Aktenzeichen Au 4 K 17.178, Au 4 K 17.179, Au 4 K 17.843
Leitsatz
1 Zur Frage, ob bei einer Änderung des Anlagentyps im Laufe des – zu keinem Zeitpunkt abgeschlossenen – Genehmigungsverfahrens noch ein im Sinne des Art. 83 Abs. 1 BayBO vollständiger Antrag vorliegt (hier verneint). (red. LS Andreas Decker)
2 Zu einem im Sinne des Art. 83 Abs. 1 BayBO vollständigen Antrag auf (immissionsschutzrechtliche) Genehmigung gehören diejenigen Unterlagen, die zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sind. Hierzu zählt auch eine Immissionsprognose. (Rn. 58 und 59) (red. LS Andreas Decker)
3 Die Frage der Wirtschaftlichkeit des Betriebs einer Windkraftanlage gehört nicht zu den Genehmigungsvoraussetzungen. (Rn. 69) (red. LS Andreas Decker)
Tenor
I. Die Bescheide des Beklagten vom 29. Dezember 2016 (Az.: … und … und vom 10. Mai 2017 (Az.: …) werden aufgehoben.
II. Die Kosten der Verfahren hat der Beklagte zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.
Gründe
Die Klagen sind zulässig und begründet. Die beiden immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide vom 29. Dezember 2016 sowie der immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbescheid vom 10. Mai 2017 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten; sie waren deshalb aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Genehmigungsbescheide verletzen das subjektive Recht der Klägerin, dass im Außenbereich ihres Gemeindegebiets (§ 35 BauGB) Vorhaben nur dann zugelassen werden dürfen, wenn ihnen keine öffentlichen Belange entgegenstehen (vgl. BayVGH, U.v. 30.6.2017 – 22 B 15.2365 – juris Rn. 51). Die Klägerin macht mit Erfolg geltend, dass die Voraussetzungen für die Ersetzung ihres gemeindlichen Einvernehmens (§ 36 Abs. 2 Satz 3 BauGB i.V.m. Art. 67 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO) deshalb nicht vorgelegen haben, weil die Errichtung und der Betrieb der strittigen Windkraftanlagen bauplanungsrechtlich unzulässig ist und die Klägerin die Erteilung ihres Einvernehmens daher zu Recht versagt hat (§ 36 Abs. 2 Satz 1 BauGB; vgl. BayVGH, B.v. 30.5.2017 – 22 ZB 17.169 – juris Rn. 12 m.w.N.).
Die streitgegenständlichen Windkraftanlagen sind auf Grund der Regelungen in Art. 82 Abs. 1, Abs. 2, Art. 83 Abs. 1 BayBO nicht gem. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB im Außenbereich privilegiert zulässig, sondern stellen sonstige Vorhaben gem. § 35 Abs. 2 BauGB dar. Als solchen stehen ihnen Belange gem. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 BauGB entgegen.
Bei einer Anfechtungsklage ist für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der angefochtenen Behördenentscheidung maßgebend (BVerwG, B.v. 11.1.1991 – 7 B 102/90 – BayVBl 1991, 375 – juris Rn. 3). Dies gilt namentlich für die hier in Rede stehende Regelungen des Art. 82 Abs. 1, Abs. 2 BayBO (vgl. BayVerfGH, E.v. 9.5.2016 – Vf. 14-VII-14 u.a. – NVwZ 2016, 999 – juris Rn. 154; BayVGH, B.v. 30.5.2017 – 22 ZB 17.169 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 20.7.2016 – 22 ZB 16.11 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 23.4.2015 – 22 CS 15.484 – juris Rn. 4; vgl. auch LT-Drs. 17/2137, S. 8).
Nach Art. 82 Abs. 1 BayBO, der am 21. November 2014 und damit lange vor Erlass der streitgegenständlichen Genehmigungsbescheide in Kraft getreten ist (vgl. § 3 des Gesetzes zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und des Gesetzes über die behördliche Organisation des Bauwesens, des Wohnungswesens und der Wasserwirtschaft vom 17.11.2014, GVBl. S. 478), findet § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB auf Vorhaben, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, nur Anwendung, wenn diese Vorhaben einen Mindestabstand vom 10-fachen ihrer Höhe zu Wohngebäuden in Gebieten mit Bebauungsplänen (§ 30 BauGB), innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile (§ 34 BauGB) – sofern in diesen Gebieten Wohngebäude nicht nur ausnahmsweise zulässig sind – und im Geltungsbereich von Satzungen nach § 35 Abs. 6 BauGB einhalten. Unstreitig – und vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt – unterschreiten alle drei Windkraftanlagen diesen Mindestabstand zur nächstgelegenen maßgeblichen Wohnbebauung, der hier nach Maßgabe von Art. 82 Abs. 2 BayBO bei 2 km liegt.
Den Anlagen kommt die Übergangsvorschrift des Art. 83 Abs. 1 BayBO nicht zu Gute. Danach finden Art. 82 Abs. 1 und 2 BayBO keine Anwendung, soweit vor Ablauf des 4. Februar 2014 bei der zuständigen Behörde ein vollständiger Antrag auf Genehmigung von Anlagen zur Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie eingegangen ist.
Zwar mag, was den von der Beigeladenen ursprünglich beantragten Windkraftanlagentyp … 3.0M122 betrifft, zum Stichtag 4. Februar 2014 ein im Sinne des Art. 83 Abs. 1 BayBO vollständiger Genehmigungsantrag vorgelegen haben. Eindeutig erscheint dies freilich nicht, ist doch der Beklagte ausweislich der streitgegenständlichen Genehmigungsbescheide davon ausgegangen, dass die von der Beigeladenen bis einschließlich 2014 eingereichten artenschutzfachlichen Unterlagen nicht dem bayerischen Windenergieerlass entsprochen haben (vgl. S. 37 bzw. S. 38 der Bescheide). Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs erfordert die Vollständigkeit der Antragsunterlagen i.S.d. Art. 83 Abs. 1 BayBO in der Regel die Vorlage einer speziellen artschutzrechtlichen Prüfung (saP), die eine Prüfung anhand der Vorgaben des Windenergieerlasses ermöglicht (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2017 – 22 ZB 17.1033 – juris Rn. 17). Jedoch setzt die Vollständigkeit des Genehmigungsantrags nur „zur Prüfung“ erforderliche Unterlagen, nicht aber notwendig solche Unterlagen voraus, die bereits die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens belegen; es ist also nicht erforderlich, dass ein vorzulegendes Gutachten der Prüfung in jeder Hinsicht standhält und keine weiteren fachlichen Fragen aufwirft. Fachliche Einwände und ein fachliches Nachhaken stehen der Annahme der Vollständigkeit solange nicht entgegen, als die fragliche Unterlage eine fachliche Prüfung überhaupt ermöglicht (BayVGH, a.a.O., juris Rn. 14 m.w.N.). Eine in diesem Sinne überhaupt mögliche Prüfung – auch der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände, § 44 Abs. 1 BNatSchG – dürften (auch) die von der Beigeladenen ursprünglich vor dem Stichtag 4. Februar 2014 eingereichten artenschutzfachlichen Unterlagen (vgl. S. 29 bzw. S. 30 der Bescheide) dem Beklagten erlaubt haben.
Jedoch kommt Art. 83 Abs. 1 BayBO hier deshalb nicht zur Anwendung, weil die Beigeladene im Jahre 2016 – nach Aktenlage Ende November / Anfang Dezember 2016 – die Genehmigung eines anderen Windkraftanlagentyps (… 3.4M140 EBC) beantragt und diese Änderung des Anlagentyps insbesondere eine vollständig neue immissionsschutzfachliche Prüfung ausgelöst hat. Für diesen – geänderten – Anlagentyp wurden die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen erteilt; hinsichtlich dieses Anlagentyps ist das gemeindliche Einvernehmen der Klägerin ersetzt worden.
Art. 83 Abs. 1 BayBO regelt nicht ausdrücklich, ob eine derartige Änderung des Windkraftanlagentyps im Laufe des Genehmigungsverfahrens (nach dem Stichtag 4.2.2014) dazu führt, dass nicht mehr von einem „vollständigen Antrag auf Genehmigung“ im Sinne dieser Vorschrift gesprochen werden kann. Jedenfalls für den vorliegenden Fall ist dies nicht anzunehmen.
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichthofs gehören zu einem im Sinne des Art. 83 Abs. 1 BayBO vollständigen Antrag auf (hier immissionsschutzrechtliche) Genehmigung diejenigen Unterlagen, die zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sind (§ 10 Abs. 1 Satz 2 BImSchG; vgl. dazu im Einzelnen §§ 4 bis 4e der 9. BImSchV; vgl. BayVGH, U.v. 15.7.2016 – 22 BV 15.2169 – juris Rn. 21; hierauf aufbauend etwa BayVGH, B.v. 16.9.2016 – 22 ZB 16.304 – juris Rn. 10; B.v. 30.6.2017 – 22 C 16.1554 – juris Rn. 32 ff.; B.v. 31.7.2017 – 22 ZB 17.1033 – juris Rn. 14). Auch die Begründung des Gesetzentwurfs zu Art. 83 Abs. 1 BayBO verweist der Sache nach auf die Regelungen der 9. BImSchV (vgl. LT-Drs. 17/2137, S. 8).
Zu diesen zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlichen Unterlagen zählt, zumal bei nach dem BImSchG genehmigungsbedürftigen Windkraftanlagen, eine Immissionsprognose (vgl. § 4a Abs. 2 der 9. BImSchV). Bei Windkraftanlagen betrifft dies vor allem Immissionen durch Lärm und Schattenwurf. Diesbezüglich ist betreffend den geänderten Windkraftanlagentyp durch die Beigeladene über zweieinhalb Jahre nach dem Stichtag 4. Februar 2014 eine vollständig neue Prognose vorgelegt worden (Untersuchungen des Büros … vom 28.11.2016). Die Prüfung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen für den geänderten Anlagentyp konnte erst auf Grund dieser neu erstellten Untersuchung erfolgen. Der Technische Umweltschutz im Landratsamt hat für diesen geänderten Anlagentyp – unter Heranziehung insbesondere der genannten Schallimmissionsprognose vom 28. November 2016 – für jeden Anlagenstandort eine vollständig neue immissionsschutzfachliche Stellungnahme abgegeben und Auflagenvorschläge unterbreitet (Stellungnahmen vom 20.12.2016, Bl. 1844 – 1861 der Behördenakten). Dies war mit erheblichem Arbeitsaufwand verbunden (vgl. Bl. 1849, 1855, 1861 der Behördenakten). Weder der Immissionsprognose vom 28. November 2016 noch den Stellungnahmen des Technischen Umweltschutzes lässt sich entnehmen, dass lediglich Ergänzungen der ursprünglich vorgelegten Immissionsprognose nötig gewesen wären. Die Immissionsprognose spricht zwar davon, dass eine „Anpassung des Gutachtens“ erforderlich sei (S. 3); de facto handelt es sich jedoch sowohl hinsichtlich der Untersuchungsbreite wie der Untersuchungstiefe um eine vollständig neue immissionsschutzfachliche Prüfung.
Dem entspricht es, dass sich die Immissionen in Bezug auf Lärm und Schattenwurf beim genehmigten Anlagentyp – zum Teil deutlich – anders darstellen als bei den ursprünglich beantragten Windkraftanlagen.
In Bezug auf Lärm mag sich der genehmigte Anlagentyp angesichts des um 0,5 dB(A) geringeren Schallleistungspegels für die betroffenen Immissionsorte etwas günstiger darstellen. Dies ändert aber nichts daran, dass sowohl Beklagter als auch Beigeladene Veranlassung gesehen haben, auch in Bezug auf Lärm in eine erneute Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen einzutreten. Im Übrigen folgt aus dem im Vergleich zum ursprünglich beantragten Anlagentyp reduzierten Schallleistungspegel nicht, dass – etwa auf Grund eines „erst-recht-Schlusses“ – die Genehmigungsvoraussetzungen nicht (mehr) zu prüfen wären. Nach Nr. 3.2.1 der hier heranzuziehenden TA Lärm kommt es für die Genehmigungsfähigkeit in Bezug auf Geräusche darauf an, dass die Gesamtbelastung am maßgeblichen Immissionsort die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 der TA Lärm nicht überschreitet. Dies setzt mithin eine Prüfung voraus, ob und wenn ja welche Vorbelastungen bestehen (Nr. 2.4, Abs. 1 und Abs. 3 TA Lärm). Anders mag dies nur dann sein, wenn (Nr. 3.2.1, Abs. 2 und 3 TA Lärm) die Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA Lärm um mindestens 6 dB(A) unterschreitet. Ganz abgesehen davon, dass auch die Prüfung einer solchen Unterschreitung zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen zählt (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1 der 9. BImSchV; es ist nach dem Inhalt der TA Lärm eine Prognose zum Vergleich mit den in der TA Lärm festgelegten Werten erforderlich), wird im vorliegenden Fall ausweislich der Immissionsprognose des Büros … trotz des etwas geringeren Schallleistungspegels an mehreren Immissionsorten die Irrelevanzschwelle des Nr. 3.2.1, Abs. 2 und Abs. 3 TA Lärm überschritten (S. 16 der Prognose). Insoweit war zusätzlich das Vorhandensein von Vorbelastungen zu prüfen. Auch wenn solche verneint wurden (Nr. 5.1 Prognose), verdeutlicht dies, dass allein aus dem geringeren Schallleistungspegel nicht geschlossen werden konnte, dass die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen entbehrlich war und hierfür auch keine (neuen) Unterlagen notwendig waren.
Insbesondere aber führt der geänderte Anlagentyp in Bezug auf Schattenwurf zu im Vergleich zum ursprünglich genehmigten Anlagentyp deutlich abweichenden Immissionen. Nach den Ausführungen des Umweltingenieurs in der mündlichen Verhandlung (Sitzungsniederschrift, S. 5) kommt es durch die Vergrößerung der Rotorfläche (ca. 32%) zu einer deutlichen Zunahme des astronomisch möglichen Schattenwurfs, insbesondere in einem Ortsteil der Klägerin (vgl. auch bereits S. 30 der streitgegenständlichen Bescheide: „Wegen der längeren Rotorblätter sind die Auswirkungen des Schattenwurfs erheblicher…“). Jedenfalls dieser Umstand führte dazu, dass die Genehmigungsvoraussetzungen mittels einer neuen Untersuchung und einer Stellungnahme des Technischen Umweltschutzes im Landratsamt vollständig neu zu prüfen waren. Unerheblich ist insoweit, dass (auch) diese geänderten Immissionen durch Schattenwurf mittels Nebenbestimmungen (Abschaltautomatik, Nr. III. 3 der Bescheide) auf das zulässige bzw. anerkannte (vgl. VG Augsburg, U.v. 7.12.2016 – Au 4 K 16.1019 u.a. – juris Rn. 70) Maß zurückgeführt hätten werden können. Maßgeblich im Rahmen des Art. 83 Abs. 1 BayBO ist allein, ob die vom Antragsteller eingereichten Unterlagen zum Stichtag 4. Februar 2014 die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erlaubt haben, nicht aber, ob das Vorhaben – ggfs. unter Beifügung von Nebenbestimmungen (vgl. § 12 Abs. 1 Satz 1 BImSchG) – tatsächlich genehmigungsfähig war. Letzteres beurteilt sich nicht nach dem (hier interessierenden) Zeitpunkt der Einreichung eines – ggfs. auch vollständigen – Antrags auf Erteilung einer (immissionsschutzrechtlichen) Genehmigung, sondern – wie ausgeführt – nach dem Zeitpunkt der Genehmigungserteilung.
Insgesamt stellen sich somit die in Bezug auf den geänderten Anlagentyp durchgeführten immissionsschutzfachlichen Prüfungen nicht als bloße fachliche Einwände oder fachliches Nachhaken hinsichtlich der ursprünglich eingereichten Antragsunterlagen – mithin als deren reine Ergänzung – dar, sondern als erst weit nach dem gem. Art. 83 Abs. 1 BayBO maßgeblichen Stichtag durchgeführte vollständig neue (immissionschutzfachliche) Prüfung der Genehmigungsfähigkeit.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das ursprüngliche, im Dezember 2013 eingeleitete Genehmigungsverfahren lediglich mit einem anderen Antragsgegenstand fortgesetzt worden sei. Für eine solche weite Auslegung bietet der Wortlaut des Art. 83 Abs. 1 BayBO keine Anhaltspunkte. Der Gesetzgeber hat gerade nicht den Begriff des „Genehmigungsverfahrens“ gem. § 10 BImSchG oder dessen Einleitung gewählt, sondern – wie ausgeführt – einen Antrag mit zumindest prüffähigen Unterlagen zur Voraussetzung der Inanspruchnahme des von Art. 83 Abs. 1 BayBO bezweckten Vertrauensschutzes gemacht (vgl. LT-Drs. 17/2137, S. 8). Die Begriffe sind auch nicht identisch, denn während es für die Einleitung eines Genehmigungsverfahrens ausreichend sein mag, dass ein schriftlicher Antrag gestellt wurde (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 BImSchG), kommt es im Rahmen des Art. 83 Abs. 1 BayBO – darüber hinausgehend – darauf an, ob dem Antrag die zur Prüfung der nach § 6 BImSchG erforderlichen Unterlagen beigefügt waren (§ 10 Abs. 1 Satz 2 BImSchG). Zudem lässt sich nicht in einer für alle denkbaren Fallgestaltungen gültigen Weise generell-abstrakt bestimmen, welche Unterlagen der Behörde bis zu dem in Art. 83 Abs. 1 BayBO bezeichneten Stichtag zugegangen sein müssen, damit diese Übergangsvorschrift eingreift (BayVGH, B.v. 30.6.2017 – 22 C 16.1554 – juris Rn. 34). Auch dies spricht dagegen, dass es allein auf die Fortführung eines einmal eingeleiteten Genehmigungsverfahrens ankommt; vielmehr spricht die bezüglich der Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen nötige Einzelfallprüfung (vgl. BayVGH, a.a.O.) entscheidend dafür, dass auf den konkret beantragten Anlagentyp abzustellen ist.
Etwas anderes folgt auch nicht aus Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach von der Änderung des Anlagentyps nicht ohne Weiteres auf das Vorliegen einer wesentlichen Änderung geschlossen werden kann (vgl. BayVGH, 11.08.2016 – 22 CS 16.1052 u.a. – juris Rn. 41). Diese Rechtsprechung betrifft nicht den hier in Rede stehenden Art. 83 Abs. 1 BayBO, sondern die Frage, wann eine Änderung des Windkraftanlagentyps eine wesentliche Änderung gem. § 16 BImSchG darstellt. § 16 BImSchG ist jedoch nur anwendbar, wenn eine (nicht zwingend bereits realisierte) genehmigungsbedürftige Anlage immissionsschutzrechtlich genehmigt und die Genehmigung nicht erloschen ist. Die Genehmigung muss wirksam, nicht notwendigerweise bestandskräftig sein. Ansonsten scheidet eine Änderungsgenehmigung nach dem BImSchG bereits begrifflich aus (vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 83. EL Mai 2017, § 16 BImSchG, Rn. 35). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Auch die genannte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs behandelt die tatsächliche Errichtung eines anderen Anlagentyps als ursprünglich immissionsschutzrechtlich genehmigt; die Entscheidung verhält sich mithin nicht zu der hier entscheidenden Frage, ob bei einer Änderung des Anlagentyps im Laufe des – zu keinem Zeitpunkt abgeschlossenen – Genehmigungsverfahrens noch ein im Sinne des Art. 83 Abs. 1 BayBO vollständiger Antrag vorliegt. Eine Anwendung der in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze auf die hier vorliegende Konstellation würde eine Auslegung des Art. 83 Abs. 1 BayBO dahin gehend bedeuten, dass bei einer Änderung des Anlagentyps im Laufe des Genehmigungsverfahrens immer dann noch von einem vollständigen Antrag auszugehen wäre, wenn die Änderung nicht im Sinne des § 16 BImSchG wesentlich ist. Für eine solche Heranziehung des § 16 BImSchG im Rahmen des Art. 83 Abs. 1 BayBO bieten jedoch weder der Wortlaut noch die Gesetzesmaterialien oder die zu der Übergangsvorschrift bisher ergangene Rechtsprechung zureichende Anhaltspunkte.
Dementsprechend folgt hier auch nichts aus dem von der Beigeladenen angeführten Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 6. Februar 2017 (Bl. 2294 f. des Behördenakts), denn dies behandelt schon ausweislich seines Betreffs den „Umgang mit genehmigten Windenergieanlagen“; auch dieses Schreiben verhält sich also nicht zu der Frage, ob bei einer Änderung des Anlagentyps im Laufe des Genehmigungsverfahrens noch ein im Sinne des Art. 83 Abs. 1 BayBO vollständiger Antrag vorliegt.
Die Verneinung der Anwendbarkeit des Art. 83 Abs. 1 BayBO bei einer Änderung des Anlagentyps im Laufe des Genehmigungsverfahrens führt hier auch nicht zu einem Wertungswiderspruch bzw. der Versagung eines gebotenen erst-recht-Schlusses. Die Beigeladene macht geltend, ein Antragsteller könne die Errichtung eines geänderten Anlagentyps auf die Weise erreichen, dass er zunächst das Verwaltungsverfahren durch Genehmigung des ursprünglich beantragten Anlagentyps abschließt und hierfür den Vertrauensschutz gem. Art. 83 Abs. 1 BayBO in Anspruch nimmt; anschließend brauche er die Errichtung des anderen, nicht im Sinne des § 16 BImSchG wesentlich anderen Anlagentyps lediglich gem. § 15 BImSchG anzeigen. Daher müsse eine solche Änderung auch bzw. erst recht während des Genehmigungsverfahrens möglich sein. Diese Sachverhalte sind jedoch nicht vergleichbar. Während im einen Fall der Antragsteller auf Grund des Erhalts einer Genehmigung bereits über eine Rechtsposition verfügt (wie ausgeführt, muss die Genehmigung im Rahmen des § 16 BImSchG nicht notwendig bestandkräftig geworden sein), ist dies bei einer Änderung im Laufe des Genehmigungsverfahrens nicht der Fall. Gerade der – in der vorliegenden Konstellation nicht mögliche – Vergleich zwischen der früher erteilten Genehmigung und dem tatsächlich zu errichtenden Anlagentyp ist für die im Rahmen des § 16 Abs. 1 BImSchG erforderliche Prüfung der „Änderung“ entscheidend (vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 83. EL Mai 2017, § 16 BImSchG, Rn. 63). Zudem wäre die Genehmigungsbehörde zumindest dann, wenn feststeht, dass der Antragsteller den eigentlich beantragten Anlagentyp (hier: mangels Lieferbarkeit) nicht (mehr) errichten kann, befugt, den Genehmigungsantrag mangels Sachbescheidungsinteresses abzulehnen (zum fehlenden Sachbescheidungsinteresse bei fehlender Realisierbarkeit vgl. OVG Lüneburg, U.v. 29.4.2008 – 12 LC 20/07 – juris). Insofern hätte ein Antragsteller keinen Anspruch auf Eintritt der von der Beigeladenen vorausgesetzten Situation, dass er lediglich „pro forma“ bzw. zum Schein eine Genehmigung für einen bestimmten Anlagentyp erhält, um dann einen (nicht wesentlich) anderen Anlagentyp zu errichten.
Zudem läge in der hier vorliegenden Situation keine nach Maßgabe von § 16 BImSchG lediglich unwesentliche Änderung vor. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht ohne weiteres von der Änderung des Anlagentyps auf das Vorliegen einer wesentlichen Änderung geschlossen werden. Allerdings sind auch nach dieser Rechtsprechung bei der Prüfung des Genehmigungserfordernisses einer Anlagenänderung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 und 2 BImSchG weitere Erkenntnisse über die Auswirkungen eines bestimmten Anlagentyps zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, B.v. 11.8.2016 – 22 CS 16.1052 u.a. – juris Rn. 41). Für die vorliegende Änderung des Anlagentyps hat der Umweltingenieur des Landratsamts in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass eine deutliche Zunahme des astronomisch möglichen Schattenwurfs zu erwarten sei; er hat dies anschließend im Einzelnen näher quantifiziert (Sitzungsniederschrift, S. 5). Damit kann hier keine Rede davon sein, dass durch die Änderung keine nachteiligen Auswirkungen hervorgerufen werden können, die für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht erheblich sein könnten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG); erst recht kann nicht davon ausgegangen werden, dass die durch die Änderung hervorgerufenen nachteiligen Auswirkungen offensichtlich gering sind (§ 16 Abs. 1 Satz 2 BImSchG). Auch insoweit kommt es nicht darauf an, dass der Schattenwurf (auch) bezüglich des geänderten Anlagentyps mittels Nebenbestimmungen auf das zumutbare Maß zurückgeführt werden könnte. Insoweit ist die Genehmigungsfähigkeit der Änderung angesprochen; § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG stellt jedoch darauf ab, ob die geänderten nachteiligen Auswirkungen für die Prüfung (der Genehmigungsbehörde) erheblich sein könnten. Dementsprechend haben im vorliegenden Fall – wie ausgeführt – Beklagter und Beigeladener auch tatsächlich Veranlassung gesehen, die Auswirkungen des geänderten Anlagentyps in Bezug auf Schattenwurf nochmals vollständig zu prüfen.
Gegen eine weite Auslegung des Art. 83 Abs. 1 BayBO spricht schließlich, dass das Vertrauen, dessen Schutz mit dieser Norm bezweckt wird, nur geringes Gewicht besitzt (vgl. BayVerfGH, E.v. 9.5.2016 – Vf. 14-VII-14 u.a. – NVwZ 2016, 999 – juris Rn. 155). Der Bauherr plant auch nach Einleitung des Genehmigungsverfahrens grundsätzlich auf eigenes Risiko und muss jederzeit damit rechnen, dass die Genehmigung an einer Änderung der Sach- oder Rechtslage scheitert. Das gilt insbesondere für Vorhaben im Außenbereich, deren Zulässigkeit von dem Nichtentgegenstehen bzw. der Nichtbeeinträchtigung öffentlicher Belange abhängt, deren Reichweite zu Beginn der Planung nur bedingt absehbar ist (BayVerfGH, a.a.O., juris Rn. 154). Zwar war Gegenstand der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 5. Mai 2016 die Vereinbarkeit von (u.a.) Art. 83 Abs. 1 BayBO mit höherrangigem Recht. Allerdings hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aus diesen Aussagen geschlossen, dass eine weite Auslegung des Art. 83 Abs. 1 BayBO nicht geboten ist (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2017 – 22 ZB 17.1033 – juris Rn. 12). Dies gilt hier umso mehr, als die Änderung der Sachlage – nämlich die Nichtmehrverfügbarkeit des ursprünglichen Anlagentyps – in die Sphäre des Antragstellers fällt. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Beigeladene aus der Änderung des Anlagentyps auch Vorteile gezogen hätte. Dies betrifft zum einen die höhere Nennleistung; zum anderen erfüllt der bisherige Anlagentyp nach dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schreiben der Firma … vom 9. Oktober 2017 nicht die Netzanschlussbedingungen des deutschen Marktes; dies wäre jedoch Voraussetzung, um die Anlage wirtschaftlich zu betreiben. Im Übrigen zählt die Frage der Wirtschaftlichkeit des Betriebs einer Windkraftanlage nicht zu den Genehmigungsvoraussetzungen (vgl. BVerwG, B.v. 5.1.1996 – 4 B 306/95 – LS 2; OVG NRW, B.v. 1.2.2000 – 10 B 1831/99 – juris Rn. 39); ebenso wenig kann daher davon ausgegangen werden, dass eine aus wirtschaftlichen Gründen nötige bzw. sinnvolle Änderung des Anlagentyps aus diesem Grunde noch Art. 83 Abs. 1 BayBO unterfallen soll.
Gegen die Gewährung des von Art. 83 Abs. 1 BayBO bezweckten Vertrauensschutzes spricht im vorliegenden Fall schließlich, dass spätestens ab dem Frühjahr 2014 die Frage einer Betroffenheit des Schwarzstorchs durch die streitgegenständlichen Windkraftanlagen im Raume stand und wiederholt entsprechende Nachuntersuchungen vorgenommen werden mussten (vgl. S. 37 bzw. S. 38 der Bescheide). Bereits 2013 – und damit noch vor dem gem. Art. 83 Abs. 1 BayBO maßgeblichen Stichtag – wurde der Schwarzstorchhorst im … nachgewiesen (S. 41 der Bescheide). Im Jahr 2015 wurde ein weiterer Schwarzstorchhorst bei … entdeckt (vg. Gutachten des Büros … vom 1.12.2016, S. 5). Ausweislich der Klageerwiderung des Beklagten liegen sämtliche drei Windkraftanlagen weniger als 3.000 m von diesen Horsten entfernt und damit im „engeren“ Prüfbereich der Anlage 2 bzw. Anlage 3, Spalte 2 zum Bayerischen Windkrafterlass 2011 bzw. 2016. In diesem Fall greift eine Vermutung dahingehend ein, dass durch die Errichtung und den Betrieb der Windkraftanlage ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko i.S.d. § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG besteht (vgl. BayVGH, U.v. 30.6.2017 – 22 B 15.2365 – juris Rn. 60 m.w.N.). Zwar ist diese Vermutung widerleglich; jedenfalls konnte die Beigeladene weder zum Stichtag 4. Februar 2014 noch zu einem späteren Zeitpunkt während des Genehmigungsverfahrens darauf vertrauen, dass die Anlagen im Hinblick auf das Tötungsverbot in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG bzw. die Belange des Naturschutzes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5; vgl. etwa BayVGH, U.v. 30.6.2017 – 22 B 15.2365 – juris Rn. 54) genehmigungsfähig sein würden. Insoweit lag namentlich im vorliegenden Fall die vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof hervorgehobene Situation vor, dass gerade bei Vorhaben im Außenbereich die Reichweite der betroffenen Belange zu Beginn der Planung nur bedingt absehbar ist. Das Risiko einer Änderung der Sachlage – hier: der Nichtmehrverfügbarkeit des ursprünglich beantragten Anlagentyps – trug die Beigeladene; dessen musste sie sich bei Tätigung weiterer Investitionen bewusst sein.
Nach allem greift Art. 83 Abs. 1 BayBO im vorliegenden Fall nicht. Nach Maßgabe von Art. 82 Abs. 1, Abs. 2 BayBO handelt es sich bei den streitgegenständlichen Windkraftanlagen um sonstige Vorhaben gem. § 35 Abs. 2 BauGB. Als solche stehen ihnen die Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB – gemäß den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung weist ihr Flächennutzungsplan insoweit Flächen für die Land- bzw. die Forstwirtschaft aus – sowie des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB entgegen. Die Landschaft soll von – wie hier – nicht privilegierter Bebauung grundsätzlich freigehalten werden. Die Errichtung eines nicht privilegierten Vorhabens steht dem Schutz der natürlichen Eigenart der Landschaft nur dann nicht entgegen, wenn es nur unerhebliche Auswirkungen auf die Umgebung hätte (vgl. BayVGH, U.v. 8.4.2014 – 2 B 12.2602 – juris Rn. 29). Hiervon kann schon angesichts der Höhe der Anlagen keine Rede sein; insbesondere befinden sich bisher keine Windkraftanlagen auf dem fraglichen Höhenzug. Eine Beeinträchtigung im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB liegt nur dann nicht vor, wenn sich das Baugrundstück wegen seiner natürlichen Beschaffenheit weder für die Bodennutzung noch für Erholungszwecke eignet oder seine Schutzwürdigkeit durch bereits erfolgte anderweitige Eingriffe eingebüßt hat (vgl. BayVGH, U.v. 15.07.2016 – 22 BV 15.2169 – juris Rn. 37). Auch für einen solchen Fall ist nichts ersichtlich.
Ob die Vorhaben auch die anderen von der Klägerin angeführten Belange des § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigen, kann daher offen bleiben.
Den Klagen war damit mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Es entspricht der Billigkeit gem. § 162 Abs. 3 VwGO, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie sich mangels Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Berufung war gem. § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei einer Änderung des Windkraftanlagentyps im Laufe des Genehmigungsverfahrens noch ein vollständiger Antrag i.S.d. Art. 83 Abs. 1 BayBO vorliegt, von grundsätzlicher Bedeutung ist.