Baurecht

Herstellungsbeitrag zur Wasserversorgung

Aktenzeichen  M 10 K 16.3834

Datum:
1.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG BayKAG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 4
VwGO VwGO § 124, § 124a Abs. 4

 

Leitsatz

1 Weist der Brandschutznachweis für ein Gebäude einen besonderen Löschwasserbedarf nach, besteht schon allein deshalb ein Anschlussbedarf an die Wasserversorgungseinrichtung.  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das für das Hinterliegergrundstück zu Lasten des Vorderliegergrundstück eingetragene Geh- und Fahrtrecht schließt die rechtliche Möglichkeit zur Durchquerung des Vorderliegergrundstücks mit einer Wasserleitung und dessen dauerhafte Belastung ein.  (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte hat für das mit einer Lagerhalle bebaute Grundstück des Klägers mit der Fl.Nr. …, Gemarkung …, dem Grunde nach zu Recht einen Herstellungsbeitrag für den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung erhoben.
Der Beitragsbescheid vom 01. März 2016, der für das mit einer Lagerhalle bebaute Grundstück des Klägers einen Herstellungsbeitrag für die Wasserversorgungsanlage in Höhe von 24.438,37 € festsetzt, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
1. Nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Kommunalabgabengesetz (BayKAG) können die Gemeinden zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen (Investitionsaufwand) Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte Gebrauch gemacht durch den Erlass ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung (BGS/WAS) vom 29. September 2011. Die Regelungen im Beitragsteil der BGS/WAS sind nicht zu beanstanden. Bedenken gegen das ordnungsgemäße Zustandekommen dieser Satzung sowie gegen die materiell rechtliche Wirksamkeit der entscheidungserheblichen Satzungsregelungen sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
2. Die Beklagte hat die Satzung in der Weise vollzogen, dass sie in dem angefochtenen Bescheid einen fiktiven Geschossflächenbeitrag sowie einen Beitrag für die Grundstücksfläche festgesetzt hat. Als Grundstücksfläche wurden 8157 m² zu Grunde gelegt. Als Beitrag für die Geschossfläche hat die Beklagte nicht die tatsächlich genehmigte und errichtete Geschossfläche als Grundlage herangezogen, sondern ein Viertel der Grundstücksfläche, also 2039,25 m² angesetzt.
Richtigerweise hätte die Beklagte für das mit der Lagerhalle bebaute Grundstück des Klägers mit der Fl.Nr. … hinsichtlich des Geschossflächenbeitrages die tatsächliche und genehmigte Geschossfläche heranziehen müssen. Da dieser Beitrag im Ergebnis aber noch höher wäre als der bisher erhobene Beitrag, welcher einen fiktiven Geschossflächenbeitrag enthält, kann der Kläger insoweit keine Rechtsverletzung geltend machen.
a) Bei der hier streitgegenständlichen Lagerhalle handelt es sich um ein Gebäude, das nach der Art seiner Nutzung einen Bedarf nach Anschluss an die Wasserversorgung auslösen kann (Art. 5 Abs. 2 Satz 4 KAG, § 5 Abs. 2 BGS/WAS).
Zur Klärung der Frage, ob ein Gebäude nach der Art seiner bestimmungsgemäßen Nutzung einen Bedarf nach einem Anschluss an die Wasser-versorgung auslöst, ist auf objektive Gesichtspunkte und auf eine typisierende Betrachtung abzustellen (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 5.6.2002 – 23 B 02.344, juris, Rn. 31). Entgegen der Auffassung der Beteiligten handelt es sich bei der Lagerhalle nicht um ein anschlussbedarfsfreies Gebäude. Bezüglich einer Lagerhalle eines Speditionsunternehmens (vgl. zum Entwässerungsbedarf einer Lagerhalle auch BayVGH, B.v. 18.08.2005 – 23 ZB 05.1054, juris, in diesem konkreten Fall hatte der VGH einen Entwässerungsbedarf verneint) kommt es darauf an, ob sich nach der bestimmungsgemäßen Nutzung in der Halle ständig oder überwiegend Personen aufhalten. Allerdings können auch Fragen des Brandschutzes ausschlaggebend sein für die Frage, ob ein Wasseranschluss notwendig ist, etwa wenn die betreffende Halle eine Sprinkleranlage hat (s. hierzu Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Teil IV, Frage 27, 3.2.3). Im vorliegenden Fall ist nach Auffassung des Gerichtes nicht davon auszugehen, dass sich in der Lagerhalle nach ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung ständig oder überwiegend Personen aufhalten. Allerdings ist schon aus Gründen des Brandschutzes ein Wasseranschluss notwendig.
Nach dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Brandschutznachweis vom 1. März 2013, betreffend die Lagerhalle auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. …, hat das Gebäude einen besonderen Löschwasserbedarf (s. S.9 des Brandschutznachweises). Für das Gebäude sind insgesamt 96 m³/h Löschwasser nachzuweisen. Zusätzlich muss der Nachweis über 11,82 m³/h (197 l/min) über einen Zeitraum von 2 Stunden erbracht werden. Für den Neubau ist insgesamt eine Löschwassermenge von 96 m³/h notwendig. Ein Grundschutz durch die Beklagte ist hierfür nicht gegeben. Daher wird in dem Gutachten festgestellt, dass sich der erste Hydrant in maximal 80 m vom Gebäude zu befinden hat.
Daher ist schon aufgrund des besonderen Löschwasserbedarfs der betreffenden Lagerhalle ein Anschlussbedarf an die Wasserversorgung zu bejahen. Darauf, ob der Kläger den notwendigen Hydranten tatsächlich errichten hat lassen oder nicht, kommt es nicht an.
b) Das Grundstück ist auch als Hinterliegergrundstück an die öffentliche Wasserversorgung angeschlossen. Zu Lasten des Vorderliegergrundstückes Fl.Nr. …, dessen Eigentümer ebenfalls der Kläger ist, besteht ein dingliches Geh- und Fahrtrecht. Ist zu Lasten des Vorderliegergrundstückes ein Geh- und Fahrtrecht für das Hinterliegergrundstück eingetragen, ist das Hinterliegergrundstück als erschlossen einzustufen. Eine solche Dienstbarkeit schließt die rechtliche Möglichkeit zur Durchquerung des Vorderliegergrundstückes mit einer Wasserleitung und dessen dauerhafte Belastung ein (Thimet, Teil II, Frage 8, 2.5). Auch unter „Schonungsgesichtspunkten“ ergibt sich hier nichts anderes. Möglicherweise gäbe es auch die theoretische Möglichkeit, das betreffende Hinterliegergrundstück über das Nachbargrundstück Fl.Nr. … an die öffentliche Wasserleitung anzuschließen. Hier hat der Kläger aber kein Geh- und Fahrtrecht. Es liegt auch keine Eigentümeridentität vor. Es erscheint geradezu abwegig, dass der Kläger ein fremdes Grundstück im Rahmen eines Notleitungsrechts in Anspruch nehmen sollte, um sein eigenes Grundstück, das ohnehin mit entsprechenden Dienstbarkeiten belastet ist, zu „schonen“.
c) Zutreffenderweise hätte die Beklagte den Herstellungsbeitrag zur Wasserversorgung wie folgt berechnen müssen: Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BGS/WAS wird der Beitrag nach der Grundstücksfläche und der Geschossfläche der vorhandenen Gebäude berechnet. Den Beitrag nach der Grundstücksfläche hat die Beklagte ausgehend von einer Grundstücksgröße von 8157 m² korrekt berechnet. Bezüglich der genehmigten und errichteten Lagerhalle, die, wie dargelegt, einen Anschlussbedarf an die öffentliche Wasserversorgung hat, ist zudem die Geschossfläche zu Grunde zu legen. Diese ist nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BGS/WAS nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Geschossen zu ermitteln. Im Antrag auf Baugenehmigung, der am 21. Februar 2013 bei der Beklagten eingegangen ist, wird als Geschoss-fläche für die Lagerhalle eine Fläche in Höhe von 4948 m² angegeben. Diese ist mit dem Beitrag in Höhe von 6,20 EUR pro m² Geschossfläche (§ 6 BGS/WAS) zu multiplizieren. Dies ergibt – nur für die Geschossfläche – einen Gesamtbetrag in Höhe von 30.677,60 EUR. Hinzu kommt in jedem Fall der Beitrag für die Grundstücksfläche (8157 m² x 1,25 EUR = 10.196,25 EUR). Insgesamt ergibt sich hieraus ein Herstellungsbeitrag in Höhe von 40.873,85 EUR. Die Beklagte hat also, da sie von falschen Voraussetzungen ausging, letztlich zu wenig Beitrag festgesetzt. Hieraus kann der Kläger aber keine Rechtsverletzung herleiten, da die Beklagte im Ergebnis zu seinen Gunsten „falsch gerechnet“ hat. Sie ist zu Unrecht von einem anschlussbedarfslosen Gebäude ausgegangen und hat folgerichtig § 5 Abs. 3 BGS/WAS angewendet. Sie hat somit als fiktive Geschossfläche ein Viertel der Grundstücksfläche in Ansatz gebracht. Vorausgesetzt die Annahme, dass es sich bei der Lagerhalle tatsächlich um ein anschlussbedarfsloses Gebäude handeln würde, wäre dies eine rechtmäßige Anwendung der BGS/WAS. Die Beklagte hätte aber, da die Lagerhalle tatsächlich Anschlussbedarf hat, einen viel höheren Beitrag festsetzen können.
d) Eine Festsetzungsverjährung war zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides noch nicht eingetreten. Der Bebauungsplan „Gewerbegebiet … 2“ mit der betreffenden Erweiterung wurde am 19. Juni 2013 bekannt gemacht. Der angefochtene Bescheid erging am 1. März 2016. Daher ist keine Verjährung ersichtlich (vgl. zu den Fristen Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b, bb KAG, § 169 Abs. 2 AO).
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

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