wird im Zulassungsvorbringen nicht entgegengetreten. Entgegen dem Zulassungsvorbringen kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Bebauungsplan keine gesonderte Festsetzung zur GFZ (und GRZ) enthält, sondern insoweit lediglich auf die Regelung des § 17 BauNVO 1977 verweist. Vielmehr erfolgt die Bezugnahme auf das Höchstmaß der baulichen Nutzung gemäß § 17 BauNVO 1977 unter Nr. 6 der „Weiteren Festsetzungen“. Diese enthalten unter anderem auch Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung (Nr. 1) und zur Bauweise (Nr. 2). Die „Weiteren Festsetzungen“ sind neben den sonstigen Festsetzungen unter Buchst. A der Planzeichenerklärung aufgeführt. Bloße „Hinweise“ sind demgegenüber unter Buchst. B enthalten.
In der Zusammenschau dieser Regelungssystematik kann Nr. 6 der „Weiteren Festsetzungen“ nur dahingehend verstanden werden, dass damit nach dem Willen des Plangebers in Ergänzung zur Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse auch eine Festsetzung der GFZ (und GRZ) in Höhe der in § 17 Abs. 1 BauNVO 1977 genannten „Höchstmaße“ erfolgen sollte. Dieses Verständnis würde auch den Vorgaben des § 16 Abs. 2 BauNVO 1977 für die Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung in einen Bebauungsplan entsprechen, weil allein eine Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse keine ausreichende Maßfestsetzung im Rahmen des § 17 BauNVO 1977 sein dürfte (vgl. § 16 Abs. 4 Satz 1 BauNVO 1977; s. auch Fickert/Fieseler, BauNVO, 5. Auflage 1985, § 16 Tn. 28).
Selbst wenn die Regelung in Nr. 6 der „Weiteren Festsetzungen“ nur als bloße Verweisung auf § 17 BauNVO 1977 anzusehen sein sollte, würde dies nicht zur Zulassung der Berufung führen. Die in § 17 Abs. 1 BauNVO 1977 genannten „Höchstmaße“ für die GFZ (und GRZ) differenzieren nach den verschiedenen Baugebieten und der Zahl der gemäß § 16 Abs. 2 BauNVO 1977 festgesetzten Vollgeschosse, nehmen demgegenüber aber keinen Bezug auf eine im Wege einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB genehmigte Zahl von Vollgeschossen. Es steht in diesem Zusammenhang auch außer Zweifel, dass sich eine Verweisung auf die BauNVO „statisch“ nur auf die Fassung der BauNVO bezieht, auf deren Grundlage die Festsetzungen des Bebauungsplans getroffen wurden (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 1. September 2019, Vorbem. zur BauNVO Rn. 4; s. auch BayVGH, U.v. 23.12.1998 – 26 N 98.1675 – juris Rn. 38 f.; U.v. 19.2.2019 – 1 N 16.350 – juris Rn. 23).
2. Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) scheidet ebenfalls aus. Die Frage, „ob Verweisungen in einem älteren Bebauungsplan auf der Grundlage der BauNVO 1977 auf die Regelungen der BauNVO als statisch oder dynamisch anzusehen sind“, ist nach den obigen Ausführungen hier bereits nicht entscheidungserheblich. Im Übrigen hängt ihre Beantwortung vom jeweiligen Inhalt der Verweisung ab, so dass ihr auch keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).