Aktenzeichen M 8 K 15.2730
Leitsatz
1 Der Bebauungszusammenhang endet zwar grundsätzlich am letzten Baukörper. In den Innenbereich einzubeziehen sind aber auch Hilfsflächen und Nebenanlagen, z.B. befestigte Stellplätze, angemessene Hausgärten oder sonstige Erholungs- und Nutzungsbereiche (sog. bau- oder bebauungsakzessorische Nutzung), soweit sie der Hauptanlage ohne Weiteres erkennbar zugeordnet sind. (red. LS Andreas Decker)
2 Mit dem Begriff „Grundzug der Planung“ umschreibt § 31 Abs. 2 BauGB die planerische Grundkonzeption, die den Bebauungsplanfestsetzungen zu Grunde liegt und in ihnen zum Ausdruck kommt. (red. LS Andreas Decker)
3 Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen (Baulinien, Baugrenzen, Bebauungstiefen), mit denen Bauräume festgelegt und eine planerische Abgrenzung der überbaubaren von den nicht bebaubaren Grundstücksflächen erfolgt, gehören regelmäßig zu den das planerische Konzept wesentlich tragenden Regelungen. (red. LS Andreas Decker)
4 Ein formell illegales Bauwerk genießt keinen Bestandsschutz. (red. LS Andreas Decker)
Tenor
I. Soweit die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Der Vorbescheid vom 9. Juni 2015 wird in den Nummern 1, 2a, 2b, 3, 4 und 5 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Vorbescheidsantrag vom 19. Februar 2015, Plannr. …, in den Nummern 1, 2a, 2b, 3, 4 und 5 positiv zu beantworten.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Da die Beteiligten übereinstimmend auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet haben, konnte das Gericht im schriftlichen Verfahren entscheiden (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
I.
Nachdem die Klägerin den Vorbescheidsantrag vom 19. Februar 2015 in der mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2016 hinsichtlich der Nummern 6a, 6b, 7 und 8 zurückgezogen hat (vgl. Sitzungsprotokoll S. 7), haben die Beteiligten die Hauptsache insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Verfahren war daher in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO insoweit einzustellen und über die Kosten nach billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO) zu entscheiden. Da sich die Hauptsache nur teilweise erledigt hat, war kein gesonderter Beschluss zu erlassen, sondern die – auch in diesem Fall nicht der Anfechtung unterliegende – Entscheidung über die Verfahrenseinstellung und die Kostentragung zusammen mit der Sachentscheidung über den nicht erledigten Teil im Urteil zu treffen (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.1998 – 4 B 75.98 – juris Rn. 2).
II.
Die zulässige Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist hinsichtlich der als Streitgegenstand verbleibenden Nummern 1, 2a, 2b, 3, 4 und 5 des Vorbescheidsantrags vom 19. Februar 2015 erfolgreich. Die Klägerin hat einen Anspruch auf positive Beantwortung dieser Fragen im Vorbescheidsantrag (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die vorgenannten Vorbescheidsfragen sind sämtlich positiv zu beantworten, da diesen jeweils keine im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren (vgl. hier Art. 2 Abs. 3, Art. 59 Satz 1 Bayerische Bauordnung – BayBO) zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen (Art. 71 Satz 1 und 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BayBO). Daher war die Beklagte insoweit unter Aufhebung des negativen Vorbescheides vom 9. Juni 2015 zu verpflichten, den Vorbescheidsantrag vom 19. Februar 2015 in den Nummern 1, 2a, 2b, 3, 4 und 5 positiv zu beantworten.
1. Die Frage 1 zur planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens nach der Art der baulichen Nutzung ist positiv zu beantworten. Das beantragte Vorhaben ist bauplanungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Baugesetzbuch (BauGB) zu beurteilen. Es befindet sich in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil und fügt sich hinsichtlich der Nutzungsart dort in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
Auf Grundlage der im Augenschein vom 10. Oktober 2016 gemachten Feststellungen sowie der Auswertung der bei den Akten befindlichen Pläne und (Luft-)Bilder gelangt die Kammer zu der Überzeugung, dass das streitbefangene Bauvorhaben Bestandteil eines Bebauungszusammenhangs im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt es nicht im Außenbereich (§ 35 BauGB).
Die Anwendung des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB setzt einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil voraus. Die Tatbestandsmerkmale „im Zusammenhang bebaut“ und „Ortsteil“ sind dabei kumulativer Natur (vgl. aktuell BVerwG, U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – juris Rn. 11). „Ortsteil“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Ein „Bebauungszusammenhang“ ist gegeben, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt (vgl. rechtsgrundsätzlich BVerwG, U.v. 6.11.1968 – 4 C 2.66 – BVerwGE 31, 20, 21 f.).
Maßgeblich ist vorliegend mithin, ob die antragsgegenständlichen Gebäude auf einem Grundstück(-steil) bzw. auf Grundstücken – hier FlNr. … und Teilfläche FlNr. … – belegen sind, der bzw. die noch am Bebauungszusammenhang des Stadtteils … teilnimmt bzw. teilnehmen und dieser im relevanten Umgriff auch Ortsteilqualität besitzt.
In der Rechtsprechung ist geklärt, nach welchen Kriterien die Abgrenzung des Bebauungszusammenhangs im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zum Außenbereich (§ 35 BauGB) zu erfolgen hat. Danach ist – wie ausgeführt – für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ausschlaggebend, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört (vgl. BVerwG, U.v. 6.11.1968 a.a.O.). Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist einzelfallbezogen zu entscheiden. Darüber, wo die Grenze des Bebauungszusammenhangs verläuft, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigenden Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts zu befinden (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – juris Rn. 11 m.w.N.). Denn bei der Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich geht es darum, inwieweit ein Grundstück zur Bebauung ansteht und sich aus dem tatsächlich Vorhandenen ein hinreichend verlässlicher Maßstab für die Zulassung weiterer Bebauung (hier nach der Art der baulichen Nutzung, im Übrigen auch nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche [dazu nachfolgend unter 2, 3 und 4]) gewinnen lässt. Die (be-)wertende Betrachtung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse kann sich angesichts dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen Kriterien nur nach optisch wahrnehmbaren Merkmalen richten. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper (vgl. aktuell BVerwG, B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – juris Rn. 5 f.). Dabei sind die Gründe für die Genehmigung des Bestands – ebenso wie Darstellungen des Flächennutzungsplans – unerheblich. Auch nur tatsächlich existente Gebäude, mit deren Vorhandensein sich die Bauaufsichtsbehörde zweifelsfrei und dauerhaft abgefunden hat, können zur Entwicklung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils gegebenenfalls beitragen (vgl. BVerwG, B.v. 9.11.2005 – 4 B 67.05 – juris Rn. 2). Es kommt dabei regelmäßig weder auf die Zweckbestimmung noch die Entstehungsgeschichte der vorhandenen Bebauung an (vgl. BVerwG, B.v. 2.4.2007 – 4 B 7.07 – juris Rn. 4). Dementsprechend haben tatsächlich vorhandene Baulichkeiten im Rahmen von § 34 BauGB nur dann außer Betracht zu bleiben, wenn – wie insbesondere durch den Erlass von Beseitigungsverfügungen – das Verhalten der zuständigen Behörde hinreichend klar ergibt, dass eine Beseitigung absehbar ist oder eine Genehmigung oder Duldung nur befristet, widerruflich oder ausschließlich personengebunden erteilt wurde. Ansonsten kommt es sowohl für die Annahme des Bebauungszusammenhangs als auch für die Beurteilung der „näheren Umgebung“ nach § 34 BauGB entscheidend auf die tatsächlich vorhandene städtebauliche Situation an, wobei unbeachtlich ist, ob die vorhandene Bebauung oder die ausgeübte Nutzung materiell illegal ist, solange, wie vorstehend ausgeführt, die zuständigen Behörden den Bestand dulden oder wegen formeller Legalität dulden müssen (vgl. BVerwG, B.v.12.2.2000 – 4 B 1.00 – juris).
Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist mithin nicht jede beliebige bauliche Anlage. Den Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können nur Bauwerke, die aufgrund ihrer optischen Wahrnehmbarkeit und eines gewissen städtebaulichen Gewichts geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Zur „Bebauung“ im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gehören grundsätzlich also nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt zu werden pflegen, wie beispielsweise zu Freizeitzwecken genutzte Wochenendhäuser, Gartenhäuser oder in einem weiteren Sinne „Nebenanlagen“ zu einer landwirtschaftlichen, (klein-)gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (vgl. BVerwG, U.v. 30.6.2015 a.a.O. juris Rn. 15). Dass sie als bauliche Anlagen im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB zu qualifizieren sind, ändert nichts an dieser Beurteilung (vgl. BVerwG, B.v. 2.8.2001 – 4 B 26.01 – juris Rn. 5). Gleichwohl können auch solche Bauten und zudem auch unbebaute Flächen am Bebauungszusammenhang teilnehmen (vgl. BVerwG, B.v. 2.8.2001 a.a.O.; B.v. 2.3.2000 – ZfBR 2000, 428). Denn Baulichkeiten können auch dann die Eigenart der näheren Umgebung prägen, wenn sie (allein) nicht imstande sind, (auch) einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil zu bilden (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris LS 1). Bei einer Grundstückslage am Ortsrand endet der Bebauungszusammenhang unabhängig vom Verlauf der Grundstücksgrenze regelmäßig am letzten mit den übrigen Häusern im Zusammenhang stehenden Baukörper. Das Grundstück ist dann nicht in seiner vollen Ausdehnung dem Innenbereich zuzurechnen. In den Innenbereich einzubeziehen sind aber Hilfsflächen und Nebenanlagen, z.B. befestigte Stellplätze, angemessene Hausgärten oder sonstige Erholungs- und Nutzungsbereiche (sog. bau- oder bebauungsakzessorische Nutzung), soweit sie der Hauptanlage ohne weiteres erkennbar zugeordnet sind (vgl. BayvGH; B.v. 27.1.2010 – 9 ZB 08.37 – juris Rn. 3; Spieß in: Jäde/Dirnberger, BauGB/BauNVO, 7. Aufl. 2017, § 34 BauGB Rn 19 m.w.N.). Nachdem somit selbst unbebaute Flächen einem Bebauungszusammenhang zuzurechnen sein können, können zu einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil auch solche Grundstücke gehören, auf denen sich (nur) bauliche Anlagen ohne maßstabbildende Kraft befinden, wenn sie in der Lage sind, die Eigenart der näheren Umgebung (mit) zu prägen. Maßgeblich ist auch insoweit, wie weit eine aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche selbst diesem Zusammenhang angehört. In diesen Fällen sind die vorhandenen baulichen Anlagen aber nicht selbst die relevante, den Bebauungszusammenhang begründende Bebauung, vielmehr wird der Bebauungszusammenhang über die letzten mit den übrigen Häusern im Zusammenhang stehenden Baukörper am Ortsrand hinaus durch sie erweiternd bebauungsakzessorisch erstreckt (vgl. VG München, U.v. 5.3.2012 – M 8 K 11.501 – juris Rn. 46).
Dies zu Grunde gelegt, nimmt das streitgegenständliche Vorhaben noch am Bebauungszusammenhang des Stadtteils … teil. Das vorhabenbedingt maßgeblich zur Bebauung vorgesehene Grundstück FlNr. … ist in seiner Gesamtheit mit einer Vielzahl von – soweit ersichtlich größtenteils nicht bauaufsichtlich genehmigten – Baukörpern, Behelfsbauten, Schuppen und Unterständen bebaut (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 3 – 5). Es finden sich dort insbesondere im Nordosten das zweigeschossige Wohngebäude …straße 34, ein weiteres eingeschossiges Wohngebäude sowie verschiedene Geräteschuppen mit einer Traufhöhe von bis zu 5 m und einer Firsthöhe von bis zu 8 m sowie weitere gewerblich genutzte Gebäude mit zwei Geschossen. Diese Gebäude vermitteln – auch in einer Gesamtschau mit den im westlichen Bereich des Grundstücks gewerblich genutzten Freiflächen eines Kfz-Handels und entsprechender Werkstatt – aufgrund ihrer An- und Zuordnung und optischen Verbindung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit. Es ist von Seiten der Beklagten auch weder vorgetragen noch sonst aus den Akten ersichtlich, dass die dort offenkundig seit Jahrzehnten stattfindende gewerbliche Nutzung von ihr zum Anlass für bauaufsichtliche Maßnahmen genommen worden wäre. Somit ist nicht absehbar, dass die tatsächlich im Geviert vorhandene Bebauung auf dem Grundstück FLNr. …, die sich (fast) bis zur Grundstücksgrenze des südlichen Nachbargrundstücks erstreckt, soweit sie nicht genehmigt sein sollte, beseitigt wird. Die Beklagte beruft sich auch selbst nicht auf Fälle, in denen sie gegen ungenehmigte Nutzungen auf dem zur Bebauung vorgesehenen Grundstück aufsichtlich vorgegangen wäre. Es ist somit davon auszugehen, dass die Beklagte den Bestand auf dem Grundstück FlNr. … in einer solchen Weise duldet, dass sie sich mit seinem Vorhandensein abgefunden hat.
Auch das unmittelbar südlich angrenzende Grundstück FlNr. … ist teilweise bebaut und in den Freiflächen, die als gewerblicher Lager- und Stellplatz für Baustoffe, Container und Fahrzeuge des weiter südlich angrenzenden, (auch) auf den Grundstücken FlNr. …, …, …, … betriebenen Baugeräte- und Baustoffhandels genutzt werden, überwiegend befestigt. Es finden sich dort massive und flächenhaft erhebliche gewerbliche Nutzungen, die dem Betrachter als einheitliche Betriebs- und Lagerfläche erscheinen. Soweit sich dort auf den Grundstücken FlNr. … und … ebenfalls ungenehmigte gewerbliche Nutzungen finden, ist zudem ebenfalls nichts dafür erkennbar, dass die Beklagte diesen Bestand bislang nicht dauerhaft geduldet hätte.
Angesichts der hohen Dichte an tatsächlicher Bebauung ist sonach davon auszugehen, dass der Umgriff des streitgegenständlichen Grundstücks Teil des Ortsteils … und keine – städtebaulich unerwünschte – Splittersiedlung i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB darstellt. Der hier somit maßgeblich zur Bestimmung des Bebauungszusammenhangs der näheren Umgebung zu betrachtende Bereich östlich der … Straße, südlich der …straße und westlich des S-Bahn-Geländes endet erst dort, wo sich im Süden im Anschluss an die weitläufige und siedlungsstrukturell erkennbar bereits verfestigte gewerbliche Nutzung auf den Grundstücken FlNr. …, …, …, …, … auf dem Grundstück FlNr. … ausgedehnte Freiflächen finden und dort der landwirtschaftlich genutzte Außenbereich beginnt. Gleiches gilt für das ebenfalls ganz überwiegend unbebaute und mit Wald bestandene Grundstück FlNr. …
Die relative Heterogenität der Bebauung im hier zu betrachtenden Umgriff, die aus städtebaulicher Sicht in dieser Form siedlungsstrukturell und Bauleitplanung nicht angestrebt werden würde, steht auch der Annahme eines „Ortsteils“ i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht entgegen. Die für die Annahme eines Ortsteils erforderliche organische Siedlungsstruktur setzt nicht voraus, dass es sich um eine nach Art und Zweckbestimmung einheitliche Bebauung handeln müsste, da eine unterschiedlich, unter Umständen sogar eine in ihrer Art und Zweckbestimmung gegensätzliche Bebauung einen Ortsteil bilden kann (vgl. BVerwG, U.v. 6.11.1968, a.a.O.). Ebenso wenig kommt es danach auf die Entstehungsweise der vorhandenen Bebauung an. Erforderlich ist zudem auch nicht, dass die Bebauung einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entspricht, eine bestimmte städtebauliche Ordnung verkörpert oder als eine städtebauliche Einheit in Erscheinung tritt. Es fehlt vielmehr insbesondere erst dann an einer der Siedlungsstruktur angemessenen Fortentwicklung der Bebauung und damit an der Ortsteilqualität, wenn eine bloße Anhäufung von behelfsmäßigen Bauten oder eine völlige regellose und in dieser Anordnung geradezu funktionslose Bebauung inmitten steht. Bei der vorliegend anzutreffenden Bebauung auf dem Vorhabengrundstück sowie auf den südlich hiervon gelegenen, massiv gewerblich genutzten Grundstücken kann nicht von einer bloßen Anhäufung behelfsmäßiger Bauten oder einem völlig regel- bzw. funktionslosen Bebauungskonglomerat die Rede sein. Mag sich auch keine bestimmte städtebauliche Einheitlichkeit mit entsprechendem Ordnungsbild aus dem Bestand ergeben, spiegelt dieser gleichwohl – jedenfalls in einer Gesamtschau – eine augenscheinlich bereits jahrzehntelange für die dort ansässigen Betriebe angemessene und auch funktionsfähige mischgebiets- bzw. weiter südlich gewerbegebietsähnliche Gemengelage wieder. Dies zeigt sowohl der auf dem Vorhabengrundstück vorhandene Bestand an Wohngebäuden nebst Kfz-Handel und Werkstatt als auch der auf den südlich anliegenden Grundstücken betriebene, großflächig angelegte Baustoff- und Baugerätehandel deutlich auf, wobei letzterer nach Aktenlage zudem bereits seit dem Jahr 1913, wenn damals auch in deutlich kleiner Form, existiert.
Das Vorhabengrundstück nimmt am sich sonach ergebenden – aufgrund der im Geviert vorzufindende, inhomogenen, teilweise in der Art eines Misch- oder Gewerbegebiets (auf den Grundstücken FlNr. … und südlich davon), teilweise auch in der Art eines Wohngebiets (FlNr. …, … und …) zu qualifizierenden Nutzungsarten der Art der baulichen Nutzung nach als Gemengelage einzuordnenden – Bebauungszusammenhang des Ortsteils … teil. Das antragsgegenständliche Vorhaben fügt sich mit der angestrebten Wohnnutzung dort auch der Art der baulichen Nutzung nach ohne weiteres ein.
2. Auch die Fragen 2a, 2b, 3 und 4 zur planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens nach dem Maß der baulichen Nutzung ist positiv zu beantworten. Das Vorhaben fügt sich auch insoweit nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die maßgebliche nähere Umgebungsbebauung ein. Sowohl für die abgefragten Gebäudebreiten von 47,50 m für die beiden westlichen Mehrfamilienhäuser bzw. von 10,45 m für das östliche Wohnhaus als auch die einheitliche Gebäudetiefe von 12,00 m wie auch die ebenfalls einheitlichen Wand- und Firsthöhen von 6,00 m und 12,00 m finden sich in der näheren Umgebung Entsprechungen. Das auf dem Grundstück FlNr. … sowie auf einer Teilfläche des Grundstücks FlNr. … mit Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2014 genehmigte und zwischenzeitlich realisierte Mehrfamilienhaus …straße 4 bis 8 erweist sich mit einer Gebäudebreite von 49,99 m, einer Gebäudetiefe von 12,00, einer Wandhöhe von bis zu 6,40 m und einer Firsthöhe von 11,57 m als ein in allen nach außen wirkenden und sonach gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgeblichen absoluten Größen (vgl. zuletzt BVerwG, U.v. 8.12.2016, a.a.O. LS 2) heranziehbarer, unmittelbar nordwestlich benachbarter und sonach maßstabbildender Bezugsfall.
3. Die Frage 2a ist auch hinsichtlich der Zulässigkeit der allein vom östlichen Wohnhaus ausgelösten Überschreitung der überbaubaren Grundstücksfläche des seit den 1960er Jahren in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. … bzw. des dort vorhandenen Bauliniengefüges positiv zu beantworten. Dabei kann offenbleiben, ob diesem Aufstellungsbeschluss und/oder dem Bauliniengefüge die Wirkung eines nach § 173 Abs. 3 Bundesbaugesetz (BBauG) übergeleiteten und nach § 233 Abs. 3 BauGB in geltendes Baurecht transferierten einfachen Bebauungsplans (§ 30 Abs. 3 BauGB) zukommt, da die Klägerin für dieses Gebäude jedenfalls einen Anspruch auf Erteilung der insoweit beantragten Befreiung für die Lage außerhalb des Bauraums nach § 31 Abs. 2 BauGB hat. Das Ermessen der Beklagten ist insoweit auf Null reduziert.
Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines (einfachen) Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern (Nr. 1) oder die Abweichung städtebaulich vertretbar ist (Nr. 2) oder die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde (Nr. 3) und wenn die Abwägung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
3.1 Vorliegend werden die Grundzüge der in Aufstellung befindlichen Planung durch die Zulassung der Bauraumüberschreitung für das östliche Wohnhaus nicht berührt.
Mit dem Begriff „Grundzug der Planung“ umschreibt § 31 Abs. 2 BauGB die planerische Grundkonzeption, die den Bebauungsplanfestsetzungen zu Grunde liegt und in ihnen zum Ausdruck kommt. Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwider läuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist. Von Festsetzungen, die für die Planung tragend sind, kann nur dann befreit werden, wenn die jeweilige Abweichung für das Planungsgefüge von untergeordneter Bedeutung ist. Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen (Baulinien, Baugrenzen, Bebauungstiefen), mit denen Bauräume festgelegt und eine planerische Abgrenzung der überbaubaren von den nicht bebaubaren Grundstücksflächen erfolgt, gehören regelmäßig zu den das planerische Konzept wesentlich tragenden Regelungen. Eine Befreiung hiervon kommt daher nur in Betracht, wenn und soweit die Abweichung für das Planungsgefüge von untergeordneter Bedeutung ist. Davon ist hier nach den Umständen des Falles und insbesondere unter Berücksichtigung der Bebauung auf den nördlichen des Vorhabens liegenden, unmittelbar benachbarten Grundstücken FlNr. … (…straße 32) und insbesondere FlNr. … (…straße 26) auszugehen. Für die letztgenannte erhebliche Bauraumüberschreitung für den Neubau eines Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage hat die Beklagte im Vorbescheid vom 25. März 2014 eine Befreiung wegen Überschreitung der rückwärtigen Baugrenze zugelassen und damit das Planungsgefüge der (historischen) Bauraumkonzeption bereits entscheidend „aufgeweicht“. Bei der nunmehr beantragten Bauraumüberschreitung durch das streitgegenständliche Vorhaben handelt es sich um eine – gemessen an den mit Vorbescheid vom 25. März 2014 zugelassenen Bauraumüberschreitungen auf dem Grundstück Fl.Nr. … – deutlich weniger erhebliche Abweichung, die mit Blick auf die Umgebungsbebauung keine ins Gewicht fallende Veränderung der planerischen Situation bewirkt, sich also im Rahmen der bereits vorhandenen Überschreitungen bewegt und daher die Grundzüge der Planung nicht berührt.
3.2 Weiter liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB vor. Die Befreiung ist städtebaulich vertretbar, denn es steht außer Frage, dass die Zulassung einer Bebauung im Bereich außerhalb der festgesetzten Bauräume auch durch eine entsprechende bauplanerische Festsetzung hätte ermöglicht werden können (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.1998 – 4 C 16/97 – juris RdNr. 36).
Die Befreiung ist schließlich auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Schützenswerte nachbarliche Belange werden durch die antragsgegenständliche Bebauung nicht in erheblicher Weise berührt. Ausweislich der von der Klägerin in Anlage zum Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 5. Dezember 2016 vorgelegten schalltechnischen Stellungnahme des Büros … und Partner GmbH vom 25. November 2016, gegen dessen Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit keine Bedenken bestehen, gehen die maßgeblich mit der beantragten Wohnnutzung konfligierenden Schallemissionen von der unstreitig ungenehmigten gewerblichen Nutzung der Grundstücke FlNr. … und … als Lager- und Stellflächen für Baustoffe und Baugeräte aus. Damit kommt dieser Nutzung bereits keine geschützte wehrfähige Position im Rahmen der Würdigung der nachbarlichen Belange zu.
3.3 Auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB besteht in der Regel allerdings kein Rechtsanspruch auf die begehrte Entscheidung. Insoweit erfordert § 31 Abs. 2 BauGB zusätzlich eine Ermessensentscheidung der Baugenehmigungsbehörde, wenn nicht ausnahmsweise eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben ist. Eine Ermessensreduzierung auf Null kommt dann in Betracht, wenn allgemein oder im konkreten Einzelfall keine Zweckmäßigkeitserwägungen denkbar sind, die eine Versagung der Befreiung unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten rechtfertigen könnten (vgl. BayVGH, U.v. 9.8.2007 – 25 B 05.1339 – juris Rn. 44).
Vorliegend ist bereits mit Blick auf die Zulassung der Bauraumüberschreitung für das mit Vorbescheid vom 25. März 2014 in Gestalt einer Bebauungsgenehmigung legalisierte Vorhaben auf dem benachbarten Grundstück FlNr. … aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG) davon auszugehen, dass keinerlei bauplanungsrechtliche Gesichtspunkte in Betracht kommen, die gegen die Erteilung einer Befreiung für das vorliegend beantragte östliche Wohnhaus sprechen würden. Dazu kommt, dass die Beklagte die Planungsabsichten, die dem Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. … aus den 1960er Jahren zugrunde lagen, in wesentlichen Zügen bereits aufgegeben hat. Das soweit ersichtlich einzig noch im Raum stehende bauleitplanerische Sicherungsinteresse hinsichtlich der Fortführung der … Straße in Richtung Osten wird vom Vorhaben gerade nicht berührt. Gleiches gilt aufgrund der räumlichen Trennung – im Übrigen auch mit Blick auf den ausreichend vorwirkenden Schutz fachplanerischer (Aus-) Bauvorhaben, der von einer entsprechenden spezialgesetzlichen Veränderungssperre (vgl. § 19 Allgemeines Eisenbahngesetz – AEG) ausgeht und gegebenenfalls auch kommunale Verkehrsbelange der Beklagten erfasst – für den beabsichtigten Ausbau der S-Bahnstrecke einschließlich einer zukünftig möglichen Verlegung der S-Bahn-Haltestelle …, die beide deutlich weiter östlich gelegen sind. Dabei ist ebenfalls maßgeblich zu berücksichtigen, dass die Beklagte selbst eine Verlegung der S-Bahn-Strecke der Linie … zwischen den Stationen …, … und … nur noch in einen neuen Tunnel anstrebt, wobei auch die Bahnhöfe selbst als unterirdische Stationen errichtet werden sollen (vgl. Beschluss des Stadtrats der Beklagten vom 1.6.2016, Az. …).
Es ist vor diesem Hintergrund sowie namentlich auch im Lichte des Bebauungsplans Nr. … vom 11. November 2015, der den Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan Nr. … in erheblichem räumlichen Umfang (nördlich der …straße, westlich des S-Bahnhofs und östlich der …straße) aufgehoben hat, schließlich auch nicht ersichtlich, dass ein das Baurecht der Klägerin (Art. 14 Abs. 1 GG) auf dem östlichen Grundstücksteil FlNr. … beschränkendes, gegenläufiges kommunales Freihaltungsinteresse, namentlich zur Sicherung von Eisenbahnausbaumaßnahmen (siehe oben), unter Aufrechterhaltung der dem Vorhaben entgegenstehenden Bauraumbeschränkung aus der historischen Planung der 1960er Jahre heraus noch ausreichend gewichtig und damit auch gegenwärtig in der bisherigen Form des Aufstellungsbeschlusses zum Bebauungsplan Nr. … noch gerechtfertigt wäre.
4. Auch die Frage 5 ist positiv zu beantworten, da das Vorhaben hinsichtlich der vorgesehenen offenen Bauweise der Längenbeschränkung nach § 22 Abs. 2 Satz 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) von höchstens 50 m genügt.
5. Endlich verstößt das Vorhaben auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme, das sich aus dem Tatbestandsmerkmal des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ergibt.
Das Gebot der Rücksichtnahme stellt darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, den die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich – umgekehrt – um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215/96 – juris Rn. 9 m.w.N.). Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris Rn. 22; U. v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4).
Wie vorstehend bereits ausgeführt, genießt die Nutzung der maßgeblich mit der antragsgegenständlichen Wohnnutzung konfligierenden Gewerbeflächen auf den Grundstücken FlNr. … und … mangels formeller Legalität keine Bestandsschutz und erweist sich mithin nicht als wehrfähige Rechtsposition im Rahmen der Prüfung des Gebots der Rücksichtnahme. Des Weiteren muss der Baustoff- und Baugerätehandel bereits auch Rücksicht auf die westlich der … Straße liegende Wohnbebauung nehmen. Dort handelt es sich aufgrund der ausschließlichen Wohnbebauung um ein Reines Wohngebiet, während für die vorliegend zu betrachtende Gemengelage die einem Mischgebiet vergleichbare Schutzwürdigkeit anzunehmen ist (vgl. Nr. 6.1. Buchst. c der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz; Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm).
Dazu kommt, dass die Einhaltung der hier für das Vorhaben der Klägerin maßgeblichen Werte nach Nr. 6.1 Buchst. c der TA Lärm (vgl. schalltechnische Stellungnahme vom 25.11.2016, S. 4) zudem auch durch geeignete Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe in Gestalt einer sinnvollen Grundrissorientierung der einzelnen Wohneinheiten mit Blick auf Nr. 2.3 der TA Lärm i.V.m. Nr. A.1.3 des Anhangs zur TA Lärm sowie auch der Verbindung der Südfassaden der Gebäude durch eine (transparente) Lärmschutzwand sichergestellt werden kann. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass sich mit Blick auf das Gebot der Rücksichtnahme die Obliegenheit des bzw. die Möglichkeit für den Bauherrn ergeben kann, durch Maßnahmen der architektonischen Selbsthilfe den Lärmkonflikt mit einem benachbarten Gewerbebetrieb in einer Weise zu lösen, die die Zumutbarkeit der ihn treffenden Immissionen gewährleistet und somit die Erteilung der Baugenehmigung für sein Vorhaben ermöglicht (vgl. BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris – Rn. 26). Auf dieser Grundlage können dem Bauherrn im Anwendungsbereich der TA Lärm mit diesem Regelwerk vereinbare Gestaltungsmittel oder bauliche Vorkehrungen im Rahmen seiner Obliegenheit, die sich aus dem Rücksichtnahmegebot ergibt, abverlangt werden. Auch besteht sonach die (freiwillige) Möglichkeit des Bauherrn, potentiellen Konflikten mit benachbarten gewerblichen Nutzungen im Wege der architektonischen Selbsthilfe durch entsprechende immissionsschutzfachliche Vorsorge zu begegnen. Dies schließt insbesondere immissionsreduzierende Maßnahmen wie die Veränderung der Stellung des Gebäudes, seines äußeren Zuschnitts oder – wie hier vom Gutachter vorgeschlagen – der Anordnung der schutzbedürftigen Räume und seiner notwendigen Fenster (vgl. Nr. 2.3 der TA Lärm i.V.m. Nr. A.1.3 des Anhangs zur TA Lärm) ein. Gleiches gilt zudem, soweit dies bauordnungsrechtlich zulässig ist, für den Einbau nicht zu öffnender Fenster (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2007 – 4 CN 2.06 – juris Rn. 16 f.). Selbst bei einem – entgegen dem Vorstehenden – unterstellten und im Lichte des Gebots der Rücksichtnahme relevanten Potential gewerblicher Schallemissionen auf den südlichen Nachbargrundstücken, die zu entsprechenden, (rechtlich wie tatsächlich) erheblichen Immissionen auf dem Vorhabengrundstück FlNr. … führten, könnte auf dem Weg der architektonischen Selbsthilfe ausgeschlossen werden, dass sich das antragsgegenständliche Vorhaben unzumutbaren Lärmeinwirkungen des benachbarten Gewerbebetriebs aussetzt.
Nach alledem war der Klage mit der Kostenfolge gemäß § 154 Abs. 1 VwGO und § 161 Abs. 2 i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO stattzugeben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).