Aktenzeichen M 11 K 17.3633
Leitsatz
1. Es spricht sehr viel dafür, dass jedenfalls in Fällen, in denen die planende Gemeinde von Beginn an im Bewusstsein agiert, dass die verfolgte Planung in keinem Fall rechtswirksam beschlossen werden kann, das Risiko eines Dritten, die Planungskosten zu tragen, nicht mehr von der gesetzlichen bzw. vertraglichen Risikoverteilung umfasst ist (vgl. § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BauGB). (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist jedenfalls nicht mit dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbar, ohne triftigen städtebaulichen Grund eine bereits durchgeführte Planung wieder rückgängig zu machen und dennoch weiterhin die Erstattung der Kosten derjenigen Planung zu verlangen, von der sich die Gemeinde selbst nachträglich wieder lösen will. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
a) Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig. Die Klägerin hätte ihre geltend gemachte Forderung nicht durch Erlass eines Verwaltungsakts gegenüber der Beklagten durchsetzen können. Vielmehr beruht das streitige Rechtverhältnis auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, sodass die allgemeine Leistungsklage statthafte Klageart ist.
b) Die Klage ist jedoch unbegründet.
Grundsätzlich ist der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags in der hier vorliegenden Form eines städtebaulichen Vertrages mit dem Ziel der Übernahme von Planungskosten nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB möglich.
Es spricht allerdings einiges dafür, dass der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der angefallenen Planungskosten bereits deshalb nicht bestehen und mithin die Klage bereits deshalb unbegründet sein könnte, weil der Abschluss des Vertrags von vorneherein nicht mit den sowohl im öffentlichen-rechtlichen Vertragsrecht als auch ohnehin darüber hinaus im gesamten öffentlichen Recht geltenden Grundsätzen von Treu und Glauben (§§ 157, 242 BGB) bzw. der guten Sitten (§ 138 BGB) (vgl. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 16. Auflage 2015, § 62, Rn. 20) vereinbar ist. Ausweislich der Begründung zum Entwurf der Aufhebung der 1. Änderung des B-Plans Nr. 66 möchte die Klägerin nicht länger an der „Gefälligkeitsplanung“ der 1. Änderung des B-Plans Nr. 66 festhalten. Dass es sich bei der 1. Änderung des B-Plans Nr. 66 tatsächlich um eine Gefälligkeitsplanung, sprich eine Planung im rein privaten Interesse der Beklagten, ohne städtebauliche Erforderlichkeit gemäß § 1 Abs. 3 BauGB gehandelt haben könnte und dass die Klägerin sich dessen sowohl bei der Einleitung des Änderungsverfahrens als auch beim Beschluss der 1. Änderung des B-Plans Nr. 66 bewusst war, legt auch die schriftsätzlich sowie in der mündlichen Verhandlung dargelegte Vorgeschichte der Einleitung des Verfahrens zur 1. Änderung des B-Plans Nr. 66 nahe. Sollte sich die Klägerin jedoch bewusst gewesen sein, dass es sich bei der 1. Änderung des B-Plans Nr. 66 um eine reine Gefälligkeitsplanung im Rechtssinne gehandelt hat und sollte die Klägerin dennoch den vorliegenden städtebaulichen Vertrag abgeschlossen haben, obwohl ihr bewusst war, dass die von ihr beabsichtigte Änderung wegen des aus der fehlenden städtebaulichen Erforderlichkeit folgenden materiellen Rechtsverstoßes gegen § 1 Abs. 3 BauGB von vorneherein rechtswidrig und damit nichtig sein wird, dürfte das gleichzeitige Fordern der Erstattung der Kosten für diese von Anfang an bewusst fehlerhafte und damit unrettbar unwirksame Planung einen Verstoß gegen die oben genannten Grundsätze darstellen. Zwar trifft es zu, dass das Risiko des Zustandekommens der Planung, in Bezug auf die sich der Vertragspartner gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BauGB zur Kostenübernahme verpflichten kann, grundsätzlich der Vertragspartner der planenden Gemeinde trägt und dass dahingehende Klauseln in derartigen Verträgen dem Grunde nach unproblematisch möglich sind. Der derartigen Klauseln zugrunde liegende und im Gesetz verankerte Grundsatz geht jedoch von der Durchführung einer rechtsfehlerfreien Planung aus. § 1 Abs. 3 Satz 2 BauGB bringt insbesondere zum Ausdruck, dass eine Vorwegbindung der Gemeinde in Bezug auf das Ergebnis der gerechten Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gemäß § 1 Abs. 7 BauGB nicht möglich ist. Mit dem zuvor angesprochenen Risiko ist letztlich dasjenige Risiko gemeint, dass trotz der im guten Glauben aufgenommenen und durchgeführten Planung durch die Gemeinde aufgrund des Vorbehalts der gerechten Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB die vom Vertragspartner gewünschte Planung nicht umsetzbar ist bzw. der letztlich beschlossene Plan nicht vollständig dem vom Vertragspartner gewünschten Ergebnis entspricht. Allerdings spricht sehr viel dafür, dass jedenfalls in Fällen, in denen die planende Gemeinde letztlich von Beginn an bösgläubig agiert, mithin im Bewusstsein, dass die verfolgte Planung in keinem Fall rechtswirksam beschlossen werden kann, dieses Risiko nicht mehr von der gesetzlichen bzw. vertraglichen Risikoverteilung umfasst ist. In derartigen Fällen wäre schlechthin in keinster Weise ersichtlich, weshalb die planende Gemeinde Erstattung von Planungskosten verlangen können sollte, obwohl von vorneherein absehbar ist, dass der beschlossene Plan nichtig sein wird.
Jedoch brauchen all diese Fragen, also ob der Fall einer bösgläubigen Gemeinde, also einer Gemeinde, die sich von Anfang an der Unwirksamkeit des von ihr zu erlassenden Bebauungsplans bewusst ist, vom dem vom Vertragspartner nach Gesetz bzw. Vertragsklausel zu tragenden Risikos des Erlasses des begehrten Bebauungsplans umfasst ist, ob im Falle einer bösgläubigen Gemeinde ein geschlossener städtebaulicher Vertrag von Anfang wegen Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam ist oder ob der Vertrag zwar wirksam, aber jedenfalls das Berufen auf die Risikoübernahmeklausel treuwidrig ist sowie ob im vorliegenden Fall die Klägerin von Beginn an tatsächlich bösgläubig in Bezug auf das Vorliegen einer Gefälligkeitsplanung war, letztlich nicht entschieden zu werden.
Ebenso kann offen bleiben, ob im vorliegenden Fall die HOAI auch auf die durch den Planungsverband, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, erbrachten Planungsleistungen anzuwenden ist sowie ob bzw. bis zu welchem Umfang die durchgeführten Planungsleistungen, ggf. unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der ursprüngliche Bebauungsplan in rechtmäßiger Weise nach § 13a BauGB, die isolierte Änderung nur für das Grundstück der Beklagten jedoch im regulären Verfahren erlassen worden ist, angemessen waren.
Dies folgt daraus, dass es der Klägerin nach dem anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben jedenfalls solange verwehrt ist, die Erstattung der Planungskosten zu verlangen, solange sie selbst weiter die Aufhebung der 1. Änderung des B-Plans Nr. 66 beabsichtigt und dieses Verfahren weiter betreibt. Ob dies eine allgemeine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben darstellt oder aus der letztlich auch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben herrührenden „dolo-agit-Einrede“ folgt, braucht ebenfalls nicht entschieden zu werden, da die Beklagte die Einrede jedenfalls auch erhoben hätte, da sie die tatsächlichen Umstände, aus denen sich das Vorliegen der Einrede ergibt, nämlich, dass die Klägerin das Aufhebungsverfahren der 1. Änderung des B-Plans Nr. 66 betreibt, sowohl schriftsätzlich als auch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat und jedenfalls unmissverständlich klargestellt hat, dass dies ihrer Ansicht nach zum Entfall der Zahlungsverpflichtung führt.
Entsprechend den zuvor dargestellten Grundsätzen ist es jedenfalls mit dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht vereinbar, wie im vorliegenden Fall ohne triftigen städtebaulichen Grund die bereits durchgeführte Planung wieder rückgängig zu machen, sich also letztlich einseitig vom Vertrag zu lösen und dennoch weiterhin von der Beklagten Erfüllung, also Erstattung der Kosten derjenigen Planung zu verlangen, von der sich die Klägerin nun selbst nachträglich wieder lösen will. Dieses Risiko ist in keinem Fall von der grundsätzlich zulässigen Risikoübernahmeklausel unter § 2 Ziffer 3 des streitgegenständlichen städtebaulichen Vertrags erfasst. Sofern die Klägerin nach Erfüllung nun alles einseitig, ohne triftigen Grund, wieder rückgängig machen will, muss sie letztlich auch damit leben, dass sie in diesem Falle keinerlei Zahlungen zur Erstattung verlangen kann.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte selbst einen Normenkontrollantrag gegen die 1. Änderung des B-Plans Nr. 66 gestellt hat.
Zum einen ist schon keineswegs eindeutig, dass der Antrag Erfolg haben und demgemäß die Unwirksamkeit der Änderung festgestellt werden wird. Im Falle des Misserfolgs des Normenkontrollantrags wäre die Klägerin also weder mit Kosten für eine erneute Planung noch mit den Verfahrenskosten des Normenkontrollverfahrens belastet. Somit ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin den Ausgang des Normenkontrollverfahrens nicht abwartet und dann – im Falle des Unterliegens – ggf. neu plant und sich hinsichtlich dieser Kosten ebenfalls, wie im streitgegenständlichen Vertrag vorgesehen, an die Beklagte hält und andernfalls – im Falle des Erfolgs des Normenkontrollantrags – letztlich ohne Kostennachteil gegenüber der Beklagten weiterhin die Erstattung der ausgelegten Kosten verfolgt, nachdem sie nach rechtskräftiger Feststellung der Wirksamkeit der Änderung damit den Vertrag letztlich nachgewiesenermaßen erfüllt hätte.
Zum anderen folgt dies daraus, dass die Klägerin letztlich als Körperschaft des öffentlichen Rechts ohnehin an Recht und Gesetz gebunden ist und deshalb von vorneherein kein Interesse an der Aufstellung rechtswidriger Bauleitpläne hat, sodass sie es jederzeit hinzunehmen hat, dass von gesetzlich vorgesehenen Instrumentarien zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Betätigungen Gebrauch gemacht wird, sei es auch durch die von ihrer Betätigung Begünstigten. Zudem hätte der Anstoß der Überprüfung der Rechtmäßigkeit nicht nur seitens der Beklagten sondern auch durch Dritte erfolgen können und auch in diesem Fall hätte die Klägerin die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der 1. Änderung des B-Plans Nr. 66 hinzunehmen gehabt.
Aufgrund all dessen war die Klage in Bezug auf die Hauptforderung abzuweisen, sodass auch auf die von der Klägerin geltend gemachten Nebenforderungen kein Anspruch besteht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.