Aktenzeichen RN 12 S 16.1494
Leitsatz
Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung im unbeplanten Innenbereich einem Baugebiet iSd § 34 Abs. 2 BauGB iVm § 1 Abs. 2, §§ 2 ff. BauNVO, so hat der mit seinem Grundstück im selben Baugebiet gelegene Nachbar einen Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart, der über das Gebot der Rücksichtnahme hinausgeht. (redaktioneller Leitsatz)
Befindet sich ein Bauvorhaben im Außenbereich, kommt eine Beeinträchtigung des Gebietserhaltungsanspruchs schon begrifflich nicht in Frage, weil sich Änderungen der Nutzung des betreffenden Grundstücks nicht auf den Charakter eines Gebiets im Innenbereich (hier: faktisches Dorf- oder Wohngebiet) auswirken können. (redaktioneller Leitsatz)
Die Rechtsordnung sieht ein subjektives Recht im Sinne eines allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruchs auf die “richtige Verfahrensart” nicht vor, so dass aus einer verfahrensfehlerhaft erteilten Baugenehmigung einem davon Betroffenen kein Aufhebungsanspruch erwächst. (redaktioneller Leitsatz)
Die immissionsschutzrechtliche Vorsorgepflicht entfaltet keine Schutzwirkung zugunsten Drittbetroffener, weil sie nicht der Begünstigung eines individualisierbaren Personenkreises, sondern dem Interesse der Allgemeinheit daran dient, potenziell schädlichen Umwelteinwirkungen auch dort vorzubeugen, wo sie keinem bestimmten Emittenten zuzuordnen sind. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III.
Der Streitwert wird auf 3.750,– EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beigeladene ist Eigentümerin des Grundstücks Flurstück Nr. …24/4 der Gemarkung … (Anwesen 1…). Dieses Grundstück ist mit einem mit Bescheid vom 2.10.1995 genehmigten Wohnhaus mit Garage bebaut.. Die Antragsteller sind Eigentümer des nördlich angrenzenden, ebenfalls mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flurstück Nr. …24/3 der Gemarkung … (Anwesen 2…). Beide Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans
Mit am 6.5.2016 bei der Verwaltungsgemeinschaft 3… eingegangenem Bauantrag beantragte die Beigeladene eine Baugenehmigung zum Anbau eines Geräte- und Lagerraums, die ihr mit Bescheid vom 18.8.2016 im vereinfachten Verfahren erteilt wurde.
Mit ebenfalls am 6.5.2016 bei der Verwaltungsgemeinschaft 3… eingegangenem Bauantrag beantragte die Beigeladene eine Baugenehmigung für die Nutzungsänderung einer Garage als Werkstatt zur Möbelaufbereitung und Verkauf. Dabei gab sie an, dass ein Beschäftigter vorhanden sei und mit der Nutzungsänderung keine Baumaßnahme verbunden sei. Die Nutzfläche des Werkstatt- und Verkaufsraums gab sie mit 33,12 m² an.
Mit Beschluss vom 9.5.2016 wurde das gemeindliche Einvernehmen zum Vorhaben der Beigeladenen erteilt.
Mit Bescheid vom 27.7.2016 erteilte das Landratsamt … der Beigeladenen die Baugenehmigung für das von ihr beantragte Bauvorhaben im vereinfachten Verfahren. Die Genehmigung enthielt mehrere Auflagen:
1. Die Betriebszeit wird auf die Zeit zwischen 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr beschränkt.
2. Anlagen und Anlagenteile, die Lärm und Erschütterungen erzeugen, sind entsprechend dem Stand der Technik auf dem Gebiet des Lärm- und Erschütterungsschutzes zu errichten, zu betreiben und regelmäßig zu warten.
3. Beim Betrieb lärmintensiver Maschinen (z. B. eines Kompressors bzw. bei lärmintensiven Arbeiten) sind alle Fenster, Türen und Tore geschlossen zu halten.
4. Beim Einbau von mechanischen Lüftungsanlagen ist zur Minderung von Lärmstörungen Folgendes zu beachten:
Es sind laufruhige Ventilatoren zu verwenden.
Die Ventilatoren sind gegen die Weiterleitung von Körperschall zu isolieren.
An den Frischluft-Ansaug- und Ausblasöffnungen der Abluft sind ebenfalls ausreichend dimensionierte Schalldämpfer anzubringen.
5. Arbeiten und Tätigkeiten im Freien, bei denen in bedeutsamem Maße luftverunreinigende Emissionen auftreten können, z. B. Schleifen, Lackieren, Schweißen sind unzulässig.
6. Lackierarbeiten sind, sofern sie über das Entfernen von kleineren Lackschäden mit Hilfe einer Spraydose hinausgehen, nicht zulässig.
Gegen diesen Bescheid, welcher den Antragstellern mit Schreiben vom 27.7.2016 gegen Einschreiben zugestellt wurde, haben diese durch ihren Bevollmächtigten am 9.8.2016 Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg erhoben.
Mit am 22.9.2016 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Schreiben haben sie zudem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt.
Die Antragsteller tragen vor, dass die Auflagen zum Schutz der Nachbarn nicht ausreichten. Das Bauvorhaben liege im Außenbereich, wobei nördlich in einem Abstand von 20 m ein allgemeines Wohngebiet angrenze. Die Beigeladene überschreite bei weitem das, was sie als Begründung im Schreiben vom 24.5.2016 angegeben habe. Tatsächlich würden in großem, auch ertragssteuerrechtlich relevantem Umfang laufend große Mengen alter Möbel angeliefert und nach Restaurierung wieder abgeholt. Die Garage stehe regelmäßig voller Möbel, so dass im Freien gearbeitet werden müsse und werde. Die Stellflächen auf dem eigenen Grundstück der Beigeladenen reichten nicht aus und könnten wegen der angelieferten und zu bearbeitenden Möbel und der zu- und abfahrenden Lieferfahrzeuge nicht benutzt werden. Die Kunden stellten ihre Fahrzeuge auf öffentlicher Straße ab und blockierten diese für den Durchgangsverkehr. Hierzu legten die Antragsteller eine Liste vor, wann in der Zeit vom 3.4.2016 bis 25.8.2016 mit welchen Fahrzeugen alte Möbel angeliefert und abgestellt worden seien und wann im Freien gearbeitet worden sei. Die Antragsteller führen aus, dass die von der Beigeladenen angewandten Methoden, nämlich Ablaugen, Abbeizen, Abschleifen und/oder Ablösen mit Heißluft nicht ungefährlich seien. Diese kämen nicht ohne chemische Lösungsmittel aus. Bei den von der Beigeladenen durchgeführten Arbeiten würden Lärm und sonstige Emissionen zu dem tiefer liegenden Grundstück der Antragsteller dringen. Die Antragsteller würden in ihrer Gesundheit beeinträchtigt. Das Landratsamt … habe dies weder erkannt noch berücksichtigt. Dieses hätte eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen müssen. Die Auflagen Nrn. 1 bis 6 seien unzureichend und deshalb rechtswidrig. Die Betriebszeit sei zwar auf die Zeit zwischen 8.00 Uhr und 20.00 Uhr beschränkt worden, die Beigeladene könne aber täglich, auch an Sonn- und Feiertagen ihr Gewerbe betreiben. Beim Betrieb lärmintensiver Maschinen seien alle Fenster, Türen und Tore geschlossen zu halten. Tatsächlich verlege die Beigeladene diese Arbeiten aber ins Freie und versuche, solchen Lärm zu kaschieren, indem etwa zeitgleich eine noch stärkere Lärmquelle, wie ein mit Benzin betriebener Rasenmäher, eingesetzt werde. Nach Auflage Nr. 5 seien Arbeiten und Tätigkeiten im Freien mit luftverunreinigenden Emissionen unzulässig. Nach Nr. 6 sei nur das Entfernen von kleineren Lackschäden mit Hilfe einer Spraydose zulässig. Tatsächlich entferne die Beigeladene ganze Möbelstücke von Lack durch Laugen und Beizen. Das Gebot der Rücksichtnahme sei dadurch massiv verletzt. Es gelte abzuwägen zwischen einem im Außenbereich gelegenen Gewerbebetrieb, der in der Vergangenheit laufend gegen baurechtliche Vorschriften verstoßen habe, und von dem nicht unerhebliche Emissionen ausgegangen seien und ausgingen und der jetzt durch eine nachträglich eingeholte Baugenehmigung sanktioniert werden solle, und dem Schutz eines im 20 m entfernt liegenden allgemeinen Wohngebiet lebenden und wohnenden Nachbarn, der darauf vertraut habe, dass im Außenbereich nur privilegierte Bauvorhaben i. S. d. § 35 Abs. 1 BauGB realisiert würden. Die aufschiebende Wirkung der Klage sei wiederherzustellen, weil ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der erteilten Nutzungsänderung bestünden. Bei der Abwägung sei auch zu berücksichtigen, dass die Beigeladene aufgrund ihres Alters von 75 Jahren auf einen Betrieb dieser Art und an diesem Ort zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts nicht angewiesen sei. Wolle sie ihr umwelt- und gesundheitsschädliches und nachbarverletzendes Hobby weiter betreiben, könne und dürfe sie dies nur in einem Gewerbebetrieb und nicht im Außenbereich 20 m von einem allgemeinen Wohngebiet entfernt tun.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Baugenehmigung des Landratsamtes … vom 27.7.2016 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er führt aus, dass das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortschaft 4… in einem Gebiet ohne Bebauungsplan liege. Die baurechtliche Zulässigkeit beurteile sich nach § 34 Abs. 1 BauGB, wobei die Eigenart der näheren Umgebung einem Dorfgebiet entspreche. Das Vorhaben füge sich nach Art und Maßgabe der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die vorgeschriebenen Abstandsflächen zum Grundstück der Antragsteller würden eingehalten, ein ausreichender Brandschutz sei gewährleistet. Die erforderlichen emissionsschutzrechtlichen Auflagen seien in den Baugenehmigungsbescheid mit aufgenommen worden. Entgegen den Ausführungen in der Antragsbegründung sei die beantragte Werkstatt keine Anlage nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz und damit nicht immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftig. Das Vorhaben sei auch nicht im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) gelistet. Aus immissionsschutzrechtlicher Sicht seien die festgeschriebenen Einschränkungen auch ausreichend, um den genannten bzw. befürchteten Immissionen zu begegnen. Arbeiten an Möbelstücken im Freien seien demnach nicht zulässig. Tätigkeiten, die den Auflagen widersprächen, seien zu untersagen. Bezüglich der festgesetzten Betriebszeiten sei anzumerken, dass sich diese Zeiten nur auf die Werktage bezögen. Arbeiten an Sonn- und Feiertagen regle das Gesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage (Feiertagsgesetz – FTG). Bei Einhaltung der festgesetzten Auflagen sei eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme nicht zu erwarten.
Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag.
Sie trägt vor, dass sie bei einer Teilnahme am „Tag der offenen Gartentür“ erklärt habe, wie alte Bauernmöbel die Wohnung bereicherten. Aufgrund der großen Nachfrage habe sie Möbelstücke hergerichtet und Oster- bzw. Weihnachtsmärkte abgehalten. Dies sei im privaten und Freundeskreis geschehen. Für sie sei es vorteilhaft, eine Nutzungsänderung der Garage herbeizuführen, damit sie beim Herrichten der Möbel nicht mehr in beengten Räumen arbeiten müsse. Im Abstand von 150 m bzw. 50 m befinde sich von ihrem Haus entfernt eine Heizungsfirma mit Werkhalle sowie ein Ausflugscafe. Eine Lärmbelästigung sei nicht gegeben, da die Möbel ausschließlich aus der Wohnung verkauft würden. Auch die Arbeiten könnten nicht zu einer Lärmbelästigung führen, da die Antragsteller nichts hörten und das Grundstück für sie nicht einsehbar sei. Der Durchgangsverkehr werde nicht behindert, da die öffentliche Straße genügend Platz zum Parken biete. Die Antragsteller könnten nicht feststellen, wer zu ihr zu einer Tasse Kaffee oder als Kunde vorbeikomme. Die Möbel würden nicht abgebeizt. Es komme vor, dass auf die Schnelle ein Möbelstück im Freien noch fertig geschliffen würde. Das Schleifen mit einem „Ratscherl“ liege im Rahmen der vorgegebenen Dezibelwerte. Lärm dringe von unten nach oben und nicht umgekehrt, so dass die Antragsteller, die sich in einer Senke befänden, nicht belästigt würden. Es sei richtig erkannt worden, dass ein Rasenmäher lauter sei als das Schleifen.
Für den Sachverhalt und das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die Behördenakten sowie die wechselseitigen Schriftsätze in diesem und im Verfahren der Hauptsache unter dem Az. RN 12 K 16.1241.
II.
A. Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist statthaft (§§ 80 a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO), da die Anfechtungsklage der Antragsteller gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 27.7.2016 keine aufschiebende Wirkung besitzt (§ 212 a Abs. 1 BauGB). Auch ist eine Antragsbefugnis der Antragsteller anzunehmen, da eine Verletzung in nachbarlichen Rechten nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann.
2. Der Antrag kann in der Sache jedoch nicht durchdringen.
Im Rahmen des Verfahrens nach § 80 a Abs. 3 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO trifft das Gericht in der Hauptsache eine Ermessensentscheidung unter Abwägung der widerstreitenden Interessen, wobei das Gewicht der nachbarlichen Interessen entscheidend von den Erfolgsaussichten der vorliegenden Anfechtungsklage abhängt, während dem Bauherrn das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug seines Vorhabens zur Seite steht. Ergibt die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein mögliche summarische Prüfung, dass die Anfechtungsklage voraussichtlich Erfolg haben wird, ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung an. Ergibt dagegen die summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich nicht durchdringen wird, lehnt das Gericht den Antrag ab. Lassen sich die Erfolgsaussichten nicht abschließend abschätzen, bedarf es einer Abwägung aller relevanten Umstände, insbesondere der Vollzugsfolgen, um zu ermitteln, wessen Interessen für die Dauer des Rechtsbehelfs in der Hauptsache der Vorrang gebührt.
Nach den dargestellten Grundsätzen war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen, weil die Anfechtungsklage der Antragsteller bei summarischer Prüfung kaum Erfolgsaussichten besitzt.
Wer als Nachbar eine Baugenehmigung anficht, kann damit nur Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung gegen die zu prüfenden nachbarschützenden Vorschriften verstößt. Nachbar ist dabei nur derjenige, der ein eigenes dingliches Recht an einem Grundstück hat, das von dem Bauvorhaben tatsächlich und rechtlich betroffen sein kann. Zu den nachbarschützenden Vorschriften gehört auch das partiell nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme. Für den Anspruch eines Nachbarn ist dagegen nicht maßgeblich, ob die Baugenehmigung im vollen Umfang und in allen Teilen rechtmäßig ist, insbesondere ob die Vorschriften über das Baugenehmigungsverfahren eingehalten wurden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1 Die Antragsteller können sich nicht auf den Gebietserhaltungsanspruch berufen. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung im unbeplanten Innenbereich einem Baugebiet i. S. d. § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 1 Abs. 2, §§ 2 ff. BauNVO, so hat der mit seinem Grundstück im selben Baugebiet gelegene Nachbar einen Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart, der über das Gebot der Rücksichtnahme hinausgeht (BVerwG, B. v. 11.4.1996 – 4 B 51/96 – juris, Rn. 10; BVerwG, B. v. 22.12.2012 – 4 B 32/11 – juris, Rn. 5). Für diesen Fall ordnet § 34 Abs. 2 BauGB an, dass sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach beurteilt, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein oder ausnahmsweise zulässig wäre (BVerwG, U. v. 16.9.2010 – 4 C 7/10 – juris, Rn. 15). Dabei kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob es sich um ein allgemeines Wohngebiet i. S. v. § 4 BauNVO oder um ein Dorfgebiet i. S. v. § 5 BauNVO handelt. Während in einem Dorfgebiet nach § 5 Abs. 2 Nr. 6 BauNVO sonstige Gewerbebetriebe allgemein zulässig sind, sind in einem allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO jedenfalls nicht störende Handwerksbetriebe allgemein zulässig. Im Rahmen der in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung ist nicht davon auszugehen, dass es sich bei Einhaltung der im Bescheid verfügten Auflagen beim Betrieb der Beigeladenen um einen störenden Gewerbebetrieb handelt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich um einen Ein-Mann-Betrieb handelt, der zudem zahlreiche Auflagen hinsichtlich seiner Arbeitsweise einzuhalten hat.
Erst Recht scheidet eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs aus, wenn man – wie die Antragsteller – davon ausgeht, dass sich das Vorhaben der Beigeladenen im Außenbereich befindet. Eine Beeinträchtigung des Gebietserhaltungsanspruchs kommt dann nämlich schon begrifflich nicht in Frage, weil dann das Grundstück der Beigeladenen nicht mehr dem faktischen Dorf- oder Wohngebiet zuzurechnen wäre, so dass sich Änderungen der Nutzung dieses Grundstücks nicht auf den Charakter des Gebiets, in dem sich das Grundstück der Antragsteller befindet, auswirken könnten.
2.2 Bei summarischer Prüfung ist auch nicht davon auszugehen, dass das Vorhaben der Beigeladenen das Gebot der Rücksichtnahme seitens der Antragsteller verletzt.
2.2.1 Verfahrensgegenstand der vorliegenden Anfechtungsklage der Antragsteller gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 27.7.2016 sind in diesem Zusammenhang ausschließlich die dort getroffenen Regelungen. Soweit sich die Antragsteller also darauf berufen, dass die Beigeladene sich nicht an die in der Baugenehmigung verfügten Auflagen hält, führt dies nicht zu einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme. Vielmehr könnte eine solche Beeinträchtigung lediglich im Falle einer Ermessensreduzierung auf null einen in einem eigenen Verfahren geltend zu machenden Anspruch der Antragsteller auf bauaufsichtliches Einschreiten begründen. Somit bleibt für das vorliegende Verfahren ohne Belang, ob die Beigeladene entgegen der in Auflage Nr. 3 getroffenen Regelung beim Betrieb lärmintensiver Maschinen nicht alle Fenster, Türen und Tore geschlossen hält, da die Baugenehmigung eine entsprechende Pflicht vorsieht. Gleiches gilt für die Frage, ob sich die Beigeladene an die Auflage Nr. 6 hält, wonach Lackierarbeiten, sofern sie über das Entfernen von kleineren Lackschäden mit Hilfe einer Spraydose hinausgehen, nicht zulässig sind.
2.2.2 Dass auch bei Einhaltung der im Bescheid verfügten Auflagen die zulässigen Lärm- oder Geruchsemissionen überschritten werden könnten, ist weder substantiiert vorgetragen noch zu erwarten. Insoweit erscheint jedenfalls im Rahmen der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung die Stellungnahme der Umweltingenieurin des Landratsamts … (Bl. 16 d. A.) nachvollziehbar und plausibel.
Keinen rechtlichen Bedenken begegnet insbesondere die in Auflage Nr. 1 getroffene Regelung, wonach die Betriebszeit auf die Zeit zwischen 8.00 Uhr und 20.00 Uhr beschränkt wird. Zwar sind hiernach Arbeiten an Sonn- und Feiertagen nicht ausdrücklich ausgeschlossen, dies ergibt sich aber – worauf der Antragsgegner zutreffend hingewiesen hat – bereits aus den Regelungen des Gesetzes über den Schutz der Sonn- und Feiertage (Feiertagsgesetz – FTG), wonach Arbeiten an Sonn- und Feiertagen ohnehin unzulässig sind (Art. 2 Abs. 1 FTG).
2.3 Die Antragsteller können sich auch nicht darauf berufen, dass ein immissionsschutzrechtliches Verfahren durchzuführen gewesen wäre.
Insoweit ist in der Rechtsprechung nämlich geklärt, dass die Rechtsordnung ein subjektives Recht im Sinne eines allgemeinen Gesetzesvollziehungsanspruchs auf die „richtige Verfahrensart“ nicht vorsieht, so dass selbst aus einer verfahrensfehlerhaft erteilten Baugenehmigung einem davon Betroffenen kein Aufhebungsanspruch erwächst (BayVGH, U. v. 31.3.2001 – 15 B 96.1537 – juris, Rn. 32). Verfahrensvorschriften sind nämlich mit Ausnahme der sog. absoluten Verfahrensrechte nur dann den Interessen eines Drittbetroffenen zu dienen bestimmt und damit drittschützend, wenn sie eine nach materiellem Recht geschützte Rechtsstellung des Nachbarn berühren (BayVGH, U. v. 23.11.2011 – 14 BV 10.1811 – juris, Rn. 45). Vorliegend ergäbe sich jedoch auch im Falle des Erfordernisses einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung materiell-rechtlich keine andere Rechtsposition der Antragsteller, welche hier verletzt sein könnte. Zwar wäre im Rahmen eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens der Vorsorgegrundsatz einzuhalten, diese immissionsschutzrechtliche Vorsorgepflicht entfaltet aber nach der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Schutzwirkung zugunsten Drittbetroffener, weil sie nicht der Begünstigung eines individualisierbaren Personenkreises, sondern dem Interesse der Allgemeinheit daran dient, potenziell schädlichen Umwelteinwirkungen auch dort vorzubeugen, wo sie keinem bestimmten Emittenten zuzuordnen sind (vgl. etwa BVerwG, B. v. 16.1.2009 – 7 B 47/08 – juris, Rn. 11). Eine materiell-rechtliche Rechtsverletzung der Antragsteller durch ein möglicherweise falsches Genehmigungsverfahren ist somit ausgeschlossen.
Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass eine immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflicht vorliegend nicht besteht. Dies würde nämlich voraussetzen, dass es sich vorliegend um eine Anlage i. S. v. § 4 Bundesimmissionsschutzgesetz – BImSchG – handelt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG bestimmt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung die Anlagen, die einer Genehmigung bedürfen. Dies ist mit der 4. Verordnung zur Durchführung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (4. BImSchV) geschehen. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 4. BImSchV bedürfen ausschließlich die Errichtung und der Betrieb einer im Anhang genannten Anlage einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, wenn zu erwarten ist, dass diese Anlage länger als während der zwölf Monate, die auf die Inbetriebnahme folgen, am selben Ort betrieben wird. Die von der Beigeladenen betriebene Nutzung ihrer Garage stellt jedoch keine der im abschließenden, konstitutiven Katalog der 4. BImSchV in Anhang 1 genannten Anlagen dar. Damit scheidet auch das Erfordernis einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aus.
B. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 159 S. 2 VwGO abzulehnen. Es entsprach nicht der Billigkeit, den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten der Beigelade-
nen aufzuerlegen, weil diese keinen Antrag gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.