Baurecht

Erklärung der Gemeinde zur Durchführung des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens

Aktenzeichen  AN 9 K 17.70

Datum:
27.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 58
VwGO VwGO § 43

 

Leitsatz

Die Erklärung der Gemeinde, dass das vereinfachte Genehmigungsverfahrens anstelle des Freistellungsverfahrens durchgeführt werden soll, erfordert nicht, dass die Gemeinde schon im Voraus von der Unvereinbarkeit des Vorhabens mit den zu prüfenden Anforderungen überzeugt ist, ausreichend sind vorhandene Zweifel. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Gegenstand der Klage ist die Feststellung, dass die Beklagte durch ihre Erklärung nach Art. 58 Abs. 2 Nr. 4 BayBO, dass für das Bauvorhaben des Klägers das Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden soll, rechtswidrig gehandelt habe. Der Kläger hat dies in der mündlichen Verhandlung auf wiederholte Nachfrage des Gerichts klargestellt.
Beklagte dieses Verfahrens ist allein die Gemeinde … Die hilfsweise Klageerhebung gegen den Freistaat Bayern ist unzulässig.
Die Klage ist unzulässig und unbegründet.
1. Die Klage ist unzulässig.
Da es sich bei der Erklärung nach Art. 58 Abs. 2 Nr. 4 BayBO nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um einen Realakt handelt (vgl. Gesetzesbegründung DrS. 12/13 482 zu § 1 Nr. 51, Art. 66a; Taft, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 58, Rn. 39), ist die Frage, ob die Beklagte berechtigt war, diesen in der konkreten Form und Verfahrensweise vorzunehmen, zwar grundsätzlich ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 VwGO (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 43, Rn. 5). Die Feststellungsklage ist jedoch nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO subsidiär, da der Kläger den mit seiner Klage verfolgten Zweck besser und unmittelbarer durch eine Gestaltungsklage, namentlich die allgemeine Leistungsklage hätte verfolgen können (vorbehaltlich der Frage, ob eine solche Klage in der Sache Erfolg gehabt hätte). Neben seinem ausdrücklich als Feststellungsantrag formulierten Klageantrag betonte er nämlich auch, dass es ihm mit seiner Klage darum gehe, sein Mehrgenerationenhaus bauen zu dürfen, ohne das Baugenehmigungsverfahren zu durchlaufen, er also eine Behandlung im Freistellungsverfahren wünsche. Die allgemeine Leistungsklage hätte insofern weiter gereicht, weil sie nicht nur auf die Feststellung eines – vom Kläger angenommenen – rechtswidrigen Verhaltens der Gemeinde in der Vergangenheit gerichtet gewesen wäre, sondern vielmehr auf ein Baurecht in der Zukunft.
2. Die Klage ist auch unbegründet.
Die Sachbehandlung durch die Beklagte war rechtmäßig. Das am 29. Juli 2016 vom Kläger eingereichte Bauantragsformular war zunächst widersprüchlich, da die Baugenehmigung nach Art. 64 BayBO begehrt und gleichzeitig eine Behandlung im Genehmigungsfreistellungsverfahren nach Art. 58 BayBO beantragt wurde. Nach Klarstellung durch den Kläger behandelte die Beklagte seine Bauvorlagen im Freistellungsverfahren. Nach Art. 58 Abs. 1 und 2 BayBO bedarf die Errichtung einer baulichen Anlage, die kein Sonderbau ist, keiner (Bau-) Genehmigung, wenn sie im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Sinne des § 30 Abs. 1 oder der §§ 12 und 30 Abs. 2 BauGB liegt (Art. 58 Abs. 2 Nr. 1 BayBO), sie den Festsetzungen des Bebauungsplans und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO nicht widerspricht (Art. 58 Abs. 2 Nr. 2 BayBO), die Erschließung im Sinne des Baugesetzbuchs gesichert ist (Art. 58 Abs. 2 Nr. 3 BayBO) und die Gemeinde nicht binnen Monatsfrist erklärt, dass das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden soll oder eine vorläufige Untersagung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauGB beantragt. Wie aus dem Wörtchen „und“ ersichtlich wird, müssen diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Art. 58 Abs. 4 Satz 1 BayBO regelt, dass die Erklärung der Gemeinde nach Abs. 2 Nr. 4 Alt. 1 insbesondere deshalb erfolgen kann, weil sie eine Überprüfung der sonstigen Voraussetzungen des Abs. 2 oder des Bauvorhabens aus anderen Gründen für erforderlich hält. Das erfordert nicht, dass die Gemeinde schon im Voraus von der Unvereinbarkeit des Vorhabens mit den genannten Anforderungen überzeugt ist, ausreichend sind vorhandene Zweifel. Ob die Gemeinde von ihrem Erklärungsrecht Gebrauch macht steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen, für dessen Ausübung sie einen weiten Spielraum hat (vgl. Simon/Busse, BayBO, Art. 58, Rn. 40). Der Ermessensgebrauch ist vom Gericht nur in den Grenzen des § 114 VwGO nachprüfbar. Art. 58 Abs. 4 Satz 2 BayBO bestimmt darüber hinaus ausdrücklich, dass darauf, dass die Gemeinde von ihrer Erklärungsmöglichkeit keinen Gebrauch macht, kein Rechtsanspruch besteht.
Hieran gemessen sind die Erklärung der Beklagten in dem Schreiben vom 11. August 2016, dass das Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden soll, sowie die weitere Sachbehandlung rechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Kläger vorgelegten Bauzeichnungen sind nicht vollständig bemaßt, vielmehr findet sich bei zwei Dachüberständen und einer Traufhöhe lediglich die Bezeichnung „laut Bebauungsplan“. Dass die Beklagte ihre Erklärung daher darauf stützte, dass die bauaufsichtliche Überprüfung des Bauvorhabens hinsichtlich der Übereinstimmung mit den Festsetzungen des Bebauungsplans für erforderlich gehalten werde, lässt keine Ermessensfehler erkennen. Auch die vom Kläger beanstandete Rücksendung der Bauvorlagen an ihn entsprach der Regelung in Art. 58 Abs. 4 Satz 3 BayBO und war rechtmäßig – eine Weiterleitung an das Landratsamt … als Bauaufsichtsbehörde hätte nur dann erfolgen dürfen, wenn der Kläger bei Vorlage seiner Unterlagen bestimmt hätte, dass sie im Fall der Erklärung nach Art. 58 Abs. 2 Nr. 4 BayBO als Bauantrag (zur Durchführung eines Baugenehmigungsverfahrens) zu behandeln seien. Dass er dies gerade nicht wolle, hat er mehrfach erklärt.
Demnach war die Klage abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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