Aktenzeichen 1 NE 20.493, 1 NE 20.618, 1 NE 20.891
Leitsatz
1. Lassen sich die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Werden Emissionskontingente unter Verzicht auf eine baugebietsübergreifende Gliederung im Zuge einer internen Gliederung des Baugebietes festgesetzt, muss es entweder ein Teilgebiet ohne Emissionsbeschränkung geben oder ein Teilgebiet, das mit Emissionskontingenten belegt ist, die jeden in einem Gewebegebiet zulässigen Betrieb ermöglichen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Verfahren 1 NE 20.493, 1 NE 20.618 und 1 NE 20.891 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Der Vollzug des am 25. April 2019 bekannt gemachten Bebauungs- und Grünordnungsplans Nr. … „Gewerbegebiet südlich des S* …er Kanals“ wird vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug gesetzt.
III. Die Anträge der Antragsteller zu 2 und 5 werden als unzulässig abgelehnt.
IV. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene zu je 3/10, die Antragsteller zu 2 und 5 tragen je 2/10 der Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
V. Der Streitwert wird auf 25.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller aller drei Verfahren wenden sich als Eigentümer bzw. Sondereigentümer benachbarter Wohngrundstücke gegen den am 25. April 2019 bekannt gemachten Bebauungs- und Grünordnungsplan der Antragsgegnerin Nr. … „Gewerbegebiet südlich des S* …er Kanals“.
Das verfahrensgegenständliche Bebauungsplangebiet südlich der S* H1. Straße ist bereits im vorhandenen Bestand mit ehemals gewerblich genutzten baulichen Anlagen bebaut. Gegenwärtig findet nur noch eine gewerbliche Nutzung durch ein Filmstudio auf Teilflächen statt. Der Bebauungsplan setzt ein rd. 8,5 ha großes Gewerbegebiet fest. Die Ein- und Ausfahrt in bzw. aus dem Gewerbegebiet soll über eine neu herzustellende Kreuzung mit Lichtsignalanlage im Bereich der S* H1. Straße erfolgen. Zudem soll die S* H1. Straße im Kreuzungsbereich durch die Anlegung von Abbiegespuren baulich verändert werden. Der Bebauungsplan regelt das Maß der baulichen Nutzung und bestimmt für seinen Geltungsbereich eine einheitliche Grundflächenzahl von 0,8 und eine einheitliche Geschossflächenzahl von 2,4. Die maximal zulässige Wandhöhe wird zwischen 12 m und 17,5 m bestimmt. Laut der auf Art. 81 BayBO i.V.m. mit § 9 Abs. 4 BauGB gestützten gestalterischen Festsetzung findet sich eine Regelung zur Dachform (Flachdach). Neben einer öffentlichen Verkehrsfläche als zentrale verkehrliche Erschließungsfläche werden notwendige Maßnahmen der Grünordnung festgesetzt. Das Gewerbegebiet ist hinsichtlich der maximal zulässigen Geräuschemissionen gegliedert.
Die Antragsteller zu 1 (1 NE 20.493), 2 (1 NE 20.618) und 5 (1 NE 20.891) sind Eigentümer benachbarter Wohngrundstücke außerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans. Die Grundstücke des Antragstellers zu 1 FlNr. … … und …, jeweils Gemarkung E* …, mit der postalischen Adresse S* H1. Straße … und C* H2.-Weg * befinden sich nördlich der S* H1. Straße. Die Grundstücke liegen innerhalb des Umgriffs des im Jahre 1978 in Kraft getretenen Bebauungplans der Antragsgegnerin Nr. … „An der D* H1. Straße“, für das ein allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO festgesetzt ist. Die Grundstücke der Antragsteller zu 2 (1 NE 20.618) und 5 (1 NE 20.891) mit der FlNr. … und …, jeweils Gemarkung D* …, haben die postalische Adresse A* H2.-Straße … a bzw. … Die Antragsteller zu 3 und 4 (1 NE 20.618) sind Sondereigentümer jeweils einer Wohnung im Wohngebäude A* H2.-Straße * auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung D* … Die Wohngebäude A* H2.-Straße befinden sich westlich angrenzend an das Bebauungsplangebiet an der bisherigen Zufahrt zum Gewerbegebiet.
Mit ihren am 9. September 2019, am 11. Juli 2019 bzw. am 22. April 2020 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Normenkontrollanträgen machen die Antragsteller im Wesentlichen geltend, dass es an einer Rechtsgrundlage für die Festlegung von Emissionskontingenten nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO fehle, da der Bebauungsplan für jedes Teilgebiet eine Emissionsbeschränkung festsetze, aber keines der festgesetzten Teilgebiete gewährleiste, dass sich Gewerbebetriebe aller Art – außer den in der textlichen Festsetzung C.1 (1) ausgeschlossenen Betrieben – ansiedeln könnten. Zudem fehle es an einer wirksamen Festsetzung zur Höhe der baulichen Anlagen, da es an bestimmten oder bestimmbaren oberen und unteren Bezugspunkten fehle (§ 18 Abs. 1 BauNVO). Unter Berücksichtigung der Höhenentwicklung und der festgesetzten Grund- und Geschossflächenzahl sei die Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung unzulässig, da eine umsetzbare Baumasse zulässig sei, die mit den Vorgaben des § 17 Abs. 1 BauNVO nicht in Einklang zu bringen sei. Unklar bzw. unbestimmt seien auch die Festsetzungen der „Knödellinie“ zur Abgrenzung unterschiedlicher Nutzung nach Art und Maß der Nutzung im Hinblick auf die Teilgebiete GE 3 und GE 5, der Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen ausweislich der textlichen Festsetzung C.1 (3) sowie die textliche Festsetzung C.2 (2) zur Regelung der zulässigen Grundflächen von „ebenerdigen Stellplätzen“. Soweit der Bebauungsplan Tiefgaragen-, Kfz- und Fahrradstellplätze als Gemeinschaftsanlagen festsetzen wolle (textliche Festsetzung C.5), fehle es an der zwingenden Festsetzung einer funktionalen Zuordnung zu einer bestimmten baulichen Anlage. Der Bebauungsplan leide zudem an erheblichen Ermittlungs- und Abwägungsmängeln. Der Antragsgegner habe den Anforderungen der Grundsätze des gestuften Systems des Verkehrslärmschutzes nicht Rechnung getragen, insbesondere im Hinblick auf den Verzicht auf aktiven Lärmschutz im Bereich der Wohnanwesen des Antragstellers zu 1. Die Prognose der vom Bebauungsplan verursachten Verkehrsgeräuschemissionen des Büros S* … & Partner vom 1. Februar 2017, die die wesentliche Grundlage für die Untersuchung gewesen sei, sei fehlerhaft. Auch die Prognose des Büros I* … zur Leistungsfähigkeit der S* H1. Straße sei wenig überzeugend. Im Bereich der Einmündung der Plan straße bestehe keine hinreichende Verkehrskapazität, die Vorbelastung führe zu Rückstaueffekten bis zur A* H2.-Straße. Schließlich habe der Antragsgegner für die Wohngrundstücke zu Unrecht einen verminderten Schutzanspruch aufgrund der Lage am Rande eines Außenbereichs bzw. einer gewerblichen Vorbelastung begründet. Der Ermittlungs- und Abwägungsfehler im Hinblick auf die planbedingte Steigerung des Verkehrs auf der S* H1. Straße setze sich im Zusammenhang mit der prognostizierten Belastung durch Luftschadstoffe fort. Auch der Belang des Grundwassers sei nur unvollkommen berücksichtigt worden.
Mit ihren am 9. März 2020 (1 NE 20.493), am 23. März 2020 (1 NE 20.618) und am 22. April 2020 (1 NE 20.891) beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Schriftsätzen beantragten die Antragsteller jeweils,
den Bebauungs- und Grünordnungsplan der Antragsgegnerin Nr. … „Gewerbegebiet südlich des S* …er Kanals“ bis zur Entscheidung über die Normenkontrollanträge außer Vollzug zu setzen.
Die Antragsbefugnis liege jeweils vor, da die Antragsgegnerin bei der Aufstellung des Bebauungsplans auch die Eigentümerinteressen der Antragsteller zu berücksichtigen gehabt habe, da diese von den Auswirkungen der Bauleitplanung unmittelbar und abwägungsrechtlich betroffen seien. Die neu herzustellende Kreuzung liege rd. 30 m südwestlich der Wohnanwesen des Antragstellers zu 1. Nach der Untersuchung des Büros S* … & Partner GmbH vom 1. Februar 2017 würden an seinen Wohnanwesen wegen der Verkehrsgeräusche Beurteilungspegel von bis zu 72 dB(A) tags und 64 dB(A) nachts auftreten. Die Antragsteller zu 2 bis 5 bewohnten das jeweilige Wohngebäude bzw. die jeweilige Nutzungseinheit, die auf das hier streitgegenständliche Bebauungsplangebiet ausgerichtet seien und in dieser Richtung über entsprechende Fensteröffnungen verfügten, selbst. Die Antragsteller zu 2 und 3 seien durch die Lage ihres Sondereigentums an der S* H1. Straße durch die Zunahme des Verkehrslärms besonders betroffen. Die Antragsgegnerin habe zu Unrecht für die Grundstücke an der A* H2.-Straße lediglich den Schutzanspruch eines allgemeinen Wohngebiets zugrunde gelegt. Tatsächlich sei dort ein reines Wohngebiet anzunehmen. Ein Erfolg der Normenkontrollverfahren sei absehbar, den Antragstellern drohten durch den Vollzug des angefochtenen Bebauungsplans schwere Nachteile. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung im Normenkontrollverfahren sei dringlich. Bei positiver Verbescheidung der Bauanträge wäre wegen des nur eingeschränkten Rechtsschutzes gegen Einzelbaugenehmigungen mit deren alsbaldiger Bestandskraft zu rechnen und damit ein erster und nicht rückgängig zu machender Schritt zur Umsetzung der rechtswidrigen Bauleitplanung gemacht. Selbst bei Annahme eines offenen Verfahrensausgangs müsse die Interessenabwägung im Sinn einer Außervollzugsetzung des angefochtenen Bebauungsplans entschieden werden. Im Hinblick auf die durch die Bauleitplanung ermöglichte Bebauung würden im Hinblick auf die nicht auszuschließende unzumutbare Lärmbelastung der Antragsteller vollendete Tatsachen geschaffen, die später kaum mehr rückgängig zu machen wären. Demgegenüber müsse das Interesse der Antragsgegnerin an einer möglichst raschen Vollziehung des Bebauungsplans zurückstehen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene treten dem Antrag entgegen. Sie beantragen,
die Anträge abzulehnen.
Die Normenkontrollanträge hätten nach summarischer Prüfung keine Aussicht auf Erfolg. Der angefochtene Bebauungsplan weise weder beachtliche Ermittlungs- und Bewertungsdefizite noch materielle Fehler auf. Der Bebauungsplan erfülle die Anforderungen an die interne Gliederung eines Gewerbegebiets, da ausweislich der vorgelegten Stellungnahme der Firma S* … & Partner GmbH vom 2. April 2020 trotz der festgelegten Emissionskontingente gewährleistet sei, dass sich Gewerbebetriebe aller Art ansiedeln könnten. Die Emissionskontingente für die Teilgebiete GE 4 (1) und GE 4 (2) seien so beschaffen, dass sich Gewerbebetriebe aller Art – ausgenommen die in der textlichen Festsetzung C.1 genannten, nach § 1 Abs. 5 BauNVO ausgeschlossenen, Gewerbebetriebe – ansiedeln könnten. Der Ansatz der insoweit herangezogenen Regelung in Nr. 5.2.3 der DIN 18005-1, also für ein Gewerbegebiet ein flächenbezogener Schallleistungspegel von 60 dB(A) tags und nachts sei in diesen Gebieten in der Tagzeit gewährleistet, da dort je nach Schallausbreitung tags Emissionskontingente von 61 dB(A) bis 70 dB(A) zulässig seien. Die Frage, ob der Wert von 60 dB(A) auch für die Nachtzeit die Richtschnur bilden könne, sei bislang von der Rechtsprechung offen gelassen. Es könne aber nicht verlangt werden, dass der Nachtbetrieb genauso lärmintensiv möglich sein müsse wie der Tagbetrieb. Eine solche Anforderung lasse außer Acht, dass gemäß der TA Lärm die maßgeblichen Immissionsrichtwerte auch für ein Gewerbegebiet nachts um 15 dB(A) niedriger lägen als tags. Einem typischen Nachtbetrieb in einem Gewerbegebiet sei daher immanent, dass er nachts weniger Lärm emittieren dürfe als tags. Eine Anforderung, wonach für den Nachtbetrieb dieselben Emissionen zulässig sein müssten wie beim Tagbetrieb liefe den Wertungen von gesetzlichen Regelungen aus der Raumordnung entgegen, die eine Zersiedelung der Landschaft verhindern wollten. Denn dann wäre der Schutz einer angrenzenden Wohnbebauung mit Hilfe einer Emissionskontingentierung nur noch schwer möglich, weil die maßgeblichen Immissionsrichtwerte der TA Lärm sowohl für Wohngebiete als auch für Kern-, Dorf- und Mischgebiete nachts jeweils um 15 dB(A) geringer seien als die für die Tageszeit geltenden Immissionsrichtwerte. Daher seien geringere Emissionskontingente für die Nachtzeit als zulässig zu erachten. Die maßgeblichen Emissionskontingente im Nachtzeitraum in Richtung Süden und Osten betrügen jeweils 55 dB(A) bzw. 53 dB(A). Dies sei eine angemessene Reduzierung von 5 dB(A) bzw. 7 dB(A) gegenüber dem für den Tageszeitraum als zulässig angenommenen Wert von 60 dB(A). Zwar seien die Emissionskontingente Richtung Norden und Westen mit 47 dB(A) bzw. 46 dB(A) und 47 dB(A) bzw. 49 dB(A) niedriger, ein typischer Nachtbetrieb eines Gewerbebetriebs könne aber aufgrund der nach Süden und Osten eingeräumten höheren Kontingente ohne aufwändigen Schallschutz realisiert werden, beispielsweise durch geschickte Anordnung von Gebäuden und Geräuschquellen oder durch organisatorische Maßnahmen. Der Bebauungsplan sei auch nicht abwägungsfehlerhaft. Ein Anspruch auf aktive Schallschutzmaßnahmen bestehe nicht. Auch die der schalltechnischen Untersuchung der Firma S* … & Partner GmbH zugrunde gelegten Verkehrsmengen (Untersuchung des Büros I* … von Januar 2017) seien nicht zu beanstanden. Der Bebauungsplan verstoße auch nicht gegen § 16 Abs. 3 BauNVO. Die maximale Wandhöhe sei hinreichend bestimmt festgesetzt. Ergänzend wurde vorgetragen, dass ein etwaiger Mangel im Hinblick auf die Gliederung des Plangebiets während des gerichtlichen Verfahrens rückwirkend geheilt werden könne (§ 214 Abs. 4 BauGB), da im Stadtgebiet Gewerbegebiete vorhanden seien, die keiner Beschränkung hinsichtlich der Geräuschemissionen durch Emissionskontingentierung unterlägen (s. GE 1.1, 1.2, 2., 4. und 5 des Bebauungsplans Nr. … „Am S* …en Graben“).
Auch bei Annahme von offenen Erfolgsaussichten der Normenkontrollanträge sei ein vorläufiges Außervollzugsetzen des Bebauungsplans nicht geboten. Es fehle an vollendeten Tatsachen, die den Rechtsschutz leerlaufen ließen. Der bloße Vollzug eines Bebauungsplans stelle keinen schweren Nachteil dar. Den Antragstellern stehe ein Klagerecht gegen die Baugenehmigungen zu, wobei das sie schützende Rücksichtnahmegebot geprüft werde. Baugenehmigungen könnten nur für Vorhaben erteilt werden, die die festgesetzten Emissionskontingente einhielten. Damit sei bei einem weiteren Vollzug des Bebauungsplans sichergestellt, dass die Antragsteller keinen unzulässigen Lärmimmissionen ausgesetzt seien. Die Beigeladene akzeptiere die festgesetzten Emissionskontingente.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Normaufstellungsakten sowie auf die Gerichtsakten in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und des Hauptsacheverfahrens Bezug genommen.
II.
Die in Bezug auf die Antragsteller zu 1, 3 und 4 zulässigen Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO haben Erfolg. Die Anträge der Antragsteller zu 2 und 5 sind bereits unzulässig, da es an der erforderlichen Antragsbefugnis fehlt. Insoweit waren die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
1. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis ist, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird. Der Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks ist dann antragsbefugt, wenn er eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen kann. Drittschützenden Charakter hat das Abwägungsgebot allerdings nur hinsichtlich solcher privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Deshalb muss ein Antragsteller, der in einem Normenkontrollantrag eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen will, einen eigenen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Nicht jeder private Belang ist in der Abwägung zu berücksichtigen, sondern nur solche, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2011 – 4 CN 1.10 – BVerwGE 140, 41; B.v. 10.2.2016 – 4 BN 37.15 – ZfBR 2016, 376). Die Prüfung, ob das der Fall ist, ist allerdings nicht unter Auswertung des gesamten Prozessstoffes vorzunehmen und sie darf nicht in einem Umfang und in einer Intensität erfolgen, die einer Begründetheitsprüfung gleichkommt. Allerdings darf das Gericht auf der Grundlage des wechselseitigen Schriftverkehrs darüber befinden, ob es einen abwägungserheblichen Belang des Antragstellers geben kann (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2015 – 4 BN 30.14 – BauR 2015, 967).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist es nicht ausgeschlossen, dass die Antragsteller zu 1, 3 und 4 durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem ihrer Rechte verletzt werden. Eine konkrete Beeinträchtigung des (bislang nicht näher ausgeführten) Sondereigentums der Antragsteller zu 3 und 4, die über schutzbedürftige Aufenthaltsräume verfügen, die auf das Bebauungsplangebiet ausgerichtet sind und mit Fensteröffnungen versehen sind, ist (noch) ausreichend dargelegt. Unter Zugrundelegung des tatsächlichen Vorbringens erscheint es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die von den Antragstellern zu 1, 3 und 4 gerügte planungsbedingte Zunahme von Verkehrsgeräuschen an der S* H1. Straße abwägungserhebliche eigene Belange der Antragsteller berührt. Dies hat die Antragsgegnerin erkannt und unter Berücksichtigung der Vorbelastung des Planungsgebiets durch den bisherigen Verkehrslärm und der Überschreitung der Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV durch die von den neu zu errichtenden Straßenabschnitten ausgehenden Geräuschimmissionen Schallschutzmaßnahmen geprüft und Schallschutzansprüche anerkannt.
Dagegen ist eine Antragsbefugnis der Antragsteller zu 2 und 5, deren Grundstücke nicht unmittelbar an die S* H1. Straße angrenzen, aus den vorstehend aufgeführten Gründen weder hinreichend dargelegt noch erkennbar. Auch die gerügte planungsbedingte Lärmbelastung aufgrund einer fehlerhaften Festsetzung der Emissionskontingente vermag nicht zu der Annahme einer Antragsbefugnis führen. Die Einstufung des westlich des Planumgriffs befindlichen Wohngebiets durch die Antragsgegnerin als allgemeines Wohngebiet und damit ein gegenüber dem reinen Wohngebiet reduzierter Schutzanspruch ist offensichtlich nicht zu beanstanden. Denn angesichts der Vorbelastung durch das schon bisher angrenzende (und jedenfalls bis heute) gewerblich genutzte Gebiet sowie einer unmittelbar an den Grundstücken der Antragsteller zu 2 und 5 vorbeiführenden Zu- und Abfahrt und einer Lage am Rande zum Außenbereich kommt die Einstufung des Wohngebiets als reines Wohngebiet nicht in Frage. Hinzu kommt, dass sich die Lärmbelastung für die Antragsteller zu 2 und 5 aufgrund der Verlegung der Zufahrt zum Gewerbegebiet letztlich verbessern dürfte.
Den (zulässigen) Anträgen auf Erlass einer einstweiligen Anordnung fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis, weil bereits zwei Baugenehmigungen erteilt worden sind. Mit dem Erfordernis eines allgemeinen Rechtsschutzinteresses soll vermieden werden, dass die Gerichte in eine Normprüfung und eine Entscheidung über die Außervollzugsetzung eintreten müssen, deren Ergebnis für den Antragsteller wertlos ist. Dabei wird nicht verlangt, dass die angestrebte gerichtliche Entscheidung zum eigentlichen Rechtsschutzziel führt, sondern es genügt, wenn die gerichtliche Entscheidung die Rechtsstellung des Antragstellers verbessern kann (vgl. BVerwG, U.v. 23.4.2002 – 4 CN 3.01 – NVwZ 2002, 1126 zum Normenkontrollverfahren). Das ist hier der Fall, da die Erteilung der Baugenehmigungen für die Vorhaben nicht dazu geführt hat, dass der gesamte Regelungsbereich des Bebauungsplans ausgeschöpft wird. Die gerichtliche Entscheidung kann daher die Position der Antragsteller noch verbessern .
2. Die Anträge sind auch begründet. Der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ist aus einem wichtigen Grund dringend geboten.
Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind, jedenfalls bei Bebauungsplänen, zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (BVerwG, B.v. 30.4.2019 – 4 VR 3.19 – juris Rn. 4; B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – BauR 2015, 968). Wegen der weitreichenden Folgen, welche die Aussetzung des Vollzugs von Rechtsvorschriften hat, ist dabei in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, B.v. 5.7.1995 – 1 BvR 2226/94 – BVerfGE 93, 181; BayVGH, B.v. 28.11.2019 – 1 NE 19.1502 – juris Rn. 14).
Im vorliegenden Fall kann sich die Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Anordnung nicht an den Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags orientieren, da diese noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit absehbar sind. Ob die textliche Festsetzung C.6 (1), mit der unter Verzicht auf eine baugebietsübergreifende Gliederung Emissionskontingente festgesetzt wurden, wirksam ist, hängt von einer Reihe schwieriger, obergerichtlich noch ungeklärter Rechtsfragen ab, die erst nach eingehender Prüfung in einem Hauptsacheverfahren zu beantworten sein werden. Denn auch wenn für ein Gewerbegebiet Emissionskontingente nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO und damit Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet nach der Art der Betriebe und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften gliedern (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2017 – 4 CN 7.16 – BVerwGE 161, 53), muss die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt werden. Es muss daher in jedem intern gegliederten Baugebiet ein Teilgebiet ohne Emissionsbeschränkung geben oder, was auf dasselbe hinausläuft, ein Teilgebiet, das mit Emissionskontingenten belegt ist, die jeden in einem Gewebegebiet zulässigen Betrieb ermöglichen. § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO ermöglicht daneben die Möglichkeit einer externen Gliederung, also mit Bezug auf ein anderes Gewerbegebiet (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2017 a.a.O.). Die Frage, wann ein Emissionskontingent für ein Gewerbegebiet so festgesetzt ist, dass in einem Teilgebiet jeder nach § 8 BauNVO zulässige Betrieb ermöglicht wird (zu dieser Frage mit Hinweis auf die dabei vertretenen unterschiedlichen Ansichten s. Külpmann, Anmerkungen zu BVerwG, B.v. 7.3.2019 – 4 BN 45.18 – juris), ist noch nicht entschieden. Da der vorliegende Bebauungsplan für jedes Teilgebiet eine Emissionsbeschränkung festlegt, wird insbesondere zu klären sein, wie ein Emissionskontingent für die Tag- und Nachtzeit beschaffen sein muss, um jeden zulässigen Gewerbebetrieb zu ermöglichen. In den Fällen, in denen eine Gemeinde (in Kombination mit einer Gebietsgliederung) eine oder mehrere Arten von Nutzungen aus dem gesamten Baugebiet ausschließen will, steht ihr nur der Weg über § 1 Abs. 5 BauNVO zur Verfügung. Auch wenn nach vorläufiger Auffassung des Senats viel dafür spricht, dass die im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Dezember 2017 genannte Voraussetzung der Wahrung der allgemeinen Zweckbestimmung auch in einem solchen Fall erfüllt sein muss (vgl. VGH BW, U.v. 6.6.2019 – 3 S 2350.15 – BauR 2019, 1560), ist auch dieser Frage noch weiter nachzugehen (vgl. BayVGH, U.v. 12.8.2019 – 9 N 17.1046 – juris Rn. 29 f.; OVG NW, U.v. 30.1.2018 – 2 D 102.14.NE – juris Rn. 167 f.). Eine gesicherte Prognose über den möglichen Erfolg oder Misserfolg des Normenkontrollantrags ist daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich.
Die hiernach allein maßgebliche Abwägung der wechselseitig betroffenen Interessen fällt zugunsten der Antragsteller aus.
Würde die beantragte einstweilige Anordnung nicht erlassen und wären die Normenkontrollanträge später erfolgreich, weil die Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Emissionskontingenten (weiterhin) unwirksam sein kann oder weil die Antragsgegnerin bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens kein geeignetes weiteres Gewerbegebiet vorweisen kann, um eine externe Gliederung vorzunehmen (vgl. zur Möglichkeit der Durchführung eines ergänzenden Verfahrens Nds OVG, U.v. 15.11.2018 – 1 KN 29.17 – NVwZ-RR 2019, 631), so bestünde die Gefahr, dass in der Zwischenzeit weitere Baugenehmigungen erteilt und die Antragsteller vor vollendete Tatsachen gestellt würden (offen gelassen s. BVerwG, B.v. 30.4.2019 – 4 VR 3.19 – juris Rn. 8 m.w.N. zum Meinungsstand). Zwar lässt die Anordnung ergangene Verwaltungsakte unberührt, verbietet dem Bauherrn also nicht, von einer Baugenehmigung Gebrauch zu machen. Sie vermittelt aber Rechtsschutz in der Weise, dass der suspendierte Bebauungsplan für die Zukunft als Rechtsgrundlage für die Erteilung von Baugenehmigungen ausscheidet. Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Beteiligten liegt der Genehmigungsbehörde noch ein weiterer Bauantrag vor, über den noch nicht entschieden ist. Die Antragsgegnerin hat insoweit auch nicht erklärt, mit einer Entscheidung noch abzuwarten. Dem stehen keine ähnlich gravierenden öffentlichen oder privaten Interessen entgegen, die durch den Erlass der einstweiligen Anordnung bis zu einer später möglichen Abweisung der Normenkontrollanträge beeinträchtigt werden. Angesichts der Verfahrensdauer anhängiger Normenkontrollverfahren kann auch nicht die Rede davon sein, dass die Antragsteller aufgrund einer geplanten und zeitlich versetzten Realisierung der Bauvorhaben keine Nachteile, auch nicht im Hinblick auf eine mögliche Lärmbelastung, erleiden würden. Auch der Umstand, dass die Beigeladene die Einhaltung der festgesetzten Emissionskontingente zugesichert hat, vermag daran nichts zu ändern. Denn diese Zusicherung ändert für den Fall des Fehlens der Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Emissionskontingente nichts daran, dass die Errichtung eines Gewerbebetriebs im vorgesehenen Bereich überhaupt nicht mehr möglich wäre. Für die Folgenabwägung ist auch in den Blick zu nehmen, dass es die Antragsgegnerin in der Hand hat, mit Hilfe eines geeigneten Bebauungsplans eine externe Gliederung vorzunehmen. Ob der in den anhängigen Verfahren von der Antragsgegnerin ergänzend aufgeführte Bebauungsplan Nr. … „Am S* …en Graben“ angesichts der in Nr. 5.1.5 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans aufgeführten flächenbezogenen Schallleistungspegel die Voraussetzungen für eine externe Gliederung erfüllen kann, muss hier nicht entschieden werden. Mit dem Vollzug des angegriffenen Bebauungsplans würden bauliche Anlagen und damit Tatsachen geschaffen, die nur schwer rückgängig gemacht werden könnten. Der weitere Vollzug des Bebauungsplans lässt somit Nachteile befürchten, die auch unter Berücksichtigung der Interessen des bauwilligen Beigeladenen so gewichtig sind, dass die vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans der Antragsgegnerin nach Auffassung des Senats unaufschiebbar ist.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene, die einen Antrag gestellt hat, tragen die Kosten des Verfahrens zu je 3/10, die Antragsteller zu 2 und 5 zu je 2/10 (§ 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, den Antragstellern zu 2 und 5 auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, die mit ihrer Stellungnahme das Verfahren gefördert hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).
In entsprechender Anwendung von § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO hat die Antragsgegnerin die Nummer II der Entscheidungsformel in derselben Weise zu veröffentlichen wie die streitgegenständliche Satzung.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG. Sie orientiert sich an Nummern 1.5 und 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Beilage 2/2013 zu NVwZ Heft 23/2013).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).