Aktenzeichen 1 CS 18.308
BauGB § 35 Abs. 2, Abs. 3
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 10e, Art. 75 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1
Leitsatz
1 Ein etwaiger Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist unerheblich, wenn der Antragsteller im Beschwerdeverfahren seine Einwände vorbringen konnte. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2 Art. 57 BayBO stellt weniger bedeutsame Vorhaben nur als Einzelvorhaben von der Baugenehmigungspflicht frei, wenn sie nicht im räumlichen, zeitlichen und funktionellen Zusammenhang mit einem anderen (Gesamt-) Vorhaben stehen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3 Entscheidend dafür, ob die Voraussetzungen für eine Baueinstellungsverfügung nach Art. 75 Abs. 1 BayBO vorliegen, ist, ob die Behörde im Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung nach den ihr erkennbaren objektiven Umständen annehmen durfte, dass die von ihr festgestellten Arbeiten den Beginn der Ausführung eines genehmigungspflichtigen (Gesamt-) Vorhabens darstellen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 11 S 17.4902 2017-12-20 Bes VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500‚- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Baueinstellung.
Bei einer Ortsbesichtigung am 11. September 2017 stellte ein Vertreter des Landratsamtes fest, dass das im Außenbereich liegende Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, an der Nord-, West- und Südseite mit einem braunen Stabmattenzaun und an der Ostseite mit einem grünen Maschendrahtzaun neu eingezäunt wurde, ein Carport errichtet wurde und die Außenanlagen um das Gebäude und den Einfahrtsbereich sowie ein bestehender Teich neu hergerichtet werden. Die Bauarbeiten wurden mündlich gegenüber dem Bauunternehmer sofort eingestellt, ein schriftlicher sofort vollziehbarer Bescheid an den Antragsteller erging am 12. September 2017.
Der Antragsteller erhob gegen den Bescheid vom 12. September 2017 Klage und stellte einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Das Verwaltungsgericht lehnte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 20. Dezember 2017 ab, da die Baueinstellungsverfügung gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 BayBO aller Voraussicht nach rechtmäßig sei. Die nicht sockellosen Einfriedungen und der Carport seien aufgrund der Außenbereichslage des Grundstücks genehmigungspflichtig. Die Umgestaltung der Gartenanlagen und des Teiches sei zwar grundsätzlich verfahrensfrei möglich; da es sich um ein einheitlich zu beurteilendes Gesamtvorhaben handele, erstrecke sich die Genehmigungspflicht aber auch auf diese Arbeiten. Die Arbeiten seien auch insgesamt noch nicht abgeschlossen gewesen.
Mit der Beschwerde macht der Antragsteller geltend, dass das Verwaltungsgericht das Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG verletzt habe. Er habe auf die Stellungnahme des Antragsgegners vom 14. Dezember 2018 und den Inhalt der Behördenakten, die das Gericht seinem Beschluss entscheidungserheblich zugrunde gelegt habe, nicht mehr eingehen können. Das Landratsamt habe seiner Darstellung, dass Abgrabungen und genehmigungsbedürftige Erdarbeiten nicht durchgeführt worden seien, nicht widersprochen. Bei den vom Verwaltungsgericht genannten „Erdarbeiten“ und der „Gestaltung der Außenanlagen“ habe es sich ausschließlich um Arbeiten zur Wiederfreilegung des Regenwasserverdunstungsbeckens gehandelt, das durch diese Arbeiten wieder funktionsfähig gemacht worden sei. Sowohl der Carport als auch die Zaunanlage seien vor Erlass der Einstellungsverfügung bereits fertig gestellt gewesen. Die Stabmatten zwischen Tor und Garage seien im November lediglich kurzfristig nochmals entfernt worden, um den Rasen anzulegen. Nach Abschluss der Bauarbeiten sei eine Unterlassungsverfügung nicht mehr zulässig gewesen. Weiter beruft sich der Antragsteller hinsichtlich des Zauns und des Carports auf Bestandsschutz, da die alten baufälligen Teile nur ersetzt worden seien, sowie im Hinblick auf Auskünfte eines Gemeindeangestellten gegenüber der Baufirma auf Vertrauensschutz.
Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung wird die Klage des Antragstellers im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos bleiben, sodass das Interesse an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegenüber dem Vollzugsinteresse der angefochtenen Baueinstellungsverfügung nachrangig ist.
Ein etwaiger Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist unerheblich, da der Antragsteller im Beschwerdeverfahren seine Einwände vorbringen konnte (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2006 – 1 CS 06.2014 – NVwZ-RR 2007, 371).
Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der Errichtung der Einfriedungen, des Carports und den Erdarbeiten auf dem Grundstück um ein einheitliches Bauvorhaben handelt, das insgesamt genehmigungspflichtig ist. Art. 57 BayBO stellt weniger bedeutsame Vorhaben nur als Einzelvorhaben von der Baugenehmigungspflicht frei, wenn sie nicht im räumlichen, zeitlichen und funktionellen Zusammenhang mit einem anderen (Gesamt-)Vorhaben stehen. Verfahrensfreie Anlagen, die der Gartengestaltung oder Gartennutzung dienen (Art. 57 Abs. 1 Nr. 10e BayBO), wie z.B. Gartenwege, Geländemodellierungen, sind als Teil eines Gesamtvorhabens genehmigungspflichtig. Der Antragsteller hat vor seinem geplanten Einzug in das Wohngebäude umfassende Sanierungsarbeiten an dem Anwesen durchgeführt, die auch die Außenanlagen betroffen haben (vgl. Schreiben vom 21. März 2017 an die Gemeinde S* …, Bl. 11 der Behördenakte). Entscheidend dafür, ob die Voraussetzungen für eine Baueinstellungsverfügung vorliegen, ist, ob die Behörde im Zeitpunkt des Erlasses der Anordnung nach den ihr erkennbaren objektiven Umständen annehmen durfte, dass die von ihr festgestellten Arbeiten den Beginn der Ausführung eines genehmigungspflichtigen (Gesamt) Vorhabens darstellen. Mit der Baueinstellung soll verhindert werden, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden. Es soll geprüft werden können, ob das Vorhaben mit dem öffentlichen Recht vereinbar ist, bevor ein rechtswidriger Zustand entstanden ist oder sich verfestigt. Der rechtmäßige Erlass einer Baueinstellungsverfügung setzt nur voraus, dass konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die es wahrscheinlich machen, dass ein dem öffentlichen Recht widersprechender Zustand geschaffen wird, nicht dagegen auch die tatsächliche Verwirklichung der Vermutung (vgl. BayVGH, B.v. 2.9.1982 – Nr. 2 B 81 A.984; U.v. 27.8.2002 – 26 B 00.2110 – juris Rn. 22; B.v. 5.10.2006 – 14 ZB 06.1133 – juris Rn. 2). Die Behörde konnte nach den Erkenntnissen der Baukontrolle davon ausgehen, dass neben der Neuerrichtung eines Carports und einer Einzäunung auch eine Neugestaltung des Bereichs rund um das Haus und den Einfahrtsbereich erfolgen sollte (vgl. Fotos 13-20 auf Bl. 23/24 der Behördenakte). Es kommt daher nicht entscheidungserheblich darauf an, ob bei der späteren Ortsbesichtigung tatsächlich Abgrabungen festgestellt werden konnten oder die bisherigen Erdarbeiten ausschließlich der Wiederfreilegung des Regenwasserauffangbeckens zugeordnet werden können. Soweit der Antragsteller die Errichtung des Zauns und des Carports lediglich als genehmigungsfreie Instandhaltungsmaßnahmen ansieht, da sich die alten Bauteile in einem maroden Zustand befunden hätten, ist dies unzutreffend. Mit der Beseitigung der alten Zäune und des alten Carports ist deren Bestandsschutz verloren gegangen. Bei der Prüfung der Genehmigungsfähigkeit der neuen baulichen Anlagen nach § 35 Abs. 2, 3 BauGB ist auch nicht ein Vergleich zwischen Alt- und Neubau vorzunehmen (vgl. BVerwG, B.v. 19.2.2004 – 4 C 4.03 – NVwZ 2004, 982).
Das Verwaltungsgericht hat weiter zutreffend ausgeführt, dass die Arbeiten an den Außenanlagen noch nicht abgeschlossen waren. Eine Baueinstellung scheidet erst aus, wenn eindeutig feststeht, dass keine weiteren Arbeiten an der (Gesamt) Anlage mehr durchgeführt werden. Soweit noch Arbeiten zum Ausbau, zur Verbesserung, Korrektur, auch Nachbesserungen erfolgen, sind die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen (vgl. BayVGH, U.v. 23.6.1980 – Nr. 20 XV 73). Nach diesem Maßstab waren die Arbeiten an der Gesamtanlage nicht beendet; so fehlte – unabhängig von Gartengestaltungsmaßnahmen – jedenfalls bei der Einzäunung teilweise die (Wieder) Anschüttung des Erdreichs (vgl. Bl. 22 der Behördenakte), die Stabmatten mussten nochmals zur Anlegung der Rasenfläche herausgenommen werden und im Einfahrtsbereich war die Stützmauer noch nicht fertiggestellt.
Soweit sich der Antragsteller auf den Schutz des Vertrauens in Auskünfte eines Mitarbeiters der Gemeinde beruft und ausführt, dass dieses Vertrauen bei der Gewichtung und Bewertung seines Interesses an einer Beibehaltung des Zauns in der Abwägung berücksichtigt werden müsse, kommt es hierauf für die Rechtmäßigkeit der Baueinstellungsverfügung bereits nicht an. Die Fortführung von Bauarbeiten kann allein wegen formeller Baurechtswidrigkeit verhindert werden (vgl. BayVGH, B.v. 11.9.2017 – 1 ZB 16.2186 – juris Rn. 2; B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.672 – juris Rn. 8 m.w.N.). Im Übrigen ist nicht erkennbar, inwieweit mündliche Auskünfte eines für die Baugenehmigung unzuständigen Gemeindeangestellten einen Vertrauensschutz dahingehend begründen können, dass von einer Beseitigungsanordnung des Zauns abgesehen werden muss.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1‚ § 53 Abs. 2 Nr. 2‚ § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).