Baurecht

Erfolgloser Normenkontrollantrag gegen noch nicht bekannt gemachten Bebauungsplan

Aktenzeichen  9 N 16.1228

Datum:
9.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2020, 24
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Gegenstand eines Normenkontrollantrags nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO kann grundsätzlich nur eine bereits bekanntgemachte Rechtsnorm sein. War ein Bebauungsplan zum Zeitpunkt der Antragstellung mangels Bekanntmachung noch nicht in Kraft getreten, ist ein hiergegen gerichteter Normenkontrollantrag nicht statthaft und wird auch nicht durch eine zwischenzeitliche Bekanntmachung des Bebauungsplans und dessen dadurch bewirktes Inkrafttreten zulässig.  (Rn. 17 – 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert wird auf insgesamt 40.000 Euro (20.000,- Euro je Antragstellerin) festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Normenkontrollantrag bleibt ohne Erfolg.
1. Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet nach vorheriger Anhörung der Beteiligten gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO durch Beschluss, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Einer solchen Entscheidung steht Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK nicht entgegen, weil der Antrag offensichtlich unzulässig ist (vgl. BVerwG, B.v. 26.2.2008 – 4 BN 51.07 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 19.8.2016 – 9 N 15.528 – juris Rn. 20 m.w.N.).
2. Der Normenkontrollantrag ist offensichtlich unzulässig.
Gegenstand eines Normenkontrollantrags nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO kann grundsätzlich nur eine bereits bekanntgemachte Rechtsnorm sein (vgl. BayVGH, B.v. 27.9.2016 – 9 NE 16.1229 – juris Rn. 12; OVG NW, B.v. 28.7.2015 – 7 D 37/15.NE – juris Rn. 14; OVG RhPf, B.v. 6.7.2017 – 6 B 11128/17 – juris Rn. 2). Hier war der Bebauungsplan „Am N.“ zum Zeitpunkt der Antragstellung mit Schriftsatz der Antragsgegnerinnen vom 16. Juni 2016 mangels Bekanntmachung noch nicht in Kraft getreten, weshalb der Normenkontrollantrag nicht statthaft ist.
Der Normenkontrollantrag ist aber auch durch die zwischenzeitliche Bekanntmachung des Bebauungsplans „Am N.“ im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 4. November 2017 und dessen dadurch bewirktes Inkrafttreten nicht zulässig geworden. Denn der Gegenstand, der mit einem Rechtsbehelf angegriffen wird, muss bereits im Zeitpunkt der Einlegung dieses Rechtsbehelfs rechtlich existieren. Insoweit handelt es sich um eine „echte“ Zugangsvoraussetzung, deren Fehlen nicht bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. Entscheidung des Gerichts geheilt werden kann (OVG RhPf, B.v. 6.7.2017 – 6 B 11128/17 – juris Rn. 3 f. m.w.N.; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 24. Auflage 2018, Vorb. § 40 Rn. 11).
Ein Ausnahmefall, der aus prozessökonomischen Gründen ein nachträgliches „Hineinwachsen“ in die Zulässigkeit angemessen erscheinen lassen könnte, liegt hier nicht vor. Die Antragstellerinnen haben nach Inkrafttreten des Bebauungsplans innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO keinen den Anforderungen des §§ 81, 82 VwGO entsprechenden Schriftsatz (mehr) eingereicht, aus dem sich ergibt, dass sich der – (zunächst) unzulässig erhobene – Normenkontrollantrag auf den zwischenzeitlich in Kraft getretenen Bebauungsplan erstrecken soll. Die bloße Sachstandsanfrage der Antragstellerinnen mit Schriftsatz vom 18. April 2018 genügt hierfür nicht. Dem steht auch Art. 19 Abs. 4 GG nicht entgegen, weil es den Antragstellerinnen unbenommen geblieben ist, den Bebauungsplan nach dessen Inkrafttreten mit einem zulässigen Normenkontrollantrag form- und fristgerecht anzugreifen und eine nicht wiedergutzumachende Rechtsschutzlücke – auch im Hinblick auf die zwischenzeitlich nach § 33 BauGB erteilten Baugenehmigungen, unabhängig von einer Klagebefugnis der Antragstellerinnen (vgl. OVG NW, B.v. 30.4.2010 – 7 B 3128/10.NE – juris Rn. 11 f.) – nicht ersichtlich ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 8 GKG i.V.m. Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

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