Baurecht

Erfolgreicher Berufungszulassungsantrag wegen Bauvorbescheid

Aktenzeichen  15 ZB 19.2405

Datum:
15.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24721
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 3
BauNVO §§ 2 ff., § 13, § 15
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 5

 

Leitsatz

1. Die Festetzung einer vorhabenunabhängigen gebietsbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung, die sich auf mehrere Vorhaben im Plangebiet auswirken kann, ist weder als Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung zulässig, weil sie nicht mit Hilfe des in BauNVO zugelassenen Parameters (Grundfläche, Geschossfläche) vorgenommen wurde, noch ist sie eine in sonstigen Sondergebieten zulässige Festsetzung der Art der baulichen Nutzung. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Weder die Norm über den Bebauungsplaninhalt im BauGB noch die BauNVO enthalten eine Ermächtigungsgrundlage, in einem Bebauungsplan die Zahl der zulässigen Einkaufszentren zu beschränken, weswegen eine textliche Beschränkung in einem Bebauungsplan, wonach in einem bestimmten Sondergebiet nur e i n Einkaufszentrum errichtet werden darf, unzulässig ist (BVerwG BeckRS 2019, 30316). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Unwirksamkeit einer Festsetzung in einem Bebauungsplan hat nur dann unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 139 BGB nicht die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge, wenn die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine den Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken können und wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung ohne den unwirksamen Teil beschlossen hätte (vgl. BayVGH BeckRS 2017, 121530). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 K 18.556 2019-10-29 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung wird zugelassen.
II. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren vorläufig auf 18.375 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin beantragte erfolglos die Erteilung eines Bauvorbescheids zur Feststellung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens „Umbau der …-Filiale mit Erweiterung der Verkaufsfläche sowie Umbau Parkplatz“ unter Erteilung einer Befreiung von der textlichen Festsetzung Nr. 1.2 des im Jahr 2013 als Satzung beschlossenen (Änderungs-) Bebauungsplans der Beigeladenen „Gewerbegebiet West / Deckblatt 6“, wonach für das auf dem Baugrundstück (FlNr. 1360, Gemarkung V …) ausgewiesene Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Lebensmitteldiscounter“ eine Verkaufsflächenbegrenzung (maximal 1.020 m²) reglementiert ist.
Die von ihr erhobene Klage, den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids des Landratsamts Landshut vom 20. März 2018 zu verpflichten, den beantragten Bauvorbescheid zu erteilen, wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 29. Oktober 2019 ab. In den Entscheidungsgründen wird hierzu ausgeführt, das streitgegenständliche Vorhaben widerspreche der Verkaufsflächenbegrenzung des Bebauungsplans. Ein ursprünglicher formeller Mangel des Änderungsbebauungsplans (Bekanntmachung vor Ausfertigung) sei im Nachhinein über ein ergänzendes Verfahren gem. § 244 Abs. 4 BauGB geheilt worden. Der Bebauungsplan sei auch materiell rechtmäßig. Dies betreffe insbesondere die festgesetzte Kontingentierung der Verkaufsfläche für das betroffene Sondergebiet. Eine eventuelle Unwirksamkeit von Festsetzungen flächenbezogener Schallleistungspegel im ursprünglichen Bebauungsplan sowie in vorangegangenen Bebauungsplanänderungen sei für den hiervon nicht betroffenen jüngsten Änderungsbebauungsplan („Deckblatt 6“) irrelevant. Die Festsetzungen des Bebauungsplans seien auch nicht funktionslos geworden. Schließlich könne von der festgesetzten Verkaufsflächenbegrenzung nicht gem. § 31 Abs. 2 BauGB befreit werden, da es sich hierbei um einen Grundzug der Planung handele.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
1. Die Berufung ist gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil hinreichend dargelegte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen.
Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen dann, wenn gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BayVGH, B.v. 27.8.2019 – 15 ZB 19.428 – juris Rn. 10 m.w.N.).
Ernstliche Zweifel in diesem Sinne bestehen und sind zudem von der Klägerin i.S. von § 124a Abs. 4 Satz 5, Abs. 5 Satz 2 VwGO hinreichend darlegt worden, weil die vom Verwaltungsgericht angenommene Gültigkeit sowohl des jüngsten Änderungsbebauungsplans („Gewerbegebiet West / Deckblatt 6“) als auch des ursprünglichen Bebauungsplans und der vorangegangenen Änderungsbebauungspläne („Deckblätter 1 – 5“) zu hinterfragen isz. Die Klägerin trägt mit ihrer Antragsbegründung mit hinreichender Begründung am Maßstab des Darlegungsgebots gem. § 124a Abs. 4 Satz 5, Abs. 2 Satz 2 VwGO vor, sämtliche Bebauungspläne seien unwirksam, weswegen sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens aus § 34 BauGB ergebe. Das streitgegenständliche Vorhaben füge sich in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Ebenso stehe § 34 Abs. 3 BauGB der Erweiterung nicht entgegen, da es keinen Konkurrenzbetrieb in einem zentralen Versorgungsbereich gebe, auf den sich das Vorhaben im Sinne dieser Vorschrift auswirken könnte. Vielmehr werde das Vorhaben primär in Konkurrenz zu anderweitigen Betrieben außerhalb zentraler Versorgungsbereiche treten.
a) Die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die textliche Festsetzung Nr. 1.2 des Änderungsbebauungsplans „Gewerbegebiet West / Deckblatt 6“ (Sondergebietsfestsetzung mit Zweckbestimmung Lebensmitteldiscounter mit der Regelung: „Lebensmitteldiscountmarkt bis 1.020 m² Verkaufsfläche zulässig“) gültig sei, ist auf Basis der Erwägungen in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 29. Oktober 2019 ernstlich zweifelhaft.
aa) Das Verwaltungsgericht geht in der Sache grundsätzlich richtig von folgender Differenzierung aus:
– Einer Gemeinde ist es gestattet, in einem Bebauungsplan, mit dem sie gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO ein Sondergebiet für einen großflächigen Handelsbetrieb festsetzt, v o r h a b e n b e z o g e n nach Quadratmetergrenzen bestimmte Regelungen über die höchstzulässige Verkaufsfläche zu treffen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung, die unzulässig wäre, weil sie nicht mit Hilfe eines der von § 16 Abs. 2 BauNVO insoweit zugelassenen Parameter (Grundfläche, Geschoßfläche) vorgenommen worden ist. Vielmehr handelt es sich um eine Vorschrift über die Art der baulichen Nutzung. Bereits der Verordnungsgeber hat mit der Bestimmung über Sondergebiete für großflächige Einzelhandelsbetriebe (§ 11 Abs. 2 und 3 BauNVO) ein Baugebiet besonderer Art mit einem bestimmten Typ der baulichen Nutzung festgelegt. Diese Nutzungsart bestimmt sich nach der Größe der Verkaufsfläche. Hieran knüpft der Ortsgesetzgeber an, wenn er in einem Bebauungsplan für ein Sondergebiet Verkaufsflächengrenzen für Einzelhandelsgroßbetriebe festsetzt. Mit solchen Regelungen über höchstzulässige Verkaufsflächen fächert er in Fortführung des vom Verordnungsgeber geschaffenen Konzepts einer nach der Betriebsgröße abgegrenzten besonderen Nutzungsart „großflächiger Einzelhandel“ diese Art der Nutzung weiter auf. Festsetzungen über Größenbegrenzungen zur Verkaufsfläche in einem Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel finden als Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung ihre Grundlage unmittelbar in den §§ 10, 11 BauNVO (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.1990 – 4 C 36.87 – NVwZ 1990, 1071 = juris Rn. 29 f.; U.v. 3.4.2008 – 4 CN 3.07 – BVerwGE 131, 86 = juris Rn. 15 f.; U.v. 17.10.2019 – 4 CN 8.18 – NVwZ 2020, 399 = juris Rn. 10, 33).
– Anderes gilt aber für eine vorhabenunabhängige g e b i e t s b e z o g e n e Verkaufsflächenbeschränkung, die sich auf mehrere Vorhaben im Plangebiet auswirken kann. Eine solche Festsetzung ist weder als Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung zulässig, weil sie nicht mit Hilfe eines der von § 16 Abs. 2 BauNVO zugelassenen Parameter (Grundfläche, Geschossfläche) vorgenommen worden ist, noch ist sie eine nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO in sonstigen Sondergebieten zulässige Festsetzung der Art der baulichen Nutzung. Dort, wo die Verordnung die Festlegung von Nutzungsanteilen (Quoten) oder die Quantifizierung einer Nutzungsart zulässt, wie in § 4a Abs. 4 Nr. 2 und § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO und in Gestalt der Beschränkung freiberuflicher Berufsausübung auf „Räume“ in den Baugebieten der §§ 2 bis 4 BauGB (vgl. § 13 BauNVO), wird dies ausdrücklich geregelt. Eine Kontingentierung der Verkaufsflächen, die auf das Sondergebiet insgesamt bezogen ist, öffnet das Tor für sog. „Windhundrennen“ potentieller Investoren und Bauantragsteller und schließt die Möglichkeit ein, dass Grundeigentümer im Fall der Erschöpfung des Kontingents von der kontingentierten Nutzung ausgeschlossen sind. Dieses Ergebnis widerspricht dem der Baugebietstypologie (§§ 2 bis 9 BauNVO) zugrundeliegenden Regelungsansatz, wonach im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Grunde jedes Baugrundstück für jede nach dem Nutzungskatalog der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung in Betracht kommen können soll. Einer Fehlentwicklung zu Lasten der einen oder anderen Nutzung kann durch § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO entgegengewirkt werden (zum Ganzen: BVerwG, U.v. 3.4.2008 – 4 CN 3.07 – BVerwGE 131, 86 = juris Rn.14, 17 f.; U.v. 24.3.2010 – 4 CN 3.09 – NVwZ 2010, 782 = juris Rn. 22 ff.; B.v. 9.2.2011 – 4 BN 43.10 – ZfBR 2011, 374 = juris Rn. 6 f.; Giesecke/Krupp, NVwZ 2020, 403; Gatz, jurisPR-BVerwG 16/2008 Anm. 2).
bb) Nach früheren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts kann eine gebietsbezogene Verkaufsflächenbegrenzung ausnahmsweise dann als Regelung über die Art der baulichen Nutzung von § 11 Abs. 2 BauNVO gedeckt sein, wenn in dem in Rede stehenden Sondergebiet nur ein einziger Handelsbetrieb zulässig ist, also m.a.W. die gebietsbezogene mit der vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung identisch ist (vgl. BVerwG, B.v. 9.2.2011 a.a.O. juris Rn. 7; Gatz, jurisPR-BVerwG 12/2011 Anm. 4). Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils in Orientierung hieran ausgeführt, dass die an sich gebietsbezogene Regelung in Nr. 1.2 des Änderungsbebauungsplans („Deckblatt 6“) ausnahmsweise gültig sei, weil in dem betroffenen Sondergebiet nur ein einziger Handelsbetrieb zulässig sei. Dies habe zur Folge, dass die gebietsbezogene mit der vorhabenbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung identisch sei und sie somit ausnahmsweise auf § 11 Abs. 1 i.V. mit Abs. 2 Satz 1 BauNVO gestützt werden könne. Nach Sinn und Zweck des Bebauungsplans „Gewerbegebiet West / Deckblatt 6“, eine angemessene Entwicklungsmöglichkeit nur für e i n e n Markt abzusichern, sowie nach der in Nr. 1.2 der textlichen Festsetzungen enthaltene Singularformulierung „Lebensmitteldiscountmarkt“ habe der Bebauungsplan vorliegend implizit und „denknotwendigerweise“ nur die Zulässigkeit eines einzigen Handelsbetriebs festgesetzt. Das klägerische Vorbringen, dass theoretisch zwei Einzelhandelsbetriebe auf der Fläche des Sondergebiets Platz finden könnten, führe aus Sicht des Erstgerichts aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Festsetzung zu keinem anderen Ergebnis.
Die Klägerin hält dem gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 i.V. mit § 124 Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO hinreichend substantiiert entgegen, dass es für eine Regelung mit einem Inhalt, den Nr. 1.2 der textlichen Festsetzung des jüngsten Änderungsbebauungsplans nach der auf die „Singularformulierung“ gestützten Auslegung des Verwaltungsgerichts haben soll, keine Regelungsermächtigung gebe. Dasselbe gelte für die entsprechende Festsetzung im Bebauungsplan in der Fassung „Deckblatt Nr. 4“ aus dem Jahr 2005, wo unter der dortigen Nr. 1.2 der textlichen Festsetzungen mit entsprechender Regelungstechnik eine Verkaufsflächenbegrenzung auf 900 m² festgesetzt ist bzw. war.
Die implizite Annahme des Verwaltungsgerichts, eine Festsetzung, wonach lediglich ein einziger Handelsbetrieb im Sondergebiet zulässig sei, sei rechtmäßig und gültig, dürfte sich mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (dort für Einkaufszentren) in Widerspruch setzen: Hiernach enthält weder § 9 BauGB noch die BauNVO eine Ermächtigungsgrundlage, in einem Bebauungsplan die Zahl der zulässigen Einkaufszentren zu beschränken. Unzulässig ist hiernach mithin eine textliche Beschränkung in einem Bebauungsplan, wonach in einem bestimmten Sondergebiet nur e i n Einkaufszentrum errichtet werden darf. Insbesondere scheidet diesbezüglich § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BauNVO als Festsetzungsermächtigung als Rechtsgrundlage aus, vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2019 – 4 CN 8.18 – NVwZ 2020, 399 = juris Rn. 12 ff.:
„b) Das vorinstanzliche Urteil verstößt dagegen gegen Bundesrecht, soweit das Oberverwaltungsgericht die Beschränkung der Zahl der zulässigen Einkaufszentren in den Sondergebieten SO 1 und SO 2 auf ein Zentrum je Gebiet als wirksam angesehen hat. Für die Beschränkung gibt es keine Rechtsgrundlage (offen gelassen von BVerwG, Beschluss vom 13. November 2012 – 4 BN 30.12 – juris Rn. 9). Sollte dem Urteil vom 10. November 2011 – 4 CN 9.10 – (BVerwGE 141, 144 Rn. 18) Gegenteiliges entnommen werden können, hält der Senat daran nicht fest.
aa) § 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BauNVO scheidet als Rechtsgrundlage aus.
§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO greift mit der Vorgabe, dass die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen sind, das Regelungsmuster der §§ 2 bis 10 BauNVO auf. Darstellung und Festsetzung der Zweckbestimmung haben für die sonstigen Sondergebiete die gleiche Aufgabe, die für die Baugebiete nach den §§ 2 bis 10 BauNVO dem jeweiligen ersten Absatz dieser Vorschriften zukommt (BVerwG, Urteile vom 18. Februar 1983 – 4 C 18.81 – BVerwGE 67, 23 und vom 28. Mai 2009 – 4 CN 2.08 – BVerwGE 134, 117 Rn. 14). Sie dienen dazu, die Funktion des Sondergebiets festzulegen. Welche Vorhaben im Sondergebiet konkret zulässig sein sollen, ist nach dem Vorbild der Absätze 2 ff. der §§ 2 bis 10 BauNVO als Art der Nutzung festzusetzen (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2019, § 11 BauNVO Rn. 29). Das Schema, das die §§ 2 bis 10 BauNVO prägt, darf die Gemeinde beim Zugriff auf § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO nicht verlassen.
(1) Eine Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben lässt sich nicht als Festsetzung der Zweckbestimmung verstehen. Die Zweckbestimmung setzt den Rahmen für die Zulässigkeit von Nutzungen. Sie umschreibt den Zweck, dem ein bestimmtes Baugebiet dient. In welcher Anzahl der Art nach zulässige Vorhaben in einem solchen Gebiet verwirklicht werden, spielt für diesen Zweck keine Rolle und kann daher auch nicht im Wege der Zweckbestimmung festgesetzt werden. Dies gilt auch, wenn die Zweckbestimmung, wie dies bei Gebieten für Einkaufszentren nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO der Fall ist, einen Anlagen- und Betriebsbezug unmittelbar herstellt.
(2) Als Bestimmung der Art der Nutzung eines sonstigen Sondergebiets ist die Beschränkung der Zahl zulässiger Vorhaben ebenfalls nicht möglich.
Im Rahmen des § 11 BauNVO unterliegt die Gemeinde zwar geringeren Beschränkungen als bei der Festsetzung von Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO. Sie ist weder an bestimmte Nutzungsarten noch gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 BauNVO an die Vorschriften über besondere Festsetzungen nach den § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO gebunden. Vielmehr liegt die Definitionsmacht darüber, welche Anlagen zulässig oder ausnahmsweise zulassungsfähig sind, bei ihr (BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 – 4 CN 3.07 – BVerwGE 131, 86 Rn. 16). Sie muss aber die vorhabenbezogene Typisierung beachten, die den §§ 2 bis 10 BauNVO zugrunde liegt. Die Absätze 2 und 3 der §§ 2 bis 9 BauNVO differenzieren danach, welche Vorhaben (Anlagen, Betriebe und sonstige Einrichtungen) auf den überplanten Flächen allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind. Ähnliches gilt für die in § 10 BauNVO geregelten Sondergebiete, die der Erholung dienen (BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 a.a.O. Rn. 15).
Die nummerische Beschränkung zulässiger Anlagen trägt zur Kennzeichnung der Art der zulässigen Nutzung nichts bei. Sie qualifiziert nicht einen Anlagentyp (hier: den Typ des Einkaufszentrums), sondern quantifiziert Nutzungsoptionen. Solche Kontingentierungen von Nutzungsmöglichkeiten lässt die Baunutzungsverordnung nur in wenigen, ausdrücklich geregelten und hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen zu (BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 – 4 CN 3.07 – BVerwGE 131, 86 Rn. 17).
bb) Andere Rechtsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Die Beschränkung der Zahl der zulässigen Vorhaben ist nicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. §§ 16 ff. BauNVO als Bestimmung des Maßes der zulässigen Nutzung zulässig; denn sie ist nicht mit Hilfe einer der von § 16 Abs. 2 BauNVO zugelassenen Parameter, etwa der Grundfläche oder der Geschossfläche, vorgenommen worden.“
Dasselbe dürfte auch für eine Festsetzung gelten, wonach in einem bestimmten Sondergebiet lediglich ein einziger (großflächiger) Einzelhandelsbetrieb (z.B. in Form eines Lebensmitteldiscounters) zulässig ist (vgl. VGH BW, B.v. 12.8.2020 – 3 S 1113/20 – juris; vgl. auch Giesecke/Krupp, NVwZ 2020, 403).
Im Berufungsverfahren wird ggf. – soweit es darauf ankommen sollte (vgl. unten 2.) – in diesem Zusammenhang zu klären sein, ob sich die Festsetzung Nr. 1.2 des Änderungsbebauungsplans als (an sich unzulässige) gebietsbezogene Verkaufsflächenbegrenzung planerhaltend als zulässige grundstücksbezogene Verkaufsflächenbeschränkung auslegen lässt. Eine Regelung mit diesem (vom Verwaltungsgericht so nicht in Erwägung gezogenen) Inhalt hält das Bundesverwaltungsgericht in seiner aktuellen Rechtsprechung (dort bezogen auf Einzelhandelszentren) für grundsätzlich möglich und zulässig, vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2019 a.a.O. juris Rn. 33 ff.:
„§ 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO eröffnet der Gemeinde die Möglichkeit, die höchstzulässige Verkaufsfläche für das jeweilige Grundstück im Bebauungsplan als Art der Nutzung in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsflächengröße im Verhältnis zur Grundstücksgröße durch eine Verhältniszahl (z.B. 0,3/0,5 etc.) festgelegt wird, soweit dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelstypen und damit die Art der baulichen Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll (BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 – 4 CN 3.07 – BVerwGE 131, 86 Rn. 16 unter Berufung auf OVG Koblenz, Urteil vom 11. Juli 2002 – 1 C 10098/02 – NVwZ-RR 2003, 93 ). Für die Art der Nutzung macht es freilich keinen Unterschied, ob die Gemeinde für einzelne Baugrundstücke im Plangebiet eine Verhältniszahl oder eine absolute Zahl festsetzt, die sich ihrerseits durch den Bezug auf die Grundstücksgröße auch als Verhältniszahl ausdrücken ließe. § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO lässt es deshalb auch zu, die höchstzulässige Verkaufsfläche für die Grundstücke im Bebauungsplan in der Form festzusetzen, dass die maximale Verkaufsfläche für jeweils einzelne Grundstücke festgelegt wird, sofern dadurch die Ansiedlung bestimmter Einzelhandelsbetriebstypen und damit die Art der Nutzung im Sondergebiet geregelt werden soll.
Der Antragsgegnerin geht es darum, dass in den Sondergebieten SO 1 und SO 2 nicht mehr als 16 500/16 600 m² Verkaufsflächen für Einkaufszentren zur Verfügung stehen. Da die Beschränkung der Zahl zulässiger Einkaufszentren auf ein Zentrum je Sondergebiet unwirksam ist, hat die Antragsgegnerin ihr Ziel im Gewand einer grundstücksbezogenen Festsetzung erreicht, wenn es in den Sondergebieten SO 1 und SO 2 jeweils nur ein für die Art der Nutzung ‚Einkaufszentrum‘ geeignetes Baugrundstück gibt. Die unzulässige gebietsbezogene Verkaufsflächenbeschränkung lässt sich dann planerhaltend als zulässige grundstücksbezogene Verkaufsflächenbeschränkung auslegen. Die bisherige Rechtsprechung des Senats steht dem nicht entgegen. Der Senat hat es für die ausnahmsweise Zulässigkeit einer gebietsbezogenen Verkaufsflächenbeschränkung in der Vergangenheit nicht ausreichen lassen, wenn ‚das Grundeigentum‘ oder ‚alle‘ Grundstücke im Plangebiet im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan in einer Hand liegen (BVerwG, Beschluss vom 11. November 2009 – 4 BN 63.09 – DVBl 2010, 124 Rn. 3 und Urteil vom 24. März 2010 – 4 CN 3.09 – Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 178 Rn. 24). Hintergrund ist die Überlegung, dass beim Vorhandensein mehrerer vorhabengeeigneter Baugrundstücke im Plangebiet eine Kontingentierung der Verkaufsflächen das Tor für sogenannte Windhundrennen potentieller Investoren und Bauantragsteller mit der Möglichkeit öffnen kann, dass Grundeigentümer im Falle der Erschöpfung des Kontingents von der kontingentierten Nutzung ausgeschlossen sind, und dieses Ergebnis dem der Baugebietstypologie (§§ 2 bis 9 BauNVO) zugrunde liegenden Regelungsgrundsatz widerspricht, demzufolge im Geltungsbereich eines Bebauungsplans jedes Baugrundstück für jede nach dem Nutzungskatalog der jeweiligen Baugebietsvorschrift zulässige Nutzung soll in Betracht kommen können (BVerwG, Urteil vom 3. April 2008 – 4 CN 3.07 – BVerwGE 131, 86 Rn. 17). Besteht das Plangebiet nur aus einem vorhabengeeigneten Baugrundstück, können sich die Eigentumsverhältnisse zwar auch ändern. Das Eigentum bleibt aber stets in der Hand eines Eigentümers. Er kann das Grundstück in den Grenzen der Verkaufsflächenbeschränkungen nutzen und muss nicht befürchten, durch andere Eigentümer Abstriche an seinen Nutzungsmöglichkeiten hinnehmen zu müssen. Der Möglichkeit einer Grundstücksteilung kommt rechtlich insoweit keine Bedeutung zu (BVerwG, Beschluss vom 11. November 2009 – 4 BN 63.09 – DVBl 2010, 124 Rn. 3).
(…) Ist die Festsetzung der Verkaufsflächenobergrenzen und der Verkaufsflächenuntergrenze wegen ihres Grundstücksbezugs wirksam, so können auf jedem Baugrundstück allerdings mehrere Einkaufszentren betrieben werden. Ob das dem Willen der Antragsgegnerin entspricht, wird das Oberverwaltungsgericht zu klären haben. (…).“
Diese für Verkaufsflächenbegrenzungen bei Einkaufszentren entwickelte Problematik (im Anschluss an BVerwG, U.v. 17.10.2019 a.a.O. vgl. OVG RhPf, U.v. 1.7.2020 – 8 C 11841/19 – juris; vgl. auch Külpmann, jurisPR-BVerwG 4/2020 Anm. 6) ist nach vorläufiger Rechtsansicht des Senats auf Verkaufsflächenbegrenzungen für großflächige Einzelhandelsbetriebe zu übertragen (VGH BW, B.v. 12.8.2020 – 3 S 1113/20 – juris). Im vorliegenden Fall wäre zu eruieren, ob es der beigeladenen Stadt mit der textlichen Festsetzung Nr. 1.2 des Änderungsbebauungsplans („Deckblatt 6“) primär bzw. in der Sache darum gegangen ist, dass in dem betroffenen Sondergebiet nicht mehr als 1.020 m² Verkaufsflächen für Lebensmitteldiscounter zur Verfügung stehen und der Änderungsbebauungsplan mit diesem Inhalt und Wirksamkeit im Übrigen bestehen bleiben kann. Wäre dies der Fall, wäre die Berufung – soweit sich die Unwirksamkeit des jüngsten Änderungsbebauungsplans („Deckblatt 6“) nicht aus anderen Gründen ergibt [vgl. im Folgenden b) ] und auch im Übrigen der Anspruch auf den Vorbescheid gem. Art. 71 Satz 4 i.V. mit Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO nicht ausgeschlossen ist (vgl. unten 2.) – im Ergebnis erfolglos.
b) Auch die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es auf die Gültigkeit der Festsetzungen von Schallleistungspegel im ursprünglichen Bebauungsplan sowie in den vorangegangenen Änderungsbebauungsplänen nicht ankomme, erscheint mit der in der angegriffenen Entscheidung gegebenen Begründung und im Lichte der von der Klägerin vorgebrachten Erwägungen ernstlich zweifelhaft.
Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils in knappen Erwägungen und ohne nähere dogmatische Begründung darauf verwiesen, die Einwendungen der Klägerin gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans hinsichtlich der Festsetzung flächenbezogener Schallleistungspegel seien unerheblich, da im Regelungsbereich des jüngsten Änderungsbebauungsplans („Deckblatt 6“) keine Schallleistungspegel festgesetzt seien. Vielmehr sei laut der Planbegründung (Seite 8) auf diesbezügliche Festsetzungen verzichtet worden, da sich im näheren Umfeld keine besonders zu schützenden baulichen Anlagen oder Wohngebäude befänden. Darüber hinaus folge aus einer möglichen Teilunwirksamkeit des ursprünglichen Bebauungsplans bzw. dessen weiterer Deckblätter in Bezug auf die Festsetzung flächenbezogener Schallleistungspegel keine Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans.
Diese Erwägungen sind unzureichend. Sollten die diesbezüglichen Festsetzungen rechtswidrig sein, kommt es streitentscheidend zum einen darauf an, ob deswegen von einer Gesamtunwirksamkeit der älteren Bebauungspläne auszugehen ist [vgl. im Folgenden aa) ], und zum andern, ob eine ggf. bestehende Gesamtunwirksamkeit der älteren Bebauungspläne den jüngsten Änderungsbebauungsplan („Deckblatt 6“) „infiziert“ bzw. auf diesen durchschlägt [unten bb) ].
aa) Die Klägerin hat sowohl in erster Instanz als auch im Berufungszulassungsverfahren die Unwirksamkeit der Pegelfestsetzungen in den älteren Bebauungsplänen [vgl. die jeweilige Nr. 8 der textlichen Festsetzungen zum ursprünglichen Bebauungsplan und zu den ersten beiden Änderungsbebauungsplänen sowie die Angabe maximaler und minimaler flächenbezogener Schallleistungspegel von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts bzw. 65 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts für jedes Teilplangebiet in der jeweiligen Planzeichnung] gerügt. Mit der Antragsbegründung hat die Klägerin u.a. vorgebracht, es sei keine Zerlegung des Baugebiets in einzelne Teilgebiete mit verschieden hohen Emissionskontingenten i.S. von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO erfolgt. Den nach ihrer Benennung flächenbezogenen Schallleistungspegeln fehlten die Flächenbezugsgrößen. Weder in den zeichnerischen Festsetzungen noch in den textlichen Festsetzungen erfolge eine Zuweisung der zulässigen Schallleistungspegel an eine Bezugsfläche bzw. ein Quadratmeter. Es existiere kein Teilgebiet ohne Emissionsbeschränkung bzw. kein Teilgebiet, das mit Emissionskontingenten belegt ist, die jeden nach § 8 BauNVO zulässigen Betrieb ermöglichten. Festsetzungen zum Emissionsverhalten seien zudem nicht mehr von den vorhabenbezogenen Regelungsmöglichkeiten der BauNVO gedeckt, wenn sich diese auf ein Gebiet oder mehrere Gebiete bezögen, in denen mehrere Anlagen oder Betriebe zulässig sein könnten. So seien im „GE 4“ vier Betriebe und im „GE 1“ sowie im „GE 2“ jeweils zwei Betriebe ansässig; die festgesetzten Schallleistungspegel seien deswegen als Summenpegel unzulässig. Selbst wenn man die festgesetzten Werte als anlagenbezogene Festsetzungen verstehen würde, seien sie unwirksam, weil die Zweckbestimmung des jeweiligen Gewerbegebiets nicht mehr gewahrt werde. Verstehe man die festgesetzten Pegel als emissionsbezogene Schallleistungspegel, würden die Planbetroffenen verpflichtet, bereits am Emissionsort den Wert einzuhalten, der nach der TA Lärm erst am Ort mit der höchsten Schutzbedürftigkeit innerhalb des Plangebiets als Immissionswert eingehalten werden müsste. Demnach lasse der Bebauungsplan in den Gewerbegebieten gerade nicht die dort typischerweise nach § 8 BauNVO zulässigen Nutzungen zu, sondern erlaube nur wenige störende Nutzungen. Dadurch unterscheide sich die Störintensität der zulässigen Gewerbebetriebe nicht mehr wesentlich von denen, die typischerweise in einem Mischgebiet (§ 6 BauNVO) zulässig wären. Die Festsetzungen seien zudem unbestimmt, weil mangels Bezugnahmen auf technische Regelwerke für die reglementierten Grenzwerte keine verbindlichen Mess- bzw. Berechnungsverfahren vorgegeben seien. Die jeweiligen textlichen Festsetzungen Nr. 8 seien ferner unzulässig, weil sie vom Planbetroffenen im Genehmigungsverfahren die Vorlage eines schalltechnischen Nachweises zur Einhaltung der festgesetzten Pegel verlangten.
Insbesondere mit der Einwendung, dass mit den im Ursprungsbebauungsplan und in den ersten Änderungsbebauungsplänen gewählten Festsetzungstechniken ohne entsprechende Regelungsermächtigung in § 9 BauGB bzw. in der BauNVO ein Immissionsgrenz- oder -richtwert bzw. ein Summenpegel für mehrere Betriebe / Anlagen und nicht im Sinne einer Gliederung gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO das Emissionsverhalten jedes Betriebs bzw. jeder Anlage geregelt worden sei, hat die Klägerin mit substantiierten Erwägungen begründet, warum die festgesetzten Schallleistungspegel rechtswidrig sein könnten bzw. dürften (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1999 – 4 CN 7.98 – BVerwGE 110, 193 = juris Rn. 23 ff.; B.v. 2.10.2013 – 4 BN 10.13 – ZfBR 2014, 148 = juris Rn. 5 ff.; U.v. 7.12.2017 – 4 CN 7.16 – BVerwGE 161, 53 = juris Rn. 9 ff.; BayVGH, U.v. 14.7.2009 – 1 N 07.2977 – NVwZ-RR 2010, 50 = juris Rn. 39; Külpmann, juris PR-BVerwG 8/2018 Anm. 6; Petz, jm 2019, 64/65; Kuchler, jurisPR-UmwR 3/2018 Anm. 1; Heilshorn/Kohnen, UPR 2019, 81 ff.).
Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass ein möglicher Fehler bei der Festsetzung flächenbezogener Schallleistungspegel keine Gesamtunwirksamkeit des ursprünglichen Bebauungsplans und der ersten Änderungsbebauungspläne zur Folge habe, ist zu pauschal und wurde fallbezogen nicht näher begründet. Die Unwirksamkeit einer Festsetzung hat nur dann unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 139 BGB nicht die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge, wenn die übrigen Festsetzungen für sich betrachtet noch eine den Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken können u n d wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung ohne den unwirksamen Teil beschlossen hätte (vgl. BayVGH, U.v. 4.8.2017 – 15 N 15.1713 – NVwZ-RR 2017, 953 = juris Rn. 40 m.w.N.; zur Gesamtunwirksamkeit des jeweiligen Bebauungsplans, wenn die Festsetzung zur Konfliktlösung eine zentrale Frage der Gesamtplanung betrifft, vgl. z.B. auch die von der Klägerin bereits erstinstanzlich zitierte Entscheidung BayVGH, U.v. 14.7.2009 a.a.O. juris Rn. 59; vgl. auch BayVGH, U.v. 21.6.2016 – 1 N 13.2678 – BRS 84 Nr. 47 = juris Rn. 29). Auch mit dieser Frage hat sich die Antragsbegründung vom 13. Januar 2020 (vgl. Seite 13 f.) substantiiert auseinandergesetzt.
bb) Die Klägerin hat in der Antragsbegründung mit Blick auf die diesbezüglich knappen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts hinreichend geltend gemacht, die Unwirksamkeit des letzten Änderungsbebauungsplans folge aus der Unwirksamkeit des ursprünglichen Bebauungsplans und der vorangegangenen Änderungsbebauungspläne, weil das „Deckblatt 6“ eine unselbständige Änderung der Vorgängerbebauungspläne bzw. des ursprünglichen Bebauungsplans darstelle. Im Berufungsverfahren wird dies ggf. – soweit es darauf ankommen sollte (vgl. unten 2.) – unter Heranziehung der (Original-) Verfahrensunterlagen zu klären sein, wobei gem. BVerwG, B.v. 26.7.2011 – 4 B 23.11 – BauR 2012, 53 = juris Rn. 5 folgende Maßstäbe anzuwenden sein dürften:
„Ob die Unwirksamkeit eines Bebauungsplans auch eine nachfolgende Satzung zur Änderung dieses Bebauungsplans erfasst, hängt nach der Rechtsprechung des Senats davon ab, ob und inwieweit der Änderungsbebauungsplan vom Inhalt seiner Festsetzungen her gegenüber dem alten Plan verselbständigt ist. Werden (…) etwa sämtliche Festsetzungen des Ursprungsplans im Zuge der ‚Änderung‘ durch neue Festsetzungen ersetzt oder aber jedenfalls erneut in den planerischen Abwägungsprozess einbezogen, so ist letztlich ein eigenständiger Plan entstanden, bei dem ein ‚Fortwirken‘ alter Fehler des Ursprungsplans nicht mehr sachgerecht erschiene; werden demgegenüber unter dem Fortbestehen der Ursprungsplanung im Übrigen nur einzelne Festsetzungen geändert, so bedeutet dies, dass nicht bezüglich der Gesamtheit der Planung nochmals inhaltlich in den Abwägungsprozess eingetreten zu werden braucht; dann kann die nunmehr geltende planungsrechtliche Ordnung im Bebauungsplangebiet regelmäßig nur als Einheit der alten und der geänderten Planung angesehen werden (…). Wenn der Änderungsbebauungsplan sämtliche Festsetzungen des unwirksamen Ursprungsplans entweder ändert oder ohne inhaltliche Änderung neu festsetzt, kann der Änderungsbebauungsplan hiernach nur wirksam sein, wenn das zuständige Organ der Gemeinde alle Festsetzungen inhaltlich abgewogen hat, also bezüglich der Gesamtplanung nochmals inhaltlich in den Abwägungsprozess eingetreten ist. Hat es (…) die Abwägung auf die inhaltlich geänderten Festsetzungen beschränkt, fehlt, wenn der Ursprungsbebauungsplan unwirksam ist, für die aus diesem Plan übernommenen Festsetzungen jede Abwägung. Für den Fall, dass der Änderungsplan nicht sämtliche Festsetzungen des Ursprungsplans neu trifft, hat der Senat den Änderungsplan als inhaltlich eigenständig anerkannt, wenn jedenfalls sämtliche Festsetzungen erneut in den planerischen Abwägungsprozess einbezogen worden sind. Dass eine solche Gesamtabwägung entbehrlich ist, wenn der Änderungsplan alle Festsetzungen des Ursprungsplans durch neue Festsetzungen ersetzt, folgt daraus entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht.“
2. Die Beteiligten werden darauf hingewiesen, dass ein Anspruch der Klägerin auf Erhalt des Bauvorbescheids und damit die Begründetheit der Berufung an den folgenden – bislang weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungszulassungsverfahren erörterten – Umständen scheitern könnten:
a) Es spricht Einiges dafür, dass es der Klägerin nach Treu und Glauben verwehrt ist, sich auf eine eventuelle Unwirksamkeit des Bebauungsplans „Gewerbegebiet West / Deckblatt 6“ und die darin reglementierte Verkaufsflächenbegrenzung zu berufen. Denn mit der Geltendmachung der Unwirksamkeit des Bebauungsplans könnte sich die Klägerin in einen mit Treu und Glauben unvereinbaren Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten setzen („venire contra factum proprium“, vgl. BVerwG, B.v. 19.12.2018 – 4 B 6.18 – ZfBR 2019, 275 = juris Rn. 6, 11; VGH BW, U.v. 10.10.2017 – 3 S 153.17 – ZfBR 2018, 174 = Leitsatz und juris Rn. 43 ff.; U.v. 8.3.2018 – 8 S 1464.15 – ZfBR 2018, 385 = juris Rn. 89 ff.). Auch wenn kein vorhabenbezogener Bebauungsplan vorliegt, hat nach der dem Senat vorliegenden Planbegründung die Beigeladene die Bauleitplanung im Jahr 2013 „auf Antrag des Betreibers“ zu dem Zweck betrieben, die maximale Verkaufsfläche des bereits damals schon bestehenden …-Markts von vormals 900 m² auf sodann 1.020 m² anzupassen. Aus den Ausführungen auf Seite 5 der Planbegründung ergeben sich Indizien dafür, dass der Bebauungsplan in Gestalt der sechsten Änderung („Deckblatt 6“) auf Wunsch und in Abstimmung mit der Klägerin erlassen wurde. Der Senat hat davon abgesehen, den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung entsprechend § 144 Abs. 4 VwGO wegen offensichtlicher Ergebnisrichtigkeit der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung abzulehnen (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2018 – 15 ZB 17.1003 – juris Rn. 10 m.w.N.), weil der diesbezügliche Sachverhalt der Aufarbeitung im Berufungsverfahren bedarf, zumal weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungszulassungsverfahren die (Original-) Planungsakten zum sechsten Änderungsbebauungsplan („Deckblatt 6“) vorlagen. Die Beteiligten haben im Berufungsverfahren Gelegenheit zur schriftsätzlichen Stellungnahme.
b) Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist, soweit nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit eines Vorhabens gefragt wird, auch das Rücksichtnahmegebot zwingend zu prüfen. Ein Offenlassen oder ein „Verschieben“ auf das Baugenehmigungsverfahren ist also grundsätzlich nicht zulässig. Wird bei der Frage, ob das zur Prüfung gestellte Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist, die Frage, ob das Vorhaben (auch) den Anforderungen genügt, die das Gebot der Rücksichtnahme stellt, ausgeklammert, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Erteilung des beantragten Vorbescheids, weil ein so formulierter Antrag nicht prüffähig ist (vgl. BayVGH, U.v. 9.9.1999 – 1 B 96.3475 – juris Rn. 21 ff.; B.v. 16.8.2016 – 15 B 14.1625 – juris Rn. 14; Jäde, BayVBl. 2002, 33/40; a.A. für das nordrhein-westfälische Bauordnungsrecht: VG Aachen, U.v. 19.5.2015 – 3 K 2672/12 – juris Rn. 61 ff. m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit einem bei der Beigeladenen am 23. August 2017 eingegangenen Antrag die Erteilung eines Bauvorbescheids für das streitgegenständliche Vorhaben begehrt. Auf einem von der Klägerin unterschrieben Beiblatt „Ergänzung / Anlagen zu Vordruck“ (datiert auf den 27. Juli 2017), auf das im Antragsformular Bezug genommen wird, heißt es wörtlich:
„Frage zum Vorbescheid:
Ist die geplante Erweiterung der Verkaufsfläche bauplanungsrechtlich zulässig?
Die Prüfung, ob zu Lasten der in der Nähe befindlichen Wohnbebauung das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme verletzt ist, soll nicht Gegenstand des Verfahrens sein, sondern dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben.“
Der Senat hat auch diesbezüglich davon abgesehen, den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung entsprechend § 144 Abs. 4 VwGO wegen offensichtlicher Ergebnisrichtigkeit der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung abzulehnen, weil im vorliegenden Einzelfall die Besonderheit bestehen könnte, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten einer in der Nähe befindlichen Wohnbebauung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt und dass deshalb die Rechtsgrundsätze der oben zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH. U.v. 9.9.1999 a.a.O.) ausnahmsweise nicht zum Tragen kommen. Die Beteiligten haben im Rahmen des anstehenden Berufungsverfahrens Gelegenheit zur schriftsätzlichen Stellungnahme.
3. Für das Berufungsverfahren
– wird der Beklagte gebeten, dem Verwaltungsgerichtshof binnen 2 Wochen alle abgeschlossenen Baugenehmigungsakten sowie eventuelle abgeschlossene Vorgänge (mit Bauvorlagen) zu eventuellen Freistellungsverfahren für die Errichtung und Änderung / Erweiterung des Lebensmitteldiscounters auf dem Baugrundstück vorzulegen,
– wird die Beigeladene gebeten, dem Verwaltungsgerichtshof binnen 2 Wochen die (Original-) Planungsunterlagen zum Bebauungsplan „Gewerbegebiet West“ sowie zu sämtlichen Änderungsbebauungsplänen („Deckblättern“) vorzulegen,
– werden die Klägerin und der Beklagte gebeten, im Berufungsverfahren schriftsätzlich auch näher auf die oben unter 2. thematisierten Problemfragen einzugehen,
– werden die Beteiligten ferner um schriftsätzliche Mitteilung gebeten, ob mit einer Berufungsentscheidung ohne mündliche Verhandlung Einverständnis besteht (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 101 Abs. 2 VwGO). Der Senat ist aufgrund der fortbestehenden kritischen Infektionslage (Corona) bestrebt, mündliche Verhandlungen zu vermeiden, soweit dies vertretbar erscheint.
4. Die vorläufige Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf § 63 Abs. 1 Satz 1, § 47 § 52 Abs. 1 GKG, orientiert sich an Nr. 9.1.2.1 und Nr. 9.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019) – [(1.269 m² – 1.024 m²) x 150 Euro/m²] : 2 – und folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.

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