Baurecht

Instandsetzung einer Eisenbahnstrecke

Aktenzeichen  22 B 18.186

Datum:
22.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2019, 885
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AEG § 11
BGB § 709, § 714

 

Leitsatz

1. Die Betriebspflicht für eine Eisenbahnstrecke besteht unabhängig von der tatsächlichen Abwicklung von Zugverkehr.
2. Beim Übernahmeangebot gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AEG kann die Strecke in dem Zustand angeboten werden, wie sie „steht und liegt“. Es besteht keine Pflicht, nur in betriebsfähigem Zustand befindliche Strecken anzubieten. Somit können auch Übernahmeangebote den „in diesem Bereich üblichen Bedingungen“ entsprechen, die dem Übernahmeinteressenten keinen Ausgleich für Instandhaltungs- und Reparaturinvestitionen anbieten.

Verfahrensgang

M 24 K 16.1172 2016-12-01 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die anderen Beteiligten vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Klägerin führt nicht zum Erfolg. Zwar ist ihre Klage zulässig, insbesondere kann der Klägerin wegen der drittschützenden Wirkung des § 11 AEG die Klagebefugnis nicht abgesprochen werden (dazu 1.). Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 12. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die fehlende Begründung des Bescheides wurde wirksam während der zweiten Tatsacheninstanz nachgeholt (dazu 2.1). Auch lagen die Voraussetzungen der Stilllegung gemäß § 11 AEG in der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses (12.2.2016) geltenden Fassung (im Folgenden zitiert als § 11 AEG a.F.) bei Bescheidserlass vor (dazu 2.2).
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere kann die Klägerin eine Klagebefugnis aus der drittschützenden Norm des § 11 AEG a.F. ableiten (dazu 1.1). Die Klage ist auch wirksam durch einen ordnungsgemäß Bevollmächtigten einer ordnungsgemäß vertretenen GbR erhoben worden (dazu 1.2).
1. 1. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung begründet das Stilllegungsverfahren subjektive Rechte derjenigen, die ernsthaft an einer Übernahme einer Eisenbahninfrastruktureinrichtung interessiert sind (BVerwG, U.v. 25.5.2016 – 3 C 2/15 – juris Rn. 23, 24). In der eben zitierten Entscheidung betont das Bundesverwaltungsgericht den aus den gesetzlichen Änderungen der Vorschrift des § 11 AEG ableitbaren Gesetzeszweck: „Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2191) hat der Gesetzgeber hervorgehoben, Ziel des § 11 AEG sei die Erhaltung bestehender Eisenbahninfrastruktur. Durch Einfügung von § 11 Abs. 1a AEG hat er öffentliche Eisenbahninfrastrukturunternehmen verpflichtet, die geplante Stilllegung von Eisenbahninfrastruktureinrichtungen zu veröffentlichen und Dritten auf deren fristgerechte Aufforderung ein Übernahmeangebot zu machen (vgl. BT-Drs. 14/8176 S. 4). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch das Dritte Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 27. April 2005 (BGBl. I S. 1138) in § 1 AEG ausdrücklich bestimmt, dass das Gesetz (auch) der Sicherstellung eines wirksamen Wettbewerbs bei dem Betrieb von Eisenbahninfrastrukturen diene. Jedenfalls nach diesen Klarstellungen ist nicht zweifelhaft, dass das Gesetz den Wettbewerb im Interesse der Erhaltung der Eisenbahninfrastruktur fruchtbar gemacht wissen möchte und das Stilllegungsverfahren des § 11 AEG auch dazu bestimmt ist, die Interessen Dritter zu schützen, die ernsthaft gewillt sind, die Eisenbahninfrastruktureinrichtung zu übernehmen“. Dass der Klägerin solche Rechte zustehen können, ist im vorliegenden Fall nicht von vornherein auszuschließen. Eine Klagebefugnis könnte der Klägerin nur dann abgesprochen werden, wenn ihr Rechte offensichtlich nach keiner Betrachtungsweise zustehen können. Das ist hier aber nicht der Fall:
1. 1.1. Wegen des eben genannten Gesetzeszwecks genügt es nicht, den Drittschutz auf die bloße formale Frage zu beschränken, ob überhaupt ein Stilllegungsverfahren nach § 11 AEG durchgeführt worden ist. Die Klägerseite rügt zu Recht, dass dann der vom Gesetz beabsichtigte Wettbewerb im Interesse der Erhaltung der Eisenbahninfrastruktur dadurch umgangen werden könnte, dass ein Stilllegungsverfahren mit unzumutbaren Bedingungen und unter Verstoß gegen die Verhandlungspflicht durchgeführt werden könnte; das Verfahren wäre eine leere Hülle, dessen Inhalte keiner Überprüfung zugänglich wären. Der Gesetzgeber hat aber Rechte nicht nur auf das Verfahren, sondern mit den Regelungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 1 a AEG a.F. ersichtlich auch Rechte im Verfahren gegeben. Dies gilt namentlich für einen Anspruch auf Erhalt eines Angebots zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen und für einen Anspruch auf Durchführung von Verhandlungen.
1. 1.2. Der Klägerin kann auch nicht die Ernsthaftigkeit des Übernahmewillens abgesprochen werden. Die Ernsthaftigkeit des Übernahmewillens wurde im vorliegenden Fall wegen des Umstands angezweifelt, dass die Klägerin im Laufe der Verhandlungen ein Finanzierungskonzept ohne nennenswertes Eigenkapital zugrunde gelegt hat. Die Klägerin vertritt indes gerade die Rechtsauffassung, dass die die Strecke abgebende Beigeladene die Eisenbahnstrecke wieder gemäß ihrer Betriebspflicht herzurichten oder dafür entsprechende finanzielle Mittel im Rahmen eines Übernahmeangebots bereitzustellen hat. Diesen Aspekt hat sie als Teil ihres Finanzierungskonzepts bezeichnet. Ob ein solcher Anspruch tatsächlich besteht, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, nicht jedoch ein Zulässigkeitsproblem. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat der Frage, ob die Finanzierung einer beabsichtigten Übernahme schon gesichert ist, im Rahmen der Klagebefugnis keine ausschlaggebende Bedeutung zugemessen. Im Urteil vom 5. Juli 2018 (3 C 21/16 – juris Rn. 21) führt es aus, dass schädlich in diesem Zusammenhang lediglich wäre, wenn eine Finanzierung absehbar ausgeschlossen wäre. Dafür fehlt es hier aber an greifbaren Anhaltspunkten. Auch ein Unternehmen mit einem geringen Grundkapital mag, sofern sich eine gesicherte Gelegenheit zur Übernahme von Eisenbahninfrastruktur abzeichnet, Investoren für sein Projekt gewinnen (so BVerwG, U.v. 5.7.2018, a.a.O.), wenn es ihm gelänge, entsprechende Trassenbestellungen und damit Einnahmen in nennenswerter Höhe zu generieren.
1. 1.3. Der Auffassung, dass die vom Verwaltungsgericht angeführten gesellschaftsrechtlichen Änderungen zwar gesellschaftsrechtlich zulässig und wirksam sein, aber spezifisch eisenbahnrechtlich eine schädliche Wirkung mit der Folge des Wegfalls der Klagebefugnis haben sollen, schließt sich der Senat nicht an. Das Gesetz enthält für eine derartige Auffassung keinen Anhaltspunkt. Eine GbR ist nach mittlerweile herrschender Auffassung partei- und prozessfähig (Stürner in Jauernig, BGB, 17. Aufl. 2018, § 709 Rn. 10). Die Rechtsfähigkeit der Außen GbR ist anerkannt und durch die höchstrichterliche Rechtsprechung seit 2001 bestätigt worden (Schäfer in Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 303). Etwaige Änderungen im Gesellschafterbestand sind bei Fortbestand des Gesellschaftsvertrags (also bei Vorhandensein von mindestens zwei Gesellschaftern) unschädlich (Schäfer in Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 309; BGH, U.v. 3.11.2015 – II ZR 446/13 – juris Rn. 27 zur Auswechslung aller Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft). Selbst wenn im vorliegenden Fall aus der an der GbR beteiligten …-GmbH eine stille Gesellschafterin geworden sein sollte, was durchaus zweifelhaft ist, änderte das nichts am Fortbestand der GbR; irgendwelche (noch dazu spezifisch eisenbahnrechtlich wirkenden) Haftungsprobleme sind hier nicht zu erkennen. Abgesehen davon wollte die Beigeladene ausweislich des letzten von ihr vorgeschlagenen Vertragsentwurfs ihre Eigenleistung erst nach Abschluss der Baumaßnahmen und Inbetriebnahme der Strecke fällig werden lassen.
Eine etwaige mit Blick auf die Klagebefugnis schädliche Veränderung bezüglich des eisenbahnfachlichen Sachverstandes sieht der Senat ebenfalls nicht. Unabhängig davon, dass auch ein stiller Gesellschafter derartigen Sachverstand einbringen kann, blieb im vorliegenden Fall jedenfalls noch ein weiteres Eisenbahn-Unternehmen Gesellschafter. Wenn man es schon einer Gemeinde wie der Beigeladenen erlaubt, eine Strecke zu übernehmen und eisenbahnfachlichen Sachverstand extern einzukaufen (hier durch Kooperationsvertrag der Beigeladenen mit der RNI vom Dezember 2003, Bl. 26 der Akten), kann von der Klägerin in dieser Hinsicht nicht mehr verlangt werden. Diese Fragen wären in einem hier nicht streitgegenständlichen Verfahren zum Erhalt einer Unternehmensgenehmigung nach § 6 AEG zu klären.
Zusammengefasst begründet § 11 AEG a.F. subjektive Rechte der Klägerin. Darauf kann sie sich berufen und jedenfalls geltend machen, dass ein Verfahren nach § 11 AEG durchzuführen ist, ein Angebot zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen gemacht werden muss und der Verhandlungspflicht genügt wird (Hermes in Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 86, 89).
1. 2. Die GbR war bei Klageerhebung ordnungsgemäß durch drei ihrer vier Gesellschafter vertreten. Die diesbezüglichen Einwände vor allem der Beklagtenseite greifen nicht durch. Für den Gesellschaftsvertrag besteht kein Schriftformerfordernis. Nach hier nicht widerlegter Einlassung der Gesellschafter auf Seiten der Klägerin bestand zunächst (während des Ganges der Verhandlungen mit der Beigeladenen) Alleinvertretungsbefugnis der … GmbH. Die Klägerseite behauptet dann eine Änderung durch Gesellschafterversammlung vom 25. Februar 2016. Wenn man diese mit Erfolg anzweifelte (wegen der Abwesenheit einer Gesellschafterin), wäre es bei Unwirksamkeit der behaupteten Änderung (Vertretung durch zwei Gesellschafter) bei der ursprünglichen Vertretungsregelung (* … GmbH) geblieben.
1. 3. Auch an der Wirksamkeit der Prozessvollmachten für den Bevollmächtigten der Klägerin bestehen keine durchgreifenden Zweifel. Der Beklagte will diese Zweifel daraus herleiten, dass die drei eine Vollmacht gebenden Gesellschafter auf der jeweiligen Vollmachtsurkunde nicht klargestellt haben, dass die Vollmacht nicht für sie selbst, sondern für die klagende GbR gelten solle. Dieser Umstand lässt sich jedoch durch entsprechende Auslegung der Urkunden vor dem Hintergrund der für alle Beteiligten klar erkennbaren äußeren Umstände überwinden. Die – rechtsfähige – GbR ist als solche im Stilllegungsverfahren bei den Verhandlungen aufgetreten. Die Gesellschafter wollten nach Besprechung im Februar 2016, wie aus dem dazu erstellten Protokoll ersichtlich ist, für die GbR („das Konsortium“) Klage erheben. Die Klage ist auch ersichtlich und eindeutig für die GbR als Klägerin erhoben worden. Warum einer der Gesellschafter vor diesem Hintergrund gegen den Stilllegungsbescheid in eigenem Namen hätte klagen wollen und eine diesbezügliche Vollmacht hätte ausstellen wollen, ist nicht nachvollziehbar.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 12. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
2. 1. Dass der angegriffene Bescheid unter Verstoß gegen Art. 39 BayVwVfG zunächst keine Begründung enthielt, ist letztlich unschädlich. Denn gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG konnte die Begründung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz nachgeholt werden. Das ist hier durch Nachschieben der Begründung mit Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 3. Juli 2018 geschehen.
2. 2. Die Voraussetzungen der Stilllegung gemäß § 11 AEG a.F., die drittschützend sind, liegen vor. Die erforderlichen Verfahrensschritte wurden eingehalten (dazu 2.2.1.). Die Beigeladene hat im Rahmen des Verfahrens auch ein hinreichendes Angebot (dazu 2.2.2.) zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen gemacht (dazu 2.2.3.). Auch ein Verstoß gegen die Verhandlungspflicht des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG a.F. liegt nicht vor (dazu 2.2.4.):
2. 2.1. Die wesentlichen Verfahrensschritte wurden von der Beigeladenen eingehalten. Sie hat ihre Stilllegungsabsicht im August 2012 entsprechend § 11 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 AEG a.F. im Bundesanzeiger veröffentlicht (Bl. 487 der Akten). Sie hat nach Übernahmeverhandlungen unter anderem mit der Klägerin dann unter dem 13. November 2015 einen Antrag auf Genehmigung der Stilllegung gestellt (Bl. 802 der Akten) und dabei aus ihrer Sicht die wirtschaftliche Unzumutbarkeit des Weiterbetriebs (vor allem wegen des Fehlens regelmäßiger Einnahmen mangels Zugleistungsbestellungen des Freistaats Bayern, vgl. Nr. 5 des Antragsschreibens) und die erfolglosen Verhandlungen zu einer Übernahme dargestellt.
Soweit die Klägerin im Laufe des Verfahrens einzelne Annahmen und Zahlenwerte im von der Beigeladenen eingeholten Gutachten aus dem Jahr 2010 angezweifelt hat, ist das im vorliegenden Fall aus mehreren Gründen nicht entscheidungserheblich. Zum einen enthält die Darlegung, dass der Betrieb einer Strecke dem Abgebenden „nicht mehr zugemutet werden kann“, eine betriebswirtschaftliche Einschätzung, deren Einzelaspekte nach Auffassung des Senats keine drittschützende Wirkung haben. Dritte sollen eine Strecke übernehmen können, wenn sie einen Betrieb für sich selbst (!) als wirtschaftlich einschätzen (etwa weil sie meinen, kostengünstiger agieren zu können oder in der Strecke künftiges Potential sehen). Für ein subjektives Recht auf Überprüfung der wirtschaftlichen Einschätzung Anderer fehlt es an Anhaltspunkten. Zum anderen kommt es auf die im Gutachten betrachtete Kosten-Nutzen-Relation, die einen (weitergehenden) volkswirtschaftlichen Nutzen anspricht und etwa für die Förderfähigkeit von Baumaßnahmen wichtig sein mag, bezüglich der Frage der Zumutbarkeit für das abgebende Eisenbahninfrastrukturunternehmen nicht an, denn dieses Unternehmen muss den bewirtschafteten Streckenabschnitt betriebswirtschaftlich sinnvoll betreiben können. Diesbezüglich sind aber nicht volkswirtschaftliche Kosten-Nutzenberechnungen, sondern konkrete Einnahmen durch Trassenbestellungen entscheidend (vgl. Hermes in Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 7: Verkehrsplanung des regionalen Aufgabenträgers in Form von SPNV-Streckenbestellungen als der für die Stilllegung bestimmende Faktor). Der für die Bestellung von Fahrleistungen zuständige Aufgabenträger (BEG) hat hier aber (mehrfach) eine Bestellung kategorisch wegen aus seiner Sicht nicht hinreichenden Fahrgastpotentials ausgeschlossen. Die Klägerin und ihre Gesellschafter mögen hierzu verkehrspolitisch eine andere Auffassung vertreten, können diese Aspekte der Verkehrspolitik aber nicht über den gesetzlichen Begriff der Unzumutbarkeit in § 11 AEG für das abgebende Unternehmen in das Stilllegungsverfahren transportieren oder gar in dessen Rahmen durchsetzen.
2. 2.2. Das von der Beigeladenen der Klägerin unterbreitete Angebot ist im vorliegenden Fall nicht deswegen unzureichend, weil nur ein Angebot zur Verpachtung und nicht zum Verkauf der Strecke unterbreitet worden ist. Die drittschützende Funktion der Norm reicht so weit, dass der Übernahmewillige sich darauf berufen kann, ihm sei insoweit ein nur unzureichendes Angebot gemacht worden. Das Gesetz sieht dazu in § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG a.F. vor, dass Dritte (hier die Klägerin) das öffentliche Eisenbahninfrastrukturunternehmen (hier die Beigeladene) zur Abgabe eines Angebots auffordern können. § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG a.F. zwingt das abgebende Unternehmen zur Darlegung, dass Dritten ein Angebot für die Übernahme durch „Verkauf oder Verpachtung“ gemacht wurde. Dieser Gesetzeswortlaut spricht nach Auffassung des Senats nicht dafür, dass stets beides angeboten werden müsste. Das Gesetz zeigt nur wertfrei die vornehmlich in Frage kommenden Möglichkeiten (zu anderen Möglichkeiten Hermes in Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 20) auf. Entscheidend ist, dass Dritte zur Abgabe eines Angebots „auffordern“ können und es damit in der Hand haben, auch die Art ihres Übernahmeinteresses zu spezifizieren. Die einzelnen Modalitäten der Übernahme – und damit auch der Vertragstyp – sind damit grundsätzlich Gegenstand der vertraglichen Gestaltungsfreiheit der Beteiligten (so Hermes in Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 21). Vorliegend hat die Klägerin bei ihrer Angebotsaufforderung nicht spezifisch eine Verpachtung oder einen Verkauf angesprochen. Die Beigeladene hat dann einen Pachtvertrag angeboten, worüber auch verhandelt wurde. Auch der Gegenentwurf eines Vertrages, den die Klägerin der Beigeladenen entgegenhielt, bezog sich auf ein Pachtverhältnis. Es war daher offensichtlich, dass auch die Klägerin im Laufe der Auseinandersetzung mit der Beigeladenen stets nur eine Verpachtung wollte, sonst hätte sie frühzeitig auch ein Verkaufsangebot anfragen können. Damit hatte die Beigeladene keinerlei Anlass, auch einen Kaufvertrag anzubieten; sie hat somit die Anforderungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG a.F. erfüllt. Die Frage, ob sie auch einen Kaufvertrag hätte anbieten müssen, wenn sie dazu von der Klägerin ausdrücklich aufgefordert worden wäre, kann dahinstehen.
2. 2.3. Zur Überzeugung des Senats wurde der Klägerin von der Beigeladenen auch ein Angebot zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG a.F. gemacht. Die drittschützende Funktion der Norm reicht so weit, dass der Übernahmewillige sich darauf berufen kann, ihm sei ein inhaltlich nur unzureichendes Angebot gemacht worden (Hermes in Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 89). Denn der übernahmewillige Dritte kann das abgebende Unternehmen dazu auffordern, ein entsprechendes Angebot abzugeben. Mit diesem Aufforderungsrecht korrespondiert ein Recht, ein entsprechendes Angebot auch unterbreitet zu erhalten (Hermes in Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 86).
Die Frage nach der Üblichkeit des Angebots beantwortet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls (dazu 2.2.3.1.). Dabei kann allerdings eine Verpflichtung der Beigeladenen, finanziellen Ausgleich für Investitionsrückstände zu leisten, nicht mit dem Argument verneint werden, die Beigeladene hätte gar keine Betriebspflicht (dazu 2.2.3.2.). An einer Verpflichtung der Beigeladenen, einen entsprechenden Ausgleich zu leisten, fehlt es aber deshalb, weil § 11 AEG nicht den Zweck hat, eine unbedingte Verpflichtung zur Instandsetzung unwirtschaftlicher Strecken zu bewirken; § 11 AEG ist kein Vehikel zur Durchsetzung der Betriebspflicht auf Verlangen Dritter (dazu 2.2.3.3.):
2. 2.3.1. Das Gesetz verlangt in § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG a.F. ein Angebot zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen. Nähere Vorgaben gibt das Gesetz zu diesem Begriff nicht. Wegen des Fehlens eines in diesem Bereich bestehenden allgemeinen Marktes (Hermes in Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 52) bleibt für die gebotene rechtliche Überprüfung nur ein einzelfallbezogener Maßstab, weil die Wirtschaftlichkeitsparameter für jeden Stilllegungsfall notwendig andere sind (etwa Verkehrsbedeutung, Streckenlänge, Streckenzustand, Anschlussmöglichkeiten, Fahrgastpotential, Grundstücks- oder Ertragswerte, Möglichkeit der Generierung von Trassenbestellungen), die jeder übernahmewillige Unternehmer unter Inkaufnahme entsprechenden eigenen unternehmerischen Risikos abzuschätzen hat. Gerade die Klägerseite bezeichnet den vorliegenden Einzelfall als extrem und einmalig, weil es, wie sie in ihrem Schriftsatz vom 12. Juli 2019 ausführt, einen derartigen Fall der Übertragung einer völlig unbefahrbaren Strecke bundesweit noch nie gegeben haben soll. Nachdem irgendeine vergleichende Bewertung mit anderen Strecken damit naturgemäß ausscheidet (und die von Klägerin und Beklagtem im Verfahren angeführten Stilllegungsfälle damit unbehelflich sind, auch weil die dortigen äußeren Umstände und Einschätzungen der dort beteiligten Akteure im Dunkeln bleiben), hilft vorliegend nur ein Blick darauf, welche Bedingungen in der Vergangenheit gerade hier erfolgreich waren (vgl. die von der Klägerin überlassenen Auszüge aus Kunz/Kramer, Eisenbahnrecht, Erl. zu § 11 AEG, A 4.1, Rn. 53, Bl. 51 der VGH-Akte). Gerade für die vorliegende Eisenbahnstrecke gab es schon einen Übertragungsfall, nämlich den der Übertragung von der DB-Netz AG auf die Beigeladene im Jahr 2003. Auch damals schon war die Strecke unbefahrbar und reparaturbedürftig, der Vertrag enthielt dennoch keine finanzielle Ausgleichspflicht zur Wiederherstellung der Befahrbarkeit. Diesen Umstand kann die Klägerin nicht mit der Behauptung zur Seite wischen, es sei damals „schlecht verhandelt“ worden und es habe anderenorts einige wenige Fälle der Übertragung mit gewährter Anschubfinanzierung gegeben (vgl. die von der Klägerin überlassenen Auszüge aus Kunz/Kramer, Eisenbahnrecht, Erl. zu § 11 AEG, A 4.1, Tabelle unter Rn. 54, Bl. 52 ff. der VGH-Akte). Denn es kommt nicht darauf an, ob besser oder schlechter verhandelt wurde, sondern darauf, was zwei agierende Eisenbahninfrastrukturunternehmen tatsächlich und wirksam vereinbart haben. Der faktische, wirksame und auch vollzogene Vertrag bestimmt die Üblichkeit, und nicht die Vorstellungen oder Vermutungen der Klägerin für den hypothetischen Fall ihrer damaligen Verhandlungsbeteiligung. Dazu passt, dass die Kommentarliteratur davon ausgeht, dass stillzulegende Strecken in dem Zustand angeboten werden müssen (und damit auch können), wie sie „stehen und liegen“ (Hermes in Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 54; vgl. auch OVG LSA vom 19.7.2012 – 1 L 67/11 – Rn. 67). Es bestehe lediglich ein Ausschlachtungsverbot, d.h. ein Verbot, noch werthaltige Substanz bewusst zu entziehen (z.B. Metallteile dem Altmetallhandel zuzuführen, bevor die Strecke übergeben wird). Das ist aber etwas anderes als die Forderung, vor Abgabe der Strecke noch weiter in diese zu investieren. Vor diesem Hintergrund wäre das Angebot einer Verpachtung zu einem nur symbolischen Pachtzins (und der damit verbundenen Annahme eines fehlenden Ertragswerts) ohne weiteres als üblich zu bezeichnen, wobei noch ergänzend zu erwähnen ist, dass im vorliegenden Fall die Beigeladene zuletzt auch noch eine „Anschubfinanzierung“ angeboten hat.
2. 2.3.2. Nach Auffassung der Klägerin folgt jedoch aus der Betriebspflicht der Beigeladenen für die fragliche Strecke eine strikte Ausgleichspflicht in vollem Umfang. Fraglich ist also, ob zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses davon auszugehen war, dass wegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 25.10.2007 – 3 C 51/06 – juris Leitsatz 1: Betonung der Betriebspflicht der Streckenbetreiber) nur noch Angebote üblich sein konnten, die eine umfassende Abgeltungsklausel für versäumten Streckenunterhalt enthalten (durch finanziellen Ersatz oder gar negativen Pachtzins). Das klägerische Argument geht – vereinfacht ausgedrückt – davon aus, dass das Gesetz eine Betriebspflicht (bis zur Stilllegungsentscheidung, vgl. VG Köln, B.v. 20.12.2017 – 18 L 4163/17 – juris Rn. 8) festschreibt, es folglich nur funktionsfähigen Strecken geben dürfe, so dass bei einer Stilllegung im Rahmen des § 11 AEG keine funktionsunfähigen Strecken angeboten werden dürften, oder bei nicht funktionsfähigen Strecken die Mängel entweder vor Übernahme noch behoben oder hierfür dem Übernehmer finanzieller Ausgleich in zur Wiederherstellung notwendiger Höhe angeboten werden müsste.
Entgegen der Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen geht diese Argumentation der Klägerseite jedoch nicht schon deshalb fehl, weil die Beigeladene gar keine Betriebspflicht als Eisenbahninfrastrukturunternehmen gehabt hätte. Das hierzu als Beleg zitierte Urteil des OVG Münster (vom 7.7.2008 – 20 A 802/07 – juris Rn. 9, 10) mit dem darin enthaltenen Satz, dass das Eisenbahnrecht keine Regelung enthalte, die den Inhaber der Genehmigung zum Betreiben von Eisenbahninfrastruktur zur Aufnahme des genehmigten Betriebes verpflichten würde, taugt nicht zur Verneinung der Betriebspflicht. Denn in dieser Entscheidung zielte das Gericht auf die Frage ab, ob eine isolierte Betriebsgenehmigung den Zugriff auf eine in fremdem Eigentum (!) stehende Infrastruktur eröffnen könne. Das Betreiben einer Infrastruktur beginnt im Übrigen auch nicht erst mit dem tatsächlichen Zugbetrieb, sondern mit der Aufnahme von unternehmerischen Tätigkeiten zum bloßen Vorhalten der Strecke (vgl. OVG LSA vom 19.7.2012 – 1 L 67/11 – Rn. 52, 53). Auch im vorliegenden Fall hat die Beigeladene mittels Kooperationsvertrags schon Personal für die fragliche Strecke vorgehalten und sich durch Kauf der Strecke die tatsächliche Zugriffsmöglichkeit verschafft. An einem aufgenommenen Betrieb und der damit zusammenhängenden Betriebspflicht bestehen deshalb nach Auffassung des erkennenden Senats keine Zweifel (vgl. noch weitergehend OVG SH, U.v. 28.1.2016 – 4 LB 2/15 – juris zur Betriebspflicht bei einer stillgelegten Strecke). Auch auf etwaige frühere Versäumnisse der Deutschen Bundesbahn könnte sie sich nicht berufen (BVerwG, U.v. 25.10.2007 – 3 C 51/06 – juris Rn. 33).
Allerdings bedeutet das hier angenommene Bestehen der Betriebspflicht nicht, dass die Durchsetzung von im Ermessen der Aufsichtsbehörde stehenden aufsichtlichen Befugnissen mit den Stilllegungsanforderungen nach § 11 AEG vermengt werden dürfte und damit zu dem von der Klägerin gewünschten Ergebnis führte. So, wie das Bundesverwaltungsgericht bei der Prüfung einer aufsichtlichen Maßnahme nach § 5 a Abs. 2 AEG keine die Wirtschaftlichkeit betreffenden Einwände zulässt, diese vielmehr strikt in das Verfahren nach § 11 AEG verweist und somit eine klare Trennung von Aufsichts- und Stilllegungsverfahren beschreibt, muss das nach Auffassung des Senats auch umgekehrt gelten. Es dürfen somit Fragen der Durchsetzung der Aufsicht nicht in das Verfahren nach § 11 AEG inkorporiert werden.
Die Aufsichtsbehörde muss nämlich die Reparatur von geschädigten Strecken nicht im Sinne einer gebundenen Entscheidung stets und zwingend durchsetzen, sondern sie handelt dabei nach Ermessen (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.2007 – 3 C 51/06 – juris Rn. 36, 41; Hermes/Schweinsberg in Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 5a Rn. 13, 32). Dabei wird in der Kommentarliteratur und in der Praxis auf eine Einschränkung der Unterhaltung einer Strecke bei Unzumutbarkeit verwiesen (Hermes in Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 6; zur Praxis des Eisenbahn-Bundesamtes, bei laufender Stilllegung auf Vollstreckungsmaßnahmen zu verzichten: VG Dresden, B.v. 20.12.2018 – 12 L 668/18 – juris Rn. 12). Auch die Bundesnetzagentur sah im vorliegenden Fall die Durchsetzung des Anspruchs der Zugangsberechtigten auf diskriminierungsfreien Eisenbahninfrastrukturzugang ggf. dann als nicht möglich an, „wenn die Schaffung der Voraussetzungen für den Eisenbahninfrastrukturzugang im vorliegenden Fall unverhältnismäßig wäre und der Eintritt der Bestandskraft einer Stilllegungsgenehmigung unmittelbar bevorstünde“ (Schreiben der Bundesnetzagentur an die Beigeladene vom 29.4.2016, Bl. 966 der Akten). Dass ein Unternehmen, das für seine Strecke gerade keinen Stilllegungsantrag stellen will, sich Dritten gegenüber weiterhin auf seine Betriebspflicht berufen kann (Sächs. OVG, U.v. 31.1.2019 – 3 A 436/16 – juris), steht dem entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entgegen.
Schon der argumentative Ansatz der Klägerin, dass es unbefahrbare schadhafte Strecken gar nicht geben darf, ist damit nicht richtig. Dabei ist unerheblich, aus welchen Gründen sich die Aufsicht veranlasst gesehen hat, nicht früher auf die Instandsetzung hinzuwirken oder zur Einleitung eines Stilllegungsverfahrens zu verpflichten (vgl. zu einem solchen Fall OVG LSA, U.v. 19.7.2012 – 1 L 67/11 – juris). Aus bei den Akten befindlichen Vermerken ist vorliegend erkennbar, dass das zuständige Ministerium jedenfalls mangels Streckenbestellungen Dritter keinen unmittelbaren Anlass zum Eingreifen sah und über Jahre hinweg Schriftverkehr mit der Beigeladenen zur Frage der weiteren Entwicklung der Bahnstrecken in Richtung Ebersberg und München (und damit mittelbar über Perspektiven auch für die streitgegenständliche Strecke) führte.
Der aktuelle Zustand der Strecke ist damit ein Faktum, zu dem § 11 AEG a.F. kein Korrektiv im Sinne einer zwingenden Reparaturpflicht enthält. Derartiges hat der Gesetzgeber nicht geregelt. In § 11 Abs. 1a Sätze 4 bis 6 AEG a.F. sind (nur) einige Preisbildungsvorgaben gemacht. Den aus ihrer Sicht fehlenden Ertragswert hat die Beigeladene über den symbolischen Pachtzins von einem (gestundeten) Euro deutlich zum Ausdruck gebracht. Weitere Vorgaben sind auch dem Sinn und Zweck der Norm nicht zu entnehmen. Zwar soll § 11 AEG die Erhaltung bestehender Infrastruktureinrichtungen bewirken und Dritten eine Zugangsmöglichkeit zum Betreiben derartiger Strecken über das Stilllegungsverfahren bieten. § 11 AEG zielt aber nicht darauf ab, dass Betreiber erst noch (weiter und erheblich) in unwirtschaftliche Strecken ohne aktuelle Verkehrsbedeutung investieren müssten (BT-Drs 16/1810, S.4, Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage: keine wirtschaftliche Grundlage für eine Infrastruktureinrichtung, wenn sie nicht genutzt wird) und damit die Umstände, die zur Annahme einer Unzumutbarkeit gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG a.F. führen würden, gerade erst verwirklichen oder noch verstärken würden. Dies zeigt das in der mündlichen Verhandlung mit den Beteiligten diskutierte Beispiel einer zwar noch befahrbaren Strecke, für die aber mangels genügender Trassenbestellungen die Stilllegungsvoraussetzungen vorliegen. Würde hier während der Verhandlungen mit Übernahmeinteressenten ein naturereignisbedingt großer zusätzlicher Schaden an der Strecke entstehen, müsste der Altbetreiber diesen Schaden nach der Logik des klägerischen Arguments stets noch beheben oder entsprechenden Ersatz leisten. Nach Auffassung des Senats ergibt sich aus § 11 AEG keine Pflicht zu einer unwirtschaftlichen Instandsetzung einer Strecke durch den Altbetreiber, zu der Übernahmeinteressenten ihn ohne nennenswertes eigenes wirtschaftliches Risiko durch ihre bloße Teilnahme am Stilllegungsverfahren verpflichten könnten und sich dann – wenn sich ihre verkehrspolitischen Wünsche nicht erfüllen würden – über ein weiteres Stilllegungsverfahren wieder von der auf Kosten anderer nun instandgesetzten Strecke lösen könnten. § 11 AEG würde so zu einem Werkzeug Dritter zur Durchsetzung der Betriebs- und Unterhaltungspflicht auf Kosten des Altbetreibers in Fällen, in denen wie hier die Aufsicht im Ermessenswege aus Verhältnismäßigkeitserwägungen von Maßnahmen absieht und auch die Bundesnetzagentur keinen Netzzugangsanspruch mehr durchsetzen möchte.
Der von der Klägerin behauptete Anspruch auf Finanzierung der vollen Reparatur- und Instandhaltungskosten besteht daher nicht. Es kann also vorliegend nicht von einem Angebot zu in diesem Bereich unüblichen Bedingungen gesprochen werden, so dass insoweit Rechte der Klägerin nicht verletzt sind.
2. 2.4. Die Beigeladene hat auch die im Gesetzeswortlaut angelegte Verhandlungspflicht (§ 11 Abs. 1 Satz 2 AEG a.F. verlangt die Darlegung, dass „Verhandlungen … erfolglos geblieben sind) erfüllt. Diese nach Auffassung des Senats ebenfalls drittschützende Verpflichtung verbietet einerseits ein bloßes pro-forma-Verhandeln ohne Ernsthaftigkeit oder ungerechtfertigte Verhandlungsabbrüche oder gar Verhinderung von Verhandlungen (zu einem solchen Fall vgl. VG Dresden, B.v. 20.12.2018 – 12 L 668/18 – juris Rn. 30, 31), enthält jedoch andererseits auch keine Pflicht zu endlosem Weiterverhandeln bei völlig unvereinbarer Interessenlage. Das Gesetz enthält insbesondere keine Einigungspflicht zulasten des abgebenden Eisenbahninfrastrukturunternehmens. Das endgültige Scheitern von Verhandlungen (mit Prognose der Aussichtslosigkeit weiterer Verhandlungen) kann nicht ohne Blick auf die gesetzlichen Anforderungen an die Qualität des Angebotes beurteilt werden (so Hermes in Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 60, 61).
Im vorliegenden Fall fanden vier Sondierungsgespräche statt, bei denen mehrere Pachtvertragsentwürfe beider Seiten diskutiert wurden. Zentraler Streitpunkt zwischen den Verhandlungsgegnern war jedoch stets die Pflicht der Beigeladenen, vollen finanziellen Ausgleich für Reparatur- und Instandhaltungsrückstände zu leisten. Die Beigeladene hat dabei auch ihren Stadtrat beteiligt und zuletzt noch 440.000 Euro Zuzahlung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht hierzu angeboten. Die Klägerin forderte demgegenüber aber stets unter Betonung der Betriebspflicht der Beigeladenen vollen Ausgleich zum Herrichten der Strecke (also mindestens 1,6 Mio Euro). Dem nachzukommen gab es für die Beigeladene keinen Anlass (vgl. oben 2.3.3), so dass nicht etwa von einem einseitigen Verhandlungsabbruch, sondern von einem Scheitern der Verhandlungen auszugehen ist. Die Verhandlungen sind beim zentralen Punkt der Ausgleichspflicht erfolglos geblieben, die Verhandlungspflicht wurde daher erfüllt. Aufgrund der diametralen und unvereinbaren Auffassungen zum genannten Verhandlungs-Hauptpunkt kommt es auch nicht mehr auf etwaige Einigungsmöglichkeiten zu weiteren Nebenpunkten des Vertragswerkes an.
Auf die weitere Frage, ob die Beigeladene die Verhandlungen ggf. auch deshalb abbrechen durfte, weil die GbR finanziell nicht leistungsfähig wäre (ohne Eigenkapital und damit kein ernsthafter Bewerber, vgl. aber oben 1.1.2.), kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an.
2. 2.5. Die von der Klägerin behauptete Einflussnahme eines an der Eisenbahnstrecke gelegenen Unternehmens auf das Stilllegungsverfahren ist nicht entscheidungserheblich, weil es nur darauf ankommt, ob der angegriffene Bescheid den rechtlichen Voraussetzungen des § 11 AEG a.F. entspricht, soweit diesen drittschützende Wirkung zukommt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt, § 154 Abs. 3 VwGO. Es entsprach daher der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, § 173 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
4. Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat die Rechtsfrage, ob nur betriebsfähige Strecken der Stilllegung gemäß § 11 AEG (auch der aktuell geltenden Gesetzesfassung) zugeführt werden dürfen oder im Rahmen des gesetzlich vorgeschriebenen Angebots zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen Instandhaltungsrückstände und Reparaturkosten finanziell stets in vollem Umfang ausgeglichen werden müssen.

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