Aktenzeichen M 1 K 18.1847
BayBO Art. 71 S. 1
BauGB § 34, § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 5, Nr. 7
BGB § 242
Leitsatz
1. Für einen Bebauungszusammenhang i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist es im Regelfall erforderlich, dass der Vorhabenstandort mindestens auf drei Seiten von Bebauung umgeben ist.(Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Merkmal des Dienens in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist zu verneinen, wenn das Vorhaben zwar nach seinem Verwendungszweck gerechtfertigt ist, nach seiner Gestaltung, Beschaffenheit oder Ausstattung aber nicht durch diesen Verwendungszweck geprägt wird. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nicht die Bezeichnung des genehmigten Vorhabens, sondern die Zweckbestimmung eines Wohngebäudes ist ausschlaggebend dafür, ob ein Betriebsleiterwohnhaus vorliegt oder nicht. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft kommt bei baulichen Außenbereichsanlagen nur dann nicht in Betracht, wenn sich das betroffene Baugrundstück wegen seiner natürlichen Beschaffenheit weder für die naturgegebene Bodennutzung noch für Erholungszwecke eignet oder es seine Schutzwürdigkeit durch bereits erfolgte anderweitige Eingriffe eingebüßt hat. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Die zulässigen Klagen haben in der Sache keinen Erfolg.
Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung des beantragten Vorbescheids. Der Ablehnungsbescheid vom 10. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Nach Art. 71 Satz 1 BayBO kann vor Einreichung eines Bauantrags auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen in der Baugenehmigung zu entscheidenden Fragen vorweg ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erteilt werden.
Vorliegend begehrten die Kläger zunächst einen Vorbescheid zu der Frage, ob das Vorhaben bauplanungs- und bauordnungsrechtlich zulässig sei (1.) und ob eine Baugenehmigung außerhalb einer Privilegierung erfolgen könne, da es bereits Anfragen für einen Bebauungsplan in diesem Areal gäbe (2.). Zudem wurde gebeten das Vorhaben als privilegiert zu behandeln, falls man Frage 2 verneine (3.). In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger klargestellt, dass mit dem Vorbescheid nur die städtebauliche Zulässigkeit abgefragt werden sollte. Damit stellen sie die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit ihres Vorhabens zur Entscheidung.
Das Vorhaben der Kläger ist bauplanungsrechtlich unzulässig. Der von den Klägern zur Bebauung vorgesehene Teil des Grundstücks FlNr. 1970/19 ist nach dem vom Gericht durchgeführten Augenschein dem Außenbereich (§ 35 BauGB) zuzuordnen und dort als sonstiges Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB) wegen der Beeinträchtigung öffentlicher Belange (§ 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB) unzulässig.
a) Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach § 35 BauGB und nicht nach den §§ 30, 34 BauGB. Das Vorhaben liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Mangels Bebauungszusammenhang i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist er auch nicht dem Innenbereich zuzuordnen.
Erforderlich für die Annahme eines Bebauungszusammenhangs i.S.d § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist eine tatsächlich aufeinanderfolgende, eben zusammenhängende Bebauung (vgl. BVerwG, U.v. 6.11.1968 – 4 C 2.66 – juris Rn. 17). Bestandteil dieses Zusammenhangs können auch Freiflächen sein, wenn sie selbst am Eindruck der Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit teilnehmen (Baulücke). Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um noch als zusammenhängende Bebauung zu erscheinen, kann dabei nicht nach geographisch-mathematischen Grundsätzen bestimmt werden, sondern bedarf einer umfassenden Bewertung des konkreten Sachverhalts (vgl. BVerwG, U.v. 6.11.1968 – 4 C 2.66 – juris Rn. 17; U.v. 16.9.2010 – 4 C 7.10 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 16.6.2015 – 1 B 14.2772 – juris Rn. 17). Der Bebauungszusammenhang endet jedoch – unabhängig von Grundstücksgrenzen – grundsätzlich mit dem letzten Baukörper, sofern keine topographischen Besonderheiten im Einzelfall eine andere Bewertung rechtfertigen (vgl. u.a. BVerwG, U.v. 17.1.2005 – 4 B 3.05 – juris Rn. 7). Im Regelfall ist erforderlich, dass der Vorhabenstandort mindestens auf drei Seiten von Bebauung umgeben ist. Maßgeblich für den Bebauungszusammenhang ist nur die tatsächlich vorhandene maßstabsbildende Bebauung, was voraussetzt, dass die baulichen Anlagen zum einen optisch wahrnehmbar und zum anderen nach Art und Gewicht geeignet sein müssen, um ein Gebiet als Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2000 – 4 B 15.00 – juris Rn. 3). Erfasst werden daher in der Regel nur Gebäude, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen, wohingegen Anlagen, die nur vorübergehend von Menschen genutzt werden oder im weiteren Sinn „Nebenanlagen“ zu einer landwirtschaftlichen, (klein-)gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung sind, typischerweise keine maßstabsbildende Bebauung darstellen (vgl. BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 13; U.v. 30.6.2015 – 4 C 5.14 – juris Rn. 15; U.v. 17.2.1984 – 4 C 55.81 – juris Rn. 12).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die Kammer nach dem durchgeführten Augenschein zu der Überzeugung gekommen, dass der zur Bebauung vorgesehene Teil des Grundstücks FlNr. 1970/19 dem Außenbereich zuzuordnen ist. Die örtlichen Verhältnisse lassen nicht den Schluss zu, dass der Teil des Grundstücks, auf dem das Vorhaben verwirklicht werden soll, am Bebauungszusammenhang teilnimmt. Das Vorhabengrundstück liegt nördlich des T.-Wegs und erstreckt sich von allen dortigen Grundstücken am weitesten nach Norden. Die Wohnbebauung nördlich des T.-Wegs erfolgt mit Ausnahme des unmittelbar östlich angrenzenden Grundstücks durchgehend zweireihig. Der Vorhabenstandort liegt jenseits dieser vorhandenen zweireihigen Bebauung. An ihn schließen sich nach Norden und Westen eine unbebaute Ackerfläche mit einer Größe von ca. 47.000 Quadratmetern an. Die Entfernung zum nächsten Wohngebäude beträgt vom Vorhabenstandort in Richtung Norden ca. 130 Meter, in Richtung Westen findet sich bis zur ca. 275 Meter entfernten R.-Straße keine Bebauung. Das Vorhaben weist somit auf zwei Seiten keinen räumlichen Bezug zu einer angrenzenden Wohnbebauung auf. Das Vorhaben wäre im Fall der Umsetzung das nördlichste dem T.-Weg zugeordnete Wohngebäude. Es läge sogar nördlicher als die unmittelbar östlich angrenzende Wohnbebauung auf dem Grundstück FlNr. 1970/44. Die etwa 50 Meter entfernte Wohnbebauung im Süden und Osten mag zwar einen Bebauungszusammenhang vermitteln. Wegen der Lage direkt an der nördlich und westlich angrenzenden Ackerfläche wirkt das Vorhaben jedoch der unbebauten Freifläche und nicht der nach Süden und Osten angrenzenden Bebauung zugehörig. Die an den Vorhabenstandort unmittelbar angrenzenden Gebäude stellen im Übrigen landwirtschaftliche Nebengebäude dar, denen keine maßstabsbildende Funktion zugewiesen werden kann. Aus Sicht der Kammer endet der Bebauungszusammenhang daher an der östlichen Hauswand der Wohngebäude auf dem Grundstück FlNr. 1970/44 sowie an der nördlichen Hauswand der bestehenden Wohngebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück. Besondere topographische Besonderheiten, die dazu führen, dass der Bebauungszusammenhang nicht unmittelbar hinter dem letzten Baukörper des maßgeblichen Gebäudekomplexes endet, liegen nicht vor. Insbesondere kann die nach Norden angrenzende Ackerfläche nicht als topographische Besonderheit herangezogen werden. Dafür spricht zunächst die Tatsache, dass die Ackerfläche ohne jeglichen Geländesprung an das Vorhabengrundstück anschließt. Zum anderen wäre aber auch die ständige Rechtsprechung (vgl. u.a. BVerwG, U.v. 3.3.1972 – 4 C 4.69 – BauR 1972, 225; U.v. 6.11.1968 – 4 C 47.68 – BBauBl 1969, 289 BVerwG, U.v. 21.1.1972 – IV C 49.69, BayVGH, B.v. 9.8.2018 – 15 CS 18.1285 – juris Rn. 28), wonach es auf Grundstücksgrenzen bei der Beurteilung des Bebauungszusammenhangs nicht ankommt, konterkariert, wenn man das gesamte Vorhabengrundstück wegen einer angrenzenden Ackerfläche noch als im Zusammenhang bebaut ansähe. Gerade an Ortsrandlagen grenzt häufig eine Ackerfläche an. Es handelt sich daher nicht um einen atypischen Fall, der es rechtfertigt, den Bebauungszusammenhang ausnahmsweise über die letzte maßstabsbildende (Wohn-)Bebauung hinaus erst am Beginn der Ackerfläche enden zu lassen.
b) Das Vorhaben dient nicht dem landwirtschaftlichen Betrieb und ist daher nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert. Als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigt es öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB.
aa) Bei dem Vorhaben der Kläger handelt es sich nicht um ein dem landwirtschaftlichen Betrieb dienendes Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB.
Ein Vorhaben im bauplanungsrechtlichen Außenbereich ist nicht allein deshalb i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert, weil der Bauherr im Haupt- (oder ggf. auch Neben-)beruf Landwirt ist (vgl. BVerwG, B.v. 21.6.1996 – 4 B 89.96 – juris Rn. 9). Es „dient“ nur dann einem landwirtschaftlichen Betrieb, wenn ein „vernünftiger“ Landwirt unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs ein Vorhaben mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde (vgl. BVerwG, B.v. 19.7.1994 – 4 B 147.94 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 12.8.2016 – 15 ZB 15.696 – juris Rn. 12). Bei der Auslegung des Merkmals „dienen“ ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt. Es reicht deshalb nicht aus, dass ein Vorhaben nach den Vorstellungen des Landwirts für seinen Betrieb förderlich ist. Andererseits kann nicht verlangt werden, dass das Vorhaben für den Betrieb schlechthin unentbehrlich ist. Die bloße Förderlichkeit einerseits und die Unentbehrlichkeit andererseits bilden den äußeren Rahmen für das Merkmal des Dienens. Das Bauvorhaben muss zudem durch die Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt und nach seinen Dimensionen auf die betrieblichen Bedürfnisse abgestimmt sein. Das Merkmal des Dienens ist zu verneinen, wenn das Vorhaben zwar nach seinem Verwendungszweck gerechtfertigt ist, nach seiner Gestaltung, Beschaffenheit oder Ausstattung aber nicht durch diesen Verwendungszweck geprägt wird. Der eigentliche Zweck des Erfordernisses des „Dienens“ liegt darin, Missbrauchsversuchen begegnen zu können. Nicht der behauptete Zweck des Vorhabens, sondern seine wirkliche Funktion ist entscheidend. Es sollen Vorhaben verhindert werden, die zwar an sich objektiv geeignet wären, einem privilegierten Betrieb zu dienen, mit denen aber in Wirklichkeit andere Zwecke verfolgt werden. Handelt es sich um ein Wohngebäude, so ist vor allem auch auf das sich aus den spezifischen Abläufen eines landwirtschaftlichen Betriebs ergebende Erfordernis einer ständigen Anwesenheit und Bereitschaft auf der Hofstelle abzustellen (vgl. BayVGH, U.v. 30.11.2006 – 1 B 03.481 -NVwZ-RR 2007, 664).
Daran gemessen ist das geplante Vorhaben für den landwirtschaftlichen Betrieb der Kläger im rechtlichen Sinn nicht erforderlich. Zwar gehören Wohngebäude, die einen auf die betrieblichen Belange ausgerichtete, dienende Funktion aufweisen und dem angemessenen Wohnraum des Betriebsinhabers und dessen Familie dienen, sowie Austragshäuser, deren Hauptzweck es ist, dem früheren Betriebsinhaber und dessen Familie als Wohnung zu dienen (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg /Krautzberger, BauGB, 135. EL September 2019, § 35 Rn. 39 ff.) grundsätzlich zu den nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierten Vorhaben. Bei einem Nebenerwerbsbetrieb bedarf es jedoch einer besonderen Prüfung, ob das Wohnhaus dem Betrieb i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient; denn es gibt Formen von Nebenerwerbsbetrieben, bei denen nicht angenommen werden kann, dass sie zu einer planmäßigen und betriebswirtschaftlich sinnvollen Betriebsführung ein Wohnhaus gerade im Außenbereich benötigen. Im Vordergrund darf nicht der Zweck stehen, im Außenbereich zu wohnen, sondern der sich aus den spezifischen Abläufen eines landwirtschaftlichen Betriebs ergebende Zweck ständiger Anwesenheit und Bereitschaft auf der Hofstelle. Entscheidend ist damit für die Frage, ob ein Wohnbauvorhaben dem landwirtschaftlichen Betrieb eines Nebenerwerbslandwirts i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient, ob der Betrieb die ständige Anwesenheit der Inhaber auf dem Betriebsgelände erfordert (vgl. BVerwG, B.v. 23.12.1983 – 4 B 175/83 – UPR 1984, 163; BayVGH, U.v. 11.7.1996 – 2 B 94.3480 – AgrarR 1997, 87). Die Notwendigkeit einer ständigen Anwesenheit kann sich in bestimmten Fällen aus einer Tierhaltung des Nebenerwerbslandwirts ergeben (vgl. BayVGH, U.v. 28.8.2012 – 15 B 12.623 – juris Rn. 20; U.v. 20.7.2005 – 2 BV 04.1088 – juris Rn. 17). Die Kläger halten auf der Hofstelle jedoch lediglich Hühner und Schafe in geringer Zahl. Im Übrigen wird von den Klägern neben Getreide- und Maisanbau Grünfläche bewirtschaftet. Zwar hat das zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in seiner Stellungnahme vom 26. Mai 2017 einen Bedarf für ein Betriebsleiterwohnhaus sowie ein Austragshaus festgestellt. Die Stellungnahme erfolgte jedoch ohne nähere Begründung und ohne auf die konkreten Betriebsabläufe einzugehen. Hierzu führte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der mündlichen Verhandlung aus, dass für die Bewirtschaftung der Ackerflächen höchstens 500 Arbeitsstunden pro Jahr anfallen und eine Anwesenheit auf der Hofstelle bei dem Betriebszuschnitt der Kläger und hinsichtlich der Betriebsabläufe nicht erforderlich sei. Diese Auffassung teilt das Gericht und geht bereits deshalb nicht von einem „Dienen“ des Vorhabens i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB aus. Die Kläger haben auch in der mündlichen Verhandlung nicht darlegen können, wieso die Betriebsabläufe die ständige Anwesenheit auf der Hofstelle erfordern. Vielmehr belegt die gegenwärtige Bewirtschaftung der Hofstelle durch die nicht dort wohnhaften Kläger, dass die Bewirtschaftung auch von einem Wohngebäude in geschlossener Ortslage aus betrieben werden kann. Dass damit ernsthafte oder ins Gewicht fallende betriebliche Einschränkungen verbunden wären, ist von den Klägern weder vorgetragen worden noch hier ersichtlich.
Zudem steht den Klägern mit den vorhandenen, in den Jahren 1955 und 1982 genehmigten und errichteten Wohngebäuden ausreichend Wohnraum zur Verfügung, um generationsübergreifend den Fortbestand des Betriebs zu sichern. Ohne Erfolg berufen sich die Kläger in diesem Zusammenhang darauf, dass die Vorhaben damals lediglich als Wohngebäude genehmigt wurden und bisher weder ein Betriebsleiterwohnhaus noch ein Austragshaus auf dem Grundstück FlNr. 1970/19 vorhanden sei. Entscheidend für die Bestimmung der Privilegierung i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist nicht, ob die vorhandenen Vorhaben als Betriebsleiterwohnhaus oder Austragshaus genehmigt wurden, sondern ob das Wohngebäude eine auf die betrieblichen Belange ausgerichtete dienende (Hilfs-)Funktion ausübt. Mit anderen Worten: Nicht die Bezeichnung des genehmigten Vorhabens, sondern die Zweckbestimmung eines Wohngebäudes ist ausschlaggebend dafür, ob ein Betriebsleiterwohnhaus vorliegt oder nicht (vgl. BayVGH, B.v. 18.1.1993 – 14 CS 92.3869 – juris Rn. 25; VG München, U.v. 15.5.2008 – M 11 K 07.5781 – juris Rn. 44; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 135. EL September 2019, § 35 Rn. 39). Diese Zweckbestimmung kann ein Betriebsleiterwohnhaus auch dann erfüllen, wenn es im Innenbereich errichtet wird (vgl. BVerwG, U.v. 22.11.1985 – 4 C 71.82 – BauR 1986, 189; VG Dessau, U.v. 29.5.2002 – 1 A 326.00 – LKV 2003, 196). Letzteres zeigt sich auch anhand der Regelung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO. Danach sind in einem Dorfgebiet – und damit im Innenbereich – neben Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und die dazu gehörigen Wohnungen und Wohngebäude zulässig, wozu auch Wohnungen und Wohngebäude für Betriebsleiter zählen (vgl. Arnold in Bönker/Bischopink, BauNVO. 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 34). Betriebsleiterwohnhäuser und Austragshäuser sind somit nicht zwingend im Außenbereich zu errichten. Des Weiteren handelt es sich bei den Begriffen „Betriebsleiterwohnhaus“ und „Austragshaus“ um Nutzungen, die der Wohnnutzung zugeordnet werden und unbeschadet ihrer besonderen Zweckbestimmung unter den Oberbegriff Wohnhäuser fallen (vgl. BayVGH, B.v. 18.1.1993 – 14 CS 92.3869 – juris Rn. 25; B.v. 14.1.1991 – 14 CS 90.3166 – BayVBl 1991, 275). Beide Begriffe werden weder im BauGB noch in der BauNVO als eigene Kategorie aufgeführt, sondern haben sich vielmehr in der Praxis entwickelt, um eine spezielle Art von Wohngebäuden zu umschreiben, nämlich die, die dem aktuellen oder ehemaligen Betriebsleiter zum Wohnen dienen. Auch unter diesem Aspekt erscheint es daher ausreichend, wenn die Bauaufsichtsbehörde die Vorhaben als Wohngebäude genehmigt. Im vorliegenden Fall besteht darüber hinaus die Besonderheit, dass Teile der Hofstelle noch zum Innenbereich i.S.v. § 34 BauGB zu zählen sind. Die damals genehmigten Wohngebäude sind daher offenbar bereits deshalb für bauplanungsrechtlich zulässig erachtet worden, weil sie sich gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die nähere Umgebung einfügten. Da in einem solchen Fall das Vorhaben bereits unabhängig der besonderen Zweckbestimmung zulässig ist, musste das Landratsamt damals keine weitergehende Aussage zur Privilegierung des Vorhabens gem. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB treffen. Somit sind auf dem Grundstück FlNr. 1970/19 trotz der Genehmigung der Vorhaben als Wohngebäude bereits ein (faktisches) Betriebsleiterwohnhaus sowie ein (faktisches) Austragshaus vorhanden.
Auch der Einwand der Kläger, dass derzeit kein Wohnraum für sie auf der Hofstelle vorhanden sei, verfängt nicht, weil der Kläger zu 1) mit dem Hofübergabevertrag vom … Oktober 2017 diesen Umstand letztlich selbst verursacht hat und mit der Einräumung eines Wohnrechts für seine Schwester einen Teil des auf der Hofstelle vorhandenen Wohnraum dem Betrieb entzogen hat. Auch im Verwaltungsrecht gilt entsprechend § 242 BGB der Grundsatz von Treu und Glauben, der auch das Verbot widersprüchlichen Verhaltens umfasst (vgl. BVerwG, B.v. 1.4.2004 – 4 B 17.04 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 16.11.2009 – 2 ZB 08.2389 – juris Rn. 11). Der Kläger zu 1) hat im Hofübernahmevertrag u.a. für den Erwerb des Vorhabengrundstücks vereinbart, dass zugunsten seiner Eltern als ehemalige Betriebsleiter und seiner Schwester ein Wohnungs- und Mitbenützungsrecht an dem Wohngebäude Hausnummer 6a im Grundbuch eingetragen wird. Weiter wurde vereinbart, dass der Kläger zu 1) die zulasten seines Vaters eingetragenen Belastungen (Leibgeding und Reallast) für seine Großeltern übernimmt und die Großeltern weiter im Gebäude Hausnummer 6 wohnen. Im Ergebnis hat der Kläger zu 1) also die Hofübergabe ohne einen für ihn selbst vorgesehenen Wohnraum vereinbart. Zum Zeitpunkt des Hofübergabevertrages hatten die Kläger bereits Kenntnis von der beabsichtigten Ablehnung des Vorbescheids. Trotzdem schloss der Kläger zu 1) später am … Oktober 2017 den Hofübernahmevertrag mit dem entsprechenden Inhalt ab. Ein vernünftiger, auf die Schonung des Außenbereichs bedachter Landwirt hätte die Hofnachfolge in Kenntnis der drohenden Ablehnung des Vorbescheides nicht so geregelt, dass für ihn selbst gerade als Betriebsleiter kein Wohnraum am Hof vorgesehen ist. Insbesondere wäre nicht Wohnraum dem Betrieb dadurch zu entziehen gewesen, dass am Betrieb Unbeteiligte, nämlich der Schwester des Klägers zu 1), ein Wohnungs- und Mitbenützungsrecht eingeräumt wird. Auch wenn die Gründe hierfür im konkreten Fall menschlich nachvollziehbar und verständlich sind, wurde damit Wohnraum auf der Hofstelle „entwidmet“. Es ist daher widersprüchlich, wenn die Kläger auf der einen Seite einen Vorbescheid für ein Wohnhaus für einen landwirtschaftlichen Betrieb beantragen, auf der anderen Seite jedoch im Hofübernahmevertrag Wohnraum für einen am Betrieb nicht Beteiligten eingeräumt wird. Entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB können sich die Kläger daher nicht auf den durch sie selbst hervorgerufenen Bedarf an Wohnraum berufen.
Des Weiteren würde ein vernünftiger Landwirt unter Beachtung des Gebots der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs das Wohngebäude angesichts des vorhandenen Wohngebäudes Hausnummer 6 nicht jetzt an der entsprechenden Stelle errichten. Das Wohngebäude Hausnummer 6 wird zurzeit von den Großeltern, die 90 und 92 Jahre sind, bewohnt. Zumindest mittelfristig kann ohne Versiegelung weiterer Flächen an dieser Stelle Wohnraum geschaffen werden. In einem solchen Fall würde ein vernünftiger Landwirt andere Schritte unternehmen, um für sich und seine Familie – gegebenenfalls vorübergehend – Wohnraum schaffen, so wie es im Übrigen von den Klägern auch derzeit praktiziert wird. Denn mit Errichtung des Vorhabens würde an der Hofstelle dauerhaft ein drittes Wohngebäude entstehen, was selbst bei der für Nebenerwerbslandwirte (großzügigen) Annahme eines privilegierten Wohnraumbedarfs für ein Betriebsleiterwohnhaus und ein Austragshaus nicht erforderlich wäre.
Ferner haben die Kläger – ohne das es nach dem oben Gesagten noch darauf ankäme – keinerlei Wirtschaftlichkeitsberechnung vorgelegt, aus der sich ergibt, in welchem Verhältnis die geplanten Investitionen von mindestens 300.000 € für die Errichtung des Wohnbauvorhabens zu den Erträgen aus dem landwirtschaftlichen Nebenerwerb stehen. Folglich kann die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens hier nicht beurteilt werden.
bb) Das Vorhaben ist somit als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB anzusehen und als solches bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es öffentliche Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 und Nr. 7 BauGB beeinträchtigt.
(1) Das Vorhaben beeinträchtigt als eine dem Außenbereich wesensfremde, nicht privilegierte Wohnnutzung die natürliche Eigenart der Landschaft, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB.
Der Belang des Schutzes der natürlichen Eigenart der Landschaft verfolgt den Zweck, den Außenbereich mit seiner naturgegebenen Bodennutzung für die Allgemeinheit zu erhalten. Die Landschaft soll in ihrer natürlichen Funktion und Eigenart bewahrt bleiben. Der Belang wird schon dann beeinträchtigt, wenn durch das Vorhaben die Fläche der naturgegebenen Bodennutzung entzogen wird. Außenbereichsvorhaben mit anderer als land- oder forstwirtschaftlicher Bestimmung sind deshalb im Regelfall unzulässig. Eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft kommt bei baulichen Außenbereichsanlagen nur dann nicht in Betracht, wenn sich das betroffene Baugrundstück wegen seiner natürlichen Beschaffenheit weder für die naturgegebene Bodennutzung noch für Erholungszwecke eignet oder es seine Schutzwürdigkeit durch bereits erfolgte anderweitige Eingriffe eingebüßt hat (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.1996 – 4 B 120.96 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 18.2.2019 – 15 ZB 18.2509 – juris Rn. 10). Durch das Vorhaben wird die vorhandene Freifläche der naturgemäßen Bodennutzung entzogen. Der Vorhabenstandort grenzt direkt an eine ca. 47.000 Quadratmeter große Ackerfläche an. Der unbebaute nordwestliche Teil des Grundstücks FlNr. 1970/19 eignet sich für die naturgegebene Bodennutzung. Durch eine Bebauung würde diese Fläche der naturgegebenen Bodennutzung entzogen.
(2) Die Zulassung des Vorhabens ließe zudem die Entstehung einer Splittersiedlung i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten.
Zielrichtung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB ist es, die Entwicklung unorganischer Siedlungsstrukturen und damit die Zersiedelung des Außenbereichs zu verhindern (vgl. BayVGH, U.v. 31.10.2013 – 1 B 13.794 – juris Rn. 17; B.v. 24.4.2017 – 15 ZB 16.1598 – juris Rn. 12). Zu befürchten ist die Entstehung, Erweiterung oder Verfestigung einer Splittersiedlung nur dann, wenn das Vorhaben zu einer unerwünschten Splittersiedlung führt; unerwünscht in diesem Sinne ist eine Splittersiedlung, wenn mit ihr ein Vorgang der Zersiedlung eingeleitet oder gar schon vollzogen wird. Hierfür reicht es aus, dass bei einer Zulassung des Vorhabens weitere ähnliche Vorhaben in der Splittersiedlung nicht verhindert werden könnten und dadurch der Außenbereich zersiedelt würde. Auch eine Ausweitung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils in den Außenbereich hinein ist ein Vorgang der städtebaulich unerwünschten, unorganischen Siedlungsweise, die zu vermeiden ein öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 2 und 3 BauGB ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.10.1999 – 4 B 77.99 – juris Rn. 6). Eine Ausweitung der Bebauung außerhalb des jeweiligen im Zusammenhang bebauten Ortsteils in den Außenbereich hinein soll daher planungsrechtlich auch unter dem Gesichtspunkt der Verhinderung einer Zersiedelung grundsätzlich nur auf der Grundlage eines Bebauungsplans bzw. ggf. einer Satzung nach § 34 Abs. 4 BauGB erfolgen (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2017 – 15 ZB 16.1567 – juris Rn. 39 m.w.N.).
Dem Vorhaben der Kläger käme im Falle seiner Umsetzung Bezugsfallwirkung für mögliche weitere Vorhaben zur Ausweitung des Außenbereichs nach Norden zu. Wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung mitteilte, hat das Landratsamt ein ähnliches Wohnbauvorhaben auf dem westlich angrenzenden Grundstück FlNr. 1970/153 erst vor kurzem abgelehnt. Es besteht daher gerade hinsichtlich der westlich des Vorhabens gelegenen Grundstücke die konkrete Gefahr von Nachahmungsbebauungen, die ebenso wie das geplante Vorhaben der Kläger das Gebot unterlaufen würden, die städtebauliche Entwicklung im bislang unbebauten Außenbereich durch Bebauungspläne zu ordnen und zu lenken. An den städtebaulichen Bedenken ändert nicht, dass der Flächennutzungsplan der Gemeinde … für die Freifläche nördlich des T.-Wegs bereits eine Fläche für Wohnbebauung dargestellt. Ein gemeindlicher Flächennutzungsplan kann nämlich allein und ohne eine auf ihm aufbauende verbindliche Bauleitplanung eine geordnete, „organische“ städtebauliche Entwicklung im (bisherigen) Außenbereich nicht gewährleisten (vgl. Spieß in Jäde/Dirnberger, BauGB, 8. Auflage 2017, § 35 Rn. 236). Die Tatsache, dass für das Areal ein Bebauungsplan im Raum steht, zeigt, dass auch die Gemeinde eine weitergehende Bebauung nur im Rahmen eines verbindlichen Bauleitplans, nicht aber über §§ 34, 35 BauGB anstrebt. Von daher ist die Ausdehnung der Wohnbebauung nach Norden ohne einen rechtsverbindlichen Bebauungsplan unerwünscht und die Gefahr einer Zersiedlung hinreichend konkret zu befürchten.
2. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die sofortige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.