Aktenzeichen W 4 S 18.62
WHG § 94
GG Art. 14
Leitsatz
1 Die behördliche Inanspruchnahme des Betreibers einer der in § 94 WHG genannten Anlagen lässt sich nicht allein mit dem generellen Gemeinwohlbezug des öffentlichen Wasserrechts, sondern nur mit der konkreten Erforderlichkeit einer im öffentlichen Interesse beabsichtigten Mitbenutzung der jeweiligen Anlage rechtfertigen; eine ausschließlich privatnützige Mitbenutzung einer fremden Anlage rechtfertigt die hoheitliche Inanspruchnahme fremden Grundeigentums auch im Rahmen einer bloßen Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2 Soweit es nicht nur um die zwangsweise Durchsetzung einer Duldung der Inanspruchnahme fremden Grund und Bodens zum Zwecke der Durchleitung von Wasser und Abwasser, sondern um die mit einem noch tiefgreifenderen Eingriff in das Privateigentum verbundene Duldung der Mitbenutzung von Anlagen geht, so bedarf es hierfür eines noch weitergehenden öffentlichen Interesses im Sinne „gewichtiger wasserwirtschaftlicher Belange“. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Inanspruchnahme eines Nachbargrundstücks zum Zwecke einer privatnützigen Abwasserbeseitigung ohne Hinzutreten gewichtiger öffentlicher Belange lässt sich nicht allein mit privatrechtlichen Vermögensinteressen rechtfertigen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 15. Januar 2018 gegen Ziffer 1. in Verbindung mit Ziffer 3. des Bescheides des Landratsamtes A. vom 14. Dezember 2017, Az.: 82.4- …, wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner und der Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
III. Der Streitwert wird vor der Abtrennung auf 5.000,00 EUR, nach der Abtrennung im Verfahren W 4 S 18.62 auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Landratsamtes A., mit welchem ihr zugunsten des Beigeladenen aufgegeben wurde, das Betreten ihres Grundstücks zum Zwecke der Abwasserabfuhr sowie die Zuleitung von Abwasser aus dem Küchenbereich der Gaststätte des Beigeladenen in die ihrer Kleinkläranlage vorgeschaltete Grube zu dulden. Streitgegenstand im hiesigen Verfahren W 4 S 18.62 ist der Sofortvollzug der im Bescheid getroffenen Duldungsanordnung betreffend das Betreten und Befahren des Grundstücks der Antragstellerin (Ziffern 1., 3. und 5. des Bescheides).
1. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Fl.Nr. …15/1 der Gemarkung Kleinostheim. Der Beigeladene ist Eigentümer des südlich angrenzenden Nachbargrundstücks Fl.Nr. …15, welches er von der Antragstellerin im Jahre 2006 erworben hatte und auf welchem er eine Gaststätte („S.“) betreibt.
Ausweislich des notariellen Kaufvertrags vom 13. April 2006, Seite 14 f., vereinbarten Antragstellerin und Beigeladener, dass die Entsorgung des Abwassers des Gaststättengebäudes über eine Kläranlage erfolgen sollte, die von der Antragstellerin auf ihrem Grundstück errichtet werden sollte. Der Beigeladene als Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …15 sollte insoweit berechtigt sein, an die auf dem Grundstück Fl.Nr. …15/1 zu errichtende Kläranlage anzuschließen und diese mitzubenutzen. Zur Sicherung dieses Mitnutzungsrechts wurde eine Grunddienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen. Für die Einleitung des durch die Kläranlage geklärten Abwassers in den Rückersbach wurde der Antragstellerin vom Landratsamt A. unter dem 19. Juni 2006 eine beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis erteilt. Nachdem im Rahmen einer Ortseinsicht festgestellt wurde, dass aufgrund der Zuführung der mit lipiden Fetten und Küchenabfällen versetzten Küchenabwässer aus dem Gaststättenbetrieb des Beigeladenen die Funktionsfähigkeit und Reinigungsleistung der Anlage beeinträchtigt werde, untersagte das Landratsamt A. am 9. September 2016 die weitere Einleitung von Abwässern aus der Anlage. Seit diesem Zeitpunkt werden alle Abwässer, die auf den Grundstücken Fl.Nr. …15 und …15/1 anfallen, in eine der eigentlichen Kläranlage vorgelagerte Puffergrube eingeleitet. Diese Abwässer werden alle paar Tage von einer Entsorgungsfirma im Auftrag des Beigeladenen abgefahren und entsorgt.
In der Folgezeit kam es zwischen der Antragstellerin und dem Beigeladenen zu verschiedenen zivilgerichtlichen Auseinandersetzungen um die Berechtigung des Beigeladenen zur Zuleitung des bei ihm anfallenden Abwassers auf das Grundstück der Antragstellerin. Zuletzt hob das Landgericht A. mit Urteil vom 8. Dezember 2017 (Az.: 32 O 339/16) eine vom Beigeladenen erwirkte einstweilige Verfügung, die ihm die Zuleitung von Abwässern aus dem Küchenbereich der Gaststätte auf das Grundstück der Antragstellerin erlaubte, auf. Der hiergegen vom Beigeladenen erhobene Eilantrag wurde vom Oberlandesgericht Bamberg mit Beschluss vom 14. Dezember 2017 (Az.: 4 U 205/17) verworfen.
2. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2017 traf das Landratsamt A. auf Antrag des Beigeladenen vom 12. Dezember 2017 gegenüber der Antragstellerin unter anderem folgende Anordnungen:
1. Frau R. K., …, Kleinostheim wird verpflichtet, zur Abfuhr des aus der Gaststätte „S.“, Fl.Nr. …15 der Gemarkung Kleinostheim, herrührenden und in eine der Kleinkläranlage auf der Fl.Nr. …15/1 vorgeschalteten Grube anfallenden Abwassers das Befahren und Betreten durch Beauftragte des Betreibers der Gaststätte „S.“ zu dulden.
2. Frau R. K., …, Kleinostheim wird verpflichtet, die Zuleitung von Abwasser aus dem Küchenbereich der Gaststätte „S.“ in die der Kleinkläranlage auf ihrem Grundstück vorgeschalteten Grube zu dulden.
3. Die Verpflichtungen zur Duldung gelten bis zum 30.06.2018.
4. Für den Fall der Nichtbeachtung der in Nrn. 1 und 2 genannten Verpflichtungen zur Duldung wird ein Zwangsgeld jeweils in Höhe von 2.000,00 EUR angedroht.
5. Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1, 2 und 3 dieses Bescheides wird angeordnet.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Rechtsgrundlage für die getroffene Duldungsanordnung sei § 94 Abs. 1 WHG. Bei einer „Sperrung“ der Abwasseranlage durch die Antragstellerin sei der Gaststätte des Beigeladenen die weitere Entsorgung der Küchenabwässer zurzeit nicht mehr möglich. Der Beigeladene suche derzeit nach einer Möglichkeit, sich mit sämtlichen Abwässern an die unmittelbar an dem Grundstück vorbeiführende Abwasserdruckleitung von Johannesberg nach Kleinostheim anzuschließen. Um die Abwässer aus der Grube abpumpen zu können, sei es zudem erforderlich, das Grundstück der Antragstellerin zu betreten und mit einem Fahrzeug zu befahren. Die Anordnung sei auch zur Erfüllung der gesetzlichen Pflicht zur ordnungsgemäßen Entsorgung der Küchenabwässer erforderlich. Der Betrieb der Anlage werde durch die Mitbenutzung durch den Beigeladenen nicht beeinträchtigt. Die Grube werde zudem stets vollständig auf Kosten des Beigeladenen geleert. Schließlich habe sich der Beigeladene auch bereit erklärt, die Mehrkosten für den weiteren Betrieb und die Unterhaltung sowie die Kosten für die Abfuhr des Abwassers zu übernehmen. Eine Bewertung der zwischen der Antragstellerin und dem Beigeladenen bestehenden vertraglichen Verpflichtungen werde von der Behörde nicht vorgenommen; es sei auch nicht beabsichtigt, diese durch eigene Regelungen zu ersetzen. Die getroffene Duldungsanordnung sei nach § 13 Abs. 1 WHG zur Minimierung des Eingriffs in das Privateigentum der Antragstellerin zu befristen gewesen. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Beigeladene innerhalb der gesetzten Frist ein eigenes Abwasserbeseitigungskonzept umsetzen könne. Die getroffenen Anordnungen seien nicht als Dauerlösungen vorgesehen.
Die Anordnung des Sofortvollzugs wurde damit begründet, dass es auch im öffentlichen Interesse liege, dass für die Zeit bis zum Anschluss an die Abwasserleitung eine ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung des Anwesens des Beigeladenen gewährleistet werde.
3. Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2018 ließ die Antragstellerin hiergegen Klage erheben und beantragen, den Bescheid vom 14. Dezember 2017 aufzuheben. Zugleich ließ sie beantragen,
Es wird Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Bescheids gemäß obiger Ziffer I. beantragt.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Bescheid stelle einen Gefälligkeitsverwaltungsakt dar, was sich bereits im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf ergebe. Die Eilbedürftigkeit der Maßnahme resultiere allein daraus, dass der Beigeladene sich nicht rechtzeitig um eine eigene Abwasserbeseitigung bemüht habe. Ein Mitbenutzungsrecht des Beigeladenen an den Abwasserbeseitigungsanlagen der Antragstellerin könne im Hinblick auf den notariellen Kaufvertrag vom 13. April 2006 allenfalls in Bezug auf die Kleinkläranlage, aber nicht auch hinsichtlich der Puffergrube bestehen. Der Antragsgegner habe zudem im Zuge des Bescheiderlasses auf eine eigene Sachverhaltsermittlung verzichtet und allein die Angaben des Beigeladenen zu Grunde gelegt. Der Bescheid selbst missachte die Entscheidung des Landgerichts A. vom 8. Dezember 2017, indem die angeordnete Regelung exakt der durch das Landgericht aufgehobenen Regelung entspreche. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei zudem nicht ausreichend begründet worden. Überdies lägen die Voraussetzungen des § 94 WHG nicht vor. Bei der in Rede stehenden Grube handele es sich nicht um eine Abwasserbeseitigungsanlage. Der Bescheid enthalte zudem entgegen § 94 WHG keine Regelung zur Kostentragung. Eine Duldungsverpflichtung betreffend das Betreten und Befahren eines fremden Grundstückes könne ohnehin nicht auf § 94 WHG gestützt werden. Eine Ermessensentscheidung habe nicht stattgefunden. Durch den Bescheid werde die gaststättenrechtliche Pflicht des Beigeladenen zur Abwasserbeseitigung zu Unrecht auf die Antragstellerin überbürdet.
4. Das Landratsamt A. beantragte für den Antragsgegner, den Antrag vom 15.01.2018 auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuweisen.
Zur Begründung wurde auf die Begründung des angefochtenen Bescheides vom 14. Dezember 2017 verwiesen und ergänzend ausgeführt: Es sei stets gegenüber beiden Nachbarn klargestellt worden, dass es sich vordergründig um eine zivilrechtliche Streitigkeit handele und sich das Landratsamt daher zurückhalten müsse. Erst im Hinblick auf das Urteil des Landgerichts A. vom 8. Dezember 2017 habe die Behörde zur vorläufigen Sicherung einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung tätig werden müssen. Die Voraussetzungen des § 94 WHG lägen vor; der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit werde durch die angeordnete Befristung gewahrt. Das öffentliche Interesse liege in diesem Fall in der Sicherstellung einer Abfuhr der Abwässer aus der Wohnung und der Gaststätte durch den Beigeladenen. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei geboten gewesen, um die getroffene Anordnung nicht leerlaufen zu lassen. Ohne diese Anordnung hätte der Beigeladenen seinen Betrieb schließen müssen. Die Interessen der Antragstellerin zur Schaffung von Tatsachen vor endgültiger Klärung der Rechtslage seien insoweit geringer zu gewichten gewesen.
5. Der Beigeladene ließ beantragen,
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht: Grundlage der Verpflichtung der Antragstellerin zur Duldung der Beseitigung sämtlichen Abwassers des Beigeladenen über ihr Grundstück sei der notarielle Kaufvertrag vom 13. April 2006, sodass sie durch den angefochtenen Bescheid auch nicht in ihren Rechten verletzt sein könne. Der Beigeladene habe kürzlich eine hinreichend funktionsfähige Fettabscheideranlage in seine Küche einbauen lassen. In Abstimmung mit dem Antragsgegner habe er sich dazu entschlossen, an die Druckwasserleitung zwischen den Gemeinden Johannesberg und Kleinostheim anzuschließen. Entsprechende Planungen seien bereits erstellt. Mit einer Realisierung sei noch im Frühjahr 2018 zu rechnen. Insoweit sei die zeitlich befristete Duldungsverpflichtung der Antragstellerin gerechtfertigt. Die ergangenen zivilgerichtlichen Entscheidungen stünden der Anordnung nicht entgegen, da von einer Zweigleisigkeit des öffentlichen und privaten Wasser-Nachbarrechts auszugehen sei. Die Beseitigung von Abwässern aus genehmigten Anlagen liege auch im öffentlichen Interesse, da die ordnungsgemäße und umweltungefährliche Abwasserentsorgung Bestandteil der Daseinsvorsorge der öffentlichen Hand sei und dem öffentlichen Wohl diene. Die getroffene Anordnung diene zudem der Sicherung des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes des Beigeladenen. Schließlich sei die durch den angefochtenen Bescheid ermöglichte Beeinträchtigung der Interessen der Antragstellerin nur geringfügig. Soweit die Antragstellerin das Fehlen einer Kostentragungsregelung bemängele, so stünde es ihr frei, einen entsprechenden Antrag zu stellen.
6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der dahingehend auszulegende Antrag (§ 88 VwGO), die aufschiebende Wirkung der Klage vom 15. Januar 2018 wiederherzustellen, hat im Ergebnis Erfolg, da er sowohl zulässig als auch in der Sache begründet ist.
1. Der Antrag ist zulässig. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes A. vom 14. Dezember 2017 entfällt aufgrund der Sofortvollzugsanordnung in dessen Ziffer 5., sodass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach §§ 80a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft ist. Der Antragstellerin steht als Adressatin eines belastenden Verwaltungsaktes auch die erforderliche Antragsbefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO zu.
2. Der Antrag ist auch in der Sache begründet.
Im Verfahren nach §§ 80a Abs. 1, Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zunächst zu prüfen, ob die behördliche Sofortvollzugsanordnung den Maßgaben des § 80 Abs. 3 VwGO entsprechend begründet wurde. Im Übrigen trifft das Gericht eine eigene, originäre Ermessensentscheidung über den Sofortvollzug anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Das Interesse des Beigeladenen an einer sofortigen Ausnutzung des ihn begünstigenden Verwaltungsaktes ist mit den Interessen der Antragstellerin an einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Maßgebliches Kriterium dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369). Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als rechtswidrig, überwiegt das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse (BayVGH, B.v. 12.4.1991 – 1 CS 91.439 – BayVBl 1991, 720). Stellt sich der Verwaltungsakt dagegen als rechtmäßig dar, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris). Lässt sich hingegen bei summarischer Überprüfung eine derartige Beurteilung nicht mit hinreichender Sicherheit treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung der Folgen einer vorläufigen Ausnutzung des Verwaltungsaktes zugunsten des Beigeladenen auf der einen Seite und einer einstweiligen Aussetzung der behördlichen Anordnung zugunsten der Antragstellerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren auf der anderen Seite an, wobei hierbei insbesondere den Möglichkeiten der Rückabwicklung dieser Folgen besonders Gewicht beizumessen wäre.
2.1. In den Fällen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO muss die Behörde gemäß § 80 Abs. 3 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich besonders begründen. Ob die hier im angegriffenen Bescheid hierfür gegebene Begründung den inhaltlichen Anforderungen an diese Begründungspflicht entspricht, muss vorliegend nicht entschieden werden, da sich der in der Hauptsache angefochtene Bescheid bereits aufgrund einer summarischen Prüfung als rechtswidrig erweist und das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin bereits aus diesem Grund das Sofortvollzugsinteresse überwiegt (hierzu 2.2.).
2.2. Die Kammer ist aufgrund der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung zu der Auffassung gelangt, dass die Klage der Antragstellerin in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg haben wird. Die angefochtene Duldungsanordnung vom 14. Dezember 2017 erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist vorliegend § 94 Abs. 1 WHG als mögliche Rechtsgrundlage für die vom Antragsgegner verfügte Duldungsverpflichtung. Dabei kann hier offen gelassen werden, ob die in § 94 Abs. 1 WHG ausdrücklich aufgestellten Tatbestandsvoraussetzungen für eine entsprechende behördliche Anordnung gegeben sind oder nicht. Denn jedenfalls ist die behördliche Ermessensentscheidung fehlerhaft; es liegt insoweit ein Ermessensdefizit vor (§ 114 Satz 1 VwGO).
Rechtfertigen lässt sich die behördliche Inanspruchnahme des Betreibers einer der in § 94 WHG genannten Anlagen nicht allein mit dem generellen Gemeinwohlbezug des öffentlichen Wasserrechts (vgl. § 1 WHG), sondern nur mit der konkreten Erforderlichkeit einer im öffentlichen Interesse beabsichtigten Mitbenutzung der jeweiligen Anlage (so Zöllner, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 93 WHG Rn. 7 zur Verpflichtung zur Duldung von Leitungen auf fremdem Grund nach § 93 WHG). Die mit der Mitbenutzungsgestattung verfolgten, im weiteren Sinne wasserwirtschaftlichen Zwecke müssen im konkreten Fall (zumindest auch) im öffentlichen Interesse erforderlich sein; eine ausschließlich privatnützige Mitbenutzung einer fremden Anlage rechtfertigt die hoheitliche Inanspruchnahme fremden Grundeigentums auch im Rahmen einer bloßen Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nicht (vgl. BVerwG, B.v. 19.5.1995 – 4 NB 17/95 – juris). Die auch im Rahmen des § 94 WHG nötige Prüfung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme kann notwendigerweise nur anhand eines öffentlichen Interesses an der Mitbenutzung der Anlage erfolgen, da es sich hierbei nicht um eine Norm handelt, die – anders als etwaige zivilrechtliche Bestimmungen – das private nachbarschaftliche Beziehungsgeflecht unmittelbar gestaltet, sondern die hoheitliche Befugnis zur Erteilung von Zwangsrechten regelt, die der zuständigen Wasserbehörde bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe gegenüber dem betroffenen Eigentümer zukommt (vgl. BGH, U.v. 4.7.2008 – V ZR 172/07 – juris Rn. 20 zu §§ 128, 129 WasG NRW aF.). Ein mit dem öffentlichen Interesse gleichgerichtetes privates Mitbenutzungsinteresse kann zwar bei der behördlichen Abwägung zusätzlich ins Gewicht fallen; Voraussetzung ist aber ungeachtet dessen weiterhin, dass der private Nutzen mit den Belangen des Gemeinwohls in Einklang steht (Zöllner, a.a.O. Rn. 8).
Aus verfassungsrechtlichen Gründen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG kann daher eine Rechtsgrundlage, die wie die §§ 93, 94 WHG die Inanspruchnahme fremden Grundeigentums zugunsten privater Dritter ermöglicht, nur dann eingreifen, wenn neben dem privaten Nutzungsinteresse gerade ein öffentliches Interesse an der Erfüllung wichtiger wasserwirtschaftlicher Aufgaben besteht. Nur insoweit muss das duldungs- bzw. gestattungsverpflichtete nachbarliche Grundeigentum zurückstehen und eine Belastung durch den privaten Dritten hinnehmen. Der Gesetzgeber muss nämlich bei der Wahrnehmung des ihm in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG erteilten Auftrags, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, sowohl die grundgesetzliche Anerkennung des Privateigentums durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als auch das Sozialgebot des Art. 14 Abs. 2 GG beachten (BVerfG, B.v. 15.7.1981 – 1 BvL 77/78 – BVerfGE 58, 300 (338 f.)). Damit wäre es nicht vereinbar, im Verhältnis privater Nachbarn zueinander ein Durchleitungs- oder Mitbenutzungsrecht auf öffentlich-rechtlicher Grundlage anzunehmen, dem keine oder nur nicht relevante Gemeinwohlbelange zugrunde liegen (vgl. BayVGH, B.v. 26.10.2015 – 8 ZB 14.2356 – juris Rn. 6 zu § 93 WHG). Soweit es nicht nur um die zwangsweise Durchsetzung einer Duldung der Inanspruchnahme fremden Grund und Bodens zum Zwecke der Durchleitung von Wasser und Abwasser nach § 93 WHG geht, sondern um die mit einem noch tiefgreifenderen Eingriff in das Privateigentum verbundene Duldung der Mitbenutzung von Anlagen nach § 94 WHG, so bedarf es hierfür eines noch weitergehenden öffentlichen Interesses im Sinne „gewichtiger wasserwirtschaftlicher Belange“ (BayVGH, a.a.O. Rn. 8).
Dem werden die Ausführungen in der angefochtenen Duldungsverfügung nicht gerecht. Der Begründung lässt sich nicht entnehmen, dass sich das Landratsamt im Rahmen seiner Entscheidungsfindung der Erforderlichkeit gewichtiger Allgemeinwohlbelange bewusst gewesen ist. Insoweit wird seitens der Behörde lediglich angeführt, dass ohne eine entsprechende Duldungsanordnung gegenüber der Antragstellerin die weitere Entsorgung der Küchenabwässer der Gaststätte „S.“ zur Zeit nicht mehr möglich sei und dass die ausgesprochene Duldungspflicht nicht als Dauerlösung angedacht sei, sondern lediglich die Abwasserentsorgung sicherstellen solle, bis der Beigeladene eine Möglichkeit gefunden habe, sich mit sämtlichen Abwässern an die vorbeiführende Abwasserdruckleitung anzuschließen. Ein besonderes öffentliches Interesse an der Mitbenutzung der vorhandenen Puffergrube der Antragstellerin kann allein hiermit nicht begründet werden. Das allgemeine Interesse an der Durchführung einer geordneten Abwasserbeseitigung genügt vor dem Hintergrund der Anforderungen des Art. 14 GG für die zwangsweise Inanspruchnahme eines privaten Dritten nicht, solange aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalles deren ordnungsgemäße Durchführung nicht auch zur Abwendung ansonsten eintretender Nachteile für das allgemeine Wohl erforderlich wäre (BayVGH, B.v. 26.10.2015 – 8 ZB 14.2356 – juris Rn. 6 zu § 93 WHG). Insbesondere lässt sich die Inanspruchnahme eines Nachbargrundstücks zum Zwecke einer privatnützigen Abwasserbeseitigung ohne Hinzutreten gewichtiger öffentlicher Belange nicht allein mit privatrechtlichen Vermögensinteressen rechtfertigen (BayVGH, a.a.O. Rn. 7). Der Eigentümer einer bestehenden privaten Anlage braucht es eben nicht ohne Weiteres hinzunehmen, dass diese von einem privaten Nachbarn mitbenutzt wird, wenn er dies – beispielsweise aus mehr oder minder begründeten Besorgnissen über einen Schadenseintritt – nicht erlauben will. Schließlich kann vorliegend im Hinblick auf den hohen grundrechtlichen Stellenwert der Eigentumsgarantie auf das Erfordernis hinreichend gewichtiger öffentlicher Belange an der Mitbenutzung auch nicht allein im Hinblick darauf verzichtet werden, dass es sich bei der hier in Rede stehenden zwangsweisen Duldungsverpflichtung um eine befristete Maßnahme i.S.e. bloßen „Übergangslösung“ bis zur Umsetzung einer dauerhaften eigenen Entsorgungslösung des Beigeladenen handeln soll.
Damit hat das Landratsamt bei seiner Ermessensentscheidung sowohl dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung nicht hinreichend Rechnung getragen als auch wesentliche Gesichtspunkte, die nach Lage der Dinge in die Entscheidungsfindung einfließen mussten, unberücksichtigt gelassen (§ 114 Satz 1 VwGO). Die hiernach rechtsfehlerhafte Duldungsverfügung verletzt die Antragstellerin als Duldungsverpflichtete damit in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ihre hiergegen erhobene Klage wird daher aller Voraussicht nach in der Hauptsache erfolgreich sein, weshalb ihr Aussetzungsinteresse das Interesse am Sofortvollzug der Anordnung überwiegt und die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen war.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG i. V. m. Ziffern 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013.