Aktenzeichen AN 9 K 18.02280
UVPG aF § 3 c
WHG § 15
Leitsatz
1. Aus dem wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebot folgt, dass bei allen wasserrechtlichen Gestattungen im Rahmen der Ermessensbetätigung auch Belange Privater einzubeziehen sind, deren rechtlich geschützte Interessen von der beantragten Gewässerbenutzung in individualisierter und qualifizierter Weise betroffen werden. Es besteht für den einzelnen Privaten ein Anspruch auf Beachtung und Würdigung seiner Belange mit demjenigen Gewicht, das ihnen unter den konkreten Umständen objektiv zukommt. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im gerichtlichen Verfahren ist nur zu prüfen, ob eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG a.F. durchgeführt worden und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Die gerichtliche Kontrolle ist damit auf eine bloße Plausibilitätskontrolle beschränkt. (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 4 Abs. 3 UmwRG weitet lediglich den Umfang der Begründetheitsprüfung aus, ohne dabei den individualrechtsbezogenen Ansatz des § 42 Abs. 2 VwGO abändern zu wollen. (Rn. 77) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe
A.
Streitgegenstand ist die mit Bescheid vom 30. Oktober 2018 erteilte gehobene Erlaubnis für das „Zutagefördern von Grundwasser aus den Brunnen 4, 5 und 6“.
B.
Die zulässige Klage der Klägerin zu 1) ist unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere liegt die erforderliche Klagebefugnis vor und es ist nicht von einer Präklusion auszugehen.
1.1 Die Klägerin zu 1) ist als Drittbetroffene klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO). Der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz lässt sich nur aus Rechtsvorschriften ableiten, die das individuell geschützte Interesse Dritter und die Art der Verletzung dieser Interessen hinreichend deutlich erkennen lassen (siehe z.B. BVerwG, U.v. 20.10.1972 – IV C 107.67 – juris).
Im konkreten Fall ergibt sich die Klagebefugnis für die Klägerin zu 1) aus dem in § 6 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 13, Abs. 1, 14 Abs. 3 WHG verankerten wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebot. Aus diesem folgt, dass bei allen wasserrechtlichen Gestattungen im Rahmen der Ermessensbetätigung auch Belange Privater einzubeziehen sind, deren rechtlich geschützte Interessen von der beantragten Gewässerbenutzung in individualisierter und qualifizierter Weise betroffen werden. Es besteht für den einzelnen Privaten ein Anspruch auf Beachtung und Würdigung seiner Belange mit demjenigen Gewicht, das ihnen unter den konkreten Umständen objektiv zukommt (siehe hierzu BVerwG, U.v. 15.7.1987 – 4 C 56/83 – juris; BayVGH, U.v. 8.10.2019 – 8 B 18.809 – juris).
Die Klägerin gehört in Bezug auf die dem Beigeladenen erteilte gehobene Erlaubnis zu einem von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreis. Als Eigentümerin des Grundstückes FlNr. …, Gemarkung …, auf dem Quarzsand abgebaut werden soll, erscheint eine Beeinträchtigung durch die beantragte Gewässerbenutzung zumindest möglich.
1.2 Das Vorbringen ist auch nicht gem. § 6 Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) präkludiert.
1.2.1 Der Anwendungsbereich des UmwRG ist eröffnet, so dass auch § 6 UmwRG grundsätzlich zu beachten ist.
Die streitgegenständliche Klage ist ein Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung im Sinne von § 2 Abs. 6 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG= über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach dem UVPG eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) UmwRG).
Die erteilte gehobene Erlaubnis ist eine Zulassungsentscheidung gem. § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG.
Für das streitgegenständliche Vorhaben kann auch eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen, da gem. § 7 UVPG i.V.m. Nr. 13.3.2 der Anlage 1 zum UVPG jedenfalls eine allgemeine Vorprüfung durchzuführen ist (siehe hierzu Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Februar 2020, § 1 UmwRG Rn. 39).
1.2.2 Zwar wurde innerhalb der Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung keine explizite Klagebegründung abgegeben, jedoch wurde bereits mit Einreichung der Klage der streitgegenständliche Bescheid vorgelegt, dem die Einwendungen der Klägerin zu 1) vollständig zu entnehmen sind. Eine Präklusion gem. § 6 UmwRG scheidet vor diesem Hintergrund aus.
2. Die Klage ist unbegründet, da die streitgegenständliche Erlaubnis die Klägerin zu 1) nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, bzw. soweit ein Verstoß gegen das UVPG gerügt wird, ein solcher gerade nicht vorliegt. Soweit die in § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG bezeichneten Verfahrensfehler betroffen sind, können diese zur Begründetheit der Klage führen, ohne dass es darauf ankommt, ob die Verfahrensvorschriften der Gewährleistung eines materiellen subjektiven Rechts dienen und ob die Fehler die Sachentscheidung beeinflusst haben können, wie es Art. 46 BayVwVfG ansonsten voraussetzt (siehe hierzu BVerwG, B.v. 14.11.2018 – 4 B 12/18 – juris; OVG Münster, U.v. 4.9.2017 – 11 D 14/14.AK – juris).
2.1 Eine Beeinträchtigung des künftig geplanten Sandabbauverfahrens der Klägerin zu 1) durch die erteilte gehobene Erlaubnis ist nicht ersichtlich.
Zunächst ist zu beachten, dass streitgegenständlich ausschließlich die gehobene Erlaubnis ist, nicht aber die Ausweisung eines Wasserschutzgebietes. Nach Angaben des Wasserwirtschaftsamtes in der mündlichen Verhandlung wäre bei der Ausweisung des Wasserschutzgebietes und der Festlegung der Zone 3 für das Grundstück der Klägerin zu 1) ein Sandabbau grundsätzlich nicht möglich, es wäre aber im Einzelfall die Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahme zu prüfen.
Im Rahmen dieser Prüfung können auch die Ergebnisse des durch die Klägerin zu 1) selbst in Auftrag gegebenen und im behördlichen Verfahren vorgelegten hydrogeologischen Gutachtens der Dr. … GmbH von März 2017 berücksichtigt und entsprechend bewertet werden. Diesem ist zu entnehmen, dass durch das geplante Abbauvorhaben kein Eingriff in die Basisletten des Burgsandsteins oder tiefer liegende Schichten erfolge. Zwischen der geplanten Abbausohle auf einer Höhe von 446 müNN und der Oberkante des durch die Brunnen 5 und 6 genutzten Grundwasserleiters auf einer Höhe von rund 425 müNN liege auf der geplanten Abbaufläche eine Schichtenfolge mit einer Mächtigkeit von knapp über 20 m vor. An den Standorten der Brunnen 5 und 6 seien zudem jeweils eine 9 m mächtige Lage aus Tonstein bzw. schluffigem Ton erbohrt worden, die eine besonders ausgeprägte Schutzwirkung besäße. Dadurch ergäben sich bei der vertikalen Durchsickerung bereits ausgeprägte Rückhalte- und Reinigungsprozesse. Auch wenn die Deckschicht nach dem Abbau auf 21 m verringert werde, entspreche diese reduzierte Mächtigkeit noch der vollständigen, an den Brunnenstandorten selbst ausgeprägten Überdeckungsmächtigkeit. Hinsichtlich des horizontalen Fließweges befinde sich die mögliche Abbaufläche außerhalb der 50-Jahr-Isochrone der Brunnen 5 und 6, was bedeute, dass die Fließzeit zwischen dem Abbauvorhaben und den Trinkwasserbrunnen mehr als 50 Jahre betrage, wodurch das auf der Abbaufläche anfallende Wasser durch entlang des horizontalen Fließweges im Grundwasserleiter erfolgende Abbauprozesse nochmals intensiv gereinigt werde, bevor es durch die Brunnen erfasst werde. Eine nähere Prüfung und Auseinandersetzung mit den Ergebnissen des Gutachtens kann im Verfahren zur Ausweisung des Wasserschutzgebietes erfolgen.
Es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass durch die allein hier streitgegenständliche Erteilung der Erlaubnis bereits eine Beeinträchtigung des geplanten Abbauvorhabens stattfinden kann. Die gehobene Erlaubnis führt für sich allein zu keinerlei Einschränkungen für das geplante Abbauvorhaben der Klägerin zu 1).
2.2 Die Berufung auf Mängel bei der Durchführung der UVP-Vorprüfung oder auf ein Fehlen der UVP an sich verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Die durchgeführte Vorprüfung und ihr Ergebnis begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
2.2.1
Gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2 b) UmwRG grundsätzlich verlangt werden, wenn eine erforderliche Umweltverträglichkeitsprüfung oder eine erforderliche Vorprüfung zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit weder durchgeführt noch nachgeholt worden sind, wobei gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwRG eine Vorprüfung, die nicht dem Maßstab des § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG genügt, einer nicht durchgeführten Vorprüfung gleichsteht. Diese Aufhebung kann gem. § 4 Abs. 3 Nr. 1 UmwRG grundsätzlich jeder Beteiligte i.S.d. § 61 Nr. 1 VwGO verlangen, somit auch die Klägerin zu 1).
2.2.2
Gem. § 74 Abs. 1 UVPG sind für Vorhaben, für die das Verfahren zur Feststellung der UVP-Pflicht im Einzelfall nach §§ 3c oder 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG (vor dem 16. Mai 2017 geltenden Fassung) vor dem 16. Mai 2017 eingeleitet wurde, die Vorschriften des Teils 2 Abschnitt 1 über die Vorprüfung des Einzelfalls in der bis dahin geltenden Fassung weiter anzuwenden.
Vorliegend wurde das Verfahren zur Feststellung der UVP-Pflicht bereits nach Eingang der Antragsunterlagen am 15. Februar 2016 eingeleitet. Die Vorprüfung erfolgte somit nach § 3c UVPG in der vor dem 29. Juli 2017 geltenden Fassung (im Folgenden a.F.).
2.2.3
Durchzuführen war eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalles gem. § 3c Satz 1 UVPG a.F. i.V.m. Nr. 13.3.2 der Anlage 1 zum UVPG a.F. Diese wurde durchgeführt, entspricht den gesetzlichen Anforderungen und ist in Verfahren und Ergebnis nicht zu beanstanden.
Gemäß § 3c UVPG a.F. ist, sofern in der Anlage 1 a.F. für ein Vorhaben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 a.F. aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG a.F. zu berücksichtigen wären. Bei der Vorprüfung ist zu berücksichtigen, inwieweit Umweltauswirkungen durch die vom Träger des Vorhabens vorgesehenen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen offensichtlich ausgeschlossen werden. Die Durchführung und das Ergebnis der Vorprüfung sind zu dokumentieren.
Diese Vorgaben sind erfüllt.
Die Genehmigungsbehörde hat im Rahmen einer UVP-Vorprüfung bei ihrer prognostischen Beurteilung möglicher Umweltauswirkungen des Vorhabens einen weiten Einschätzungsspielraum. Hinsichtlich des gerichtliche Prüfungsmaßstabes ergibt sich dabei eine dem Inhalt der heutigen Fassung des § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG entsprechende Einschränkung aus § 3a Satz 4 UVPG a.F., wonach im gerichtlichen Verfahren nur zu prüfen ist, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben des § 3c UVPG a.F. durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist. Die gerichtliche Kontrolle ist damit auf eine bloße Plausibilitätskontrolle beschränkt (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 20.12.2011 – 9 A 31.10 – juris).
Im Rahmen der Vorprüfung ist die jeweilige Genehmigungsbehörde zwar auf eine überschlägige Vorausschau beschränkt, diese muss aber auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 24.5.2018 – 4 C 4/17 – juris; VG München, U.v. 10.7.2018 – M 1 K 16.147).
Die Genehmigungsbehörde hat auf Grundlage eigener Informationen und auf Grundlage der vom Vorhabensträger vorgelegten Unterlagen eine Prüfung vorgenommen. Zusätzlich wurden Stellungnahmen anderer Behörden unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Vorprüfung eingeholt. Der Behördenakte ist die Zusammenstellung der eingeholten Stellungnahmen sowie die Auflistung der einzelnen in die Prüfung eingestellten Aspekte zu entnehmen.
Die Feststellung, dass keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, erscheint nachvollziehbar und plausibel.
2.3 Hinsichtlich der übrigen vorgetragenen Aspekte ist bereits keine (diesbezüglich notwendige) drittschützende Wirkung erkennbar. Dies gilt sowohl für die angeführten Fehler bezüglich der Alternativenprüfung als auch für die vorgebrachten Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Maßnahme.
C.
Die Klage des Klägers zu 2) ist bereits mangels Klagebefugnis unzulässig.
Es ist unter keinem Gesichtspunkt ein rechtlich geschütztes Interesse erkennbar, das von der beantragten Gewässerbenutzung in individualisierter und qualifizierter Weise betroffen wäre.
1. Insbesondere ist die Klagebefugnis auch nicht aus § 4 UmwRG zu entnehmen. Zwar können sich auf die Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG gem. § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG auch natürliche Personen (§ 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO) berufen. Jedoch begründet § 4 Abs. 3 UmwRG keine Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO, und es ist den zugehörigen Verfahrensvorschriften auch keine drittschützende Wirkung beizumessen. § 4 Abs. 3 UmwRG weitet lediglich den Umfang der Begründetheitsprüfung aus, ohne dabei den individualrechtsbezogenen Ansatz des § 42 Abs. 2 VwGO abändern zu wollen (siehe hierzu BVerwG, B.v. 14.11.18 – 4 B 12/18 – juris; OVG Münster, U.v. 4.9.2017 – 11 D 14/14.AK – juris).
2. Sonstige Gesichtspunkte, die eine Klagebefugnis begründen könnten, sind nicht erkennbar. Hinsichtlich der angeführten Bedenken bezüglich Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und Alternativenprüfung ist auf die obigen Ausführungen zum mangelnden Drittschutz zu verweisen. Auch soweit der Kläger zu 2) sich auf die Möglichkeit steigender Trinkwasserpreise beruft, so wären diese keine Folge der erteilten Erlaubnis, sondern Folge einer auf einer entsprechenden Satzung beruhenden Gebührenkalkulation, die gegebenenfalls in einem eigenständigen gerichtlichen Verfahren angegriffen werden könnte.
D.
Nach alledem waren die Klagen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst, da sie keinen Antrag gestellt hat und das Verfahren auch nicht derart in anderer Weise gefördert hat, dass eine Kostentragung durch die Kläger angemessen erschiene (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).