Baurecht

Herstellungsbeitrag für Wasserversorgungsanlage bei Neubau einer Pferdebewegungshalle

Aktenzeichen  M 10 K 16.81

Datum:
14.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG BayKAG Art. 2 Abs. 1, Abs. 2, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Durch eine zusätzlich geschaffene Geschossfläche wird auch der durch die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentliche Wasserversorgungsanlage vermittelte Vorteil erhöht. (redaktioneller Leitsatz)
Bei einer Reit- und Bewegungshalle für Pferde handelt es sich grundsätzlich um ein Gebäude, das nach der Art seiner Nutzung einen Bedarf nach Anschluss an die Wasserversorgung auslöst. (redaktioneller Leitsatz)
Die zum Wasserversorgungsbeitrag heranziehbare Grundstücksfläche für ein bebautes Grundstück im Außenbereich bestimmt sich nach dem so genannten angemessenen Umgriff zur vorhandenen Bebauung. Danach ist die beitragspflichtige Fläche jeweils im Einzelfall zu bestimmen. (redaktioneller Leitsatz)
Bei der Festlegung der Umgriffsfläche steht der Gemeinde bzw. einem Zweckverband ein Beurteilungsspielraum zu, im Rahmen dessen insbesondere die erforderlichen Abstandsflächen der Bebauung und die befestigten Flächen unter Einbeziehung aller Gebäude, die im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle eines landwirtschaftlichen Betriebes stehen, einzubeziehen sind. Dabei ist es sachgerecht, wegen des Funktionszusammenhangs auch befestigte Flächen zu berücksichtigen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Bescheid vom 10. Juli 2013 des Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes … vom 8. Dezember 2015, mit dem gegenüber der Klägerin ein Herstellungsbeitrag in Höhe von 14.494,80 Euro für die öffentliche Entwässerungsanlage festgesetzt wurden, wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu 2/3, die Klägerin zu 1/3 zu tragen.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache teilweise Erfolg.
1. Der angefochtene Nacherhebungsbescheid vom 10. Juli 2013, der für den Neubau der Reit- und Bewegungshalle einen Herstellungsbeitrag für die Wasserversorgungsanlage in Höhe von 6.987,83 Euro festsetzt, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
a. Nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Kommunalabgabengesetz (KAG) können die Gemeinden zur Deckung ihres Aufwands für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet.
Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte Gebrauch gemacht durch den Erlass ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung (BGS-WAS) vom 16. Dezember 2009. Die Regelungen im Beitragsteil der BGS-WAS sind nicht zu beanstanden. Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen dieser Satzung sowie gegen die materiell-rechtliche Wirksamkeit der entscheidungserheblichen Satzungsregelungen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
b. Die BGS-WAS vom 16. Dezember 2009 wurde in dem angefochtenen Bescheid vom 10. Juli 2013, der einen Herstellungsbeitrag für die Wasserversorgungsanlage festsetzt, auch richtig vollzogen.
aa. Die Errichtung der Pferdebewegungs- und Trainingshalle hat einen zusätzlichen Geschossflächenbeitrag ausgelöst.
Nach § 5 Abs. 6 BGS-WAS entsteht ein zusätzlicher Beitrag mit der nachträglichen Änderung der für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände, insbesondere im Fall der Vergrößerung eines Grundstücks oder im Fall einer Geschossflächenvergrößerung jeweils für die zusätzlichen Flächen, soweit sich dadurch der Vorteil erhöht.
Durch den Bau der Pferdebewegungs- und Reithalle wurde die auf dem streitgegenständlichen Grundstücke vorhandene Geschossfläche vergrößert; bei der Halle handelt es sich um ein Gebäude. Nach der baurechtlichen Definition in Art. 2 Abs. 2 BayBO sind Gebäude benutzbare, überdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden können; dieser baurechtliche Begriff ist auch für den Vollzug von Beitrags- und Gebührensatzungen maßgeblich (vgl. schon BayVGH, U. v. 8.8.1986 – 23 B 85 A.1358 – juris). Die Reithalle stellt hier unstreitig eine solche Anlage dar.
Durch diese zusätzlich geschaffene Geschossfläche wurde auch der durch die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentliche Wasserversorgungsanlage vermittelte Vorteil erhöht. Denn es handelt sich bei der hier streitgegenständlichen Bewegungshalle um ein Gebäude, das nach der Art seiner Nutzung einen Bedarf nach Anschluss an die Wasserversorgung auslöst (vgl. Art. 5 Abs. 2 Satz 4 KAG, § 5 Abs. 2 Satz 4 BGS/WAS).
Zur Klärung der Frage, ob ein Gebäude nach der Art seiner bestimmungsgemäßen Nutzung einen Bedarf nach einem Anschluss an die Wasserversorgung auslöst, ist auf objektive Gesichtspunkte und auf eine typisierende Betrachtung abzustellen (vgl. z. B. BayVGH, U. v. 5.6.2002 – 23 B 02.344 – juris Rn. 31).
In ständiger Rechtsprechung gehen sowohl die befassten Verwaltungsgerichte als auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich davon aus, dass Reit- und Bewegungshallen für Pferde nach der Art ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung regelmäßig einen Wasserversorgungsbedarf auslösen. Explizit hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 25. Oktober 2001 – 23 B 01.1588 – (juris Rn. 24 m. w. N.) angenommen, dass eine Beregnung für Reithallen in aller Regel notwendig ist. Diese Annahme stützte sich im Wesentlichen auf eine in dem vorangegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren (VG München, U. v. 26.4.2001 – M 10 K 00.3598) eingeholte Stellungnahme der Bayerischen Landesanstalt für Tierzucht vom 7. März 2001, wonach ohne regelmäßige Bewässerung der Boden einer Reit-/Pferdebewegungshalle zu stark austrockne und zu großer Staubentwicklung in der Halle führe; das Einatmen des Staubes sei Menschen und Pferden nicht zuzumuten und widerspreche auch dem Tierschutzgesetz, weil dadurch den Pferden vermeidbare Leiden und Schäden zugefügt würden. Außerdem gehe durch das Austrocknen die Tretschicht sehr viel schneller kaputt, und darüber hinaus verliere der Boden an Elastizität und auch Rutschfestigkeit, wodurch die Gesundheit der Pferde im Fundament in Mitleidenschaft gezogen werde und erhöhte Unfallgefahr entstehe.
In einem Beschluss vom 29. Oktober 2001 – 23 B 00.3398 – (juris Rn. 3; Kostenentscheidung nach Hauptsacheerledigung) ließ der Verwaltungsgerichtshof offen, ob es im Einzelfall Bodenbeläge oder Bodenbeschaffenheiten geben könne, die eine Bewässerung ausnahmsweise nicht erforderlich machten, oder ob trotz solcher besonderer Gegebenheiten im Ergebnis doch aufgrund typisierender Betrachtung entsprechend der Auffassung der Bayerischen Landesanstalt für Tierzucht doch Bewässerungsbedarf anzunehmen sei, z. B. bei kurzfristigen Hitzeperioden.
Im hier zu entscheidenden Fall hat die Klägerin ausführen lassen, dass die Reithalle über eine Beregnungsanlage verfüge und der Bodenbelag, der aus verschiedenen Schichten bestehe, auch regelmäßig gewässert werde. Die Befeuchtung erfolge allerdings über eine Versorgung mit Niederschlagswasser; ein Anschluss an die Wasserversorgunganlage des Beklagten bestehe nicht. Damit hat die Klägerin zugestanden, dass ein Wasserbedarf für die streitgegenständlich Halle besteht. Eine Abweichung von der typisierenden Betrachtung kann daher nicht vorgenommen werden.
Es kommt dabei nicht darauf an, dass der Wasserbedarf nach Angaben der Klägerin durch die eigene Versorgung mit Niederschlagswasser tatsächlich gedeckt wird. Ein Ausnahmetatbestand im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 4 BGS-WAS liegt schon dann nicht vor, wenn überhaupt ein Wasserbedarf besteht. Es wird, wie schon vorstehend dargelegt, hier der Vorteil abgegolten, der dadurch entsteht, dass die Möglichkeit besteht, die Halle durch die öffentliche Wasserversorgungsanlage zu beregnen (vgl. VG München, U. v. 20.8.2009 – M 10 K 08.5131 – juris Rn. 37).
Durch den Bau der Reit- und Bewegungshalle wurde daher ein weiterer Geschossflächenbeitrag ausgelöst.
bb. Der Beklagte hat im Bescheid vom 10. Juli 2013 auch die Vergrößerung der beitragspflichtigen Grundstücksfläche im Sinne von § 5 Abs. 5 Satz 1 und 2 BGS-WAS zutreffend veranlagt; namentlich hat er unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung richtig erkannt, dass sich infolge der Errichtung der Reit- und Bewegungshalle auch der beitragsrechtlich insoweit maßgebliche Umgriff um 3.263 m² erweitert hat.
Das klägerische Grundstücke FlNr. … der Gemarkung …, auf denen die Reit- und Bewegungshalle errichtet wurde, ist bauplanungsrechtlich dem Außenbereich zuzurechnen (vgl. Aktenvermerk zur Ortsbesichtigung, Seite 86 der Behördenakte).
Nach ständiger Rechtsprechung bestimmt sich die zum Beitrag heranziehbare Grundstücksfläche für ein bebautes Grundstück im Außenbereich nach dem so genannten angemessenen Umgriff zur vorhandenen Bebauung. Danach ist die beitragspflichtige Fläche jeweils im Einzelfall zu bestimmen. Bei der Festlegung der Umgriffsfläche steht der Gemeinde bzw. hier dem Zweckverband ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Zu berücksichtigen sind insbesondere die erforderlichen Abstandsflächen der Bebauung und die befestigten Flächen unter Einbeziehung aller Gebäude, die im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle eines landwirtschaftlichen Betriebes stehen. Dabei ist es sachgerecht, wegen des Funktionszusammenhangs auch befestigte Flächen zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, B. v. 22.8.2006 – 23 ZB 06.1544 – juris Rn.5 ff.; VG München, U. v. 24.9.2015 – M 10 K 14.2079 – juris Rn. 52).
Angesichts dieser Vorgaben hat der Beklagte zutreffend sämtliche Flächen mit einbezogen, die befestigt sind und im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Pferdepensionshaltung der Klägerin stehen. Insbesondere konnte auch die Grundstücksfläche des befestigten Longierzirkels und die Fläche um den Longierzirkel im Norden der Reithalle Berücksichtigung finden, da auch diese im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Reitbetrieb stehen. Diese Fläche schließt zur einen Seite unmittelbar an die Reithalle und zur anderen Seite unmittelbar an den Offenstall mit der den Pferden zur Verfügung stehende Freifläche an; sie ist daher an die landwirtschaftlichen Nutzung angegliedert. Weiterhin hat der Beklagte die Grundfläche der Pferdebewegungshalle zzgl. der jeweiligen bauordnungsrechtlichen Abstandflächen veranlagt (vgl. Blatt 80 der Behördenakte).
Die Höhe der zugrunde gelegten Grundstücks- und auch der zugrunde gelegten Geschossfläche ist daher nicht zu beanstanden.
Bezüglich des Herstellungsbeitragsbescheides für die Wasserversorgungsanlage war die Klage daher abzuweisen.
2. Der angefochtene Nacherhebungsbescheid des Beklagten vom 10. Juli 2013, der für den Neubau der Reit- und Bewegungshalle auf dem streitgegenständlichen Grundstück einen Herstellungsbeitrag für die Entwässerungsanlage in Höhe von 14.494,80 Euro festsetzt ist, ist dagegen rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Neubau der Reit- und Bewegungshalle hat keinen Bedarf nach Anschluss an die Schmutzwasserableitung ausgelöst, so dass ein Herstellungsbeitrag für die Entwässerungsanlage nicht entstanden ist.
a. Der Bescheid vom 10. Juli 2013 findet in der BGS-EWS vom 16. Dezember 2009 zwar eine tragfähige Rechtsgrundlage. Auch bezüglich dieser Satzung bestehen keine Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen sowie gegen die materiell-rechtliche Wirksamkeit der entscheidungserheblichen Satzungsregelungen. Solche sind ebenfalls nicht vorgetragen.
b. Die Errichtung der Pferdebewegungs- und Reithalle hat jedoch keinen zusätzlichen Geschoss- und Grundstücksflächenbeitrag für die Entwässerungseinrichtung ausgelöst.
Gemäß § 5 Abs. 6 BGS-EWS entsteht die Beitragspflicht nach Maßgabe des § 5 Abs. 5 BGS-EWS auch dann, wenn das Grundstück vergrößert wird und für diese Fläche noch kein Beitrag geleistet wurde. Gleiches gilt für alle sonstigen Veränderungen, die nach § 5 Abs. 2 BGS-EWS für die Beitragsbemessung von Bedeutung sind.
Durch den Bau der Reithalle wurde zwar die auf dem streitgegenständlichen Grundstück vorhandene Geschossfläche vergrößert. Durch diese zusätzlich geschaffene Geschossfläche wurde allerdings der durch die Möglichkeit des Anschlusses an die öffentliche Entwässerungsanlage vermittelte Vorteil nicht erhöht. Denn es handelt sich bei der hier streitgegenständlichen Reit- und Bewegungshalle für Pferde um ein Gebäude, das nach der Art seiner Nutzung keinen Bedarf nach Anschluss an die Schmutzwasserableitung auslöst und auch tatsächlich nicht angeschlossen ist (vgl. Art. 5 Abs. 2 Satz 4 KAG, § 5 Abs. 2 Satz 5 BGS-EWS.
aa. Ein Entwässerungsbedarf ergibt sich zunächst nicht daraus, dass Pferdebewegungshallen im Regelfall nach der Art ihrer Nutzung eines Anschlusses an die öffentliche Wasserversorgungsanlage bedürfen. Durch eine sachgerechte Bewässerung des Bodenbelages entsteht jedoch kein Abwasser im satzungsrechtlichen Sinne. Um einer Staubentwicklung entgegenzuwirken, muss nur die Tretschicht des Bodenbelags soweit befeuchtet werden, dass die Staubpartikel durchnässt am Boden gebunden bleiben und nicht durch die Hufe der Pferde aufgewirbelt werden. Bei einer derartigen Bewässerung allein der oberen Schicht des Bodenbelages wird das aufgesprengte Wasser mit der Zeit verdunsten und nicht in den Untergrund versickern oder anderweitig ablaufen. Den Boden derart zu wässern, dass auch die unteren Schichten aufgeweicht würden, ist nicht erforderlich und wird ein Hallenbetreiber nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen unterlassen (vgl. BayVGH, U. v. 5.6.2002 – 23 B 02.344 – juris Rn. 28).
Ein Entwässerungsbedarf ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (ebenfalls U. v. 5.6.2002 – 23 B 02.344 – juris Rn. 30 f.) zum anderen auch nicht wegen der sich in der Halle aufhaltenden Menschen zu bejahen.
Hierbei ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin nach unbestrittenem Vortrag im Rahmen ihres landwirtschaftlichen Betriebes eine Pensionspferdehaltung betreibt. Diese Pensionstierhaltung mit Offenlaufstallhaltung auf ca. 85.000 m² Fläche mit knapp vierzig Pferden zuzüglich weiterer landwirtschaftlicher Nutzfläche zur Selbstversorgung stellt keinen Gewerbebetrieb dar, sondern unterfällt dem Begriff der Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB, weil der betriebsbezogene Zweck überwiegend in der Tierhaltung und nicht im Reitbetrieb liegt. Zur Bewegung der Pferde bedarf es auch der errichteten Halle, in der die Tiere im Regelfall bei schlechtem Wetter bewegt bzw. geritten werden, weshalb diese der Landwirtschaft zuzuordnen ist. Vor diesem Hintergrund lässt sich nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (U. v. 5.6.2002 – 23 B 02.344 – juris Rn. 30) ein Entwässerungsbedarf nicht über eine Anwendung der Verordnung über Arbeitsstätten (Arbeitsstättenverordnung – ArbstättV) begründen – welche unter anderem für Gebäude, in denen ständig Personen arbeiten, Waschräume oder zumindest Waschgelegenheiten sowie Toiletten fordert -, weil deren Geltungsbereich gemäß § 1 ArbstättV auf Arbeitsstätten im Rahmen eines Gewerbebetriebes beschränkt ist (hier auch BayVGH, B. v. 6.11.2009 – 20 CS 09.2382 – juris Rn. 18).
Allein der Umstand, dass die gesetzliche Verpflichtung aus der Arbeitsstättenverordnung für die streitgegenständliche Halle nicht greift, schließt jedoch nicht zwingend einen Entwässerungsbedarf aus. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist die Frage, ob ein Gebäude nach der Art seiner Nutzung einen Bedarf nach Anschluss an die Schmutzwasserableitung auslöst oder nicht, nach objektiven Gesichtspunkten typisierend zu entscheiden (vgl. bereits oben). Dieser Bedarf kann nicht allein davon abhängen, ob bei den sich in einem Gebäude aufhaltenden Personen die Arbeitsstättenverordnung konkret anzuwenden ist, weil es für die Abgabepflichtigkeit eines Gebäudes nicht auf die augenblickliche konkrete Nutzung ankommt, sondern auf die nach objektiven Gesichtspunkten sich ergebende. Aus der bestimmungsgemäßen Nutzung der von der Klägerin errichteten Reit- und Bewegungshalle, die sich nach der erteilten Baugenehmigung, der Art der Bauausführung und der Gebäudeeinrichtung beurteilt, folgt kein Entwässerungsbedarf (vgl. BayVGH, U. v. 5.6.2002 – 23 B 02.344 – juris Rn. 31; B. v. 6.11.2009 – 20 CS 09.2382 – juris Rn. 19).
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Abgabenpflichtige von der ihm durch die Anlage verliehenen Nutzungsmöglichkeit Gebrauch macht oder gar ob er diese als Vorteil empfindet. Maßgeblich ist vielmehr, ob – bei dem vom Beklagten gewählten Maßstab der tatsächlichen Geschossfläche – die bestehenden Gebäude nach ihrer objektiven Nutzungsmöglichkeit einen Bedarf nach Anschluss an die Entwässerungsanlage auszulösen geeignet sind. Diese Frage beantwortet sich nach der Gestaltung der Anlage der Klägerin, nicht danach, wie sie tatsächlich genutzt wird (vgl. BayVGH, B. v. 19.8.2011 – 20 ZB 11.1130 – juris Rn. 4).
Nach den unbestrittenen Ausführungen des Klägerbevollmächtigten hat die Klägerin die Reithalle allein zu dem Zweck errichten lassen, um den Einstellern der Pensionspferde eine Möglichkeit bieten zu können, ihre Pferde auch bei Dunkelheit, Nässe und Kälte zu bewegen. Dabei halten sich diese jeweils nur in beschränkten Zeitumfang in der Halle auf. Fremde oder Gäste sind dagegen zu keinem Zeitpunkt in der Halle zu Gange, sie würden dort auch gar nicht geduldet. Eine Ausnahme gelte für Reitlehrer, die die Einsteller selbst mitbringen könnten und engagieren würden; dies komme aber nur sehr selten vor.
Bei dieser jeweils kurzfristigen Aufenthaltsdauer in der Halle kann mit der Rechtsprechung (vgl. wiederum BayVGH, U. v. 5.6.2002 – 23 B 02.344 – juris Rn. 32) nicht davon ausgegangen werden, dass die Reiter die Toilette aufsuchen müssten. Der beschriebene bestimmungsgemäße Betrieb der Bewegungshalle/Reithalle fordert somit nach objektiven Gesichtspunkten typisierend keine sanitären Einrichtungen. Selbst wenn sich an einem Tag mehrere Stunden lang Reiter in der Halle befinden würden, führte dies zu keiner anderen rechtlichen Würdigung. Deren grundsätzlich nur kurzfristige Aufenthaltszeiten können zur Indizierung eines Bedarfs nach Schmutzwasserableitung nicht addiert werden, im Gegensatz zu den Aufenthaltszeiten von Arbeitnehmern in gewerblich genutzten Gebäuden, wo maßgeblich auf eine ständige oder überwiegende betriebsbedingte Anwesenheit eines oder mehrerer Personen während der üblichen Arbeitszeiten abzustellen ist. Schließlich ist im Zusammenhang mit der Ausübung des Reitsports in der Halle im Rahmen eines reinen Pensionsbetriebs die Vorhaltung von Waschgelegenheiten nicht notwendig. Die Reiter kommen im Regelfall in Reitkleidung und wechseln diese auch nach ihrer mitunter schweißtreibenden Betätigung nicht, so dass auch ein Waschen nach dem Reiten nicht zwingend erfolgen muss.
Daher ist eine professionelle Reitanlage oder Reitsportanlage, die einen Entwässerungsbedarf auslösen würde, im vorliegenden Fall – zumindest nach derzeitigem Stand – nicht gegeben (vgl. BayVGH, B. v. 6.11.2009 – 20 CS 09.2382 – juris Rn. 20 ff; B. v. 19.8.2011 – 20 ZB 11.1130 – juris Rn. 4 ff.). Denn ausschlaggebend für einen derartigen Betrieb, der einen Entwässerungsbedarf auslösen würde, wäre beispielsweise ein organisierter Reitbetrieb, die Einbindung in einen Reitverein oder das Betreiben von Reitsport (vgl. BayVGH, U. v. 5.6.2002 – 23 B 02.344 – juris Rn. 21).
Der Pferdepensionsbetrieb der Klägerin dient jedoch im Schwerpunkt nicht dazu, Pferde auszubilden oder Reiter zu schulen, sondern verfolgt primär die artgerechte Haltung von Pferden, was sich durch die Haltung der Pferde – mit Ausnahme von alten und kranken Pferden – im Herdenverbund in einem großzügig angelegten Offenstall zeigt. Die Reithalle dient nicht dazu, dass ein angestellter oder selbstständig tätiger Reitlehrer dort täglich Reitstunden erteilt oder ein Bereiter Pferde ausbildet und sich während der Arbeitszeiten in der Halle aufhält. Personal hat die Klägerin nicht angestellt und sie bietet auch selbst keinen Reitunterricht für Reiter und Pferde an. Regelmäßiger Unterricht findet damit auf der Anlage der Klägerin nicht statt. Einzelne Reitstunden, die die Einsteller möglicherweise auf der klägerischen Reitanlage in Anspruch nehmen oder einzelne Kurse, die über ein ganzes Wochenende stattfinden, können nicht ausreichen, um einen professionellen Reitbetrieb anzunehmen.
Der Betrieb der Klägerin übersteigt auch trotz der vorhandenen Einrichtungen wie der Reithalle, den Reitplatz, Longierzirkel und Grasspringplatz, nicht den Umfang einer reinen Pensionspferdehaltung, da dort nicht die Möglichkeit geboten wird, Pferd und Reiter auszubilden und Veranstaltungen, die den Kreis der Einsteller übersteigen, abzuhalten.
Turniere oder sonstige Veranstaltungen finden in der Halle nach der glaubwürdigen Einlassung der Klägerin nicht statt. Hierfür ist die Reit- und Bewegungshalle aufgrund der fehlenden Tribüne oder sonstigen Sitzgelegenheiten für Zuschauer und Besucher auch nicht ausgelegt. Auf einem vom Beklagtenvertreter vorgelegten Foto ist zwar zu erkennen, dass sich an einer kurzen Seite der Halle Personen aufhalten. Doch sind auch dort im Eingangsbereich der Halle keine Sitzgelegenheiten, sondern die Personen müssen an der Bande der Reitfläche stehen. Für eine professionelle Reitanlage spricht dies nicht. Weiter bestehen auf der gesamten Anlage, da eine reine Offenstallhaltung angeboten wird, lediglich drei Pferdeboxen, die im Notfall und für Krankheitsfälle bereit stehen. Im Falle der Veranstaltung eines Turnieres oder sonstigen Wettbewerbes würden diese nicht ausreichen, um fremde Pferde, die an der Veranstaltung teilnehmen, für eine gewisse Zeit unterzubringen. In den Offenstallbereich und damit in den Herdenbestand können fremde Pferde nicht eingestellt werden, da Pferde in der Regel mindestens eine Woche, besser sogar mehrere Wochen benötigen, um sich aneinander zu gewöhnen. Der Betrieb der Klägerin ist daher trotz der bestehenden Reithalle nicht für eine geordnete und regelmäßige – nicht nur gelegentliche – Durchführung von Turnierveranstaltungen bestimmt.
Auch das bestehende Reiterstüberl ist nicht dafür bestimmt und geeignet, dass sich Gäste oder Fremde dort aufhalten. Insbesondere ist es nicht von der Reithalle aus zugänglich oder gewährt – wie für einen professionellen Reitbetrieb typisch – den Blick von oben in die Reithalle, um das Geschehen dort zu beobachten, sondern es befindet sich neben dem Laufstall und dient vor allem dazu, dass die Reiter dort ihre persönlichen Sachen aufbewahren oder sich umziehen können. Lediglich daneben dient es auch noch dazu, dass die Einsteller dort vor oder nach dem Reiten verweilen können, um sich beispielsweise im Winter aufzuwärmen.
Ein Herstellungsbeitrag für die Entwässerungseinrichtung wurde daher nicht ausgelöst; in diesem Umfang war der Klage stattzugeben.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 21.482,63 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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