Aktenzeichen B 2 K 19.408
Leitsatz
Besondere sicherheitsrechtliche Anforderungen sind auf dem jeweils eigenen Grundstück zu lösen
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Das Gericht kann über die Klage ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ent-scheiden, da die Parteien nach § 101 Abs. 2 VwGO auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben.
I.
Die Klage des Klägers zu 3) ist bereits unzulässig, da dieser Klage nach § 90 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 173 VwGO, § 261 Abs. 3 Nr. 1 der Zivilprozessordnung – ZPO – die Rechtshängigkeit der Klage des Klägers zu 2) entgegensteht. Denn bei dem Kläger zu 2) und zu 3) handelt es sich um dieselbe Person. Der in der Klageschrift vom 06.05.2019 als Fa. … bezeichnete Kläger zu 2) ist ein Einzelunternehmen, dessen Inhaber der Kläger zu 3) ist. Unabhängig davon, ob eine Firma im Sinne von § 17 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs – HGB – gegeben ist oder nicht, ist ein Einzelunternehmen nicht unabhängig von seinem Inhaber rechtsfähig; Partei eines Rechtsstreits ist also der Einzelunternehmer als natürliche Person (vgl. § 61 Nr. 1 VwGO).
Die übrigen Klagen sind zulässig.
II.
Die Klagen haben jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Eine Baunachbarklage kann ohne Rücksicht auf die etwaige objektive Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung nur dann Erfolg haben, wenn die erteilte Genehmigung gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die gerade auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten kann darüber hinaus wirksam geltend gemacht werden, wenn durch das Vorhaben das objektiv-rechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird, dem drittschützende Wirkung zukommen kann.
Das mit Baugenehmigung vom 02.04.2019 und Nachtragsbescheid vom 26.07.2019 genehmigte Bauvorhaben der Beigeladenen verstößt gegen keine zu Gunsten der Kläger drittschützende Vorschrift (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Da es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Sonderbau nach Art. 2 Abs. 4 der Bayerischen Bauordnung – BayBO – handelt, wurde von der Bauaufsichtsbehörde ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO durchgeführt.
Das Vorhaben verstößt nicht gegen drittschützende Normen, die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfen sind.
Das Bauvorhaben ist bauplanungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB i. V. m. § 6 Abs. 2 Nr. 1 der Baunutzungsverordnung – BauNVO – und § 12 Abs. 1 BauNVO zulässig.
Ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil (§ 34 Abs. 1 BauGB) ist vorliegend aufgrund von § 1 der Satzung der Gemeinde S… über die Festlegung der Grenzen des im Zusammenhang bebauten Ortsteiles W… vom 30.10.1978 gegeben, da das Vorhaben in dem Bereich liegt, den die Satzung nach § 34 Abs. 2 BauGB a. F., jetzt § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB, als im Zusammenhang bebauten Ortsteil festsetzt.
Bezüglich der Art der baulichen Nutzung sind das Wohnhaus und die Garage nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 Abs. 2 Nr. 1 und § 12 Abs. 1 BauNVO zulässig, da die nähere Umgebung des Bauvorhabens einem Mischgebiet (§ 6 BauNVO) entspricht. Die von den Klägern vorgetragenen besonderen Sicherheitsanforderungen bezüglich ihres Grundstücks mit der Fl.-Nr. bb stehen dem Bauvorhaben nicht entgegen. Diese sind von den Klägern vielmehr auf dem eigenen Grundstück zu lösen. Dies ergibt sich aus den allgemeinen Rechtsgedanken zur Grenzbebauung, wonach jeder Grundstückseigentümer selbst dafür Sorge tragen muss, dass seine Belage bezüglich Belichtung, Belüftung und Besonnung gewahrt sind. Entsprechend müssen die Kläger ihre Sicherheitsbelange durch Maßnahmen auf dem eigenen Grundstück lösen und können diesbezüglich nicht in der Weise das Grundstück der Beigeladenen in Anspruch nehmen, dass diese in ihrem Baurecht eingeschränkt werden.
Bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, fügt sich das Vorhaben gem. § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein, ohne dass diesbezüglich eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes gegeben ist. Ein solches Einfügen ist gegeben, wenn sich ein Vorhaben innerhalb des aus seiner näheren Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, es sei denn, es lässt die gebotene Rücksichtnahme auf die in der unmittelbaren Umgebung vorhandene Bebauung fehlen (BVerwG, U. v. 08.12.2016 – 4 C 7/15 – juris Rn. 17, BVerwG, U. v. 26.05.1978 – IV C 9.77 – juris Rn. 46). Bedeutsam für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach dem Maß der baulichen Nutzung sind solche Maße, die nach außen wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung leicht in Beziehung zueinander setzen lassen (BVerwG, U. v. 08.12.2016 – 4 C 7/15 – juris Rn. 17). Das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben überschreitet solche Maße in Bezug zu seiner näheren und unmittelbaren Umgebung, beispielsweise das Werkstatt- und Seminargebäude südwestlich des Bauvorhabens auf Fl.-Nr. bb sowie das Wohnhaus nordöstlich des Bauvorhabens, nicht. Dies ergibt sich bereits aus den Genehmigungsunterlagen zum Bauvorhaben, beispielsweise aus dem Liegenschaftskataster mit eingezeichnetem Bauvorhaben (Bl. 3 der Bauakte), aus dem sich die Grundrisse des Bauvorhabens und der umgebenden Bebauung erkennen lassen. Auch der gerichtliche Augenschein hat keine Verhältnisse ergeben, die eine Überschreitung des durch die Umgebung vorgegebenen Rahmens durch das Bauvorhaben nahelegen. Damit lässt das Bauvorhaben auch die gebotene Rücksichtnahme auf die Bebauung der unmittelbaren Umgebung nicht fehlen. Auf die von den Klägern dargelegten Sicherheitsbedenken bezüglich der Grenzgarage kommt es insoweit nicht an.
Das Vorhaben ist auch nicht im Einzelfall nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzulässig. Denn das Vorhaben ist keinen unzumutbaren Belästigungen oder Störungen ausgesetzt. Denn das Werkstatt- und Seminargebäude auf dem Grundstück Fl.-Nr. bb wurde in dem faktischen Mischgebiet nach § 6 Abs. 1, 2 Nr. 4 BauNVO als sonstiger Gewerbebetrieb, der das Wohnen nicht wesentlich stört, genehmigt. Dort werden wenig lärmintensive Arbeiten ausgeführt, es sind keine Nachtarbeitszeiten gegeben und es finden keine Arbeiten im Freien statt. Bei lärmintensiven Arbeiten sind die Fenster geschlossen zu halten. Hiernach und auch auf Grundlage der Stellungnahme der Unteren Immissionsschutzbehörde vom 03.01.2019 ist mit keinen Lärmimmissionen zu rechnen, die den Grenzwert für ein Mischgebiet am geplanten Wohnhaus von tags 60 dB(A), also bis 22 Uhr, nach Nrn. 6.1 und 6.4 der nach § 48 des Bundesimmissionsschutzgesetzes – BImSchG – erlassenen Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm überschreiten.
Das Bauvorhaben verstößt auch nicht gegen das auch dem Schutz der Nachbarn dienende Abstandsflächenrecht (Art. 6 BayBO). Denn die streitgegenständliche Garage darf nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO mit ihrer südwestlichen Wand an der Grundstücksgrenze des Grundstücks Fl.-Nr. aaa/2 zum Grundstück Fl.-Nr. bb errichtet werden, da es sich um eine Garage ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten mit einer mittleren Wandhöhe von unter 3 m und einer Gesamtlänge an der von der Garage aus gesehen südwestlichen Grundstücksgrenze von ca. 7,27 m, also unter 9 m, handelt. Diesbezüglich hatte eine Abwägung durch den Beklagten unter Einstellung der Sicherheitsbedenken der Kläger nicht zu erfolgen. Denn es handelt sich bei der Genehmigung der Grenzgarage nicht um die Zulassung einer Abweichung von den gesetzlichen Regelungen des Abstandsflächenrechts nach Art. 63 Abs. 1 BayBO, sondern um eine gesetzlich vorgesehene Grenzbebauung.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 159 VwGO und bezüglich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu lassen, da diese keinen Antrag gestellt und damit selbst gemäß § 154 Abs. 3 VwGO kein Kostenrisiko übernommen haben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO.