Baurecht

Genehmigung für die Begründung von Wohnungseigentum in Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktion

Aktenzeichen  M 1 K 15.5050

Datum:
26.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 46836
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 22

 

Leitsatz

Ebenso wie zunehmendes Alter und ein sich verschlechternder Gesundheitszustand stellt eine unzureichende Alterssicherung keinen außergewöhnlichen Umstand und damit keine besondere Härte iSv § 22 Abs. 4 S. 3 BauGB dar. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Die Auslegung der Klage ergibt, dass die Klägerin eine Genehmigung nach § 22 Abs. 4 und 5 BauGB für die Begründung von Wohnungseigentum hinsichtlich einer Wohnung im Erdgeschoss, drei Wohnungen im Obergeschoss und einer Wohnung im Dachgeschoss begehrt.
Die so ausgelegte Klage (§ 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) hat keinen Erfolg. Der Bescheid des Landratsamts Traunstein vom 13. Oktober 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat weder einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung zur Begründung von Wohnungseigentum noch auf erneute Ermessensentscheidung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).
1. Die Fremdenverkehrssatzung der Beigeladenen ist wirksam. Sie ist von § 22 Abs. 1 BauGB gedeckt (1.1.) und nicht obsolet geworden (1.2.).
1.1. Die Fremdenverkehrssatzung der Beigeladenen hält sich im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des § 22 Abs. 1 BauGB. Abzustellen ist dabei auf die aktuell gültige, vom Gemeinderat der Beigeladenen am 3. Dezember 2013 beschlossene und am 8. April 2014 geänderte Satzung.
Die Gemeinden, die oder deren Teile überwiegend durch den Fremdenverkehr geprägt sind, können nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Satzung bestimmen, dass zur Sicherung der Zweckbestimmung von Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktion die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum der Genehmigung unterliegt. Voraussetzung für die Bestimmung ist nach § 22 Abs. 1 Satz 3 BauGB, dass durch die Begründung oder Teilung der Rechte die vorhandene oder vorgesehene Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr und dadurch die geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt werden kann. Die Zweckbestimmung eines Gebiets für den Fremdenverkehr ist nach § 22 Abs. 1 Satz 4 BauGB insbesondere anzunehmen bei sonstigen Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktionen, die durch Beherbergungsbetriebe und Wohngebäude mit Fremdenbeherbergung geprägt sind. Infolge des Neuerlasses der Fremdenverkehrssatzung der Beigeladenen im Jahr 2013 ist Rechtsgrundlage insoweit § 22 BauGB 2004/2013 (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand Nov. 2015, § 22 Rn. 8).
Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung und Zusammensetzung der Fremdenverkehrsbeherbergung im Gebiet der Beigeladenen hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass deren wirtschaftlicher Schwerpunkt gerade in der Fremdenbeherbergung liegt. Sie verfügt über ein umfangreiches Angebot an ganzjährig nutzbaren Fremdenverkehrseinrichtungen und Freizeitmöglichkeiten, die von einer großen Anzahl an Touristen nachgefragt werden, so dass eine hohe Beherbergungskapazität erforderlich ist. Zudem beträgt der Anteil der Zweitwohnungen nach dem Vortrag der Beigeladenen in ihrem Gebiet bereits 20%, was Ausdruck einer Gefährdung der Fremdenverkehrsnutzung ist. Der Geltungsbereich der Fremdenverkehrssatzung vom 3. Dezember 2013 erfasst auch nur noch eine Teilfläche des Gemeindegebiets und entspricht damit der Ermächtigungsgrundlage des § 22 Abs. 1 BauGB, nach der nur die Teile einer Gemeinde in den Geltungsbereich einbezogen werden dürfen, für die die dort genannten Voraussetzungen gelten (vgl. BVerwG, U. v. 7.7.1994 – 4 C 21.93 – juris Rn. 12 und 23). Die Satzung ist auch verhältnismäßig; dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird dadurch Genüge getan, dass in § 3 FVS immerhin zwei Wohneinheiten je Wohngebäude und ausnahmsweise Ferienwohnungen zugelassen werden.
1.2. Die Fremdenverkehrssatzung ist auch nicht funktionslos oder obsolet geworden.
Nach der Rechtsprechung können Festsetzungen eines Bebauungsplans funktionslos werden, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse ihre Verwirklichung auf Dauer ausgeschlossen erscheinen lassen und dies so offensichtlich ist, dass ein Vertrauen in ihre weitere Geltung nicht schutzwürdig ist. Es kommt darauf an, ob die jeweilige Festsetzung noch geeignet ist, einen wirksamen Beitrag zur städtebaulichen Ordnung i. S. v. § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans zu leisten (st. Rspr., vgl. BVerwG, B. v. 22.7.2010 – 4 B 22.10 – DVBl 2010, 1168 m. w. N. – juris Rn. 10; BayVGH, B. v. 27.3.2013 – 14 B 12.192 – juris Rn. 19).
Überträgt man diese von der Rechtsprechung für die Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans aufgestellten Anforderungen auf die Fremdenverkehrssatzung der Beigeladenen, ergibt sich, dass deren Festsetzungen nicht obsolet geworden sind. Die Eingrenzung des Geltungsbereichs führt nicht zur Funktionslosigkeit, sondern vielmehr zur – nunmehr nachträglich erreichten – Gültigkeit der Satzung (vgl. BVerwG, U. v. 7.7.1994 – 4 C 21.93 – juris Rn. 12 und 23). Auch die Zulassung einzelnen Wohnungseigentums im Geltungsbereich der Satzung bewirkt keinen Abweichungsgrad zwischen der planerischen Festsetzung und der tatsächlichen Situation, der einem in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nehmen könnte. Vielmehr sind – auch nach dem Vortrag der Klägerin – noch ausreichend für den Fremdenverkehr genutzte Objekte im Geltungsbereich der Satzung vorhanden, so dass die Regelungen der Satzung nach wie vor Geltung beanspruchen können.
2. Eine Genehmigungsfiktion nach § 22 Abs. 5 Satz 2 und 4 BauGB ist nicht eingetreten.
Nach § 22 Abs. 5 Satz 2 BauGB hat die Baugenehmigungsbehörde über die Genehmigung innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags bei ihr zu entscheiden. Die Genehmigung gilt nach § 22 Abs. 5 Satz 4 BauGB als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der Frist versagt wird.
Diese Monatsfrist ist im vorliegenden Fall nicht ohne Entscheidung des Landratsamts verstrichen. Der letztendlich maßgebliche Antrag auf Genehmigung nach § 22 BauGB ging in vollständiger und verständlicher Weise erst am 3. Juli 2015 beim Landratsamt ein. Zwar lagen die Pläne mit den entsprechenden Erläuterungen schon seit der Vorsprache des Ehemanns der Klägerin am …/… Juni 2015 beim Landratsamt vor. Die Pläne waren jedoch – auch in Anbetracht der vorangegangenen und nicht mit ihnen übereinstimmenden Äußerungen der Klägerin und ihrer Vertreter – nicht aus sich heraus verständlich. Der Inhalt des Genehmigungsantrags wurde vielmehr erst mit Schriftsatz des Bevollmächtigten vom … Juli 2015, der am Folgetag beim Landratsamt einging, konkretisiert. Dieser Zeitpunkt ist hier maßgeblich, weil der Inhalt des Antrags nach § 22 BauGB aus sich heraus zweifelsfrei verständlich sein muss (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a. a. O., § 22 BauGB Rn. 54). Das Landratsamt hat am 27. Juli 2015 einen Zwischenbescheid nach § 22 Abs. 5 Satz 3 BauGB erlassen und die Monatsfrist damit rechtzeitig unterbrochen.
3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung zur Begründung von Wohnungseigentum nach § 22 Abs. 4 Satz 1 BauGB.
Nach dieser Vorschrift darf die Genehmigung nur versagt werden, wenn durch die Begründung von Wohnungseigentum die Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr und dadurch die städtebauliche Entwicklung und Ordnung beeinträchtigt wird. Dies ist hier der Fall. Der gesetzlichen Regelung liegt die tatsächliche Vermutung zugrunde, dass der Begründung von Wohnungseigentum in Fremdenverkehrsgebieten ein städtebauliches Gefährdungspotential inne wohnt, dem durch eine Erschwerung der Bildung von Wohnungseigentum begegnet werden soll. Die mit der Begründung von Zweitwohnungen verbundene Beeinträchtigung für den Fremdenverkehr liegt zum einen darin, dass diese Wohnungen der wechselnden Benutzung durch Fremde entzogen werden, zum anderen in der Tendenz zur Bildung von sog. „Rolladensiedlungen“ oder „Geisterstädten“ mit den damit verbundenen finanziellen und städtebaulich nicht vertretbaren Belastungen einer nicht ausgenutzten, gleichwohl aber vorzuhaltenden Infrastruktur (BVerwG, U. v. 27.9.1995 – 4 C 12.94 – NVwZ-RR 1996, 373 – juris Rn. 11). Eine Beeinträchtigung liegt jedenfalls dann vor, wenn aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten und feststellbaren Entwicklungstendenzen durch die beantragte Begründung von Wohnungseigentum eine (weitere) Verschlechterung der Situation eintritt. Es reicht deshalb aus, wenn von dem beantragten Vorhaben eine negative Vorbildwirkung ausgeht, die gegebene Situation gleichsam „negativ in Bewegung gebracht“ wird (BVerwG a. a. O. Rn. 12). Es liegt auf der Hand, dass bei einer weiteren Zunahme von Zweitwohnungen die Zweckbestimmung dieses Gebiets für den Fremdenverkehr (weiter) beeinträchtigt wird (BVerwG a. a. O. Rn. 13).
Aufgrund dieser gesetzlichen Vermutung geht das Gericht davon aus, dass die Genehmigung für die Begründung von Wohnungseigentum im Anwesen der Klägerin die Voraussetzungen des § 22 Abs. 4 Satz 1 BauGB erfüllt. Das Vorbringen der Klägerin kann die Bejahung des Tatbestands nicht entkräften. Soweit sie sich darauf beruft, sie vermiete die Ferienwohnungen seit … April 2015 nicht mehr, so dass diese dem Fremdenverkehr nicht entzogen würden, bleibt es dennoch dabei, dass durch die Begründung von Wohnungseigentum Wohnraum verloren ginge, der für die Fremdenbeherbergung grundsätzlich geeignet ist. Unwiderlegt bleibt zudem die Vermutung, dass die Begründung von Wohnungseigentum in Fremdenverkehrsgebieten regelmäßig zu einer Zweitwohnungsnutzung mit den dargestellten negativen Folgen führt (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 27.9.1995 – 4 C 28.94 – DVBl 1996, 52 – juris Rn. 15). Weiter begründen die von der Klägerin als Bezugsfälle genannten Befreiungen und Genehmigungen keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung, weil dem der Rechtsgrundsatz „keine Gleichheit im Unrecht“ entgegen stünde, sondern belegen vielmehr, dass die Gefahr einer weiteren Verschlechterung sehr wohl im Raum steht. Auch widerlegt das Vorbringen der Klägerin, ihr bisher für den Fremdenverkehr genutztes Anwesen sei nicht mit den anderen im Gebiet der Fremdenverkehrssatzung gelegenen Objekten vergleichbar, nicht die durch die Genehmigung bewirkte negative Vorbildwirkung. Im Übrigen sieht das Gericht in den wesentlichen Punkten (innerörtliche Lage, Größe) sehr wohl eine Vergleichbarkeit des Pensionsbetriebs der Klägerin mit anderen Objekten.
Die Beeinträchtigung der Fremdenverkehrsfunktion kann im Übrigen aufgrund von gravierenden Überwachungsproblemen auch nicht durch eine Erklärung der Klägerin – unabhängig davon, mit welchem Inhalt eine solche abgegeben würde – und die Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit in das Grundbuch entkräftet werden (BVerwG, U. v. 27.9.1995 – 4 C 28.94 – DVBl 1996, 52 – juris Ls. 2 und Rn. 14; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a. a. O., § 22 BauGB Rn. 47).
Soweit sich die Klägerin auf Vertrauensschutz beruft, ist dieser bei der Frage des Vorliegens einer besonderen Härte zu prüfen.
4. Die Klägerin hat jedoch auch aufgrund des Vorliegens einer besonderen Härte i. S. v. § 22 Abs. 4 Satz 3 BauGB keinen Anspruch auf Genehmigung oder erneute Entscheidung.
Nach § 22 Abs. 4 Satz 3 BauGB kann die Genehmigung zur Begründung von Wohnungseigentum erteilt werden, um wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden, die für den Eigentümer eine besondere Härte bedeuten. Das Vorliegen einer Härte reicht insoweit nicht aus; vielmehr müssen besondere Umstände vorliegen, die eine besondere Härte begründen. Erforderlich sind ungewollte und unverhältnismäßige Belastungen des Eigentümers. Selbst der Konkurs des Gewerbetreibenden wird insoweit als nicht ausreichend angesehen (BVerwG, U. v. 27.9.1995 – 4 C 28.94 – DVBl 1996, 52 – juris Rn. 23; BayVGH, B. v. 2.11.2011 – 2 ZB 10.2206 – juris Rn. 5).
Eine besondere Härte liegt jedoch nicht vor.
4.1. Der altersbedingt sich verschlechternde Gesundheitszustand der Klägerin oder ihres Ehemanns und das Vorliegen mehrjähriger wirtschaftlicher Verluste stellen keine besondere Härte dar.
Vielmehr sind zunehmendes Alter und eine damit einhergehende Verschlechterung des Gesundheitszustands ebenso wie das Erzielen wirtschaftlicher Verluste häufig auftretende Probleme bei Personen, die selbstständig ein Gewerbe betreiben. Insoweit kann es auch dazu kommen, dass manche Banken nicht mehr bereit sind, weitere Kredite zu gewähren. Alle diese Umstände können bei zahlreichen Gewerbetreibenden dazu führen, dass ihr Betrieb nicht mehr wirtschaftlich weiterbetrieben werden kann. Diese wirtschaftlichen Nachteile stellen keine einzelfallbezogene besondere Härte i. S. d. § 22 Abs. 4 Satz 3 BauGB dar (BayVGH, B. v. 2.11.2011 – 2 ZB 10.2206 – juris Rn. 6).
4.2. Als besondere Härte kann auch nicht der von der Klägerin vorgetragene Umstand herangezogen werden, dass bei Erwerb des Grundstücks durch ihre Eltern im Jahr 1982 für das Gebiet der Beigeladenen noch keine Fremdenverkehrssatzung galt.
Maßgeblich ist insoweit nicht auf den Erwerb der Eltern der Klägerin im Jahr 1982, sondern auf den Erwerb der Klägerin selbst im Jahr 1990 abzustellen. In diesem Zeitpunkt war die Fremdenverkehrssatzung bereits in Kraft getreten und damit für die Klägerin in eigener Person klar zu ersehen, welche Bindungen mit dem Erwerb eines Fremdenverkehrsobjekts im Gebiet der Beigeladenen verbunden sind. Hieran ändert auch nichts der Umstand, dass die Fremdenverkehrssatzung aus dem Jahr 1989 unwirksam war, weil sie in der damaligen Fassung noch das gesamte Gemeindegebiet in ihren Geltungsbereich einbezogen hatte (s.o.). Denn die Klägerin musste damit rechnen, dass die Beigeladene durch Erlass einer neuen Fremdenverkehrssatzung am Schutz ihrer Gebiete mit Fremdenverkehrsfunktion festhalten würde (BayVGH, B. v. 2.11.2011 – 2 ZB 10.2206 – juris Rn. 5).
4.3. Eine besondere Härte begründet auch nicht die von der Klägerin angeführte unzureichende Alterssicherung.
Es ist bereits zweifelhaft, ob eine unzureichende Alterssicherung gegeben ist. Die von der Klägerin vorgelegte Renteninformation der Deutschen Rentenversicherung vom … Juni 2015 gibt nur den aktuellen Stand der zu erwartenden Regelaltersrente wieder, berücksichtigt aber nicht die bis zum Eintritt des Rentenalters noch zu tätigenden, weiteren Einzahlungen der Klägerin in die Rentenkasse, so dass zu erwarten ist, dass sich der angegebene Betrag von 453,- Euro noch erhöhen wird. Weiter kann die verheiratete Klägerin gegebenenfalls auch auf die Renten- oder sonstige Einkünfte ihres Ehemanns zurückgreifen. Ferner hat sie die Wohnung im Dachgeschoss durch Bruchteilsverkauf veräußert und verfügt nunmehr über die Einnahmen aus dem Verkauf.
Selbst wenn jedoch eine unzureichende Alterssicherung der Klägerin zu bejahen sein sollte, würde dies keine besondere Härte i. S. d. § 22 Abs. 4 Satz 3 BauGB darstellen. Soweit ersichtlich existiert zu dieser Frage bislang keine Rechtsprechung. Die Kommentarliteratur sieht eine Gefährdung der Alterssicherung teilweise als besondere Härte an (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a. a. O., § 22 BauGB Rn. 51). Das Gericht teilt diese Auffassung nicht. Ebenso wie zunehmendes Alter und ein sich verschlechternder Gesundheitszustand stellt eine unzureichende Alterssicherung keinen außergewöhnlichen Umstand und damit keine besondere Härte dar. Die unzureichende Alterssicherung ist vielmehr ein Problem, das viele Gewerbetreibende gleichermaßen treffen kann. Der jeweilige Gewerbetreibende kann über die Jahre hinweg absehen, dass die Renteneinnahmen gering ausfallen werden, und – gegebenenfalls unter Aufnahme einer weiteren Erwerbstätigkeit – entsprechend gegensteuern.
4.4. Im Übrigen handelt es sich bei der Härtefallregelung des § 22 Abs. 4 Satz 3 BauGB um eine Ermessensvorschrift. Um einen Anspruch der Klägerin auf Erteilung der Genehmigung zu erreichen, müsste eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegen. Dies ist nicht der Fall und wird selbst von der Klägerin nicht vorgetragen. Ihrem Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung hat das Landratsamt durch die Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid, in der Klageerwiderung und in der mündlichen Verhandlung Genüge getan.
5. Das Gericht hat die Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, weil es der Frage, ob die Gefährdung der Altersvorsorge eine besondere Härte i. S. d. § 22 Abs. 4 Satz 3 BauGB begründet, grundsätzliche Bedeutung beimisst und eine obergerichtliche Rechtsprechung hierzu nicht vorliegt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene, die keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124 und 124a Abs. 1 VwGO kann die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufungsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).
Über die Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 10.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG -).
Das Gericht setzt insoweit je Wohnung einen Streitwert i. H. v. 2.000,- Euro an.

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