Baurecht

Erfolgloser Eilantrag der Netzbetreiberin gegen Betriebsgebäude mit Betriebsleiterwohnung nahe Höchstspannungsfreileitung

Aktenzeichen  AN 9 S 17.00896

Datum:
31.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, § 212a Abs. 1
BauNVO BauNVO § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 15 Abs. 1 S. 2
BImSchG BImSchG § 3 Abs. 1, § 24 S. 1, § 25 Abs. 2
BayBO BayBO Art. 59, Art. 66 Abs. 3 S. 3
BGB BGB § 1090 Abs. 1
GG GG Art. 14
VwGO VwGO § 42 Abs. 2, § 80 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5, § 80a Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

1. Der persönliche Anwendungsbereich der baurechtlichen Schutznormen bezieht sich in erster Linie auf den Eigentümer. Diesem Grundsatz liegt die Grundstücksbezogenheit des öffentlichen Baurechts zu Grunde. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit vermittelt keine derartig umfassende Nutzungsberechtigung in baurechtlicher Hinsicht, dass sie geeignet wäre, den dem Grundstückseigentümer zustehenden baurechtlichen Schutz auf ihren Inhaber übergehen zu lassen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Übertragung von Elektrizität ist zwingend notwendig und deswegen sozialadäquat. Deshalb kann dem Einzelnen abverlangt werden, gegenüber den Richtwerten der TA-Lärm ein Mehr an Beeinträchtigung hinzunehmen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4. § 24 S. 1 BImSchG räumt der Behörde für ihre Entscheidung über das Einschreiten gegen schädliche Umwelteinwirkungen einer Anlage, die unterhalb der in § 25 Abs. 2 BImSchG bezeichneten Grenze bleiben, einen weiten Ermessensspielraum ein. Das gilt auch dann, wenn die Immissionen die Nachbarschaft erheblich benachteiligen oder belästigen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen des Beigeladenen.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine dem Beilgeladenen erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Betriebsgebäudes mit Betriebsleiterwohnung.
Die Antragstellerin betreibt als Übertragungsnetzbetreiberin im Bereich der Grundstücke FlNr. … und …, Gemarkung …, in der Gemeinde … die 380/220-kV-Leitung …, Leitung Nr. … Die Leitung wird mit insgesamt vier Systemen geführt. Die ersten zwei Systeme wurden am 22. März 1973 mit 220 kV in Betrieb genommen. Grundlage hierfür war nach Vortrag der Antragstellerin eine Anzeige nach § 4 EnWG und ein daraufhin ergangener Nichtbeanstandungsbescheid vom 14. Mai 1970. Am 22. Juni 1976 wurde das System 3 der Leitung … mit 220 kV in Betrieb genommen und am 14. Dezember 1989 das System 4 mit ebenfalls 220 kV. Die Systeme 1 und 2 wurden in den Jahren 1976 bzw. 1989 von 220 kV auf 380 kV umgestellt. Ausweislich eines Grundbuchauszuges vom 1. Juni 2017 wurden für die Leitungen im Jahr 1971 auf den vorgenannten Grundstücke Fl.Nr. … und …, Gemarkung …, beschränkt persönliche Dienstbarkeiten zugunsten der Firma … AG, …, eingetragen. Ausweislich eines weiteren Grundbuchsauszugs vom 8. Juni 2017 wurden insbesondere auch für das sich östlich an das Grundstück FlNr. … unmittelbar anschließende Grundstück FlNr. … beschränkt persönliche Dienstbarkeiten wiederum für die Firma … AG, …, eingetragen.
Die vorstehend genannten Grundstücke liegen jeweils im räumlichen Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans Nr. … „…“ der Gemeinde …, der für diesen Bereich als Art der baulichen Nutzung ein Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO vorsieht.
Am 25. November 2016 beantragte der Beigeladene die Baugenehmigung für die außerhalb des Leitungsschutzstreifens in einem seitlichen Abstand von knapp 70 Metern zur Achse der Freileitung geplante Errichtung eines Betriebsgebäudes mit Betriebsleiterwohnung auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung … Auf die Einwendungen der Antragstellerin im Baugenehmigungsverfahren hin gab die Gemeinde … eine Schallpegelberechnung in Auftrag. Laut dieser Berechnung vom 1. März 2017 betrage der Schallpegel in 1,7 m Höhe über den Erdboden am Immissionsort 56,6 dB(A) bzw. in 5,0 m Höhe 56,9 dB(A). Die Gemeinde … hat mit Stellungnahme vom 25. November 2016 das gemeindliche Einvernehmen erteilt.
Mit Bescheid des Antragsgegners vom 10. April 2017 wurde das Betriebsgebäude mit Betriebsleiterwohnung unter Erteilung einer Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB für die geplante Betriebsleiterwohnung im Obergeschoss bauaufsichtlich genehmigt.
Mit bei Gericht am 11. Mai 2017 eingegangenem Schreiben vom gleichen Tag hat die Antragstellerin gegen den Bescheid Klage erhoben (AN 9 K 17.00897) sowie zugleich einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung führt die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 14. Juni 2017 im Wesentlichen aus, sie sei antrags- und klagebefugt. Aufgrund ihrer räumlichen Nähe zum Baugrundstück sei sie Nachbarin i.S.d. Baurechts. Als linienförmige Infrastruktur durchziehe ihr Leitungsvorhaben das Gewerbegebiet „…“ von Südosten nach Nordwesten und verlaufe dabei über zahlreiche, in diesem Bereich gelegene Grundstücke. Hierzu gehören das Baugrundstück des Beigeladenen aber auch andere Grundstücke. Unerheblich sei, dass das Leitungsvorhaben auch über das Grundstück des Beigeladenen verlaufe. Der hier zugrunde liegende Nutzungskonflikt zwischen ihrer emittierenden Anlage und dem genehmigten Bauvorhaben des Beigeladenen sei mit einer Verletzung ihrer Belange verbunden, die gerade durch nachbarschützende Vorschriften des Baurechts geschützt werden. Die Antragstellerin könne sich auch in personeller Hinsicht auf die öffentlich-rechtlichen Nachbarrechte berufen. Sie sei zwar nicht Grundstückseigentümerin der dem Baugrundstück benachbarter Grundstücke. Allerdings sei Nachbar im Rechtssinne neben dem Grundstückseigentümer auch ein in eigentumsähnlicher Weise an einem Grundstück dinglich Berechtigter (unter Verweis auf BVerwG, U.v. 11.Mai 1989 – 4 C 1.88 – juris Rn. 43). Sie sei als ein solcher zu qualifizieren, da sie Inhaberin von auf den Nachbargrundstücken eingetragenen Leitungsrechten sei. Die eingetragenen beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten würden ihr insbesondere das Recht, die Höchstspannungsfreileitung … auf diesen Grundstücken zu errichten und zu betreiben, vermitteln. Dieses dingliche Recht stelle sich als Ausschnitt aus dem Grundstückseigentum dar, welcher in umfassender, eigentumsähnlicher Weise dazu berechtige, eine bauliche Anlage zu errichten und zu betreiben. Vor diesem Hintergrund sei die Freileitung als emittierende Anlage in gleicher Weise vor Einschränkungen durch konfligierende „heranrückende“ Nutzungen zu schützen wie der emittierende Gewerbebetrieb eines Grundstückseigentümers. Der Antrag sei begründet, da das Interesse der Antragstellerin hier überwiege. Die angefochtene Baugenehmigung sei rechtswidrig und verstoße gegen drittschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts. So sei davon auszugehen dass bereits der hier einschlägige Bebauungsplan Nr. … rechtswidrig sei. Ein beachtlicher Fehler ergebe sich dabei unter anderem daraus, dass im Rahmen der Abwägung bei dessen Aufstellung die Auswirkung der Freileitung … im Ergebnis nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Jedenfalls sei der Bebauungsplan aufgestellt worden, ohne dass sich auch nur im Ansatz mit den Lärmemissionen der vorhandenen Leitung auseinandergesetzt worden wäre. Das genehmigte Vorhaben verstoße auch gegen das Rücksichtnahmegebot, da sich der Beigeladene den von dieser Leitung ausgehenden Lärmimmissionen aussetze, die die in der TA Lärm für Gewerbegebiete für die Nachtstunden festgelegten Richtwerte überschreiten. Der genehmigte Gewerbebetrieb mit Betriebsleiterwohnung stelle sich daher gegenüber der bestehenden Freileitung als „rücksichtslos“ dar, weil die Freileitung aufgrund des „Heranrückens“ dieser schutzwürdige Nutzung dem Risiko zusätzlicher immissionsschutzrechtlicher Anforderung ausgesetzt werde (unter Verweis auf BayVGH, B.v. 4.8.2008 – 1 CS 07.2770, juris Rn. 20).
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren AN 9 K 17.00897 anzuordnen.
Das Landratsamt … tritt dem für den Antragsgegner entgegen und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei unbegründet. Der dem Beigeladenen erteilte Bescheid sei rechtmäßig. Es fehle der Antragstellerin bereits an der Antrags- bzw. Klagebefugnis, da sie keine Nachbarin im baurechtlichen Sinne sei. Sie weise zwar nach, dass auf dem Baugrundstück sowie auf Nachbargrundstücken beschränkt persönliche Dienstbarkeiten in Form von Starkstromleitungsrechten bestehen. Damit sei sie aber nicht schon Inhaberin eigentumsgleicher oder -ähnlicher Rechte. Der Verweis auf das angeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei nicht zielführend. Die Klagebefugnis sei dort anhand des höchstpersönlichen Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit bejaht worden, das der Antragstellerin als juristischer Person nicht zustehe. Soweit der Antragstellerin privatrechtliche Ansprüche aus den bestellten Dienstbarkeiten zustehen sollten, seien diese zivilgerichtlich durchzusetzen. Eine Baugenehmigung ergehe gerade unbeschadet der Rechte Dritter. Unabhängig davon sei der Antrag auch nicht begründet. Der Bauaufsichtsbehörde stehe im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren schon keine Inzidenzprüfung der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans zu. Überdies dürfte die Antragstellerin im Bebauungsplanverfahren als Trägerin öffentlicher Belange beteiligt gewesen sein. In diesem Rahmen hätte sie ihre Belange geltend machen können oder gegebenenfalls im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens. Hinsichtlich des gerügten Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot sei anzumerken, dass die Antragstellerin selbst in ihrer Stellungnahme am 29. März 2017 davon ausgehe, dass die vorliegende Schallpegelberechnung vom 1. März 2017 nicht belastbar sei. Die Schallpegelberechnung komme zwar zu dem Schluss, dass der maximale Schallpegel in 5 m Höhe über dem Erdboden am Immissionsort 56,9 dB(A) betrage, sodass der nach der TA Lärm in einem Gewerbegebiet zulässige Immissionsrichtwert von 50 dB(A) für die lauteste Nachtstunde um rund 7 dB(A) überschritten sei. Die Berechnung sei jedoch mangelhaft, da konkrete Daten über die Eingangsparameter und nachvollziehbare Berechnungsbilder fehlten. Aus fachlicher Sicht des technischen Immissionsschutzes könne die vorgelegte Schallpegelberechnung daher nicht bewertet werden. Vielmehr sei eine Schallpegelberechnung durch einen amtlich bekannt gegebenen Gutachter notwendig. Im Übrigen sei auch fraglich, ob es sich bei Koronageräuschen um ständig vorherrschende Fremdgeräusche i.S.d Nr. 3.2.1 Abs. 5 TA Lärm handele, da diese nur bei bestimmten Wetterbedingungen aufträten und in diesem Ausmaß nicht während einer ganzen Nachtstunde vorhanden seien. Insofern werde auf den Bericht „Messtechnische Felduntersuchungen zu Koronageräuschen“ von 2015 des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie verwiesen.
Der Beigeladene beantragt mit Schriftsatz vom 21. Juli 2017 ebenfalls, den Antrag abzulehnen.
Unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Antragsgegners wird ergänzend ausgeführt, dass in unmittelbarer räumlicher Nähe zu der Trassenführung bereits Geschäfts- und auch Wohnbebauung vorhanden sei. Beispielhaft genannt seien hier eine Tankstelle, die 24 Stunden täglich geöffnet und auch mit Personal besetzt sei, ebenso wie ein weiteres Wohnhaus, das im Vergleich zum streitgegenständlichen Vorhaben in noch geringerem Abstand zur Trasse errichtet worden und auch bewohnt sei. Es werden hierzu Ausdrucke aus Google maps vorgelegt.
Auf richterlichen Hinweis vom 10. Juli 2017 zu bestehenden Bedenken hinsichtlich der Antrags- bzw. Klagebefugnis führt die Antragstellerin ergänzend mit Schriftsatz vom 23. August 2017 aus, aus den vorgelegten Auszügen des Grundbuchs ginge zwar die … AG als Inhaberin der beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten hervor, sie sei jedoch deren Rechtsnachfolgerin. In der Unternehmenshistorie der Antragstellerin sei es in der Vergangenheit zu verschiedenen Verschmelzungen, Ausgliederungen und Übernahmen gekommen, so dass die Antragstellerin Rechtsnachfolgerin der im Grundbuch eingetragenen … AG geworden sei. Zur Unternehmenshistorie werde auf eine Bestätigung des Notars … vom 8. August 2017 verwiesen. Überdies vermittle auch eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit eine eigentumsähnliche Rechtsposition und ermögliche daher auch deren Inhaber die klageweise Geltendmachung subjektiv öffentlicher Rechte. Dies sei nach der Rechtsprechung des BVerwG jedenfalls dann der Fall, wenn die Ausübung des dinglich gesicherten Nutzungsrechts möglicherweise Beschränkungen unterworfen werde und das Nutzungsrecht ggf. nicht mehr so ausgeübt werden könne, wie es zivilrechtlich eingeräumt worden sei. Hierzu werde auf ein Urteil des BVerwG vom 25. September 2013, Az. 4 BV 15.13 verwiesen. Die Antragstellerin könne auch nicht darauf verwiesen werden, als Inhaberin eines vom Grundstückseigentümer abgeleiteten obligatorischen Rechts ihre Rechtsposition gegenüber dem Eigentümer in der Weise durchzusetzen, dass sie von ihm die Geltendmachung seiner (eigenen) Abwehrrechte gegenüber dem streitgegenständlichen Bauvorhaben verlange. Denn dem Eigentümer der Grundstücke, die zur dinglichen Sicherung der Nutzung der Freileitung mit einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der Antragstellerin belastet seien, stünde ein öffentliches Abwehrrecht gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung gerade nicht zu. Die streitgegenständliche Baugenehmigung führe nämlich nicht unmittelbar zur Beeinträchtigung des Eigentumsrechts an den belasteten Grundstücken; vielmehr führe sie zu Einschränkungen hinsichtlich der Ausübung des dinglich gesicherten Nutzungsrechts durch die Antragstellerin infolge weitergehende Anforderungen zum Lärmschutz. Im Übrigen seien Antrag und Klage auch deshalb zulässig, weil der Antragstellerin als Eigentümerin und Betreiberin der Freileitung – und damit als Inhaberin eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs – ein vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG erfasstes Abwehrrecht zustehe. Die Begründetheit des Antrags könne entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht mit dem Hinweis darauf verneint werden, dass für die Antragstellerin die Möglichkeit bestanden habe, ihre Einwendungen im Bebauungsplanverfahren als Trägerin öffentlicher Belange geltend zu machen. Dieser Einwand sei nur im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens von Bedeutung, nicht dagegen für die hier angestrengte Inzidentkontrolle des Bebauungsplans. Der Bebauungsplan leide zumindest insoweit an einem zu seiner Teilnichtigkeit führenden offensichtlichen Mangel im Abwägungsvorgang, als die Gemeinde die von der vorhandenen Freileitung ausgehenden Schallleistungspegel nicht berücksichtigt habe. Das streitgegenständliche Vorhaben sei der Antragstellerin gegenüber auch rücksichtslos. Sofern dem Antragsgegner hinsichtlich bestehender Lärmquellen keine Erkenntnisse vorgelegen haben sollten, wäre er zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet gewesen. Es sei jedenfalls nicht Aufgabe der Antragstellerin, abstrakt nachzuweisen, dass im Gebiet des Bebauungsplans ohne Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot das streitgegenständliche Vorhaben verwirklicht werden könne. Dem hätte allein der Antragsgegner nachgehen müssen, was vorliegend jedoch nicht erfolgt sei. Auch der Verweis des Beigeladenen auf das Vorhandensein anderer Gebäude in unmittelbarer Nähe der Freileitung helfe hier nicht weiter. Die Eigentümer dieser Grundstücke seien teilweise aufgrund entsprechender Dienstbarkeiten zur Duldung der von der Freileitung ausgehenden Geräusche verpflichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der am 11. Mai 2017 erhobenen Klage gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung anzuordnen, bleibt ohne Erfolg.
Nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs kraft Gesetzes entfällt (hier nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB), die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die Baugenehmigung auf Antrag des Nachbarn anordnen. Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen Interessenabwägung kommt vor allem den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu, wobei aber auch die gesetzgeberische Entscheidung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs mit zu berücksichtigen ist. Bleibt das Hauptsacheverfahren – wie hier – mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (BayVGH, B.v. 27.2.2017 – 15 CS 16.2253 – juris Rn. 13). Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg, da eine Verletzung der Antragstellerin in eigenen Rechten durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nicht ersichtlich ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Bereits an der Zulässigkeit des Antrags nach § 80a Abs. 3 und § 80 Abs. 5 VwGO bestehen erhebliche Zweifel. Diese setzt in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO voraus, dass die Antragstellerin antragsbefugt ist, d.h. geltend machen kann, durch die erteilte Baugenehmigung möglicherweise in eigenen Rechten verletzt zu sein. Hinsichtlich der Frage, welche Rechtsstellung für eine Antragsbefugnis in baurechtlichen Streitigkeiten ausreicht, wird in der Rechtsprechung differenziert. In baurechtlichen Normenkontrollverfahren oder in Planfeststellungsverfahren können z.B. auch beschränkt dingliche und selbst obligatorische Berechtigungen ausreichen. Hierauf bezieht sich letztlich auch die von der Antragstellerin herangezogene Rechtsprechung des BVerwG, in der eine Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO aufgrund eines Geh- und Fahrrechts grundsätzlich für möglich gehalten wurde, wenn die Festsetzung eines Bebauungsplans unmittelbar dieses dingliche Recht verletzt (B.v. 25.9.2013 – 4 BN 15/13 – juris Rn. 3 f.). Allerdings verkennt die Antragstellerin hierbei, dass dies in Bezug auf eine baurechtliche Nachbarstreitigkeit – wie sie hier vorliegt – anders zu sehen ist. Maßgeblich sind hier gerade die Vorschriften des baurechtlichen Nachbarschutzes. Hierauf kann sich die Antragstellerin aber allein auf Grundlage von beschränkt persönlichen Dienstbarkeiten gerade nicht berufen. Zwar hat sie schlüssig dargelegt, dass ihr diese Dienstbarkeiten zustehen. Allerdings vermitteln diese keine taugliche Rechtsposition für die Geltendmachung nachbarschützender Vorschriften.
In erster Linie bezieht sich der persönliche Anwendungsbereich der baurechtlichen Schutznormen auf den Eigentümer. Diesem Grundsatz liegt die Grundstücksbezogenheit des öffentlichen Baurechts zugrunde (Simon/Busse, BayBO, Stand: Januar 2017, Art. 66 Rn. 78). Durch das Baurecht wird die baurechtliche Nutzung von Grundstücken geregelt und beschränkt, so dass sich auf die in diesem Zusammenhang vorhandenen Schutznormen zum Ausgleich widerstreitender Interessen auch nur derjenige berufen können soll, dem diese das Grundstück betreffende baurechtliche Nutzung zusteht. Hieraus ergibt sich zwar zugleich, dass entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung über das Eigentum hinaus, ausnahmsweise auch derjenige vom baurechtlichen Nachbarschutz erfasst wird, der einem Eigentümer insoweit gleichsteht, d.h. Inhaber eines vergleichbaren Rechtes ist (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.1982 – 4 C 51/79 – juris Rn. 22). Einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit, wie sie von der Antragstellerin mit Blick auf ein Stromleitungsrecht vorgetragen wird, kann dieser Charakter aber nicht zugestanden werden, so dass mit ihr keine den Schutz baurechtlicher Normen vermittelnde Position einhergeht. Zwar ist diese dem Eigentum insoweit vergleichbar, als sie dinglich geschützt und, wie vom Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang gefordert, über die Eintragung im Grundbuch nach außen erkennbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 3.7.1987 – 4 C 12/84 – juris Rn. 12). Allerdings berechtigt sie nur dazu, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu nutzen (vgl. § 1090 Abs. 1 BGB). Anders als das Erbbaurecht oder auch der Nießbrauch, die zwar auch (nur) einer Person und nicht (wie z.B. eine Grunddienstbarkeit) einem Grundstück zugeordnet und dennoch bereits als dem Eigentum insoweit vergleichbare Rechtspositionen anerkannt sind (zum Erbbaurecht bereits HessVGH, B.v. 10.9.1969 – IV TG 42/69 – BRS 22 Nr. 169 S. 236 bzw. zum Nießbrauch BayVGH, U.v. 25.4.1969, BayVBl. 1969, 357), vermittelt eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit gerade keine derartige umfassende Nutzungsberechtigung in baurechtlicher Hinsicht, die geeignet wäre, den eigentlich dem Grundstückseigentümer zustehenden baurechtlichen Schutz auf ihren Inhaber übergehen zu lassen (so auch Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 86).
Anders als die Antragstellerin meint, ist sie auch nicht rechtschutzlos gestellt, da die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes das Bestehen eines subjektiv öffentlichen Rechts voraussetzt. Hieran fehlt es der Antragstellerin gerade, da die nachbarschützenden Rechte auch im Zuge der Einräumung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit nicht etwa (teilweise) auf sie übergegangen sind, sondern nach wie vor dem Eigentümer zustehen. Soweit sie daher Einschränkungen ihres Leitungsrechtes befürchtet, sind derartige Konflikte in erster Linie im Zivilrechtsweg gegenüber dem Eigentümer zu entscheiden, der dann bei entsprechendem Erfolg ggf. zur Ausübung seiner nachbarschützenden Vorschriften verpflichtet werden kann bzw. muss (vgl. den Rechtsgedanken aus Art. 66 Abs. 3 Satz 3 BayBO).
Der Antragstellerin hilft hierbei auch ein Berufen auf ihr Recht aus dem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht weiter. Dieses ist nämlich Ausfluss des Eigentumsgrundrechts (Art. 14 GG) und eine unmittelbare Verletzung hiervon setzt voraus, dass eine existenzbedrohende Situation vorliegt (vgl. BVerwG, U.v. 1.12.1982 – 7 C 111/81 – juris Rn. 13). Eine solche wurde aber gerade nicht dargetan. Im Übrigen werden Inhalt und Schranken des Eigentums nur im Rahmen der Gesetze gewährleistet. Hierzu wurde jedoch bereits vorstehend ausgeführt, dass der Antragstellerin einfachgesetzlich keine Grundlage für ihr streitgegenständliches Anliegen zustehen dürfte.
2. Darüber hinaus dürfte der Antrag überdies auch unbegründet sein, da nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, da eine Verletzung der Antragstellerin in eigenen Rechten durch die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung nicht ersichtlich ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
So dürfte die Anfechtungsklage bereits unzulässig sein; die Ausführungen zur Antragsbefugnis im Rahmen der Zulässigkeit des Eilantrags gelten hier entsprechend.
Überdies wird sich die Klage voraussichtlich auch als unbegründet erweisen. Dabei ist zu beachten, dass bei der Klage eines Dritten – hier eines baurechtlichen Nachbarn – dieser aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht schon dann einen Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung hat, wenn diese lediglich objektiv rechtswidrig ist; vielmehr muss sich die Rechtswidrigkeit gerade aus solchen Normen ergeben, die zum Prüfungsumfang im bauaufsichtlichen Verfahren gehören (vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1; BayVGH, B.v. 10.10.2013 – 15 ZB 11.1480 – juris Rn. 9) und zugleich auch dem Schutz dieses Dritten dienen (sog. Schutznormtheorie, vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Im gerichtlichen Verfahren eines Dritten findet somit keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle der Baugenehmigung statt.
Das beantragte Bauvorhaben verletzt nach Maßgabe dieser Vorgaben aller Voraussicht nach keine Rechte der Antragstellerin. Ausgehend vom hier relevanten Prüfungsumfang des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens (Art. 59 BayBO) erscheint allenfalls eine Verletzung der §§ 29 ff. BauGB, insbesondere des allgemeinen Rücksichtsnahmegebots, denkbar, wobei ein derartiger Verstoß hier letztlich nicht vorliegen dürfte.
Selbst wenn das Gebot der Rücksichtnahme noch nicht von der Abwägung bei der Aufstellung bzw. Änderung des Bebauungsplans „aufgezehrt“ worden sein sollte, kann im Rahmen der Prüfung der Rücksichtslosigkeit des Vorhabens offen bleiben, ob der Bebauungsplan (offensichtlich) unwirksam wäre. Im Falle der Wirksamkeit des Bebauungsplans könnte die Antragstellerin – da ein Verstoß gegen nachbarschützende Festsetzungen hier weder gerügt noch sonst ersichtlich ist – einen Drittschutz nur in Form der Wahrung des Rücksichtnahmegebots des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO beanspruchen. Im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans würde sich die planungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens nach § 35 BauGB richten mit der Folge, dass die Antragstellerin jeweils Drittschutz wiederum nur im Rahmen des in der Vorschrift des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebots zu verlangen berechtigt wäre.
Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme stellt, hängt nach gefestigter Rechtsprechung jeweils von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab. Gegeneinander abzuwägen sind die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar oder unzumutbar ist. Feste Regeln lassen sich dabei nicht aufstellen. Erforderlich ist eine Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen (vgl. BVerwG v. 10.1.2013 – 4 B 48.12 – juris Rn. 7 m.w.N.). Wehrt sich der Betreiber einer emittierenden Anlage gegen die Genehmigung heranrückender sensibler Nutzungen ist für die Annahme eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot zulasten des Anlagenbetreibers letztlich maßgeblich, ob das heranrückende Vorhaben unzumutbaren Belästigungen und Störungen seitens der bestehenden emittierenden Anlage ausgesetzt wäre (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO) mit der Folge, dass dies die zuständigen Behörden zu einem Einschreiten gegenüber dem Anlagenbetreiber, insbesondere aufgrund § 24 BImSchG, berechtigt (vgl. OVG NRW, B.v. 21.6.2017 – 10 B 15/17 – juris Rn. 16). Davon kann hier jedoch aller Voraussicht nach nicht ausgegangen werden.
Nach § 24 Satz 1 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG kann die zuständige Behörde im Einzelfall Anordnungen erlassen, um schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind. Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 BImSchG dürften hier nach dem derzeitigen Sachstand jedoch nicht vorliegen, weil die von der Freileitung auf das streitgegenständliche Vorhaben einwirkenden Immis-sionen nach Art, Ausmaß oder Dauer nicht geeignet sind, erhebliche Belästigungen herbeizuführen.
Ob die von der Freileitung ausgehenden Geräuschimmissionen die heranrückende Bebauung – hier das Betriebsgebäude mit Betriebsleiterwohnung – erheblich beeinträchtigen, dieser also nicht mehr zumutbar sind, bestimmt sich grundsätzlich nach Nrn. 6.1 und 6.6 TA Lärm. Maßgeblich ist hiernach zunächst die im Bebauungsplan festgesetzte Gebietsart. Der Schutzanspruch des Beigeladenen ist insoweit auf in einem Gewerbegebiet zulässiges betriebsbezogenes Wohnen beschränkt (vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO). Nichts anderes kann gelten, wenn der Bebauungsplan unwirksam wäre. In diesem Falle stünde dem Beigeladenen auch nur ein Berufen auf die Werte eines Gewerbegebiets zu, da er sich mit seinem Betrieb bewusst in einem Gewerbegebiet niederlassen wollte und sich damit hinsichtlich der Betriebsleiterwohnung bewusst den dort vorzufindenden Einschränkungen für das Wohnen ausgesetzt hat. Allein die Unwirksamkeit des Bebauungsplans kann nicht dazu führen, dass der Beigeladene sich dieser Einschränkungen quasi entledigen kann, obwohl der Betrieb im dann vorliegenden Außenbereich unzulässig wäre.
Mit Blick hierauf sind die durch die Wirkung des elektrischen Feldes bei bestimmten Witterungsverhältnissen (insb. bei Regen, Schnee oder Raureif) an der Freileitung der Antragstellerin entstehenden und auf das Grundstück und das streitgegenständliche Vorhaben des Beigeladenen einwirkenden Geräusche (sog. Koronageräusche) diesem gegenüber zumutbar.
Zwar kommt die seitens der Gemeinde … erstellte Schallpegelberechnung vom 1. März 2017 zu dem Schluss, dass der maßgebliche Richtwert gemäß Nr. 6.1 Satz 1 TA Lärm für ein Gewerbegebiet von 50 dB(A) nachts am „Immissionsort“ bei Regen mit 3,5 mm/h durch einen Schallpegel von 56,6 dB(A) in 1,7 m Höhe durch die Koronageräusche nicht unerheblich überschritten sei. Das Gericht hat allerdings schon erhebliche Bedenken, ob die Ergebnisse dieser Schallpegelberechnung tatsächlich belastbar sind. Das Gericht stimmt mit dem Antragsgegner dahingehend überein, dass diesbezüglich konkrete Daten wie die Eingangsparameter und nachvollziehbare Berechnungsblätter fehlen. Auch bleibt offen, wo genau sich der für die gefundenen Ergebnisse zugrunde gelegte Immissionsort befindet. Die zeichnerischen Darstellungen lassen jedenfalls vermuten, dass sich dieser wohl an dem Punkt des Betriebsgebäudes befindet, der am nächsten zur Höchstspannungsleitung gelegen ist und nicht vor dem Fenster des am stärksten (ggf. auch durch andere Objekte, wie z.B. der Garage, abgeschirmten) schutzbedürftigen Raumes, wie es die TA Lärm jedoch vorsieht. Hinsichtlich letzterem hätten der Schallpegelberechnung auch die Baupläne zugrunde gelegt werden müssen. Dafür, dass dies der Fall gewesen ist, lassen sich der Berechnung jedoch keine Anhaltspunkte entnehmen. Überdies sprach selbst die Antragstellerin in ihrer im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens abgegebenen Stellungnahme vom 20. März 2017 dieser Schallpegelberechnung jegliche Tauglichkeit ab.
Das Gericht hält es vorliegend jedoch selbst bei Zugrundelegung der in der Schallpegelberechnung ermittelten Werte für ausgeschlossen, dass es allein auf dieser Basis zu einem (rechtmäßigen) Einschreiten der zuständigen Behörden gegenüber der Antragstellerin kommen wird:
Zum einen wird die Behörde im Rahmen der Entscheidung über ein eventuelles Einschreiten zu berücksichtigen haben, dass es sich bei den „Immissionsrichtwerten“ nach der TA-Lärm nicht um strikte Grenzwerte handelt, sondern um Richtwerte für den Regelfall, so dass bei Vorliegen besonderer Umstände eine Sonderprüfung im Einzelfall geboten sein (vgl. Nr. 3.2.2 TA-Lärm) und in der Folge selbst von den festgelegten Richtwerten abgewichen werden kann. Die Regelungen der Nrn. 3.2.2 TA-Lärm gelten unmittelbar zwar nur für genehmigungsbedürftige Anlagen, sind aber auf nicht genehmigungsbedürftige Anlagen entsprechend anzuwenden (BayVGH, U.v. 1.3.2002 – 22 B 99.338 – juris Rn. 21). Hier dürfte das Vorliegen besonderer Umstände i.S.d. Nr. 3.2.2 d) TA-Lärm aufgrund des Interesses der Allgemeinheit an einer gesicherten Stromversorgung zu bejahen sein; die Übertragung der Elektrizität ist gerade zwingend notwendig und wird sich deswegen als sozial adäquat erweisen, so dass dem Einzelnen auch abverlangt werden kann, ein Mehr an Beeinträchtigung hinzunehmen (vgl. Weidemann/Ruttloff, DVBl. 2012, 1203 (1208)), was letztlich auch eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte, die die TA-Lärm für ein Gewerbegebiet zulässt, zumutbar machen kann.
Zum anderen verpflichten die hier einschlägigen Normen die Behörde nicht bereits bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zu einem Einschreiten; vielmehr wird der Behörde eine ermessengerechte Entscheidung abverlangt. § 24 Satz 1 BImSchG räumt der Behörde für ihre Entscheidung über das Einschreiten gegen schädliche Umwelteinwirkungen einer Anlage, die wie hier unterhalb der in § 25 Abs. 2 BImSchG bezeichneten Grenze bleiben, sogar einen weiten Ermessensspielraum ein. Das gilt auch dann, wenn die Immissionen die Nachbarschaft erheblich benachteiligen oder belästigen (BVerwG v. 27.10.1988 – 7 B 154/88 – juris). Mit Blick hierauf hätte die Behörde im Rahmen einer nach § 24 BImSchG zu treffenden Ermessensentscheidung auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten besonders zu würdigen, dass eine durch Koronageräusche verursachte Lärmbelastung relativ selten, nämlich nur bei Schlechtwettersituationen auftritt. Da die zu 83-89% vorherrschende Wetterlage in Deutschland regelmäßig der trockene bzw. niederschlagsfreie Zustand ist, bei der Koronageräusche für eine immissionsschutzrechtliche Betrachtung belanglos sind, kommt es in den immissionsschutzrechtlich maßgeblichen Nachtstunden, für die gerade besonders strenge Immissionsrichtwerte gelten, hingegen „nur“ ca. 10 bis 20 mal pro Jahr zu Niederschlägen, bei denen überhaupt relevante Koronageräusche verursacht werden (vgl. zum Ganzen OVG NRW, U.v. 24.8.2016 – 11 D 2/14.AK147 – juris Rn. 147, Weidemann/Ruttloff, DVBl. 2012, 1203 (1204, 1209) insbesondere unter Berufung auf Engelen u.a., Lärmbekämpfung 2012, 166 (169) sowie Messtechnische Felduntersuchungen zu Koronageräuschen des Hessischen Landesamtes für Umwelt und Geologie, 2015, S. 56). Des Weiteren dürfte im Rahmen einer derartigen Entscheidung seitens der Behörde auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Koronageräusche meist mit Regen einhergehen, der für sich selbst eine gewisse Lärmintensität aufweist, hinter der die Koronageräusche nicht Wesentlich hervortreten bzw. von diesem sogar überlagert werden dürften. So erzeugt bereits ein stärkerer Regen von 0,5-1,0 mm/5 min an einem typischen Wohnhaus (mit Regenprasseln auf Asphaltboden, Ziegeldachflächen etc.) für sich allein genommen einen zeitlich gewichtet und energetisch gemittelten Immissionspegel von etwa 52,1 dB(A) (Messtechnische Felduntersuchungen, aaO, S. 59 f.). Zudem haben Felduntersuchungen gezeigt, dass selbst bei idealisierten Bedingungen das durch Regenrauschen verursachte Fremdgeräusch bei höheren Regenniederschlägen derart ansteigt, dass Koronageräusche nur bis zu einer Entfernung von etwa 38 m gut hörbar sind. Bei einem darüber hinausgehenden Abstand zur Freileitung „verschwimmen“ die Leiterseilgeräusche hingegen fortlaufend mit dem Regenrauschen, so dass keine klare Trennung mehr vollzogen werden kann (Messtechnische Felduntersuchungen, aaO, S. 57). Vor diesem Hintergrund und mit Blick darauf, dass das Bauvorhaben, insbesondere die Betriebsleiterwohnung in einem seitlichen Abstand von etwa 70 Metern zur Achse der Freileitung errichtet werden soll, ist schon fraglich, inwieweit es bei der vorliegenden Konstellation überhaupt zu einem Einschreiten kommen kann, da die relevanten Immissionen durch eine andere, keinem konkreten Verursacher zuordenbare Lärmquelle überlagert werden, so dass es hier effektiv zu keinem wesentlichem Mehr an Lärm kommt. Heben sich Betriebsgeräusche aber gerade nicht aus einer im Einwirkungsbereich der Anlage vorhandenen Gesamtgeräuschkulisse ab, so dürften sie auch keine Ansatzpunkte für ein behördliches Einschreiten bieten, da eine Lärmminderung selbst dann nicht eintreten würde, wenn die vorhandenen Betriebsgeräusche der Freileitung reduziert würden (so auch VGH BW, U.v. 20.1.1989 – 10 S 554/88 – juris Rn. 24, B.v. 11.10.2006 – 5 S 1904/06 – juris Rn. 10). Weiter würde bei der Gewichtung der Lärmbelästigung eine Rolle spielen, dass der Beigeladene mit seinem Gewerbebetrieb an einen historisch vorbelasteten Trassenkorridor heranrückt und dadurch auch nach dem Prioritätsgrundsatz in der Schutzwürdigkeit herabgesetzt sein dürfte.
Vor diesem Hintergrund ist es nach vorläufiger Einschätzung des Gerichts nicht anzunehmen, dass es hier (allein) aufgrund der durch die Leitungsgeräusche verursachten Geräuschkulisse zu einem rechtmäßigen Einschreiten der Behörde kommen wird. Damit dürfte sich das Heranrücken des Gewerbebetriebs des Beigeladenen an die von der Antragstellerin betriebene Freileitung dieser gegenüber auch nicht als rücksichtslos darstellen, das Rücksichtnahmegebot mithin nicht verletzt sein.
3. Nach alldem ist festzustellen, dass nach summarischer Prüfung im Hinblick auf das Erfordernis der Verletzung nachbarschützender Rechte ein Erfolg der Klage der Antragstellerin gegen den Baugenehmigungsbescheid des Antragsgegners vom 10. April 2017 nicht wahrscheinlich erscheint. Dies spricht für ein überwiegendes Interesse des Beigeladenen am Beibehalten der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit der ihm erteilten Baugenehmigung. Besondere Umstände, die es rechtfertigen könnten, das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage dennoch höher zu bewerten, sind nicht ersichtlich, so dass es bei der vom Gesetzgeber in § 212a Abs. 1 BauGB getroffenen Entscheidung bleibt.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Es entspricht der Billigkeit, die dem Beigeladenen entstandenen außergerichtlichen Aufwendungen für erstattungsfähig zu erklären, da er sich aufgrund eigener Antragstellung im Verfahren am Prozessrisiko beteiligt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Ziffern 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

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