Baurecht

Haftung für legislatives Unrecht und Werbeanlagensatzung

Aktenzeichen  11 O 2249/17 Ent

Datum:
1.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 19275
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 59 S. 1 Nr. 1, Art. 81 Abs. 1 Nr. 2
BauGB § 1 Abs. 3 S. 1, § 29, § 839
ZPO § 1
GG Art. 34 S. 3
GVG § 71 Abs. 2 Nr. 2
BauNVO § 1 Abs. 5, Abs. 9

 

Leitsatz

1 Amtspflicht ist jede persönliche Verhaltenspflicht des Amtsträgers bezüglich seiner Amtsführung. Die Verletzung dieser Pflicht kann sowohl durch ein positives Tun als auch durch Unterlassen erfolgen. Dabei trifft den Amtsträger die grundsätzliche Pflicht zu gesetzmäßigem Verhalten. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Im Rahmen der Haftung wegen Amtspflichtverletzung muss die Amtspflicht einem Dritten gegenüber bestehen, nicht nur gegenüber der Allgemeinheit oder der Behörde. Die Drittbezogenheit der Amtspflicht beantwortet sich danach, ob diese – wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch – den Zweck hat, das Interesse gerade dieses Geschädigten wahrzunehmen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3 Gesetze und Verordnungen enthalten durchweg generelle und abstrakte Regeln, und dementsprechend nimmt der Gesetzgeber – bei Tätigwerden und Untätigbleiben – idR ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahr, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei sog. Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen, kann etwas anderes in Betracht kommen und können Belange bestimmter Einzelner unmittelbar berührt werden. (Rn. 30 und 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und daher abzuweisen.
I.
Die Klage ist insgesamt zulässig, insbesondre ist das hier angerufene Landgericht München II gemäß § 1 ZPO i.V.m. § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG sachlich und nach §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig.
A)
Ausweislich des Art. 34 S. 3 GG darf der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten bei Schadensersatzklagen wegen Amtspflichtverletzung nicht ausgeschlossen werden. Auf Ebene des Verwaltungsverfahrensrechts setzt dies § 40 Abs. 2 S. 1 HS. 1 VwGO folgerichtig um. Denn nach dieser Norm ist der ordentliche Rechtsweg für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, gegeben. Vorliegend geht es um die zuletzt genannten Schadensersatzansprüche aus Amtspflichtverletzung, sodass der ordentliche Rechtsweg einschlägig ist. Innerhalb dieses Gerichtszweiges sind gem. § 1 ZPO i.V.m. § 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG die Landgerichte in 1. Instanz sachlich zuständig.
B)
Der u.a. für Gemeinden zugeschnittene § 17 Abs. 1 ZPO (vgl. Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, § 17, Rn. 1) führt zur örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts München II. Die Beklagte hat ihren Sitz im Bezirk dieses Gerichtes, sodass auch die örtliche Zuständigkeit desselben zu bejahen ist.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet und daher vollumfänglich abzuweisen.
A)
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG zu.
1. Durch Erlass der unwirksamen Werbeanlagensatzung hat die Beklagte keine der Klägerin gegenüber gerichtete Amtspflichtverletzung begangen.
a) Amtspflicht ist jede persönliche Verhaltenspflicht des Amtsträgers bezüglich seiner Amtsführung. Die Verletzung dieser Pflicht kann sowohl durch ein positives Tun als auch durch Unterlassen erfolgen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, § 839, Rn. 31). Dabei trifft den Amtsträger die grundsätzliche Pflicht zu gesetzmäßigem Verhalten (MüKoBGB/Papier/Shirvani BGB § 839 Rn. 193; Palandt/Sprau, BGB, § 839, Rn. 32).
Im Rahmen der Haftung wegen Amtspflichtverletzung, muss die Amtspflicht einem Dritten gegenüber bestehen, nicht nur gegenüber der Allgemeinheit oder der Behörde (Palandt/Sprau, BGB, § 839, Rn. 43). Es reicht nicht aus, dass jemand infolge eines Amtspflichtverstoßes nachteilig in seinen Belangen betroffen ist. Die Drittbezogenheit der Amtspflicht, beantwortet sich danach, ob die Amtspflicht – wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch – den Zweck hat, das Interesse gerade dieses Geschädigten wahrzunehmen. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis gehört, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht aus Amtspflichtverstoß. Hingegen ist anderen Personen gegenüber, selbst wenn die Amtspflichtverletzung sich für sie mehr oder weniger nachteilig ausgewirkt hat, eine Ersatzpflicht nicht begründet. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Anspruchssteller bestehen (vgl. hierzu BeckOK BGB/Reinert § 839 Rn. 60).
b) An dieser Drittgerichtetheit fehlt es hinsichtlich der unwirksamen Werbeanlagensatzung der Beklagten.
Die hier erkennende Kammer ist zwar an die Feststellungen des Bayerischen Verwaltungsgerichts München in Bezug auf die Unwirksamkeit der gemeindlichen Werbeanlagensatzung der Beklagten gebunden (siehe Palandt/Sprau, BGB, § 839, Rn. 87). Insoweit ist grundsätzlich von einem Amtspflichtverstoß seitens der Beklagten auszugehen, da diese ihre Pflicht zu gesetzmäßigem Verhalten missachtet hat.
Gleichwohl hat das hier angerufene Gericht über die übrigen Voraussetzungen des geltend gemachten Amtshaftungsanspruches, und insbesondere über die Drittgerichtetheit des festgestellten Amtspflichtverstoßes zu entscheiden. An dieser Drittgerichtetheit mangelt es hier.
aa) Der BGH hat bislang stets eine Haftung für legislatives und weitestgehend auch für normatives Unrecht mangels Drittbezogenheit abgelehnt (vgl. BGHZ 56, 40, 46 = NJW 1971, 1172, 1174 BGHZ 84, 292, 300 = NJW 1983, 215; BGHZ 87, 321, 335 = NJW 1988, 478, 482 BGH NJW 1989, 101; BGHZ 100, 136 = NJW 1987, 1875; BGHZ 102, 350 = NJW 1988, 478; BGHZ 125, 27, 38 = NJW 1994, 858 BGH BeckRS 2015, 08777 Rn. 32). Legislatives Unrecht betrifft verfassungswidrige förmliche Gesetze des Parlaments. Bei untergesetzlichen Normen, wie Rechtsverordnungen, Satzungen und Verwaltungsvorschriften, die gegen höherrangiges Recht verstoßen, spricht man von normativem Unrecht. Amtspflichten der öffentlichen Amtsträger dienen danach in erster Linie dem Interesse der Allgemeinheit an einem geordneten Gemeinwesen. Soweit sich die Amtspflichten darin erschöpfen, diesem Allgemeininteresse zu dienen, und noch keine besonderen Beziehungen zwischen diesen Amtspflichten und bestimmten Personen oder Personengruppen bestehen, kommen bei Verletzung solcher Amtspflichten Schadensersatzansprüche für außenstehende Dritte nicht in Betracht. Um derartige Amtspflichten handelt es sich im Allgemeinen bei den Pflichten, die für die dafür Verantwortlichen im Rahmen der Gesetzgebungsaufgaben bestehen. Gesetze und Verordnungen enthalten durchweg generelle und abstrakte Regeln, und dementsprechend nimmt der Gesetzgeber – bei Tätigwerden und Untätigbleiben – i.d.R. ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahr, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt.
Nur in Ausnahmefällen, etwa bei sog. Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen, kann etwas anderes in Betracht kommen und können Belange bestimmter einzelner unmittelbar berührt werden (Palandt/Sprau, BGB, § 839, Rn. 49).
bb) Die streitgegenständliche Werbeanlagensatzung richtet sich vor diesem Hintergrund ebenfalls grundsätzlich an die Allgemeinheit. Damit fehlt es am erforderlichen Drittbezug eines etwaigen Amtspflichtverstoßes.
Der Klägerin gelingt hier auch nicht der Nachweis einer Einzelfallregelung, die nur sie treffe. Zwar stellt sich die Klägerin auf den Standpunkt, dass die Satzung allein zur Verhinderung ihres Bauvorhabens erlassen worden ist und folglich eine reine Verhinderungsplanung darstelle.
Allerdings hat dies die Beklagte substantiiert bestritten. Sie hat vorgetragen, dass in den letzten Jahren vermehrt Anträge auf Außenwerbung gestellt worden seien. Vor diesem Hintergrund habe sie die Entscheidung getroffen, eine Satzung zur Zulässigkeit und Regelung dieser Werbeanlagen zu erlassen. Ferner habe sie die Satzung für das gesamte Gemeindegebiet erlassen, sodass keine Verhinderungsplanung gegeben sei.
In Anbetracht dieses substantiierten Bestreitens seitens der Beklagten, bleibt die Klägerin den Nachweis einer reinen Verhinderungsplanung schuldig. Bezeichnenderweise hat sie eine solche im verwaltungsgerichtlichen Verfahren überhaupt nicht vorgetragen. Erst im hiesigen Schadensersatzprozess wird dieser Einwand erhoben. Außerdem hat sich das Bayerische Verwaltungsgericht München mit der Frage der Verhinderungsplanung nicht beschäftigt und die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Satzung hiermit nicht begründet.
Doch selbst bei Zugrundelegung eines ausreichend substantiierten Vortrags der Klägerin, kommt eine Verhinderungsplanung der Beklagten vorliegend nicht in Betracht. Den Vorwurf einer am Maßstab von § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB unzulässigen Verhinderungs- bzw. Negativplanung muss eine Gemeinde nämlich nur dann gegen sich gelten lassen, wenn sie keine städtebaulichen Ziele verfolgt, wenn also die planerische Ausweisung in Wirklichkeit nicht gewollt ist, sondern die Regelung nur und ausschließlich getroffen wird, um eine andere Nutzung zu verhindern. Nicht erforderlich im Sinne dieser Bestimmung sind daher nur solche Bebauungspläne bzw. sonstige baurechtlich relevante Satzungen, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. Davon ist grundsätzlich erst auszugehen, wenn eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken. Ein solcher Fall ist aber nicht schon dann gegeben, wenn der Hauptzweck der Festsetzungen in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht. Eine Gemeinde darf mit der Bauleitplanung grundsätzlich auch städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielen. Es gibt insbesondere kein generelles Verbot negativer Festsetzungen. Denn bereits mit jeder positiven Ausweisung einer zulässigen Nutzung ist regelmäßig auch eine negative, andere Nutzungen ausschließende Wirkung verbunden. Wie § 1 Abs. 5, Abs. 9 BauNVO zeigt, geht der Normgeber selbst davon aus, dass positive, d.h. nicht von vornherein gegen § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB verstoßende Planungsziele auch durch rein negative Festsetzungen erreicht werden können. Der Gemeinde ist es grundsätzlich auch nicht verwehrt, auf Bauanträge mit einer Bauleitplanung zu reagieren, die diesen die materielle Rechtsgrundlage entziehen soll. Auch eine zunächst nur auf die Verhinderung einer – aus der Sicht der Gemeinde – auf eine Fehlentwicklung gerichtete Planung kann einen Inhalt haben, der rechtlich nicht zu beanstanden ist (siehe zum Ganzen exemplarisch: BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990 – 4 NB 8.90 – BayVBl. 1991, 280 ff. = juris Rn. 13 ff.; Beschluss vom 15.3.2012 – 4 BN 9.12 – BauR 2012, 1067 = juris Rn. 3; BayVGH, Urt. v. 12.12.2013 – 15 N 12.1020 – juris Rn. 19; VGH BW, Beschluss vom 24.4.2013 – 3 S 2404/12 – BauR 2013, 1635 ff. = juris Rn. 14).
An diesen Voraussetzungen fehlt es vorliegend. Der Beklagten ist es grundsätzlich nicht verwehrt auch aus Anlass eines konkreten Bauantrages eine baurechtliche Regelung zu treffen. Diese kann auch in der Verhinderung des jeweiligen Vorhabens liegen. Es ist völlig logisch und grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass es einer Gemeinde in Anbetracht eines konkreten Bauvorhabens möglich sein muss, hierauf bauplanungsrechtlich zu reagieren, um so ihre aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG i.V.m. §§ 1 Abs. 3, 2 Abs. 1 S. 1 BauGB entspringende gemeindliche Planungshoheit zu verwirklichen. Hierin liegt nicht bereits eine reine Verhinderungsplanung, sofern die gewählte planerische Konzeption tatsächlich gewollt ist.
So liegen die Dinge hier, denn die Beklagte wollte Fremdwerbung in überwiegend durch Wohnen geprägten Mischgebieten ausschließen. Ausgenommen war Werbung an der Stätte der Leistung. Damit hat die Beklagte – bei Zugrundelegung des klägerischen Vortrags – den Bauantrag der Klägerin zum Anlass genommen, um eine positive bauplanungsrechtliche Regelung zu treffen. Anhaltspunkte für eine bloße Verhinderung des klägerischen Vorhabens sind mithin nicht erkennbar. Eine Verhinderungsplanung scheidet folglich aus. Damit liegt aber auch ein womöglich die Drittgerichtheit der Amtspflicht begründendes Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen nicht vor.
2. Auch durch die Nichterteilung bzw. Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB hat die Beklagte keine Amtspflichtverletzung gegenüber der Klägerin verwirklicht. Damit fehlt es insoweit gleichfalls an einer konstitutiven Voraussetzung des geltend gemachten Amtshaftungsanspruches.
a) Ausweislich des verwaltungsgerichtlichen Urteils und entgegen der Ansicht der Klägerin, hat die Beklagte ihr Einvernehmen zum Vorhaben der Klägerin schon nicht verweigert. Vielmehr sei gem. § 36 Abs. 2 S. 2 BauGB von einer Fiktion des gemeindlichen Einvernehmens auszugehen, da die Beklagte ihr Einvernehmen nicht binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde verweigert hat. In der Zurückstellung des Bauantrags liege laut dem Bayerischen Verwaltungsgericht München schon begrifflich keine Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens.
Überdies sei die Fiktionswirkung des § 36 Abs. 2 S. 2 BauGB selbst bei angenommener Verweigerung der Beklagten eingetreten, weil diese nicht rechtzeitig erfolgt sei.
Damit steht auch für das hiesige Gericht fest, dass es an einer Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens seitens der Beklagten fehlt. Zwar hat die Baugenehmigungsbehörde ihren Ablehnungsbescheid u.a. auf das fehlende gemeindliche Einvernehmen gestützt. Allerdings hätte es hier die Fiktionswirkung des § 36 Abs. 2 S. 2 BauGB erkennen müssen. Jedenfalls liegt aufgrund der genannten Fiktionswirkung schon per se kein Amtspflichtverstoß seitens der Beklagten vor. Denn entgegen der Ansicht der Klägerin hat diese ihr Einvernehmen nicht verweigert. Vielmehr galt ihr Einvernehmen gem. § 36 Abs. 2 S. 2 BauGB als erteilt.
b) Doch selbst bei angenommener Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens, fehlt es an der Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht von Seiten der Beklagten.
aa) Mit seinem Grundsatzurteil vom 16.10.2010 (Az.: III ZR 29/19) hat der BGH entschieden, dass der Gemeinde im Baugenehmigungsverfahren bei der Verweigerung ihres gemeindlichen Einvernehmens keine den Bauwilligen schützende Amtspflichten obliegen, wenn die Baugenehmigungsbehörde nach § 36 Abs. 2 S. 3 BauGB i.V.m. den jeweils einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften das rechtswidrig verweigerte Einvernehmen ersetzen kann.
Der BGH führt insoweit aus, dass nach dessen ursprünglicher Rechtsprechung zum § 36 BauGB in der bis zum Inkrafttreten des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 vom 18. August 1997 (BGBl. 1997 I S. 2081) geltenden Fassung, eine Amtspflichtverletzung der das Einvernehmen versagenden Gemeinde in Betracht kam, wenn dies Bindungswirkung für die Baugenehmigungsbehörde hat. Der auf der Planungshoheit beruhenden Beteiligung der Gemeinde am Baugenehmigungsverfahren könne nämlich im Falle der Versagung des Einvernehmens eine für den Bauwilligen ausschlaggebende Bedeutung zukommen, wenn die Baugenehmigungsbehörde nach der Rechtslage gehindert ist, eine Baugenehmigung auszusprechen, solange die Gemeinde ihr Einvernehmen nicht erklärt hat (übereinstimmende Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesgerichtshofs; vgl. z.B. BVerwGE 22, 342, 345 ff; BVerwG UPR 1992, 234, 235; Senatsurteile vom 29. September 1975 – III ZR 40/73, BGHZ 65, 182, 186; vom 18. Dezember 1986 – III ZR 174/85, BGHZ 99, 262, 273; vom 21. Mai 1992 – III ZR 14/91, BGHZ 118, 263, 265; vom 13. Oktober 2005 – III ZR 234/04, NVwZ 2006, 1177).
Diesen Ansatz hob der BGH mit dem eingangs genannten Grundsatzurteil für die Konstellation auf, in welcher sich die Baugenehmigungsbehörde nach den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften über das versagte Einvernehmen der Gemeinde durch Ersetzung desselben hinwegsetzen kann. Denn soweit der Baugenehmigungsbehörde die Befugnis eingeräumt ist, das versagte gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen, wird ihre Prüfungs- und Entscheidungskompetenz erweitert. Sie umfasst nicht nur die Frage, ob ein gemeindliches Einvernehmen erforderlich ist, sondern auch, ob die Verweigerung der Gemeinde rechtswidrig war. Die Bindungswirkung der negativen Entscheidung der Gemeinde für die Baugenehmigungsbehörde ist folglich aufgehoben. Die Behörde ist mithin nicht mehr unter Umständen gezwungen, den Antrag auf Genehmigung eines an sich genehmigungsfähigen Bauvorhabens sehenden Auges allein wegen des rechtswidrig verweigerten Einvernehmens abzulehnen. Der maßgebliche Grund für die Annahme einer drittgerichteten Amtspflicht seitens der Gemeinde bei der Entscheidung über die Erteilung des Einvernehmens und damit ihrer haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit zum Bauherren – die Bindungswirkung ihrer Versagung für die Baugenehmigungsbehörde, obschon es sich bei dem gemeindlichen Einvernehmen nur um ein Verwaltungsinternum handelt – ist laut BGH dementsprechend entfallen (vgl. zu allem BGH Urt. v. 16.09.2010, Az.: III ZR 29/10).
Vorliegend ist bei Zugrundelegung des klägerischen Vortrags genau diese Konstellation gegeben. Ausweislich des Art. 67 Abs. 1 BayBO steht den Baugenehmigungsbehörden in Bayern die oben genannte Ersetzungsbefugnis zu. Damit greift der vom BGH aufgestellte Grundsatz, dass allein die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit der Baugenehmigungsbehörde begründet ist, weil sie in eigener Verantwortung über die Baugenehmigung zu befinden hat und die Prüfungskompetenz nicht hinter derjenigen der Gemeinde zurückbleibt. Daneben kommt ein Haftung der Gemeinden und folglich der hiesigen Beklagten wegen Versagung ihres Einvernehmens zum Bauvorhaben der Klägerin nicht mehr in Betracht.
bb) Entgegen der Ansicht der Klägerin, hat die Beklagte den für einen Amtshaftungsanspruch erforderlichen Drittbezug auch nicht durch Erlass der unwirksamen Werbeanlagensatzung hergestellt.
Insoweit ist auf ein Urteil vom 25.10.2012 (Az.: III ZR 29/12) zu verweisen, in welchem der BGH seine obige Rechtsprechung fortgesetzt hat. Nach dem genannten Urteil komme eine drittgerichtete Amtspflichtverletzung der Gemeinden selbst dann nicht in Betracht, wenn die Gemeinde die Versagung ihres Einvernehmens mit einem ihrer Bebauungspläne begründet und dieser Bebauungsplan unwirksam ist.
In dem vom BGH entschiedenen Fall stützte die beklagte Gemeinde die Verweigerung ihres Einvernehmens darauf, dass die geplanten Bauvorhaben den Festsetzungen im einfachen Bebauungsplan widersprachen. Da dieser jedoch, in den für die Beurteilung der Vorhaben bedeutsamen Punkten unwirksam war, war auch die Verweigerung des Einvernehmens rechtswidrig. Demgemäß bestand für das Landratsamt gemäß Art. 74 Abs. 1 BayBO a.F. das Recht und die Pflicht, das gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen. Dies selbst vor dem Hintergrund, dass der Baugenehmigungsbehörde keine Normverwerfungskompetenz zusteht (vgl. BGH Urt. v. 25.03.2004 – III ZR 227/02, NVwZ 2004, 1143, 1144; BayVGH, BayVBl. 1982, 654; BayVBl. 1993, 626). Mit der fehlenden Normverwerfungskompetenz stehe laut BGH jedoch nicht fest, dass die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen der Prüfung der Erteilung der beantragten Baugenehmigung und – damit in Zusammenhang stehend – der Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens einen von ihr für unwirksam gehaltenen Plan zugrunde zu legen oder eine auf diesen Plan gestützte Verweigerung des Einvernehmens zu beachten hat. Vielmehr handeln die Bediensteten der Baugenehmigungsbehörde amtspflichtwidrig, wenn sie einen unwirksamen Bebauungsplan anwenden. Hinsichtlich der Unwirksamkeit des Bebauungsplans kommt der Bauaufsichtsbehörde eine Prüfungskompetenz zu. Erkennt die Baugenehmigungsbehörde die Unwirksamkeit, hat sie laut BGH die Gemeinde und die Kommunalaufsicht von ihren Bedenken zu unterrichten. Die Gemeinde hat den Bebauungsplan aufzuheben, soweit sie sich nicht dafür entscheidet, – soweit möglich – die die Nichtigkeit begründenden behebbaren Fehler zu beseitigen (vgl. BVerwGE 75, 142, 145). Sollte sich die Gemeinde der Rechtsauffassung der Baugenehmigungsbehörde nicht anschließen, kann die Kommunalaufsicht die gesetzwidrigen Satzungsbeschlüsse der Gemeinde beanstanden und deren Aufhebung innerhalb angemessener Frist verlangen (vgl. BVerwG NVwZ 1993, 1197). Soweit die Frist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO noch nicht abgelaufen ist, kommt auch ein eigener Normenkontrollantrag der Baugenehmigungsbehörde gegen den von ihr als unwirksam erkannten Bebauungsplan in Betracht (vgl. BVerwG NVwZ 1989, 654 f; 1990, 57 f). Auf diesen genannten Wegen kann die Baugenehmigungsbehörde die Beseitigung des Bebauungsplans erreichen und so die Voraussetzungen sowohl für die Erteilung der Baugenehmigung als auch – sofern dann noch erforderlich – für die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens schaffen (vgl. hierzu BGH Urt. v. 25.10.2012, Az.: III ZR 29/12).
Der BGH schließt hieraus, dass das für die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens zuständige Landratsamt auch ohne eine eigene Verwerfungskompetenz nicht gehindert ist, das gemeindliche Einvernehmen nach Durchführung entsprechender vorbereitender Verfahrensschritte zu ersetzen. Deshalb hat die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens auch in dieser Konstellation keine Bindungswirkung für das Landratsamt, das zunächst die Amtspflicht hat, für eine Aufhebung des Bebauungsplans zu sorgen, um dann anschließend das gemeindliche Einvernehmen zu ersetzen und die beantragte Genehmigung zu erteilen. Mangels entsprechender Bindungswirkung stellte sich die Verweigerung des Einvernehmens durch die Gemeinde auch bei dieser Sachlage als reines Verwaltungsinternum mit der Folge dar, dass sie mit dieser Maßnahme keine ihr gegenüber der Klägerin obliegende drittgerichtete Amtspflicht verletzt hat.
Die eben dargelegten Grundsätze lassen sich auf den hiesigen Fall übertragen. Bebauungsplan und Werbeanlagensatzung sind anerkannte bauplanungsrechtliche Instrumente. Da beide als Satzung erlassen werden (vgl. für den Bebauungsplan § 10 Abs. 1 BauGB), bestehen folglich keine durchgreifenden Unterschiede. Selbst für den Fall also, dass von einer rechtzeitigen Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens auszugehen und dieses mit der unwirksamen Werbeanlagensatzung der Beklagten begründet worden wäre, käme eine Haftung der Beklagten nicht in Betracht. Denn das zuständige Landratsamt hätte Maßnahmen der Kommunalaufsicht oder aber ein Normenkontrollverfahren einleiten und so die Voraussetzungen für die Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens schaffen können. Vor diesem Hintergrund kommt in Übereinstimmung mit der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung auch eine Haftung der Beklagten neben der Baugenehmigungsbehörde nicht in Betracht. Mangels drittgerichteter Amtspflicht bleibt es vielmehr bei der Alleinhaftung der Baugenehmigungsbehörde, die hier nicht streitgegenständlich ist.
c) Mit Teilen der Literatur (vgl. exemplarisch Singbartl/Whowsky, Amtshaftung bei der Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens in der jüngeren Rechtsprechung des BGH, NVwZ 2013, 1525 ff.) mag dieses Ergebnis für den Bauwilligen – hier mithin die Klägerin – befremdlich wirken. Denn in Anbetracht der eben aufgezeigten Rechtsprechungslinie des BGH wird die Klägerin hinsichtlich etwaiger Amtshaftungsansprüche nunmehr allein auf die Baugenehmigungsbehörde verwiesen, obgleich diese die rechtswidrige Satzung selbst nicht erlassen hat und die Satzung mangels Normverwerfungskompetenz auch nicht einfach unangewendet lassen darf. Damit scheint es so, dass der eigentlich „Schuldige“ – hier die die Satzung erlassende Beklagte – einen „Freibrief“ erhält, während die Voraussetzungen eines amtshaftungsrechtlichen Anspruches gegen das Haftungssubjekt Baugenehmigungsbehörde mangels Verschuldens oder Kausalität üblicherweise nicht vorliegen werden, sodass der Bauwillige letztlich den Eindruck gewinnt, dass er trotz eines verwaltungsgerichtlich bestätigten Fehlverhaltens letztlich keinen Ausgleich für den von ihm erlittenen Schaden erhält.
Gleichwohl ist dieser Rechtsprechung zu folgen. Denn der Bauwillige muss erkennen, dass das verwaltungsgerichtliche Verfahren einerseits und das vor den Zivilgerichten geführte Amtshaftungsverfahren andererseits zwei völlig verschiedene Verfahren sind, die sich nach gänzlich unterschiedlichen Normen richten. Während das Verwaltungsgericht im Rahmen der in diesen Fällen üblichen Verpflichtungsklage lediglich prüft, ob die Baugenehmigungsbehörde zur Erteilung der begehrten Baugenehmigung verpflichtet ist, muss das Zivilgericht darüber entscheiden, ob die ursprüngliche Ablehnung des Bauantrags zu einem Amtshaftungsanspruch führt. Damit steht mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil – wie die Klägerin womöglich meinen könnte – gerade noch nicht fest, dass auch von Seiten der Beklagten Schadensersatz wegen eines Amtspflichtverstoßes geschuldet ist. Denn dieser Anspruch verlangt eine Reihe weiterer Voraussetzungen, die das Verwaltungsgericht überhaupt nicht prüft.
Ferner streiten die besseren Argumente für die Ansicht des BGH. Durch die durch Landesrecht den Baugenehmigungsbehörden eingeräumte Befugnis, ein rechtswidrig versagtes gemeindliches Einvernehmen zu ersetzen, wirkt sich diese Versagung tatsächlich nicht mehr auf den Bauwilligen aus. Alleiniger Entscheidungsträger ist damit die Baugenehmigungsbehörde. Haftungsrechtlich hat mithin allein sie drittgerichtete Amtspflichten bei ihrer Entscheidung und verfahrensrechtlichen Vorgehensweise zu berücksichtigen. Die Gemeinde trifft hingegen tatsächlich keine Amtspflicht gegenüber dem Bauwilligen. Da auch eine Haftung für legislatives und normatives Unrecht grundsätzlich nicht besteht, ist es nur folgerichtig, dass der BGH in dieser Konstellation ebenfalls die Haftung der Gemeinden verneint, selbst wenn die Versagung des Einvernehmens mit einer unwirksamen baurechtlichen Satzung begründet wird. Dogmatisch ist diese Entscheidung mithin völlig richtig. Andernfalls würde in derartigen Fällen durch die Hintertür doch eine allgemeine Haftung für normatives Unrecht in das Haftungssystem eingeführt, welche dem deutschen Recht grundsätzlich nicht bekannt ist und daher auf wenige Ausnahmefälle – insbesondere bei Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen – beschränkt bleiben muss. Da ein solcher Ausnahmefall wie gesehen hier nicht gegeben ist, bleibt es bei dem Grundsatz, dass die Beklagte aufgrund gegebener Ersetzungsbefugnis der Baugenehmigungsbehörde und der Möglichkeit kommunalaufsichtsrechtlichen Einschreitens gegen die unwirksame Satzung dem Bauwilligen und folglich der hiesigen Klägerin gegenüber nicht haftet.
Durch dieses Ergebnis steht die Klägerin auch nicht schutzlos. Denn mit dem BGH verbleibt ihr die Möglichkeit die Baugenehmigungsbehörde in Anspruch zu nehmen. Gleichwohl müssten auch der Genehmigungsbehörde gegenüber die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruches erfüllt sein. Denn auch insoweit ist mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil noch keine Aussage hinsichtlich eines etwaigen Schadensersatzanspruches wegen Amtspflichtverletzung getroffen.
B)
Da schon aus Rechtsgründen eine Haftung der Beklagten dem Grunde nach ausscheidet, muss auf die geltend gemachte Schadenshöhe grundsätzlich nicht mehr eingegangen werden.
Gleichwohl ist diese für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar. Mangels Vorlage konkreter Vergleichszahlen, waren die Angaben der Klägerin nicht belastbar. Außerdem waren die Ausführungen der Klägerin in deren Schriftsatz vom 10.05.2017 nicht nachzuvollziehen, wonach an Stelle der ursprünglich versehentlich in der Klageforderung nicht in Abzug gebrachten Stromkosten von 509,00 € nunmehr ein weiterer Schaden entstanden sein soll, der diesen Betrag mehr als kompensieren solle, sodass es beim ursprünglichen Zahlungsbetrag bleibe. Statt Aufrechterhaltung des von Beginn an geltend gemachten Betrages, wäre hier eine konkrete Berechnung angezeigt gewesen. Mangels einer solchen, ist der Vortrag der Klägerin zum erlittenen Schaden wohl eher unschlüssig.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.

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