Aktenzeichen AN 9 E 17.753
WEG WEG § 43
GG GG Art. 19 Abs. 4
VwGO VwGO § 42 Abs. 2, § 123
Leitsatz
1. Für einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen einen weiteren Miteigentümer derselben Wohnungseigentümergemeinschaft fehlt es an einer Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Verhältnis der Miteigentümer innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft werden die öffentlich-rechtlichen Nachbarrechte durch zivilrechtliche Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) überlagert und verdrängt. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft …, FlNr. …, in …, und Sondereigentümer einer Einheit in diesem Anwesen.
Mit Schreiben vom 4. Oktober 2016 wandte sich der Antragsteller über seinen Prozessbevollmächtigten an die Antragsgegnerin und beantragte baupolizeiliches Einschreiten mit dem Ziel einer Nutzungsuntersagung gegen einen weiteren Miteigentümer derselben Wohnungseigentümergemeinschaft. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Miteigentümer habe mit der Antragsgegnerin einen gewerblichen Mietvertrag über eine Unterkunft für Asylbewerber geschlossen, während die Räumlichkeiten in der Teilungserklärung des Gesamtobjekts „…“ als Büroräume bezeichnet und in der Vergangenheit auch so genutzt worden seien.
Die Antragsgegnerin führte durch ihre Bauordnungsbehörde laut Vermerk vom 17. Oktober 2016 eine Ortseinsicht durch, bei der festgestellt wurde, die Arztpraxis im Erdgeschoss des Anwesens … sei augenscheinlich in zwei Nutzungseinheiten unterteilt worden, welche nun zum Wohnen genutzt würden. Eine Genehmigung insoweit liege nicht vor.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 2016 an den Eigentümer Herrn … forderte die Antragsgegnerin diesen auf, einen Bauantrag für die festgestellte Nutzungsänderung zu stellen.
Mit Schreiben vom 19. Oktober 2016 teilte die Antragsgegnerin dem Antragstellervertreter mit, die vollzogene Nutzungsänderung sei grundsätzlich genehmigungsfähig, der Eigentümer sei zur Einreichung eines Bauantrags aufgefordert worden. Es werde darauf hingewiesen, dass es sich bei Nachbarn im Sinn des Art. 66 BayBO um die Eigentümer benachbarter Grundstücke handeln müsse, Streitigkeiten innerhalb einer Eigentümergemeinschaft seien vorzugsweise auf dem zivilen Rechtsweg durchzusetzen.
Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2016 wandte sich der Antragstellervertreter erneut an die Antragsgegnerin und führte aus, der Antragsteller habe mit Unterstützung der Hauseigentümergemeinschaft Unterlassungsansprüche gegen den Eigentümer geltend gemacht, es sei nach der Teilungserklärung ausgeschlossen, dass der Eigentümer die zivilrechtliche Genehmigung für die geplante Nutzung erhalte. Auch sei das Ermessen der Behörde auf Null reduziert und sofortiges Einschreiten erforderlich.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2016 teilte die Antragsgegnerin dem Antragstellervertreter mit, es verbleibe bei der bisherigen Verfahrensweise, ein Anlass für ein Einschreiten sei derzeit nicht ersichtlich.
Mit Bescheid vom 16. Januar 2017 wurde der Beigeladenen … GbR auf ihren Bauantrag hin die Baugenehmigung für die Nutzungsänderung von Arztpraxis in Wohneinheiten für die gegenständliche Einheit im Erdgeschoss des Anwesens … erteilt.
Mit am 24. Februar 2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ließ der Antragsteller durch seinen Rechtsanwalt Klage (AN 9 K 17.00358) gegen die Antragsgegnerin erheben mit dem Antrag, die Nutzungsänderungsgenehmigung vom 16. Januar 2017 aufzuheben. Weiter wurde ausgeführt, die Genehmigung sei im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 25. Januar 2017 öffentlich bekanntgemacht worden.
Mit Schreiben vom 27. März 2017 beantragte die Antragsgegnerin Klageabweisung und führte aus, der Antragsteller sei nicht klagebefugt, da Wohnungseigentümer einer Eigentumswohnungsanlage bei Bauvorhaben, die ein einzelnes Sondereigentum beträfen, untereinander nicht Nachbarn im baurechtlichen Sinne seien.
Mit Schriftsatz vom 4. April 2017 trug der Antragstellervertreter weiter vor, der Antragsteller sei in diesem Verfahren klagebefugt, da er eine Verletzung seiner Rechte auf Leib und Leben und körperlicher Unversehrtheit durch die Unterbringung von Asylbewerbern im streitgegenständlichen Objekt geltend mache, da der Brandschutz nicht geprüft worden sei. Er habe deshalb einen Anspruch auf polizeiliches Einschreiten im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, er behaupte hier keine Rechte aus dem gemeinschaftlichen Eigentum. Mit diesem Schriftsatz sowie weiterem Schriftsatz vom 6. April 2017 wurde weiter ausführlich zur Frage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Baugenehmigung ausgeführt.
Mit Schriftsatz vom 6. April 2017 wiederholte der Antragstellervertreter gegenüber der Antragsgegnerin seinen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Nutzung der Eigentumseinheit als Asylbewerberunterkunft.
Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. April 2017 wurde der Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten abgelehnt mit der Begründung, für die gegenständlichen Räume sei mit Bescheid vom 16. Januar 2017 die Baugenehmigung für die Nutzung als Wohnung erteilt worden, die tatsächlich durchgeführte Nutzung sei wohnähnlich, im Baugenehmigungsverfahren sei der Brandschutznachweis durch einen Prüfsachverständigen erforderlich, da es sich hier um ein Gebäude der Gebäudeklasse 5 handele. Ein Anspruch auf Einschreiten gegen die Nutzung sei damit nicht gegeben.
Mit am 18. Mai 2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz ließ der Antragsteller weitere Klage (AN 9 K 17.00933) gegen die Antragsgegnerin erheben mit dem Antrag,
den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. April 2017 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag des Antragstellers vom 4. Oktober 2016 auf bauaufsichtliches Einschreiten zu entscheiden.
Bereits am 20. April 2017 ließ er durch seinen Prozessbevollmächtigten beim Verwaltungsgericht Ansbach Antrag nach § 123 VwGO gegen die Antragsgegnerin stellen mit dem Inhalt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung einstweilen zu verpflichten, der Beigeladenen die Nutzung des Anwesens …, Grundbuchamt …, Flurstücknummer … (vormalige Arztpraxis; nunmehr umgewandelt in zwei Wohneinheiten) als Einrichtung zur Unterbringung von Asylbewerbern einstweilen zu untersagen, bis der Beigeladene im Rahmen eines neuen Bauantrags einen prüffähigen Brandschutznachweis eingereicht hat und der Bauantrag genehmigt wird.
Zur Begründung wird im Wesentlichen auf die Begründung der eingereichten Klagen verwiesen und weiter ausgeführt, es liege ein Anordnungsgrund vor, da die nicht genehmigte Nutzung der Einheiten zur Unterbringung von Asylbewerbern fortgesetzt werde und dies den Antragsteller sowohl in seinem Eigentumsrecht als auch in seinem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und der Garantenstellung auf Beachtung dieser Rechtsgüter gegenüber seinen Mietern beeinträchtige. Der Anordnungsanspruch ergebe sich aus Art. 76 Satz 2 BayBO. Weiter wurde ausführlich die aus Sicht des Antragsteller bestehende Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung dargestellt sowie ausgeführt, das Ermessen im Hinblick auf das bauaufsichtliche Einschreiten sei auf Null reduziert.
Mit Schriftsatz vom 28. April 2017 bestellten sich die Beigeladenenvertreter und baten um Akteneinsicht, welche in der Folge erfolgte. Ein Antrag wurde von der Beigeladenen im vorliegenden Verfahren nicht gestellt.
Mit Schreiben vom 3. Mai 2017 beantragte die Antragsgegnerin, den Antrag als unzulässig abzulehnen.
Zum einen fehle es hier an der Antragsbefugnis, da bei Miteigentümern desselben Grundstücks Nachbarrechte und damit auch ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten öffentlich-rechtlich nicht geltend gemacht werden könnten. Im Übrigen seien die gegenständlichen Räume als Wohnungen baurechtlich genehmigt und würden auch wie eine Wohnung genutzt, insbesondere handele es sich baulich weder um eine Anlage für soziale Zwecke noch um eine Flüchtlingsunterkunft. Vorliegend seien durch den Entwurfsverfasser im Baugenehmigungsverfahren Vorschläge für baulichen Brandschutz unterbreitet und geprüft worden, diese hätten in die Auflagen in der Baugenehmigung gemündet. Von einem Brandschutznachweis im Sinn des § 11 Abs. 1 BauVorlVO sei abgesehen worden.
Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2017 führte der Antragstellervertreter weiter aus, der Antrag sei zulässig, da der Antragsteller gerade keine unzumutbare Beeinträchtigung seines Wohnungseigentums anführe, sondern den fehlenden Schutz von Leib und Leben wegen des fehlenden Brandschutzgutachtens. Es sei vertretbar, Eigentumsbeeinträchtigungen durch eine Baugenehmigung innerhalb eines WEG-Eigentums auf den Zivilrechtsweg zu verweisen, Leib und Leben hätten jedoch nichts mit Eigentum zu tun. Im Übrigen wurde weiter zur Frage einer nicht genehmigten tatsächlichen Nutzung ausgeführt.
Mit Schriftsatz vom 8. Juni 2017 legte der Antragstellervertreter noch einen Musterbeherbergungsvertrag zwischen der Antragsgegnerin und einem Vertragspartner vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, auch in den beigezogenen Verfahren AN 9 K 17.00358 und AN 9 K 17.00933 verwiesen.
II.
Der Antrag ist unzulässig.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO gerichtet auf einstweiliges bauaufsichtliches Einschreiten ist hier unzulässig, da der Antragsteller damit die Antragsgegnerin zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten gegen einen weiteren Miteigentümer derselben Wohnungseigentümergemeinschaft zwingen will, der auch der Antragsteller angehört. Dem Antragsteller fehlt damit im Hinblick auf seinen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen einen weiteren Miteigentümer derselben Wohnungseigentümergemeinschaft die Antragsbefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO, es liegt aber auch kein Anordnungsanspruch vor, da im Verhältnis der Miteigentümer innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft die öffentlich-rechtlichen Nachbarrechte durch zivilrechtliche Regelungen des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG), etwa in § 43 WEG, überlagert und verdrängt werden (BVerwG, U.v. 12.3.1998 – 4 C 3/97).
Dies gilt auch für den gegenständlichen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten, da dieser ein Abwehrrecht eines Wohnungseigentümers gegen einen anderen Wohnungseigentümer als Nachbar durchsetzen soll. Es ist nicht ersichtlich, weshalb insoweit von der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen werden soll, da der Antragsteller aus dem Eigentum an seinem Miteigentumsanteil und seinem Sondereigentum heraus Abwehrrechte gegen eine bauliche Nutzung durch einen anderen Wohnungseigentümer geltend macht, für die aber im Hinblick auf das Vorliegen zivilrechtlicher Abwehransprüche ein öffentlich-rechtlich durchsetzbarer Abwehranspruch nicht besteht. Darauf hat die Antragsgegnerin den Antragsteller auch wiederholt hingewiesen, wobei der Antragsteller bereits mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Oktober 2016 der Antragsgegnerin mitgeteilt hat, dass zivilrechtliche Unterlassungsansprüche mit Unterstützung der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den Beigeladenen geltend gemacht worden seien, weshalb zivilrechtlich die Umsetzung der Nutzungsänderung ausgeschlossen sei, so dass auch eine Baugenehmigung hierfür nicht erteilt werden dürfte. Dem Antragsteller war somit von Anfang an bekannt, dass er hier zivilrechtlich und unter Berufung auf die Regelungen des WEG gegen die seiner Meinung nach rechtswidrige Nutzung im Zivilrechtsweg vorgehen konnte und musste. Dass der Antragstellervertreter behauptet, der Antragsteller berufe sich gerade nicht auf sein Eigentum, sondern auf den Schutz von Leib und Leben ändert an der Unzulässigkeit seines Antrags nichts, da auch insoweit hinreichender Rechtsschutz im Rahmen der zivilrechtlichen Möglichkeiten besteht.
Die alleinige Zuweisung von Abwehrrechten eines Wohnungseigentümers gegen einen anderen Wohnungseigentümer derselben Wohnungseigentümergemeinschaft verstößt auch nicht gegen die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.2006 – 1 BvR 2304/05). Dort hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde einer Wohnungseigentümerin nicht angenommen mit der Begründung, die Verneinung ihrer Klagebefugnis durch die Verwaltungsgerichte im Rahmen einer Klage gegen die einem anderen Miteigentümer innerhalb derselben Wohnungseigentümergemeinschaft erteilten Baugenehmigung im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stelle angesichts des gegebenen zivilrechtlichen Rechtsschutz keinen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG dar.
Damit ist der Antrag unzulässig, er wäre im Übrigen auch unbegründet, da ein Anordnungsanspruch zwischen Wohnungseigentümern ebenso wenig gegeben ist wie ein Anordnungsgrund, da irgendwelche Anzeichen für eine ein sofortiges Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde rechtfertigende konkrete (Brand-)Gefahr durch die derzeit ausgeübte Nutzung nicht ersichtlich sind noch glaubhaft gemacht wurden. Der Rechtsstreit war hier nicht an ein Zivilgericht zu verweisen, da der Antragsteller ausdrücklich Rechtsschutz im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbarkeit begehrte und im Übrigen sein Antrag auf öffentlich-rechtliche Abwehrrechte im Rahmen des öffentlichen Baurechts gegen die Antragsgegnerin gerichtet war, während zivilrechtlicher Rechtsschutz sinnvollerweise gegen den Beigeladenen zu richten gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.
Notwendige außergerichtliche Aufwendungen des Beigeladenen sind hier vom Antragsteller nicht zu ersetzen, da der Beigeladene im Verfahren keinen Antrag gestellt und damit kein Kostenrisiko übernommen hat.
Der Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG.