Baurecht

Erfolgloser Eilantrag des Nachbarn gegen Nutzungsänderung – Wohnhaus für buddhistische Mönche

Aktenzeichen  M 8 SN 16.5109

Datum:
27.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 6, Art. 59 S. 1 Nr. 2
BauGB BauGB § 31 Abs. 2, § 212a Abs. 1
BauNVO BauNVO § 15 Abs. 1 S. 1
VwGO VwGO § 80 Abs. 5 S. 1, § 80a Abs. 3, § 86

 

Leitsatz

1. Weicht ein Bauvorhaben von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans ab, so hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ob eine Festsetzung eines Bebauungsplans (zumindest auch) dem Schutz des Nachbarn dienen soll, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln. (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Annahme einer “abriegelnden” bzw. “erdrückenden” Wirkung eines Nachbargebäudes ist grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen. (redaktioneller Leitsatz)
4. Die mit einer Wohnnutzung verbundenen Immissionen von an- und abfahrenden Kraftfahrzeugen des Anwohnerverkehrs sind grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen. Das gilt auch für den mit der Wohnnutzung bzw. sonstigen zulässigen Nutzung verbundenen Besucherverkehr. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller, Eigentümer des Grundstücks …-Str. 26, Fl.Nr. …, Gemarkung … … …, wenden sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 für das westlich benachbarte Grundstück … … Str. 14, Fl.Nr. …, Gemarkung … … …
Beide Grundstücke liegen im Umgriff des Bebauungsplans Nr. … vom 27. Oktober 1978, der hier „WA“ festsetzt.
Der Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 lag ein Bauantrag des Beigeladenen vom 18. Mai 2016 Plan-Nr. … zu Grunde, der „die Nutzungsänderung Gewerberäume in Zweifamilienhaus und Erstellen Meditationsraum auf dem Flachdach“ zum Gegenstand hatte. Nach den der Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 zu Grunde liegenden genehmigten Plänen sollte die Grundrisseinteilung sowohl im Erdgeschoss als auch im 1. Obergeschoss unverändert bleiben und hier Wohnräume bzw. Schlafräume und entsprechende Nebenräume wie Flur, Küche, Bad und WC eingerichtet werden. Auf der Dachterrasse auf dem 1. Obergeschoss, die bisher – jedenfalls teilweise – eine Umgrenzungsmauer mit einer Höhe von 1,80 m umgab, wird ein an der Ostseite um 1,20 m, an der Westseite um 1,50 m und an der Süd- und Nordseite um 2 m (abgegriffen, hier nicht vermaßt) zurückversetztes Terrassengeschoss errichtet. Die Wandhöhe dieses Terrassengeschosses beträgt ab der Oberkante des bisherigen Flachdachs 2,60 m (abgegriffen – nicht vermaßt). Die Firsthöhe beträgt 9,895 m (vermaßt mit 9,535 m bei einer Gebäudeoberkante von – 0,36 m), die Neigung des Walmdaches beträgt 15°. In dem neu errichteten Dachgeschoss soll der Meditationsraum untergebracht werden.
 
(Lageplan aufgrund Einscannens möglicherweise nicht mehr maßstabsgetreu)
Der Bauantrag vom 18. Mai 2016 enthielt einen Antrag auf Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen Überschreitung der GRZ und GFZ durch die Aufstockung des Zweifamilienhauses. Nach einer dem Bauantrag beigefügten Erklärung beabsichtigt der Beigeladene als Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. … eine Umnutzung der Gewerberäume in ein Zweifamilienhaus und die Erstellung eines Meditationsraumes für die buddhistischen Mönche.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2016 genehmigte die Antragsgegnerin den Bauantrag vom 18. Mai 2016 nach Plan-Nr. … mit Handeintragungen vom 25. Juli 2016 im vereinfachten Genehmigungsverfahren unter Erteilung einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB wegen Überschreitung der im Bebauungsplan festgesetzten Grundflächenzahl und Geschossflächenzahl.
Hinsichtlich der Nachbareinwendungen wurde festgestellt, dass das Bauvorhaben die geforderten Abstandsflächen zu den Grundstücken Fl.Nrn. … und … einhalte. Eine Reduzierung der Lichtverhältnisse erfolge nicht. Im Hinblick auf das Vorbringen zu der angespannten Parkplatzsituation werde entsprechend der Nutzungsbeschreibung vom 22. Juli 2016 und dem Anwesen selbst der Stellplatznachweis durch zwei bereits vorhandene Garagen geführt. Die geplante Nutzung spreche gegen Lärmbelästigungen zu ungewöhnlichen Zeiten. Da das Gebäude bereits bei Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. … bestanden habe, seien die festgelegte Grundflächenzahl und Geschossflächenzahl bereits zu diesem Zeitpunkt im heutigen Umfang überschritten. Eine Erhöhung der Geschossflächenzahl sei zulässig, da die Dachterrasse bereits mit einer Höhe von 1,80 m umwehrt gewesen sei und damit keine wesentliche bauliche Veränderung ausgelöst werde. Nach der Nutzungsbeschreibung vom 22. Juli 2016 könne eine Nutzung als Veranstaltungsort nicht unterstellt werden. Im Baugenehmigungsverfahren könnten keine unterstellten Nutzungsabsichten geprüft werden, die sich nicht aus den konkret vorliegenden Plänen ergäben.
Die Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 wurde den Antragstellern jeweils mit Postzustellungsurkunde vom 19. Oktober 2016 zugestellt.
Mit einem am 14. November 2016 beim Verwaltungsgericht München eingegangenen Schreiben erhoben die Antragsteller Klage gegen die Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 und beantragten,
die Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 aufzuheben.
Gleichzeitig beantragten sie ebenfalls mit Schreiben vom 13. November 2016, das ebenfalls am 14. November 2016 beim Verwaltungsgericht München eingegangen war, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 anzuordnen.
Zur Begründung von Klage (M 8 K 16.5110) und Antrag führten die Antragsteller aus: Das Bauvorhaben füge sich durch die Aufstockung nicht in die maßgebliche Umgebung ein, da es nicht überwiegend zu Wohnzwecken, sondern seit 1998 zur Durchführung religiöser Zeremonien mit zahlreichen Teilnehmern und Veranstaltungen aller Art genutzt werde. Die im Bebauungsplan festgesetzte Grundflächenzahl von 0,3 sei durch den bestehenden Bau bereits überschritten. Die Geschossflächenzahl von 0,6 werde durch den geplanten „Meditationsraum“ überschritten. Aus der Internetseite des Beigeladenen ergebe sich, dass keine Umwidmung in ein Zweifamilienhaus, sondern die Nutzung als Veranstaltungsort geplant sei. Das Gebot der Rücksichtnahme sei verletzt; auch sei der Lärmschutz nach Maßgabe der TA Lärm nicht sichergestellt und zwar weder im Hinblick auf ein Mischgebiet noch für ein Allgemeines Wohngebiet. Eine weitere Vergrößerung der Gemeinschaftsräume – im Bauantrag „Meditationsraum“ genannt – lasse noch höhere Emissionswerte erwarten. Bereits jetzt hielten sich viele Veranstaltungsteilnehmer ganzjährig im Außenbereich auf; hierzu werde ein Zelt im gesamten Gartenbereich verwendet, das direkt an die bestehenden Grundstücksgrenzen reiche. Das Bauvorhaben lasse auch eine weitere Verschärfung der bereits heute während der Veranstaltungen bestehenden Parkplatzsituation erwarten.
Mit Beschluss vom 15. November 2016 wurde die … … … … … e.V., …, zum Verfahren beigeladen.
Mit Schriftsatz vom 29. November 2016 beantragte die Antragsgegnerin, der Antrag der Antragsteller wird abgelehnt.
Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs sei nicht möglich, da ein Widerspruch gegen die Baugenehmigung nicht mehr statthaft sei. Im Übrigen hätte der Antrag auch in der Sache keinen Erfolg; hierzu wurden die Ausführungen hinsichtlich der Nachbarwürdigung im Bescheid vom 17. Oktober 2016 vertieft.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen verwiesen.
II.
I. Der Antrag der Antragsteller gemäß § 80 a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig. Zwar haben die Antragsteller in ihrem Antragsschriftsatz die Formulierung gebraucht, „die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 anzuordnen“. Hierbei handelt es sich aber um ein offensichtliches Versehen, da die Antragsteller mit dem am 14. November 2016 beim Verwaltungsgericht München eingegangenen Schriftsatz vom 13. November 2016 Klage gegen die Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 erhoben haben. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei der Formulierung im Antragsschriftsatz vom 13. November 2016 um ein Versehen handelt und der Antrag gestellt werden sollte, die aufschiebende Wirkung der Klage vom 14. November 2016 anzuordnen. Das Gericht legt daher in Anwendung von § 86 VwGO den Antrag der Antragsteller dahingehend aus, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 beantragt wurde und insoweit nur eine unschädliche Falschbezeichnung vorliegt.
II. Der Antrag hat aber in der Sache keinen Erfolg, da die angefochtene Baugenehmigung vom 17. Oktober 2016 bei summarischer Prüfung weder nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts noch solche des Bauordnungsrechts, die im Prüfumfang der Baugenehmigung enthalten sind, verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen.
Bei dem Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung (vgl. Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 71). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgs-aussichten des Rechtsbehelfes in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (vgl. Schmidt a.a.O., § 80 Rn. 73 ff.).
2. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben nicht gegen drittschützende Rechte der Antragstellerin verstößt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 59 BayBO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit – zumindest auch – auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20) sowie vom Prüfumfang im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren umfasst sind.
3. Das streitgegenständliche Grundstück und das Nachbargrundstück der Antragsteller liegen im Bereich des als „WA 2“ festgesetzten Gebietes des Bebauungsplanes Nr. … vom 27. Oktober 1978. Westlich und südlich schließt sich das „WA 1“ an. An der Wirksamkeit des Bebauungsplanes bestehen insoweit auch keine Zweifel, weil der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 21. Oktober 1982 – 2 N 1377/79 – den Bebauungsplan nur hinsichtlich der Baugrenzen und Maßfestsetzungen in den Gewerbegebieten (GE) 4 + 5 für unwirksam erklärt hat.
Im „WA 2“ sind Bauräume und bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung eine GRZ von 0,3 und eine GFZ von 0,6 festgesetzt.
4. Der – sinngemäß – erhobene Vorwurf der Antragsteller, das Bauvorhaben verletze ihren Gebietserhaltungsanspruch, greift nicht. Korrespondierend zu den eingereichten Bauvorlagen hat die Antragsgegnerin eine „Nutzungsänderung von Gewerberäumen in Zweifamilienwohnhaus und Erstellen eines Meditationsraumes auf dem Flachdach“ genehmigt. Ausweislich der genehmigten Pläne ist im Erdgeschoss ein 49,50 m² großer Wohnraum, ein 12 m² großes Esszimmer sowie eine Küche, eine Speisekammer, ein WC, eine Diele, ein Flur und zwei Garderoben und im 1. Obergeschoss zwei Schlafzimmer, zwei Wohnzimmer (eins mit kleinem Küchenbereich), zwei Bäder, ein Arbeitszimmer und zwei Dielen sowie im aufgestockten Dachgeschoss ein Mediationsraum vorgesehen. Da somit die genehmigten Pläne eindeutig eine Wohnnutzung ausweisen, ist auch nur eine solche genehmigt und Inhalt der Baugenehmigung geworden. Bei einer Anfechtung der Baugenehmigung kann nur diese bzw. deren Inhalt überprüft werden und nicht eine unterstellte planabweichende Nutzung. Diese Wohnnutzung wird auch nicht durch den Meditationsraum mit einer Grundfläche von 52,55 m² in Frage gestellt. Dieser mag zwar für ein übliches Wohnhaus eher ungewöhnlich sein; für ein Wohnhaus für buddhistische Mönche dürfte ein solcher Raum zum Wohnen gehören. Vor allem ergeben sich jedenfalls aus den Bauunterlagen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Meditationsraum zur Nutzung für eine über die übliche Anzahl von Gästen hinausgehende Personenzahl bestimmt ist. Ähnliches ist auch für den Kellerraum festzustellen; auch hier befinden sich neben einer Sauna, einer Dusche, einem Waschkeller und einem Hobbyraum die üblichen haustechnischen Anlagen, auch wenn zu konstatieren ist, dass drei zusätzliche Lager mit einer Größe von 66 m², 25 m² und 17,50 m² für ein Wohnhaus eher ungewöhnlich sind. Eine gewerbliche oder sonstige Nutzung lässt sich jedenfalls dem Grundrissplan „Keller“ nicht entnehmen. Abgesehen davon sind sowohl nach der BauNVO 68 – bzw. 77 – die Geltung beanspruchen würde, wenn das dem Bebauungsplan Nr. … zugrunde liegende Verfahren bereits vor 1977 eingeleitet worden wäre, ebenso wie nach der BauNVO 77, nach deren jeweils gleichlautenden § 4 Abs. 2 Nr. 3 Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig. Auch eine Nutzung des Meditationsraums als Gebetsraum nicht nur für die Hausbewohner stünde daher nicht im Widerspruch zu einem Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller.
Anhaltspunkte, dass eine solche – gegenüber einer reinen Wohnnutzung – erweiterte Nutzung zu kirchlichen/religiösen Zwecken gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, wonach die in den §§ 2 – 14 BauNVO aufgeführten baulichen Anlagen im Einzelfall unzulässig sind, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebietes widersprechen, gebietsunverträglich ist, bestehen schon wegen des geringen Nutzungsumfangs, insbesondere auch der Größe des Meditationsraumes nicht. Auch Störungen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO, wonach diese Anlagen auch unzulässig sind, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebietes im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, sind nicht zu erwarten, zumal derartige religiöse Meditationen in der Regel in entsprechender Ruhe stattzufinden haben.
5. Für die Aufstockung des bestehenden Gebäudes hat die Antragsgegnerin eine Befreiung von dem im Bebauungsplan Nr. … festgesetzten Maß der baulichen Nutzung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB erteilt.
5.1 Grundsätzlich kann gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und die Gründe des Wohls der Allgemeinheit eine Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde (Nr. 3) und wenn die Befreiung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Hinsichtlich des Nachbarschutzes im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB ist danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplanes befreit wird oder von nicht drittschützenden Festsetzungen. Weicht ein Bauvorhaben von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans ab, so hat der Dritte einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. grundlegend: BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64/98 – NVwZ-RR 1999, 8; BayVGH, B.v. 26.2.2014 – 2 ZB 14.101 – juris Rn. 3). Bei einer Befreiung von nicht drittschützenden Festsetzungen kann der Nachbar lediglich eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme geltend machen. Alle übrigen denkbaren Fehler einer Befreiung machen diese und die auf ihr beruhende Baugenehmigung dann zwar objektiv rechtswidrig, vermitteln dem Nachbarn aber keinen Abwehranspruch, weil seine eigenen Rechte nicht berührt werden (BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64/98 – NVwZ-RR 1999, 8; BayVGH, B.v. 26.2.2014 – 2 ZB 14.101 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 22).
Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hinsichtlich der hier erteilten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans keine Bedenken, da die Maßfestsetzungen im konkreten Fall keine nachbarschützende Wirkung entfalten.
Ob eine Festsetzung (zumindest auch) dem Schutz der Nachbarn dienen soll, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln (BVerwG, B.v. 19.10.1995 – 4 B 215/95 – NVwZ 1996, 888 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 25), wobei sich ein entsprechender Wille aus dem Bebauungsplan selbst, aus seiner Begründung oder auch aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung ergeben kann (BayVGH, B.v. 29.7.2014 – 9 CS 14.1171 – juris Rn. 15; Söfker in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 23 BauNVO Rn. 55 ff.). Letztlich ausschlaggebend ist eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs (BayVGH, B.v. 29.7.2014 – 9 CS 14.1171 – juris Rn. 15 m.w.N.).
Dabei entspricht es ständiger Rechtsprechung (BVerwG, B.v. 23.6.1995 – 4 B 52/95 – NVwZ-RR 1996, 170; B.v. 31.3.2005 – 2 ZB 04.2673 – juris; BayVGH, B.v. 26.2.2014 – 2 ZB 14.101 – juris Rn. 4), dass den Festsetzungen eines Bebauungsplans zum Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion zukommt, sondern vielmehr im Einzelfall zu ermitteln ist, ob sie nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen oder ausnahmsweise (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinn eines Austauschverhältnisses dienen sollen (BayVGH, B.v. 26.2.2014 – 2 ZB 14.101 – juris Rn. 4; B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.153 – juris Rn. 34 m.w.N.).
5.2 Im vorliegenden Fall sind weder aus dem Planinhalt noch aus dem Satzungstext und der Begründung des Bebauungsplanes Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die für das Vorhabengrundstück geltenden Festsetzungen des Bebauungsplanes nachbarschützenden Charakter haben sollen. Die Begründung des Bebauungsplanes setzt sich im Wesentlichen mit den Nutzungsmaßen der den überwiegenden Teil des Bebauungsplangebietes erfassenden Gewerbegebiete auseinander. Der untergeordnete Bereich der im Bebauungsplanumgriff als „Wohngebiet“ festgesetzt ist, findet dagegen keine Erwähnung in der Begründung. Die Konfigurierung der „WA 1“ und „WA 2“ in der Nord-Ost-Ecke der Kreuzung …-Straße/ …-Straße vor den südlich, südwestlich und westlich dahinter liegenden Gewerbegebieten mit dazwischen liegenden Grünstreifen lässt vielmehr darauf schließen, dass für die Festsetzung städtebauliche und wohl auch historische – vgl. S. 17, 2. Abs. der Begründung des Bebauungsplanes im Hinblick auf die Festsetzung des übergeleiteten Bebauungsplanes – ausschlaggebend waren.
6. Die Aufstockung des streitgegenständlichen Gebäudes ist auch nicht rücksichtlos.
6.1 Inhaltich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris, Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215/96 – juris Rn. 9).
6.2 In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zum 2,5-geschossigen Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – juris Rn. 15: Drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; BayVGH, B.v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770 – juris Rn. 23; B.v. 5.7.2011 – 14 CS 11.814 – juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 9.2.2015 – 2 CS 15.17 n.v.). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind unter anderem die Höhe es Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (BayVGH, B.v. 19.3.2015 – 9 CS 14.2441 – juris Rn. 31; B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12 m.w.N.). Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris Rn. 5; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9; B.v. 9.2.2015 – 2 CS 15.17 n.v.).
Vorliegend fehlt es bereits an einer erheblichen Höhendifferenz zwischen dem Vorhabengebäude und dem Anwesen der Antragsteller. Die geplante Aufstockung auf dem Flachdach wirkt sich gegenüber dem Bestand nur geringfügig aus. Die die Dachterrasse im Bestand umgebende Mauer erreichte zum Teil eine Höhe von bis zu 1,90 m. Zwar war diese Terrassenumwehrung in ihrer Höhengestaltung und auch durch Unterbrechungen unterschiedlich ausgebildet. Gerade auf der den Antragstellern zugewandten Ostseite waren die Durchbrechungen der 1,80 m hohen Terrassen-umwehrung jedoch so geringfügig, dass hier bereits der Eindruck einer 3-geschossigen Außenwand vorhanden war. Der aufgestockte Meditationsraum ist gegenüber der vorhandenen Terrassenumwehrung auf der Ostseite um 1,20 m zurückgesetzt. Die Wandhöhe dieses zurückgesetzten Teils beträgt 8,40 m (abgegriffen); die Firsthöhe des flachgeneigten Walmdachs liegt bei 9,895 m (vermaßt). Der Rückversatz des aufgestockten Terrassengeschosses hinter der bereits bestehenden und bestehen bleibenden Umwehrungsmauer der Dachterrasse auf dem bisherigen Flachdach schließt eine „erdrückende“ Wirkung durch dieses gegenüber dem Grundstück der Antragsteller aus, zumal deren 2-geschossiges Gebäude – mit Walmdach – in einer Entfernung von 6 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze mit dem Beigeladenen liegt. Die Ostwand des Gebäudes des Beigeladenen weist einen Abstand von 3,50 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze auf, sodass von einer „erdrückenden“ Wirkung des Baukörpers nicht ausgegangen werden kann.
6.3 Das Vorhaben ist auch in Hinblick auf den zu erwartenden KFZ-Verkehr nicht rücksichtslos. Die mit einer Wohnnutzung verbundenen Immissionen von an- und abfahrenden Kraftfahrzeugen des Anwohnerverkehrs sind grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2008 – 1 ZB 06.2294 – juris Rn. 35). Das gilt auch für den mit der Wohnnutzung – bzw. sonstigen zulässigen Nutzung – verbundenen Besucherverkehr. Besonderheiten, die ausnahmsweise eine andere Bewertung angezeigt erscheinen ließen, sind vorliegend schon wegen der ohnehin wenig geschützten Lage des Grundstücks der Antragsteller in der Südwestecke der Kreuzung …-Straße/ … …-Straße nicht ersichtlich.
7. Das beantragte Bauvorhaben wurde im vereinfachten Genehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO genehmigt. Da der Beigeladene keine Abweichungen von den Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach Art. 6 BayBO beantragt und die Antragsgegnerin keine Abweichungen gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO erteilt hat, gehören die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch nicht zum Prüfumfang der streitgegenständlichen Baugenehmigung gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO und sind daher grundsätzlich auch nicht im Rahmen des Nachbarrechtsbehelfs zu prüfen (BayVGH, B.v. 29.10.2015 – 2 B 15.1431 – juris Rn. 36; B.v. 5.11.2015 – 15 B 15.1371 – juris Rn. 15).
8. Eine Verletzung von sonstigen nachbarschützenden Vorschriften, die im Prüfprogramm der Baugenehmigung enthalten sind, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Es entspricht billigem Ermessen im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da dieser keinen Sachantrag gestellt und sich damit entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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