Baurecht

Erfolgloser Eilantrag des Nachbarn gegen Teilbaugenehmigung für Erdarbeiten im Zuge einer geplanten Werkserweiterung

Aktenzeichen  M 1 SN 16.5502

Datum:
28.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 70
BayWG BayWG Art. 20 Abs. 2, Abs. 5
BauGB BauGB § 35, § 212a Abs. 1
BauNVO BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
BImSchG BImSchG § 50
VwGO VwGO § 42 Abs. 2, § 80 Abs. 5 S. 1, § 80a Abs. 3 S. 2
GG GG Art. 14 Abs. 1
BGB BGB § 917 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine Teilbaugenehmigung (Art. 70 BayBO) darf nur erteilt werden, wenn das gesamte Vorhaben grundsätzlich genehmigungsfähig ist. Der Nachbar kann deshalb die grundsätzliche Zulässigkeit des Gesamtvorhabens im Rahmen eines Rechtsbehelfs insoweit rügen, als diese grundsätzliche Zulässigkeit durch die Teilbaugenehmigung zu behandeln war. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Nachbar, dessen Grundstück nicht im Plangebiet liegt, hat grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im Plangebiet. (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Vorschriften zur Erschließung eines Baugrundstücks dienen allein dem öffentlichen Interesse. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn aufgrund einer rechtswidrigen Baugenehmigung in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsgrundrecht des Nachbarn eingegriffen wird. In der Rechtsprechung ist dies nur für den Fall der Entstehung eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB infolge einer fehlenden Erschließung anerkannt. (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Genehmigung nach Art. 20 Abs. 2 BayWG dient der Verhinderung nachteiliger Wirkungen von Anlagen auf die Strömungs- und Abflussverhältnisse eines oberirdischen Gewässers und bietet keinen Nachbarschutz. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 3.750,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Teilbaugenehmigung für den Abtrag des Oberbodens und die Durchführung von Erdarbeiten. Die Teilbaugenehmigung dient der Zulassung erster Arbeiten für eine geplante Werkserweiterung bei einer bestehenden Produktionsstätte der Beigeladenen.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 1639/34 Gemarkung … Dieses ist mit einem Wohngebäude bebaut. Es liegt in einem Gebiet westlich der Straße „…“ das nach Angaben der Antragstellerseite durch Wohnbebauung geprägt ist.
Die Beigeladene betreibt nach eigenen Angaben auf den Grundstücken FlNr. 1785 und 1786 Gemarkung … ein Werk zum Herstellen von Anlagen für die Abfüllung und Verpackung von Getränken und flüssigen Nahrungsmitteln in PET und Glasflaschen sowie Getränkedosen. Sie beabsichtigt die Erweiterung dieses Werks auf einer südlich des bestehenden Geländes liegenden Fläche. Die Werkserweiterung soll auf den Grundstücken FlNr. 1777, 1779, 1788, 1789, 1789/2 und 1789/5 Gemarkung … (Baugrundstück) erfolgen. Das Baugrundstück umfasst eine Fläche von 47.337 qm. Es liegt östlich des Grundstücks der Antragstellerin, jenseits der Straße „…“. Die Entfernung zwischen der östlichen Grundstücksgrenze des Grundstücks der Antragstellerin und dem künftig zur baulichen Nutzung vorgesehenen Bereich des Baugrundstücks beträgt ca. 60 Meter. Das Baugrundstück liegt im Geltungsbereich der 2. Änderung des Bebauungsplans „…-Ost III“ vom 6. Oktober 2016, bekannt gemacht am 21. Oktober 2016. In diesem ist für das Baugrundstück als Art der Nutzung ein Gewerbegebiet festgesetzt. Das Grundstück der Antragstellerin liegt nicht im Geltungsbereich des vorgenannten Bebauungsplans.
Unter dem 22. August 2016 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für die Werkserweiterung in Form der Errichtung eines Neubaus einer Montagehalle mit Pforte. Die geplante Montagehalle soll 157,09 m lang und 81,53 m breit werden. Die geplante Höhe über dem Ursprungsgelände beträgt zwischen 14,65 m und 13,44 m. Die Baukörperhöhe ist mit 13,45 m über dem Erdgeschossfußboden vermaßt. In der dem Bauantrag beigegebenen Betriebsbeschreibung (Bl. 88 – 91 der Behördenakte) wird ausgeführt, dass der Betrieb der Montage von Baugruppen und Modulen für Pack- und Palettiermaschinen sowie der Endmontage von Pack- und Palettiermaschinen diene. Die Betriebszeit betrage an Werktagen von 6 bis 22 Uhr. Es sei ein Lieferverkehr von max. 60 LKW pro Tag, der Einsatz von Staplern zur Verladung von 21 LKW mit neun Stunden Betriebszeit pro Tag vorgesehen. Wegen der Anfahrt der Arbeitskräfte zur Früh- und Spätschicht sei mit 960 Fahrbewegungen zur Tagzeit und maximal 60 Fahrbewegungen zur Nachtzeit zu rechnen.
Unter dem … August 2016 beantragte die Beigeladene darüber hinaus die Erteilung einer Teilbaugenehmigung für den Abtrag des Oberbodens, die Baufeldfreimachung, Erdarbeiten und die Bodenverbesserung mit Rüttelstopfsäulen. Wie aus der Beschreibung des Antrags ersichtlich, ist im Rahmen der Teilbaugenehmigung nur der Abtrag des Mutterbodens sowie der Ausbau vorhandener Rohrleitungen, Erdarbeiten, der Bodenaustausch sowie die Bodenverbesserung mit Rüttelstoffsäulen aus Kies vorgesehen.
Mit Bescheid vom 14. November 2016 erteilte das Landratsamt Rosenheim der Beigeladenen die beantragte Teilbaugenehmigung. In den Akten befindet sich neben dem Bescheid vom 14. November 2016 auch ein Entwurf des Bescheids vom 10. November 2016.
Mit Schriftsatz vom … Dezember 2016, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 6. Dezember 2016 hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin Klage erhoben und beantragt die Teilbaugenehmigung „vom 10. November 2016“ aufzuheben (Az.: M 1 K 16.5501). Er beantragt zugleich im vorliegenden Verfahren:
Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom 10. November 2016 wird angeordnet.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Teilbaugenehmigung rechtswidrig sei. Das Landratsamt sei bei der Genehmigung von einer falschen Gebietsart ausgegangen. Der Bebauungsplan setze ein Gewerbegebiet fest, während im Bescheid von einem eingeschränkten Industriegebiet die Rede sei. Das Vorhaben sei als Industriebau im Gewerbegebiet unzulässig. Zwischen dem Wohngebiet in dem das Grundstück der Antragstellerin liege und dem Industriegebiet bestehe ein zu geringer Abstand. Nach dem Abstandserlass des Landes Nordrhein-Westfalen müssten Industrieanlagen mindestens 500 Meter von Wohngebieten entfernt liegen. Der Trennungsgrundsatz des § 50 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) werde verletzt. Von der Anlage würden für die Antragstellerin unzumutbare Lärmimmissionen verursacht. Dies ergebe sich aus dem LKW-Verkehr, der um die Produktionshalle zirkuliere, sowie aus dem An- und Abfahrtsverkehr der Mitarbeiter. In der riesigen Halle solle künftig Tag und Nacht gearbeitet werden. Das Gebäude verfüge zudem über mehrere große Öffnungen zur LKW-Beladung, die ebenfalls zu Lärmimmissionen führten. Es bestehe auch keine ausreichende Erschließung des Vorhabens, da die Zufahrtsstraße nur eine Breite von sechs Metern habe und deswegen nur im Einbahnverkehr befahren werden könne. Dies werde zu einem Rückstau auf die Bundesstraße führen. Es sei deshalb zu erwarten, dass auch am Anwesen der Antragstellerin Ausweichverkehr stattfinde. Das Vorhaben befinde sich zudem in einem wassersensiblen Bereich. Es würden große Retentionsflächen wegfallen.
Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2016 beantragt der Beklagte,
den Antrag abzulehnen.
Eine Verletzung drittschützender Normen durch die Teilbaugenehmigung sei nicht gegeben. Auch die grundsätzliche Zulässigkeit des Gesamtbauvorhabens sei geprüft worden und könne bejaht werden. Dieses sei in einem Gewerbegebiet allgemein zulässig. Bei der Bezeichnung „eingeschränktes Industriegebiet“ im Genehmigungsbescheid handle es sich um einen Schreibfehler. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots wegen der erdrückenden Wirkung der Halle sei aufgrund der Entfernung von 60 m zur Wohnbebauung ausgeschlossen. Der Gebietserhaltungsanspruch sei nicht verletzt, da die Antragstellerin nicht im gleichen Bebauungsplangebiet liege. Aus immissionsschutzfachlicher Sicht würden ebenfalls keine Bedenken bestehen. Ein schalltechnisches Gutachten belege, dass in der Nachbarschaft die zulässigen Immissionen tags und nachts unterschritten würden.
Mit Telefax vom … Dezember 2016 beantragt der Bevollmächtigte der Beigeladenen,
den Antrag abzulehnen
Der Antrag sei bereits unzulässig, da die Antragstellerin keine Antragsbefugnis habe. Durch die streitgegenständliche Teilbaugenehmigung seien lediglich der Abtrag des Oberbodens, die Baufeldfreimachung, Erdarbeiten sowie die Bodenverbesserung mit Rüttelstopfsäulen erlaubt worden. Eine Verletzung drittschützender Rechtspositionen der Antragstellerin durch diese Baumaßnahmen sei nicht ersichtlich. Eine Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften sei aufgrund der großen Entfernung des Anwesens der Antragstellerin vom Bauvorhaben nicht denkbar. Selbst wenn man Beeinträchtigungen des künftigen Gesamtvorhabens betrachte, sei keine Verletzung der Rechte der Antragstellerin erkennbar. Außerhalb des Plangebiets könne sie keinen Gebietserhaltungsanspruch geltend machen. Aus den Feststellungen des Lärmschutzgutachtens ergebe sich, dass die maßgeblichen Richtwerte nicht überschritten würden. Wasserrechtliche Gesichtspunkte würden ebenso wie die Erschließungsfrage keinen Drittschutz vermitteln.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die beigezogenen Behördenakten, die Gerichtsakte im Verfahren M 1 K 16. 5501 und im vorliegenden Verfahren Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Gegenstand von Klage und Antrag ist die Teilbaugenehmigung vom 14. November 2016, die dem Bevollmächtigen der Antragstellerin offenbar mit dem Datum des Entwurfs vom 10. November 2016 vorlag und deshalb in der Antragstellung als „Baugenehmigung vom 10. November 2016“ bezeichnet wurde. Inhaltlich unterscheiden sich die Bescheidstexte nicht. Maßgeblich ist der der Beigeladenen ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 18. November 2016 bekannt gegebene Bescheid vom 14. November 2016.
Nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag die gesetzlich nach § 212a Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen ein Bauvorhaben des Nachbarn ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung. Im Rahmen dieser Entscheidung ist zu beurteilen, ob die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakt oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als wesentliches, jedoch nicht als alleiniges Indiz zu berücksichtigen. Nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten ergibt sich, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, weshalb im Rahmen der Interessenabwägung auch der hier zu entscheidende Antrag ohne Erfolg bleibt.
Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn Vorschriften verletzt sind, die dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Es genügt daher für den Erfolg von Klage und Antrag nicht, wenn die Baugenehmigung gegen zu prüfende Vorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung hat sich vielmehr darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die den Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris m. w. N.). Eine Verletzung derartiger nachbarschützender Vorschriften ist hier nicht ersichtlich.
Zwar sieht die Kammer trotz der begrenzten Auswirkungen der Teilbaugenehmigung auf die Rechte der Antragstellerin eine Antragsbefugnis noch als gegeben an (1.). Eine Verletzung nachbarlicher Rechte folgt indes weder aus der geplanten Nutzungsart (2.) noch aufgrund unzumutbarer Immissionen (3.), einer mangelnden Erschließung (4.) oder aus wasserrechtlichen Gesichtspunkten (5.). Auf die Wirksamkeit des Bebauungsplans kommt es dabei nicht an (6.).
1. Die Antragstellerin ist möglicherweise durch die streitgegenständliche Teilbaugenehmigung vom 14. Oktober 2016 in eigenen Rechten verletzt und kann deshalb eine Klage- bzw. Antragsbefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen.
Die Antragstellerin ist nicht allein auf Einwendungen gegen die Auswirkungen der Teilbaugenehmigung beschränkt. Obwohl die Teilbaugenehmigung sich nur auf vorbereitende Arbeiten und den Erdaushub bezieht, können auch die Auswirkungen des Gesamtvorhabens eine Rechtsverletzung der Antragstellerin begründen. Eine Teilbaugenehmigung gemäß Art. 70 Bayerische Bauordnung (BayBO) darf nur erteilt werden, wenn das gesamte Vorhaben grundsätzlich genehmigungsfähig ist. Der Nachbar kann deshalb die grundsätzliche Zulässigkeit des Gesamtvorhabens im Rahmen eines Rechtsbehelfs insoweit rügen, als diese grundsätzliche Zulässigkeit durch die Teilbaugenehmigung zu behandeln war (BayVGH, B. v. 16.8.2001 – 2 CS 01.1874 – BayVBl 2002, 765).
Trotz der erheblichen Entfernung des Grundstücks der Antragstellerin vom Bauvorhaben von ca. 60 m ist jedenfalls die Möglichkeit gegeben, dass die Antragstellerin durch die Immissionen des umfangreichen Gesamtbauvorhabens in eigenen Rechten verletzt sein könnte. Nachdem durch die Festlegung der Situierung des Vorhabens im Rahmen der Teilbaugenehmigung der Ort der Immissionen bereits bestimmt wird, könnte dieser Aspekt eine Rechtsverletzung der Antragstellerin begründen, die schon in der Teilbaugenehmigung angelegt ist.
Angesichts der geringen Anforderungen an die Möglichkeit einer Rechtsverletzung im Rahmen des § 42 Abs. 2 VwGO reicht dieser Umstand zumindest zur Bejahung der Zulässigkeit des Antrags und der Klage aus.
2. Die Antragstellerin kann keine Verletzung des sogenannten Gebietserhaltungsanspruchs durch die streitgegenständliche Teilbaugenehmigung geltend machen.
Der sogenannte Gebietserhaltungsanspruch gibt Eigentümern von Grundstücken, die in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet liegen, unabhängig von konkreten Beeinträchtigungen das Recht, sich gegen Vorhaben zu Wehr zu setzen, die in dem Gebiet hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässig sind. Hierauf könnte sich der Einwand des Bevollmächtigten der Antragstellerin beziehen, wonach die Art der beabsichtigten Nutzung des Gesamtbauvorhabens in dem durch Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiet nicht zulässig sei.
Jedoch hat ein Nachbar dessen Grundstück nicht im Plangebiet liegt, grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im Plangebiet (vgl. BayVGH, B. v. 5.2.2015 – 2 CS 14.2456 – juris Rn. 5 m. w. N.). Es fehlt hier an dem erforderlichen typischen wechselseitigen Austauschverhältnis, welches die in einem Plangebiet zusammengefassten Grundstücke zu einer bau- und bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft zusammenschweißt. Der Nachbarschutz für außerhalb der Grenzen des Plangebiets belegene Grundstücke bestimmt sich bundesrechtlich vielmehr nur nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) enthaltenen Gebot der Rücksichtnahme.
Das Grundstück der Antragstellerin ist nicht im Geltungsbereich des für das Bauvorhaben maßgeblichen Bebauungsplans „… – Ost III“ vom 6. Oktober 2016, bekannt gemacht am 21. Oktober 2016, gelegen. Damit kommt die Verletzung eines Gebietserhaltungsanspruchs der Antragstellerin nicht in Betracht. Auf die Frage der Zulässigkeit der Nutzung des Gesamtvorhabens gemäß § 8 BauNVO kommt es für den zu entscheidenden Fall deshalb nicht an.
3. Ein Verletzung der Rechte der Antragstellerin ergibt sich auch nicht aus dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerten Rücksichtnahmegebot wegen der zu erwartenden Lärmimmissionen des Gesamtbauvorhabens auf das Anwesen der Antragstellerin.
3.1 Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes lässt sich nicht allein aus der behaupteten Nichtbeachtung des sogenannten Trennungsgrundsatzes des § 50 BImSchG ableiten. Diese Vorschrift ist ebenso wie der in der Klage- und Antragsschrift in Bezug genommene Abstandserlass des Landes Nordrhein-Westfalen eine Vorgabe für die Bauleitplanung und deshalb allein im Rahmen des Planungsvorgangs zu berücksichtigen. Im vorliegenden Einzelbaugenehmigungsverfahren kann die Antragstellerin als Nachbarin lediglich die konkrete Immissionsbelastung geltend machen (BVerwG, B. v. 6.6.1990 – 7 B 72.90 – NVwZ 1990, 962 f.).
3.2 Aus dem im Bauantragsverfahren für das Gesamtbauvorhaben vorgelegten schalltechnischen Gutachten der H.- F. Ingenieure vom … September 2016 ergibt sich, dass an maßgeblichen Immissionsorten des Grundstücks der Antragstellerin voraussichtlich auch durch das Gesamtvorhaben keine schädliche Umwelteinwirkungen in Form von Lärmimmissionen auftreten werden.
Nach dem nachvollziehbaren und plausiblen schalltechnischen Gutachten ist bei dem mit dem Anwesen der Antragstellerin vergleichbaren Immissionsort 1 (IO 1) am Wohnhaus auf FlNr. 1639/29 ein Beurteilungspegel von 46,3 dB(A) tagsüber und 25,9 dB(A) nachts zu erwarten (S. 28 des Gutachtens). Die nach Nr. 6.1 der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm vom 26. August 1998 (TA-Lärm) vorgesehenen Immissionsrichtwerte für ein allgemeines Wohngebiet von 55 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts werden somit ebenso deutlich unterschritten wie die bei Berücksichtigung von Vorbelastungen nach dem Bebauungsplan für diesen Immissionsort verfügbaren Immissionskontingente (52,5 dB(A) tags und 37,5 dB(A) nachts). Dabei berücksichtigt das Gutachten sowohl die von den LKW-Bewegungen um die Halle ausgehenden (S. 22 des Gutachtens) als auch die durch die Entladung entstehenden Geräusche (S. 17 des Gutachtens).
Anhaltspunkte für unzumutbare Lärmbelästigungen der Antragstellerin in Folge der Realisierung des Gesamtbauvorhabens bestehen somit nicht. Die im Gutachten untersuchten Immissionen auf den dem Grundstück der Antragstellerin benachbarten IO 1 sind auf das Anwesen der Antragstellerin, das sich in ähnlicher Entfernung zum Bauvorhaben befindet übertragbar. Nachdem die prognostizierten Beurteilungspegel ganz deutlich unter den die Zumutbarkeitsschwelle kennzeichnenden Richtwerten liegen, sind schädliche Umwelteinwirkungen für die Antragstellerin auszuschließen. Dies gilt auch für die zur Nachtzeit (22.00 Uhr bis 06.00 Uhr; Nr. 6.4 TA-Lärm) zu erwartenden Geräuschimmissionen. Aus den Antragsunterlagen ergibt sich entgegen der Annahme der Antragstellerin, dass auch bei Genehmigung des Gesamtvorhabens lediglich ein Betrieb zur Tagzeit (6:00 Uhr bis 22:00 Uhr) vorgesehen ist. Ein Nachtbetrieb ist nicht Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens und kann somit auch im vorliegenden Verfahren gegen die Teilbaugenehmigung nicht berücksichtigt werden.
4. Eine Verletzung der Rechte der Antragstellerin lässt sich auch nicht aus dem behaupteten Fehlen einer hinreichenden Erschließung des geplanten Gesamtvorhabens ableiten.
Die Vorschriften zur Erschließung eines Baugrundstücks dienen allein dem öffentlichen Interesse. Nach ständiger Rechtsprechung entfalten weder das bauplanungsrechtliche Erfordernis der gesicherten Erschließung noch die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an eine gesichertn Erschließung nachbarschützende Wirkung (BayVGH, B. v. 11.4.2011 – 2 ZB 09.3021 – juris Rn. 3). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn aufgrund einer rechtswidrigen Baugenehmigung in das durch Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Eigentumsgrundrecht des Nachbarn eingegriffen wird. Dies ist in der Rechtsprechung nur für den Fall der Entstehung eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB infolge einer fehlenden Erschließung anerkannt (BayVGH B. v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 16 und BVerwG, B. v. 11.5.1998 – 4 B 45.98 – juris).
Ein derartiger Fall liegt hier offensichtlich nicht vor. Angesichts der für das Gesamtbauvorhaben geplanten Erschließung über die …-straße ist auch der von der Antragstellerseite geschilderte Ausweichverkehr über die am Grundstück der Antragstellerin vorbeiführende Straße nicht nachvollziehbar.
5. Die von der Antragstellerin darüber hinaus vorgebrachten wasserrechtlichen Bedenken gegen das Gesamtbauvorhaben können eine Verletzung ihrer Rechte ebensowenig begründen.
Die wegen der Lage des Baugrundstücks … erforderliche Genehmigung nach Art. 20 Abs. 2 Bayerisches Wassergesetz (BayWG), die gemäß Art. 20 Abs. 5 BayWG durch die Teilbaugenehmigung ersetzt wird hat rein ordnungsrechtliche Funktion. Sie dient nur der Verhinderung nachteiliger Wirkungen von Anlagen auf die Strömungs- und Abflussverhältnisse eines oberirdischen Gewässers und bietet keinen Nachbarschutz (Knopp in Sieder/Zeitler, BayWG, Stand Mai 2015, Art. 20 Rn. 22).
Soweit die Antragstellerseite in der Antragsbegründung negative Auswirkungen im Fall von Überschwemmungen behauptet, entbehrt dieser Vortrag einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Das Vorhaben liegt ausweislich der Stellungnahme des Sachgebiets Wasserrecht des Landratsamts im Baugenehmigungsverfahren vom … August 2016 nicht in einem Überschwemmungsgebiet (Bl. 37 der Behördenakte zum Baugenehmigungsverfahren). Anhaltspunkte für eine Überschwemmungsgefährdung und einen damit einhergehenden Verlust von Retentionsraum mit negativen Auswirkungen auf das Grundstück der Antragstellerin sind weder schlüssig vorgetragen noch aus den vorgelegten Akten ersichtlich.
6. Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin scheidet unabhängig davon aus, ob der Bebauungsplan 2. Änderung „…-Ost III“ wirksam ist. Im Fall der Unwirksamkeit des Bebauungsplans würde es sich bei dem streitgegenständlichen Vorhaben um ein solches handeln, das nach § 35 BauGB zu beurteilen wäre. Auch wenn es dann möglicherweise objektiv-rechtlich unzulässig sein sollte, wäre eine hier allein zu prüfende Rechtsverletzung bei der Antragstellerin gleichwohl nicht zu bejahen. Dies hätte nur zur Folge, dass das Rücksichtnahmegebot, auf das sich die Antragstellerin berufen kann, § 35 Abs. 2, Abs. 3 BauGB zu entnehmen wäre. Eine Erhöhung des Schutzstatus der Antragstellerin wäre damit nicht verbunden (BayVGH, B. v. 1.3.2016 – 15 CS 16.244 – juris Rn. 33).
7. Die Antragstellerin hat als unterlegene Partei gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Ihr waren gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aus Gründen der Billigkeit auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da sich diese durch die Stellung eines Antrags in ein Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO begeben hat.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG, Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen