Baurecht

Herstellungsbeitrag für die Wasserversorgungseinrichtung

Aktenzeichen  B 4 K 15.213

Datum:
20.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KommZG KommZG Art. 26 Abs. 1 S. 1
KAG Art. 2 Abs. 1, Art. 5
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 154 Abs. 1, § 159 S. 2

 

Leitsatz

Die Frage, ob ein Gebäude oder ein selbstständiger Gebäudeteil nach der Art seiner Nutzung einen Bedarf nach Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung oder Entwässerungsanlage auslöst, ist nach objektiven Gesichtspunkten typisierend zu entscheiden.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Bescheid des Beklagten vom 15.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Bayreuth vom 11.03.2015 nicht aufzuheben, weil er rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt.
Gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 1 KommZG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG kann der Beklagte aufgrund einer besonderen Abgabesatzung, welche die Schuldner, den die Abgabe begründenden Tatbestand, den Maßstab, den Satz der Abgabe sowie die Entstehung und die Fälligkeit der Abgabeschuld bestimmen muss, zur Deckung des Aufwands für die Herstellung seiner öffentlichen Wasserversorgungseinrichtung Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung besondere Vorteile bietet. Ein zusätzlicher Beitrag entsteht gemäß Art. 5 Abs. 2a Satz 1 KAG in Verbindung mit § 5 Abs. 9 Satz 1 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung des Beklagten vom 06.10.2010 (BGS-WAS), wenn sich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände nachträglich ändern und sich dadurch der Vorteil erhöht. Maßgeblich für die Beitragsbemessung sind gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 2 KAG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 BGS-WAS die Grundstücksfläche und die zulässige Geschossfläche, wobei gemäß § 5 Abs. 2 Satz 5 BGS-WAS die im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld vorhandene Geschossfläche zugrunde zu legen ist, wenn sie größer ist als die zulässige Geschossfläche. Dementsprechend entsteht gemäß § 5 Abs. 9 Satz 2 Spiegelstriche 1 und 2 BGS-WAS ein zusätzlicher Beitrag insbesondere im Fall der Vergrößerung eines Grundstücks für die zusätzlichen Flächen, soweit für diese bisher noch keine Beiträge geleistet wurden (1.1), sowie für die zusätzlichen Geschossflächen, wenn sich die zulässige Geschossfläche durch die konkrete Bebauung auf dem Grundstück später vergrößert (1.2).
1.1 Grundstück ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 der Wasserabgabesatzung des Beklagten vom 30.09.1994 (WAS) jedes räumlich zusammenhängende und einem gemeinsamen Zweck dienende Grundeigentum desselben Eigentümers, das eine selbstständige wirtschaftliche Einheit bildet, auch wenn es sich um mehrere Grundstücke oder Teile von Grundstücken im Sinne des Grundbuchrechtes handelt. Demgemäß wird ein Grundstück außer bei der buchmäßigen Erweiterung seiner Fläche auch dann vergrößert, wenn zusammen mit der zusätzlichen Fläche eine wirtschaftliche Einheit neu entsteht oder eine bestehende wirtschaftliche Einheit erweitert wird (Thimet, Kommunalabgaben und Ortsrecht in Bayern, Stand März 2016, Teil IV Art. 5 Abschnitt A Frage 17 Ziffer 3.1.).
Durch die Errichtung der Abbund- und Lagerhalle auf dem Grundstück Fl.-Nr. … unter geringfügiger Überbauung des Grundstücks Fl.-Nr. … wurde die mit Bescheid vom 27.10.1998 abgerechnete wirtschaftliche Grundstückseinheit erweitert, weil sich nunmehr der Zimmerei- und Treppenbaubetrieb der Kläger auch auf das Grundstück Fl.-Nr. … erstreckt mit der Folge, dass die räumlich zusammenhängenden Grundstücke Fl.-Nrn. … und … mit einer Gesamtfläche von 3.244 qm einem gemeinsamen Zweck dienen.
Die zusätzliche gemäß § 5 Abs. 9 Satz 2 Spiegelstrich 1 BGS-WAS beitragspflichtige Grundstücksfläche von 1.143 qm hat der Beklagte zutreffend unter Anwendung der Tiefenbegrenzung gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 6 KAG in der ab 01.01.1999 geltenden Fassung in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Sätze 2 und 4 BGS-WAS ermittelt.
1.2 Durch die Errichtung der Abbund- und Lagerhalle hat sich auch die zulässige Geschossfläche gemäß § 5 Abs. 9 Satz 2 Spiegelstrich 2 BGS-WAS vergrößert. Zwar wird gemäß § 5 Abs. 7 Satz 1 BGS-WAS die Geschossfläche der auf dem heranzuziehenden Grundstück vorhandenen Gebäude oder selbstständigen Gebäudeteile, die nach Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Anschluss an die Wasserversorgung haben oder nicht angeschlossen werden dürfen, von der für das Grundstück ermittelten zulässigen Geschossfläche abgezogen und der Beitragsberechnung nicht zugrunde gelegt. Die Abbund- und Lagerhalle darf aber an die Wasserversorgung angeschlossen werden und hat auch einen Anschlussbedarf.
Die Frage, ob ein Gebäude oder ein selbstständiger Gebäudeteil nach der Art seiner Nutzung einen Bedarf nach Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung oder Entwässerungsanlage auslöst, ist nach objektiven Gesichtspunkten typisierend zu entscheiden. Es kommt nicht auf eine gegenwärtig tatsächlich möglicherweise gerade einschränkende Nutzung an, vielmehr ist aufgrund objektivierender Betrachtungsweise nach der bestimmungsgemäßen, baurechtlich genehmigten Nutzung eines Gebäudes oder selbstständigen Gebäudeteils zu fragen (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH, Beschluss vom 11.11.2002 – 23 ZB 02.1417, juris Rn. 4 und Beschluss vom 10.01.2012 – 20 ZB 11.2816, juris Rn. 5). Damit kann dahingestellt bleiben, ob die streitgegenständliche Halle derzeit nach dem gegenwärtigen Betriebskonzept des Klägers zu 1 höchstens zu 10% und im Wesentlichen von ihm selbst für Abbundarbeiten genutzt wird und weit überwiegend als Lagerhalle dient. Entscheidend ist die baurechtlich genehmigte Nutzung als Abbund- und Lagerhalle, die einen ständigen oder jedenfalls überwiegenden Aufenthalt einer oder mehrerer Person(en) während der üblichen Arbeitszeiten in der Halle zulässt, so dass für diese nach der Arbeitsstättenverordnung unter anderem Waschräume oder zumindest Waschgelegenheiten sowie Toilettenräume erforderlich sind, was den Bedarf nach einem Anschluss der Halle an die öffentliche Wasserversorgung auslöst. Das Vorhandensein sanitärer Einrichtungen in einem anderen Gebäude oder Gebäudeteil ändert nichts am grundsätzlichen Anschlussbedarf.
Scheitert somit die Geschossflächenbeitragsfreiheit der Abbund- und Lagerhalle schon am Anschlussbedarf, kommt es nicht mehr darauf an, ob es sich überhaupt um ein selbstständiges Gebäude oder einen selbstständigen Gebäudeteil handelt.
Umgekehrt verhält es sich bei der zusätzlich errichteten, dem Beklagten erst im Zusammenhang mit der Abbund- und Lagerhalle bekannt gewordenen Garage. Sie hat nach Art ihrer Nutzung zwar keinen Bedarf nach Anschluss an die Wasserversorgung, ist aber kein selbstständiger Gebäudeteil, weil sie durch Verbindungstüren sowohl mit dem Wohnhaus als auch mit der Werkstatt baulich und funktionell verbunden ist.
Die Nacherhebung unter Ansatz der vorhandenen Geschossflächen von Halle und Garage verletzt die Kläger trotz des Beitragsmaßstabes „zulässige Geschossfläche“ jedenfalls nicht in ihren Rechten, weil gemäß § 5 Abs. 2 Satz 5 BGS-WAS die im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld vorhandene Geschossfläche zugrunde zu legen ist, wenn sie größer ist als die zulässige Geschossfläche. Die Heranziehung einer kleineren als der vorhandenen Geschossfläche scheidet demnach aus.
2. Nach alledem sind die Klagen mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 in Verbindung mit § 159 Satz 2 VwGO, wonach die Kläger als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner tragen, abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO.

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