Aktenzeichen Au 4 K 17.1798, Au 4 S 17.1800
Leitsatz
1 Eine Antragsbefugnis nach § 2 Abs. 1 UmwRG iVm § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG ergibt sich für eine anerkannte Naturschutzvereinigung nicht allein aus der Eigentümerposition des Antragstellers. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2 Von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG erfasst sind insbesondere auch die Errichtung und der Betrieb von technischen Anlagen, die nicht schon UVP-pflichtig sind. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3 Weder der Bebauungsplan noch § 30 BauGB stellen „umweltbezogene Vorschriften“ iSd § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG dar. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten der Verfahren zu einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III. Der Wert des Streitgegenstandes wird bis zu Verbindung für das Verfahren Au 4 S 17.1798 auf 7.500,00 EUR und im Verfahren Au 4 S 17.1800 auf ebenfalls 7.500,00 EUR festgesetzt, danach auf insgesamt 15.000,00 EUR.
Gründe
Die Anträge des Antragsteller auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klagen nach § 80 Abs. 5 VwGO bleiben erfolglos, denn sie erweisen sich insgesamt bereits als unzulässig. Es fehlt dem Antragsteller insoweit an der auch im Rahmen eines einstweiligen Verfahrens erforderlichen Antragsbefugnis, die der Klagebefugnis im Hauptsacheverfahren entspricht.
Eine Antragsbefugnis ergibt sich zunächst nicht aus einer Eigentümerposition des Antragstellers. Sie könnte sich allenfalls daraus ergeben, dass der Antragsteller eine anerkannte Naturschutzvereinigung ist.
Eine Antragsbefugnis des Antragstellers als anerkannte Naturschutzvereinigung ergibt sich aber zunächst nicht aus § 64 Abs. 1 Nr. 1 Bundesnaturschutzgesetz -BNatSchG. Danach kann eine anerkannte Naturschutzvereinigung ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen u.a. gegen Entscheidungen nach § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG. Die Vorschrift betrifft, soweit hier maßgeblich, die Erteilung von Befreiungen und Geboten zum Schutz von Naturschutzgebieten, was im vorliegenden Fall nicht gegeben ist. Es dürfte darüber hinaus zwischen den Beteiligten wohl unstreitig sein, dass der Antragsgegner keine der in § 64 BNatSchG genannten Entscheidungen nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 und Abs. 3 Nr. 5 bis 7 BNatSchG getroffen hat.
Auch ein Rechtsbehelf nach § 2 UmwRG kommt nicht in Betracht. Gemäß Abs. 1 der Vorschrift kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder deren Unterlassung einlegen, wenn weitere, nähere bezeichnete Voraussetzungen vorliegen.
Zwar enthält das Umweltrechtsbehelfsgesetzes i.d.F. vom 23. August 2017 erweiterte Klagerechte von Umweltschutzverbänden. Die frühere Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, wonach ein Verbandsklagerecht nur gegen Entscheidungen über die Zulässigkeit von solchen Vorhaben bestanden hat, die UVP-pflichtig waren, war völkerrechtswidrig. Dem trägt § 1 UmwRG 2017 Rechnung, in dem nicht mehr nur gegen UVP-pflichtige Vorhaben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG), sondern auch gegen sonstige Verwaltungsakte eine Verbandsklage eröffnet ist, durch die andere als die in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der EU zugelassen werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG). Von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG erfasst sind damit insbesondere auch die Errichtung und der Betrieb von technischen Anlagen, die nicht schon UVP-pflichtig sind; mitumfasst sind ferner Teilgenehmigungen und Vorbescheide.
Zur Konkretisierung des Begriffs „umweltbezogene Vorschriften“ wird auf den neuen § 1 Abs. 4 UmwRG verwiesen (vgl. BR-Drs 422/16). Danach sind umweltbezogene Rechtsvorschriften i.S.d. Gesetzes Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf
1. den Zustand von Umweltbestandteilen i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Umweltinformationsgesetzes oder
2. Faktoren i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 2 des Umweltinformationsgesetzes beziehen.
Hierunter fällt aber eine Baugenehmigung, die nach § 30 BauGB erteilt worden ist, nicht. Die Baugenehmigung ist aufgrund von § 30 BauGB erteilt worden und nicht aufgrund von § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB. Der Markt * hat für das betroffene Gebiet einen Bebauungsplan aufgestellt, so dass es sich gerade nicht um ein genehmigtes Außenbereichsvorhaben gehandelt hat. Weder der Bebauungsplan noch § 30 BauGB stellen aber „umweltbezogene Vorschriften“ i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG dar.
Eine Antragsbefugnis des Antragstellers gemäß § 11 Abs. 2 UmSchG i.V.m. § 2 Umweltrechtsbehelfsgesetz besteht ebenfalls nicht. Eine Entscheidung nach dem Umweltschadensgesetz ist derzeit noch nicht ergangen. Ob die Entscheidung zu Unrecht unterlassen wurde, ist nicht im Rahmen der vorliegenden Klage gegen die Baugenehmigung zu prüfen.
Dem Antragsteller steht auch keine Antragsbefugnis nach Art. 13 Abs. 2 VwVfG zu. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde von Amts wegen oder auf Antrag diejenigen, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, als Beteiligte hinzuziehen. Hat der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für einen Dritten, so ist dieser auf Antrag als Beteiligter zu dem Verfahren hinzuzuziehen. Art. 13 VwVfG enthält eine abschließende Aufzählung möglicher Beteiligter. Die Regelung beinhaltet nicht gleichsam einen Auffangtatbestand für diejenigen Fälle, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für spezialgesetzlich geregelte Beteiligungsrechte nicht vorliegen. Art. 13 VwVfG gewährt keine allgemeine Verbandsbeteiligung und Verbandsklage (Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, § 13 Rn. 11 ff.).
Ebenso wenig kann sich der Antragsteller zur Begründung einer Antragsbefugnis auf die sogenannte Adressatentheorie berufen. Danach kann der (unmittelbare) Adressat einer an ihn gerichteten besonderen belastenden Anordnung deren Kassation mit der Anfechtungsklage verfolgen. Hier sind die angefochtenen Verwaltungsakte an den Beigeladenen gerichtet und diesem gegenüber auch nicht belastend. Ein Klagerecht eines Dritten kommt in diesen Fällen nur bei möglicher Verletzung subjektiver eigener Rechte oder einer vom Gesetzgeber unabhängig von der Geltendmachung eigener Rechte eingeräumten Klage-/Antragsmöglichkeit in Betracht (zur Adressatentheorie vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, § 42 Rn. 69; VG Koblenz vom 16.6.2011 – 7 K 1132/10 – juris m.w.N.). Eine solche Regelung ist hier indes, wie ausgeführt, nicht einschlägig.
Da dem Antragsteller für die Klagen gegen die erteilten Baugenehmigungen keine Antragsbefugnis zusteht, waren die Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Hierbei entspricht es der Billigkeit, dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser durch Stellung eines Antrags ein Kostenrisiko eingegangen ist.
Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziffer II.1.2 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei das Gericht für das vorliegende Eilverfahren die Hälfte des dort vorgeschlagenen Hauptsachestreitwerts von mindestens 15.000,00 EUR zugrunde gelegt hat.