Baurecht

Erfolgloser Nachbar-Eilrechtsschutz gegen eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses

Aktenzeichen  W 4 S 16.929

Datum:
20.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5 S. 1, § 80a Abs. 3, § 113 Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3
BauGB BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2, § 212a Abs. 1
BauNVO BauNVO § 1 Abs. 2, § 2, § 4, § 12 Abs. 2, § 15 Abs. 1 S. 2
BayBO BayBO Art. 2 Abs. 4, Art. 6 Abs. 3, Abs. 5 S. 1, Art. 7 Abs. 7, Abs. 8, Art. 59, Art. 68 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen ist, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und kommt eine Verletzung von Nachbarrechten bereits begrifflich nicht in Betracht. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Grundstücksnachbar hat die Errichtung notwendiger Garagen und Stellplätze für ein Wohnbauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Belastungen durch zu- und abfahrende Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die gegen Abstandsflächenrecht verstoßende Errichtung eines Gebäudes an der Grundstücksgrenze oder mit zu geringem Grenzabstand hat nicht zur Folge, dass die Abstandsfläche (teilweise) auf dem Nachbargrundstück liegt und dort von Gebäuden freigehalten werden muss sowie nicht auf die auf dem Nachbargrundstück erforderlichen Abstandsflächen angerechnet werden darf. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat der Antragsteller zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses und den Neubau von Stellplätzen auf dem Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung S…
1. Der Antragsteller ist Eigentümer des westlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks mit der Fl.Nr. …0 der Gemarkung S…, welches mit zwei Wohnhäusern bebaut ist. Ein Gebäude reicht mit seiner nord-östlichen Ecke bis zu 0,5 m an die Grundstücksgrenze zum Grundstück Fl.Nr. …1 heran.
Beide Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes. Sie befinden sich innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles.
Mit Formblatt vom 30. Dezember 2015 beantragten die Beigeladenen die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses einschließlich des Neubaus von Stellplätzen auf dem Grundstück Fl.Nr. …1.
Der Antragsteller hat die Baupläne der Beigeladenen nicht unterzeichnet.
Mit Beschluss vom 25. April 2016 erteilte die Gemeinde S… das gemeindliche Einvernehmen zum Bauvorhaben.
Mit Bescheid des Landratsamts Aschaffenburg vom 21. Juni 2016 wurde den Beigeladenen die bauaufsichtliche Genehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienwohnhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung S… entsprechend den mit Genehmigungsvermerk vom 21. Juni 2016 versehenen Planunterlagen erteilt.
2. Der Antragsteller hat gegen diesen, ihm mit Postzustellungsurkunde am 23. Juni 2016 zugestellten Bescheid mit Schriftsatz vom 25. Juli 2016 Klage erhoben (Az. W 4 K 16.754). Über diese Klage ist noch nicht entschieden worden.
Mit Schriftsatz vom 7. September 2016 hat der Antragsteller im Wege vorläufigen Rechtsschutzes beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom 25. Juli 2016 gegen die Baugenehmigung vom 21. Juni 2016 anzuordnen.
Zur Begründung ist im Wesentlichen vorgetragen, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich erfolgreich sein werde. Das streitgegenständliche Vorhaben sei schon aufgrund seiner fünf Wohneinheiten unzulässig, da in einem Kleinsiedlungsgebiet gemäß § 2 BauNVO lediglich Wohngebäude mit maximal zwei Wohneinheiten zulässig seien. Das Vorhaben füge sich auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung ein. Das in der Umgebung vorgegebene Maß sei weit überschritten. Mit fünf Wohneinheiten seien bis zu fünfmal so viele Wohneinheiten wie in der näheren Umgebung, mindestens jedoch 2,5-mal so viele vorhanden. Zudem entstehe mit den hierfür zu errichtenden Kfz-Stellplätzen ein viel höheres Verkehrsaufkommen in unmittelbarer Nähe des Anwesens des Antragstellers. Durch die Größe des Vorhabens und die Nähe zum Nachbargebäude werde eine geradezu erdrückende Wirkung hervorgerufen, zumal das Gelände zum Grundstück des Antragstellers hin leicht abfalle. Durch die Bebauung in dieser Größe werde das Gebäude des Antragstellers hinsichtlich des Lichteinfalls beeinträchtigt. Zudem gingen die Balkone und Terrassen in Richtung des Baugrundstücks, wobei der Blick von oben herab auf das Grundstück und in die Fenster der Gebäude des Antragstellers frei wäre. Durch die Grundstücksteilung im Jahr 1974 durch den damaligen Eigentümer, den Vater des Antragstellers und der Beigeladenen zu 2), lägen die Abstandsflächen des Gebäudes des Antragstellers auf dem zu bebauenden Grundstück. Da das Gebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. …0 bereits lange Zeit gestanden habe und der Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. …0 und …1 ursprünglich dieselbe Person gewesen sei, sei es nicht erforderlich gewesen, eine Abstandsflächenvereinbarung zu treffen. Es habe vielmehr von Anfang an festgestanden, dass die Abstandsfläche auf dem durch die Teilung neu entstandenen Grundstück Fl.Nr. …1 nicht überbaut werden dürfe. Durch die streitgegenständliche Bebauung des Grundstücks Fl.Nr. …1, deren Abstandsflächen bis an die Grundstücksgrenze reichten, werde gegen Art. 6 Abs. 3 BayBO verstoßen. Die Abstandsflächen seien hier daher offensichtlich nicht eingehalten.
Auf den weiteren Vortrag im Schriftsatz vom 13. September 2016 wird ergänzend Bezug genommen.
3. Das Landratsamt Aschaffenburg ist für den Antragsgegner dem Antrag mit Schriftsatz vom 8. September 2016 entgegengetreten und hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Das Baugrundstück liege innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, so dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 34 BauGB beurteile. Das betreffende Gebiet entspreche einem allgemeinen Wohngebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO). Mit einer GRZ von 0,36 und einer GFZ von 0,71 halte das Vorhaben die für ein solches Gebiet nach § 17 Abs. 1 BauNVO vorgesehene Obergrenzen von 0,4 bzw. 1,2 ein. Auch unter Berücksichtigung der in diesem Gebiet bereits vorhandenen Bebauung ergäben sich keine Anhaltspunkte für die Auffassung des Antragstellers, dass sich die Bebauung nicht einfüge oder gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Wie der Bauakte entnommen werden könne, halte das Vorhaben auch die nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen ein.
4. Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 7. September 2016 wurden die Bauherren zum Verfahren notwendig beigeladen.
Sie ließen beantragen,
den Antrag abzuweisen.
Für einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme reiche es nicht aus, dass ein Vorhaben sich nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens halte, der durch die Bebauung in der Umgebung gebildet werde. Eine Störung durch ein 5,75 m hohes Gebäude sei per se ausgeschlossen, da dies eine übliche Höhe eines Gebäudes sei. Die Zahl der Wohnungen sei unter keinen Umständen nachbarschützend. Ferner sei nicht ersichtlich, dass die Abstandsflächen des Gebäudes des Antragstellers auf dem Nachbargrundstück lägen. Eine Erstreckung von Abstandsflächen auf das benachbarte Grundstück setze wegen der damit verbundenen Eigentumsverletzung eine Zustimmung des Nachbarn voraus, die gegebenenfalls grundbuchrechtlich abzusichern sei. Unzutreffend sei die Behauptung, dass die Abstandsflächen des geplanten Gebäudes die Abstandsflächen des Antragstellergebäudes überdecken würden. Die Abstandsflächen des geplanten Gebäudes lägen ausschließlich auf dem eigenen Grundstück. Die notwendigen Abstandsflächen seien nach allen Seiten eingehalten. Die Auffassung, die Abstandsflächen des Antragstellergrundstücks würden sich auf das Nachbargrundstück erstrecken, sei rechtsfehlerhaft. Die Abstandsfläche ende, wenn nicht eine Übernahme nach Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO in Betracht komme, an der Grenze des Baugrundstücks. Auch durch eine Teilung des Grundstücks sei eine Erstreckung der Abstandsflächen nicht erfolgt. Die Qualifizierung als Kleinsiedlungsgebiet nach § 2 BauNVO sei abwegig. Es handele sich vielmehr entweder um ein Dorfgebiet oder ein allgemeines Wohngebiet. Die Zahl der Wohneinheiten sei ebenso wenig nachbarschützend wie ein eventuelles Verkehrsaufkommen. Auch eine erdrückende Wirkung sei angesichts der angegebenen Höhen der Gebäude nicht ersichtlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vom Antragsgegner vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag (§ 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO) ist nicht begründet.
Die Kammer sieht nach einer einem Eilverfahren wie diesem angemessenen summarischen Prüfung (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581) im Rahmen der von ihr eigenständig zu treffenden Ermessensentscheidung keine Notwendigkeit für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gemäß § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Der angefochtene Baugenehmigungsbescheid vom 21. Juni 2016 erweist sich nach der im Rahmen der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung mit großer Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 212a Abs. 1 BauGB i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht der Hauptsache kann in einem solchen Fall auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage aufgrund einer eigenen – originären – Ermessensentscheidung ganz oder teilweise anordnen. Hierbei hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der sich das Suspensivinteresse des Nachbarn und das Interesse des Bauherrn, von der Baugenehmigung sofort Gebrauch zu machen, grundsätzlich gleichwertig gegenüberstehen.
Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ist in erster Linie auf die Erfolgsaussichten des Nachbarrechtsbehelfs abzustellen. Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten des Nachbarn aus, erweist sich die angefochtene Baugenehmigung also nach summarischer Prüfung gegenüber dem Nachbarn als rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen (BayVGH, B.v. 12.4.1991 – 1 CS 91.439 – BayVBl 1991, 720). Hat die Anfechtungsklage des Nachbarn – wie hier – mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen der vorzunehmenden und zu Lasten des Antragstellers ausfallenden Interessenabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Baugenehmigung (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris).
Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich nicht um einen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO, so dass sich der Prüfungsumfang der Bauaufsichtsbehörde aus Art. 59 BayBO ergibt.
Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung können sich Dritte gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit auf der Verletzung öffentlich-rechtlicher Vorschriften beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind, weil dieser in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.1991 – 4 C 5/87 – BVerwGE 89, 69; BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris).
Aufgrund der vorliegenden Unterlagen und Pläne ist die Kammer aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Auffassung, dass die angefochtene Baugenehmigung keine Nachbarrechte des Antragstellers verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Auf einen Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht gemäß Art. 6 BayBO, welches grundsätzlich nachbarschützende Wirkung entfaltet, kann sich der Antragsteller nicht berufen. Im vereinfachten Genehmigungsverfahren ist gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 BayBO im Wesentlichen nur die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens zu prüfen. Bauordnungsrechtliche Anforderungen – wie das Abstandsflächenrecht des Art. 6 BayBO – gehören nur dann gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO zum Prüfprogramm der Baugenehmigungsbehörde, wenn insoweit Abweichungen beantragt wurden.
Da vorliegend das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren durchzuführen war und von den Beigeladenen auch keine Abweichungen zum Abstandsflächenrecht beantragt wurden bzw. solche auch im Genehmigungsbescheid nicht erteilt wurden, war das Abstandsflächenrecht (Art. 6 BayBO) nicht Prüfungsgegenstand des Genehmigungsverfahrens.
Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen ist, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und kommt insoweit eine Verletzung von Nachbarrechten durch die erteilte Baugenehmigung bereits begrifflich nicht in Betracht. Eine auf die Verletzung nachbarschützender bauordnungsrechtlicher Vorschriften gestützte Anfechtungsklage gegen eine solche Baugenehmigung geht ins Leere (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08/2132 – juris Rn. 3).
2. Eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften des Bauplanungsrechts ist nicht erkennbar (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO).
2.1. Die Zulassung des Vorhabens verletzt den Gebietserhaltungsanspruch des Antragstellers nicht.
Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung im unbeplanten Innenbereich einem Baugebiet i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 1 Abs. 2, §§ 2 ff. BauNVO, hat der mit seinem Grundstück im selben Baugebiet gelegene Nachbar einen Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart, der über das Rücksichtnahmegebot hinausgeht (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.1996 – 4 B 51/96 – NVwZ-RR 1997, 463 = juris Rn. 10 m.w.N.; U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – BVerwGE 94, 151 = juris Rn. 13; B.v. 22.12.2011 – 4 B 32/11 – juris Rn. 5). Für diesen Fall ordnet § 34 Abs. 2 BauGB an, dass sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach beurteilt, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein oder ausnahmsweise zulässig wäre (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.2010 – 4 C 7/10 – NVwZ 2011, 436 = juris Rn. 15).
Die Kammer geht aufgrund des vorliegenden Bildmaterials und der Beschreibung der Umgebung durch den Antragsteller davon aus, dass es sich vorliegend nicht um ein Kleinsiedlungsgebiet gemäß § 2 BauNVO, sondern um ein allgemeines Wohngebiet gemäß § 4 BauNVO bzw. ein Dorf- oder Mischgebiet gemäß §§ 5 bzw. 6 BauNVO handelt. Eine Entscheidung hierüber kann letztlich dahinstehen, da in allen Fällen die Errichtung eines Wohngebäudes zulässig ist (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO, § 5 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO bzw. § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO).
Die spezifische Eigenart eines Kleinsiedlungsgebiets gem. § 2 BauNVO, die sich aus der Verbindung des Wohnens mit einer landwirtschaftlich-gartenbaulichen Nutzung ergibt, lässt sich hier überwiegend nicht feststellen (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB/BauNVO, 121. EL Mai 2016, § 2 BauNVO Rn. 2). Diese Nutzung ist insbesondere abzugrenzen von einer dauerhaften Grundstücksnutzung, in der – wie hier – allein noch das Wohnen sowie Hobbies und Freizeitgestaltung auf den Freiflächen vorgesehen sind (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O., § 2 BauNVO Rn. 5).
2.2. Das streitgegenständliche Bauvorhaben widerspricht nicht dem in § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerten planungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme, soweit es dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt ist. Die von dem Bauvorhaben ausgehenden Geräuschemissionen durch den An- und Abfahrtsverkehr und die Nutzung der Stellplätze sind für den Antragsteller nicht unzumutbar.
Selbst in Kleinsiedlungsgebieten, reinen Wohngebieten und allgemeinen Wohngebieten sowie Sondergebieten, die der Erholung dienen, sind Stellplätze und Garagen für den durch die zugelassene Nutzung notwendigen Bedarf zulässig (vgl. § 12 Abs. 2 BauNVO). Die Vorschrift begründet für den Regelfall eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit (BayVGH, B.v. 4.7.2016 – 15 ZB 14.891 – juris Rn. 15). Der Grundstücksnachbar hat deshalb die Errichtung notwendiger Garagen und Stellplätze für ein Wohnbauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Belastungen durch zu- und abfahrende Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – IBR 2014, 374 = juris Rn. 14 m.w.N.). Besondere Umstände, die die Anordnung der Stellplätze auf dem Baugrundstück ausnahmsweise als unzumutbar für den Nachbarn erscheinen lassen, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich, zumal sich die Stellplätze überwiegend auf der der Antragstellerseite abgewandten Seite des Baugrundstücks befinden.
2.3. Auch darüber hinaus ist kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot zu erkennen. § 34 Abs. 1 BauGB enthält nach ständiger Rechtsprechung mit dem Begriff des „Einfügens“ einen Verweis auf das Gebot der Rücksichtnahme.
2.3.1. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris Rn. 22). Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebende Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich – umgekehrt – um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Wertminderungen als Folge der Ausnutzung der einem Dritten erteilten Baugenehmigung bilden nicht für sich genommen einen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinne des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, wie schutzwürdig die baurechtliche Stellung des Betroffenen ist. Je weniger der Nachbar in dieser Hinsicht an Rücksichtnahme verlangen kann, mit desto geringerem Gewicht schlägt der Gesichtspunkt von Wertminderungen bei der gebotenen Interessenabwägung zu seinen Gunsten zu Buch (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215/96 – juris Rn. 9).
2.3.2. Nach diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zu Lasten des Antragstellers nicht vor.
In seiner Antragsbegründung rügt der Antragsteller im Wesentlichen, dass sich das Bauvorhaben der Beigeladenen hinsichtlich der Anzahl der Wohneinheiten und der Größe des Vorhabens nicht einfüge. Insoweit wird verkannt, dass nur das im Begriff des „Einfügens“ im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme drittschützend ist, nicht hingegen die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten weiteren Einfügensvoraussetzungen, wie das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksfläche. Sie vermitteln grundsätzlich keinen Nachbarschutz, weil sie in aller Regel den Gebietscharakter unberührt lassen und – anders als die Bestimmungen über die Art der baulichen Nutzung – kein nachbarliches Austauschverhältnis begründen (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2004 – 4 C 10.03 – NVwZ 2004, 1244 ff.; BayVGH, B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 7). Selbst wenn ein Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung hinsichtlich der Größe der Grund- und Geschossfläche (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 BauNVO) sowie auch hinsichtlich seiner Höhe (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO) den aus der näheren Umgebung hervorgehenden Rahmen überschreitet, so bedeutet das nicht automatisch, dass der Nachbar hierdurch in seinen Rechten verletzt ist (BayVGH, B.v. 4.7.2016 – 15 ZB 14.891 – juris Rn. 8). Für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes reicht es nicht bereits aus, dass ein Vorhaben sich nicht in jeder Hinsicht innerhalb des Rahmens hält, der durch die Bebauung der Umgebung gebildet wird. Hinzukommen muss objektiv-rechtlich, dass es im Verhältnis zu seiner Umgebung bewältigungsbedürftige Spannungen erzeugt, die potentiell ein Planungsbedürfnis nach sich ziehen und subjektiv-rechtlich, dass es die gebotene Rücksichtnahme speziell auch auf die in seiner Nähe vorhandene Bebauung vermissen lässt (vgl. BVerwG, B.v. 13.11.1997 – 4 B 195.97 – NVwZ-RR 1998, 540).
Das Rücksichtnahmegebot gibt auch dem Nachbarn nicht das Recht, vor Beeinträchtigungen jeglicher Art, wie beispielsweise hinsichtlich Belichtung und Belüftung seines Grundstücks, verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn ein Nachbaranwesen durch die Außenmaße eines Bauvorhabens geradezu „erdrückt“, „eingemauert“ oder „abgeriegelt“ wird oder weitgehende Einsichtsmöglichkeiten in ein Gebäude geschaffen würden, die den sozialen Wohnfrieden erheblich stören. Eine Gesamtbetrachtung der Umstände des konkreten Einzelfalles ist maßgeblich dafür, ob einem Vorhaben „abriegelnde“ oder „erdrückende“ Wirkung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 25.1.2013 – 15 ZB 13.68 – juris Rn. 5; B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12). Eine solche Wirkung kommt nach der Rechtsprechung vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden“ in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – BauR 1981, 354: 12-geschossiges Gebäude in Entfernung von 15 m zu 2-geschossigem Nachbarwohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – NVwZ 1987, 34: 11,50 m hohe und über 13 m lange Siloanlage in einem Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnhaus). Ein solcher Fall ist nicht gegeben. Bei gleicher Geschoßhöhe wird eine erdrückende Wirkung grundsätzlich nicht in Betracht kommen (BayVGH, B.v. 20.7.2010 – 15 CS 10.1151 – juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 30.9.1983 – 4 C 18.80 – NJW 1984, 250 – juris Rn. 11). Die Zahl der in einem Gebäude vorhandenen Wohnungen ist dagegen weder ein Kriterium des in § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Begriffs des Einfügens (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.1989 – 4 B 72/89 – NVwZ 1989, 1060), noch in §§ 4 ff. BauNVO enthalten. Im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB ist in erster Linie auf solche Maßfaktoren abzustellen, die nach außen hin wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung in Beziehung zueinander setzen lassen (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.1994 – 4 C 18/92 – NVwZ 1994, 1006 – juris; B.v. 14.3.2013 – 4 B 49/12 – juris; B.v. 3.4.2014 – 4 B 12/14 – juris).
Nach diesen Maßstäben ist ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme aufgrund einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung des Vorhabens zu verneinen. Das Wohnbauvorhaben der Beigeladenen entspricht vielmehr im maßgeblichen räumlichen Umgriff dem vorhandenen Maß der baulichen Nutzung. Dem vorliegenden Plan- und Bildmaterial ist hinreichend deutlich zu entnehmen, dass sich das Bauvorhaben hinsichtlich der entscheidenden Kriterien Grundfläche, Geschosszahl und Höhe des Gebäudes (vgl. BayVGH, U.v. 14.8.2003 – 2 BV 03.771 – juris) im Rahmen der prägenden Umgebungsbebauung hält (vgl. Bildmaterial PR 5 zum Schriftsatz des Antragstellerbevollmächtigten vom 7.9.2016: Blick Richtung W…straße nach Westen, Blick nach Süden von W…straße …1a, Blick nach Westen W…str.; vgl. auch Bildmaterial des Landratsamts Aschaffenburg zum Schreiben vom 8.9.2016: S…gasse …1 und …3 sowie Blick auf W…straße …2 und …2a). Auch andere Gebäude in der näheren Umgebung zeichnen sich augenscheinlich durch dieselbe Höhe und Kubatur aus. In der West- und Ostansicht weist das streitgegenständliche Vorhaben zudem nicht den Eindruck einer Dreigeschossigkeit auf. In der dem Antragsteller zugewandten Westansicht treten vielmehr nur das Erdgeschoss sowie das erste Obergeschoss in Erscheinung.
Auch die Einsichtmöglichkeiten über die Terrassen und Balkone auf der Westseite des Bauvorhabens führen nicht zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot, da nicht davon auszugehen ist, dass der soziale Wohnfriede durch diese Ausrichtung erheblich gestört wird. Wie aufgrund des vorgelegten Bildmaterials erkennbar ist, befinden sich die Aufenthaltsflächen auf dem Grundstück des Antragstellers nicht auf der dem Bauvorhaben zugewandten Seite. Die Möglichkeit, das Grundstück Fl.Nr. …0 vom Grundstück …1 einzusehen, besteht vor allem bezüglich des vorgelagerten Gebäudes W…straße …1. Dort befinden sich jedoch lediglich ein kleineres Fenster im Erdgeschoss sowie zwei kleinere Fenster im oberen Geschoss in direkter Ausrichtung auf den Neubau. Das zurückgesetzte Gebäude W…straße …1a wird zudem durch ein vorgelagertes einstöckiges Gebäude abgeschirmt (vgl. Bildmaterial PR 6 zum Schriftsatz des Antragstellerbevollmächtigten vom 7.9.2016).
2.3.3. Die Bedenken des Antragstellers hinsichtlich Belichtung und Belüftung seines Grundstücks zwingen schließlich nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Anders als der Antragsteller ausführt, liegt kein offensichtlicher Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht vor, was ein Indiz für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots darstellen kann. Umgekehrt ist davon auszugehen, dass für das Gebot der Rücksichtnahme grundsätzlich kein Raum mehr ist, wenn ein Bauvorhaben die bauordnungsrechtlich für eine Belichtung, Belüftung und Besonnung sowie für den Wohnfrieden von Nachbargrundstücken gebotenen Abstandsflächen einhält. In Bezug auf eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung ist das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme in den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften der Bayerischen Bauordnung konkretisiert worden (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – BVerwGE 94, 151).
Zum einen stellt sich mit einem Blick auf die Umgebungsbebauung die Frage, ob vorliegend nicht schon aus planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden darf (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO).
Zum anderen geht die Kammer anders als der Antragsteller nicht davon aus, dass es infolge der Teilung des Grundstücks in die Grundstücke Fl.Nrn. …0 und …1 im Jahre 1974 zu einer Erstreckung der Abstandsflächen des Gebäudes W…straße …1 auf das Grundstück Fl.Nr. …1 gekommen ist. Demzufolge musste diese Abstandsfläche auch nicht in die Berechnung der Abstandsfläche für das streitgegenständliche Bauvorhaben mit einbezogen werden. Indiz hierfür ist schon die Rechtslage im Jahr 1974 im Zeitpunkt der Grundstücksteilung, in welchem die Bayerische Bauordnung in der Fassung aus dem Jahr 1962 Anwendung fand. Art. 7 Abs. 8 BayBO 1962 regelte, dass die bei der Errichtung eines Gebäudes vorgeschriebenen Abstandsflächen auch bei nachträglichen Grundstücksteilungen nicht unterschritten oder überbaut werden dürfen. Art. 7 Abs. 7 BayBO 1962, welcher eine Erstreckung auf das Nachbargrundstückbei rechtlicher Sicherung regelte, sollte entsprechend gelten. Der Gesetzgeber ging folglich davon aus, dass bei einer nachträglichen Grundstücksteilung keine automatische Erstreckung von Abstandsflächen stattfindet, sondern lediglich die nachträgliche Übernahme von Abstandsflächen möglich ist (Koch/Molodovsky, Bayerische Bauordnung, 6. Aufl. 1972, Art. 7 Rn. 9).
Gegen eine Erstreckung der Abstandsflächen spricht auch der in der Bayerischen Bauordnung geregelte Grundsatz, dass Abstandsflächen auf dem Grundstück selbst liegen müssen (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO; vgl. auch Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO 1962). Nach überwiegender Meinung in der Literatur gilt dies mit Blick auf das Eigentumsgrundrecht des Nachbarn (Art. 14 GG) auch im Falle einer Grundstücksteilung, die dazu führt, dass auf dem abgeteilten Grundstück keine ausreichenden Abstandsflächen mehr liegen (Simon/Busse, BayBO, 122. EL Januar 2016, Art. 6 Rn. 70; Molodovsky/Famers, BayBO, 120. EL März 2016, Art. 6 Rn. 104). Insofern tritt der primäre Zweck der Einhaltung von Abständen, einen Gebäudeabstand zu sichern, gegenüber der Sicherung eines ausreichenden Grenzabstands in den Hintergrund (Hauth, BauR 2008, 775, 783). Gestützt wird dieses Ergebnis durch die Aussage des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in einem Beschluss aus dem Jahr 2009 (B.v. 14.1.2009 – 1 ZB 08.97 – juris), in welchem er im Leitsatz der Entscheidung klarstellt, dass die gegen Abstandsflächenrecht verstoßende Errichtung eines Gebäudes an der Grundstücksgrenze oder mit zu geringem Grenzabstand nicht zur Folge hat, dass die Abstandsfläche (teilweise) auf dem Nachbargrundstück liegt und dort von Gebäuden freigehalten werden muss sowie nicht auf die auf dem Nachbargrundstück erforderlichen Abstandsflächen angerechnet werden darf. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht damit jedenfalls nicht von vornherein von einer Erstreckung der Abstandsflächen bei Verstößen gegen das Abstandsflächenrecht aus. Die Entscheidung dient insofern auch der Klarstellung zu der vom Antragstellerbevollmächtigten zitierten Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 2002 (BayVGH, B.v.20.2.2002 – 25 ZB 01.2566 – juris), in welcher der Bayerische Verwaltungsgerichtshof für den Fall der (irrigen) Annahme einer Abstandsflächenübernahme von einer Abstandsflächenerstreckung auf das Nachbargrundstück ausgegangen war.
Darüber hinaus liegt auch keine Fallgestaltung vor, in welcher man ausnahmsweise von einer Erstreckung der Abstandsflächen auf das Grundstück Fl.Nr. …1 ausgehen müsste. Wie bereits dargelegt, ist mit der Grundstücksteilung im Jahr 1974 keine automatische Erstreckung der Abstandsflächen auf das Grundstück Fl.Nr. …1 erfolgt. Auch eine Abstandsflächenübernahme wurde nicht erklärt. Damit konnten die Erben der Grundstücke nur in die Rechtsposition eintreten, die zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers im Jahr 1989 bestand (vgl. Angaben entsprechend der „eidesstattlichen Versicherung“ des Antragstellers, PR 3 zum Schriftsatz des Antragstellerbevollmächtigten vom 7.9.2016). Entscheidend ist daher nicht, dass die Grundstücke ursprünglich im Eigentum einer Person standen, da die Regelungen des öffentlichen Baurechts grundstücksbezogen und nicht personenbezogen wirken. Das rechtliche Schicksal der Grundstücke Fl.Nrn. …0 und …1 ist daher nach der Grundstücksteilung im Jahr 1974 jeweils selbständig entsprechend der Vorgaben des öffentlichen Baurechts (hier bezüglich des Abstandsflächenrechts) zu betrachten.
Da sich die Abstandsfläche des Gebäudes W…straße …1 (Fl.Nr. …0) folglich nicht auf das Grundstück Fl.Nr. …1 erstreckt hat, bestehen keine Bedenken gegen die Berechnung der Abstandsflächen im vorliegenden Verfahren. Wie der Beklagte dargelegt hat, sind die Abstandsflächen auf dem Grundstück Fl.Nr. …1 ausweislich der Planunterlagen im Ergebnis jedenfalls eingehalten, was die Annahme festigt, dass vorliegend kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot zu verzeichnen ist.
3. Da keine Verletzung nachbarschützender Vorschriften vorliegt, wird die Hauptsacheklage voraussichtlich erfolglos bleiben. Damit überwiegt auch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände das Interesse der Bauherren an der sofortigen Vollziehbarkeit der ihnen erteilten Baugenehmigung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Der Antrag ist demzufolge abzulehnen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da die Beigeladenen einen Antrag gestellt und sich somit dem prozessualen Risiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben, entspricht es billigem Ermessen, dass ihre außergerichtlichen Kosten dem Antragsteller auferlegt werden (§ 162 Abs. 3 VwGO).
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, § 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013).

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