Baurecht

Kein Drittschutz der Festsetzungen der Erhaltungssatzung

Aktenzeichen  AN 3 S 19.00816

Datum:
15.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 9975
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 74 Abs. 1 S. 1, § 80 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5, § 80a Abs. 3, § 113 Abs. 1 S. 1
BauGB § 31 Abs. 2, § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1
BayBO Art. 6, Art. 68 Abs. 2
BayVwVfG Art. 39 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 2, Art. 45 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

1 Art. 68 BayBO ist als reine Verfahrensvorschrift nicht drittschützend. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zur drittschützenden Wirkung einer Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BauGB (hier verneint). (Rn. 36 – 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks mit der FlNr. … der Gemarkung … (…straße). Die Beigeladene ist Eigentümerin des östlich angrenzenden Grundstücks mit der FlNr. … der Gemarkung … (…straße). Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nummer … der Antragsgegnerin, der für die streitgegenständlichen Grundstücke ein reines Wohngebiet festsetzt, sowie im Geltungsbereich der „Erhaltungssatzung …“ der Antragsgegnerin vom 1. September 1989 in der Fassung vom 12. Oktober 2001.
Am 3. Mai 2018 beantragte die Beigeladene die Errichtung einer Wohnanlage (6 WE) mit Tiefgarage auf dem Grundstück mit der Flurnummer …, das bisher mit einem in den 1930er Jahren errichteten Einfamilienhaus bebaut war. Die Antragstellerin verweigerte die Unterzeichnung der Bauunterlagen.
Mit Bescheid vom 12. April 2019 erteilte die Antragsgegnerin die beantragte Baugenehmigung unter gleichzeitiger Erteilung einer Befreiung von den im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen für die Tiefgaragenzufahrt/-überdachung nach § 31 Abs. 2 BauGB sowie eine Genehmigung nach § 3 der Satzung der Stadt … zur „Erhaltung baulicher Anlagen im Bereich des …“.
Zur Begründung wird ausgeführt, das Vorhaben liege im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nummer … im reinen Wohngebiet. Hinsichtlich der Baugrenze habe eine Befreiung erteilt werden können, da die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Abweichung städtebaulich vertretbar sei. Im Übrigen füge sich das Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung gemäß § 34 Abs. 1 BauGB ein. Die nachbarschützenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften des Abstandsflächenrechts seien eingehalten, eine sonstige Verletzung geschützter nachbarlicher Belange sei nicht gegeben. Die nach § 3 der Satzung notwendige Befreiung habe erteilt werden können, weil es sich bei dem bestehenden Gebäude um keine erhaltungswürdige bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 der Satzung handle. Das bestehende Gebäude sei kein Einzeldenkmal und unterliege nicht dem Ensembleschutz, eine Prägung der Stadtgestalt und des Orts- und Landschaftsbildes bestehe nicht, eine städtebauliche, insbesondere geschichtliche oder künstlerische Bedeutung sei nicht gegeben. Die städtebauliche Gestalt des Gebietes werde durch die Errichtung des geplanten Wohnhauses nicht beeinträchtigt und denkmalschutzrechtliche Bedenken gegen die geplante Bebauung bestünden nicht. Die Schutzziele der Erhaltungssatzung würden nicht beeinträchtigt.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten, das am 18. April 2019 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, ließ die Antragstellerin Klage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung erheben (AN 3 K 19.00877). Gleichzeitig beantragte sie, deren aufschiebende Wirkung anzuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, auf den beiden Grundstücken mit den FlNrn. … und … stünden zwei gleichzeitig durch das alte … Bauunternehmen … Anfang der Dreißigerjahre errichtete Einfamilienhäuser. Bereits im Oktober 2016 sei mit dem Abbruch eines Hauses im selben Stil begonnen worden (…straße …, FlNr. … und dieses sei in der Zwischenzeit durch drei Reihenhäuser ersetzt worden. Der erteilten Baugenehmigung sei die Antragstellerin sowohl durch erfolglosen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, erfolgloser Beschwerde beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (9 CS 16.2522) als auch mit Erhebung einer Klage entgegengetreten (AN 3 K 16.02026). Das Klageverfahren befinde sich derzeit noch beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof.
Der hier einschlägige Bebauungsplan mit der einbezogenen Erhaltungssatzung entfalte gegenüber der Antragstellerin Drittschutz.
Als Eigentümerin des unmittelbar angrenzenden Grundstücks sei sie durch die Genehmigung eines Abbruchs in der Art und Weise betroffen, dass sie auf den Charakter des Wohngebietes in Form eines Altbauvillenviertels vertrauen durfte. Dieser Baucharakter ergebe sich gerade aus der optischen Einheit des Gebäudes der Antragstellerin mit dem hier streitgegenständlichen Grundstück der Beigeladenen. Dass die Erhaltungssatzung Bestandteil des Bebauungsplans geworden sei, stehe außer Frage. In Ziffer zwei des Bebauungsplans werde auf die Gültigkeit der bereits bestehenden Erhaltungssatzung verwiesen. Dies könne nicht als bloßer Hinweis gedeutet werden. Die Aufstellung des Bebauungsplans im Jahr 2003 diene insbesondere auch dazu, die Erhaltungssatzung zu stärken. Im Hinblick auf den Nachbarschutz müsse dasselbe gelten wie zum Denkmalschutzrecht, wo durch die Rechtsprechung eine drittschützende Wirkung der Vorschriften des Denkmalschutzrechts anerkannt sei. Indem die Erhaltungssatzung die Begrenzung der Entscheidungsfreiheit von Eigentümern im relevanten Gebiet regele, verpflichte sie auch konkludent zum Erhalt der Bausubstanz aus städtebaulichen Interessen. Diese Gemeinsamkeiten mit dem Denkmalschutzrecht genügten, um den Drittschutz auch hier zu bejahen. Durch den genehmigten Abriss des noch vorhandenen Gebäudes auf dem Grundstück der Beigeladenen sei letztlich nur noch ein historisches Gebäude auf dem Grundstück der Antragstellerin übrig und somit entfalle eine Prägung des Straßenbildes völlig, was letztlich auch zum Verlust des Ensembles führe. Auch wenn der Erhaltungssatzung ein städtebaulicher Grundgedanke und damit zunächst öffentliche Interessen zugrunde lägen, erfolge durch die Versagung aufgrund der der Erhaltungssatzung zu entnehmenden Genehmigungspflicht und die Wechselwirkung zwischen den Grundstücken der betroffenen Eigentümer eine Subjektivierung und eine individuelle Schutzwürdigkeit, sodass zumindest nach dem baurechtlich verankerten Gebot der Rücksichtnahme Drittschutz bejaht werden müsse. Auch wenn der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 7. Februar 2017 (9 CS 16.2522) eine andere Ansicht vertrete, stelle dies noch keine abschließende Beurteilung dar, da dieser Beschluss lediglich auf einer summarischen Prüfung basiere. Insbesondere werde nur davon ausgegangen, dass Erhaltungssatzungen „im Regelfall“ keinen Drittschutz vermittelten, weshalb auch Einzelfallentscheidungen zulässig und erforderlich seien.
Zudem genüge der Bescheid nicht der Begründungspflicht nach Art. 68 Abs. 2 BayBO. Da die Antragstellerin schriftliche Einwände im Verfahren erhoben habe, genüge die lediglich formelhafte Begründung, insbesondere zur Abrissgenehmigung, nicht den Anforderungen.
Die Antragstellerin beantragt,
Die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die an die Beigeladene erteilte Baugenehmigung vom 12. April 2019 zur Errichtung einer Wohnanlage (6 WE) mit Tiefgarage für das Baugrundstück …straße …, FlNr. … wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 2. Mai 2019,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf ihren Schriftsatz im Klageverfahren, in dem sie vorträgt, die Festsetzungen der Erhaltungssatzung hätten keinen Drittschutz. Dies sei bereits im Parallelverfahren entschieden worden. Stattdessen diene die Erhaltungssatzung allein städtebaulichen und damit öffentlichen Interessen. Dementsprechend dürfe die Genehmigung zum Abbruch einer baulichen Anlage nur erteilt werden, wenn die bauliche Anlage allein oder im Zusammenhang mit anderen baulichen Anlagen das Ortsbild, die Stadtgestalt oder das Landschaftsbild präge oder sonst von städtebaulicher, insbesondere geschichtlicher oder künstlerischer Bedeutung sei, § 172 Abs. 3 BauGB.
Ein Drittschutz könne auch nicht aus der grundsätzlichen Anerkennung eines denkmalrechtlichen Nachbarschutzes, wonach bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Denkmalwürdigkeit des Anwesens der Antragstellerin ein Abwehranspruch bestehen könnte, hergeleitet werden. Denn die hier maßgeblichen Erwägungen seien mangels Vergleichbarkeit der unterschiedlich weitreichenden Beschränkungen des Eigentums nicht auf Vorschriften übertragbar, die – wie hier – die Zulässigkeit eines Vorhabens in einem Erhaltungsgebiet regelten. Zu diesem Ergebnis sei auch der BayVGH in seiner jüngsten Entscheidung zum Nachbargrundstück gelangt.
Anders als im Denkmalschutzrecht beschränke sich die Inpflichtnahme des Eigentümers nicht auf die Erhaltung des Denkmals, sondern lediglich auf die Konstituierung eines Genehmigungsvorbehalts nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Der Eigentümer einer nicht denkmalgeschützten Anlage sei damit nicht zur Erhaltung der baulichen Anlage verpflichtet.
Auch sei die Erhaltungssatzung nicht im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan drittschützend. Zum einen sei die Erhaltungssatzung schon nicht Bestandteil des Bebauungsplans (siehe auch BayVGH). Zum anderen vermittle auch in diesem Fall die Festlegung eines Erhaltungsgebiets keinen Drittschutz. Die drittschützende Wirkung könne nicht vom zufälligen Umstand abhängig sein, ob die Gemeinde ein Erhaltungsgebiet in einem Bebauungsplan oder durch eigenständige Satzung festlege.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
In Fällen, in denen die gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO dem Grundsatz nach gegebene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wie vorliegend durch ein Bundesgesetz ausgeschlossen ist (§ 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB), kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung der innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtzeitig erhobenen Klage anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht in einer dem Charakter des summarischen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechenden Weise die Interessen der Antragstellerseite und der Antragsgegnerin sowie der Beigeladenen gegeneinander abzuwägen (Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., § 80 Rn. 152), wobei vorrangig die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen sind.
Nach diesen Grundsätzen bleibt der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin ohne Erfolg. Nach Überzeugung der Kammer hat die Klage gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung keine so hinreichende Aussicht auf Erfolg, dass das kraft Gesetzes nach § 212a Abs. 1 BauGB bereits bestehende öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung einer Baugenehmigung ausnahmsweise zurücktreten müsste.
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung haben Nachbarn nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch sie zugleich in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies ist nur dann der Fall, wenn die zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führende Norm zumindest auch dem Schutze der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (vgl. z.B. BVerwG v. 6.10.1989 – 4 C 40.87 – juris).
Auf Grund der im vorliegenden Verfahren nur vorzunehmenden summarischen Überprüfung ist festzustellen, dass eine Rechtsverletzung der Antragstellerin durch die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung aller Voraussicht nach nicht gegeben ist. Eine Rechtsverletzung ergibt sich weder aus der Begründungspflicht nach Art. 68 Abs. 2 BayBO (1.), noch aus dem Abstandsflächenrecht oder aus der erteilten Befreiung (2.). Der Erhaltungssatzung der Antragsgegnerin kommt keine drittschützende Wirkung zu (3.) und die Antragstellerin kann sich nicht erfolgreich auf eine Verletzung des nachbarlichen allgemeinen Rücksichtnahmegebots berufen (4.).
1. Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin aus Art. 68 Abs. 2 BayBO kommt nach vorläufiger Auffassung der Kammer aus mehreren Gründen nicht in Betracht.
Nach Art. 68 Abs. 2 2. Hs. BayBO ist die Baugenehmigung nur insoweit zu begründen, als der Nachbar gegen das Bauvorhaben schriftliche Einwendungen erhoben hat; Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG bleibt unberührt. Die Vorschrift des Art. 68 BayBO ist aber nach einhelliger Meinung als reine Verfahrensvorschrift nicht drittschützend (vgl. hierzu VGH München, B. v. 12.7.2010 – 14 CS 10.237 – juris) und insbesondere eine fehlende oder fehlerhafte Begründung verletzt den Nachbarn nicht in seinen Rechten (Simon/Busse/Dirnberger BayBO Art. 66 Rn. 205).
Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb die Begründung im streitgegenständlichen Bescheid den Anforderungen des Art. 68 Abs. 2 BayBO nicht genügen soll. Der Umfang der Begründung beschränkt sich lediglich auf die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe und kann nicht allgemein definiert werden, Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG.
Indem die Antragsgegnerin die maßgeblichen Normen der Erhaltungssatzung sowie ihren Inhalt ausführt, legt sie dar, welche rechtlichen Erwägungen ihrer Entscheidung zugrunde liegen. Auch wenn dies aus Sicht der Antragstellerin „formelhaft“ erscheinen mag, so bedarf es nach Ansicht der Kammer keiner weiteren Ausführung.
Darüber hinaus sind wohl vorliegend die Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 und 45 Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG einschlägig. Nachdem die Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 18. Juni 2018 (Behördenakte Bl. 56) an die Antragstellerin auf die Baugenehmigung des Nachbargrundstücks FlNr. …und deren gerichtliches Verfahren verweist, macht sie deutlich, dass ihr die Auffassung der Antragsgegnerin zur Sach- und Rechtlage auch im hier vorliegenden identischen Fall bekannt ist, weshalb es wohl nach Art. 39 Abs. 2 Nr. 2 BayVwVfG keiner Begründung bedurft hätte.
2. Weder bezüglich der Abstandsflächen noch der erteilten Befreiung ist eine Rechtsverletzung der Antragstellerin erkennbar.
a) Die Kammer geht in ihrer vorläufigen Auffassung davon aus, dass nach Aktenlage die Abstandsflächen des geplanten Vorhabens zum Grundstück der Antragstellerin eingehalten sind und sie deshalb nicht in ihren Rechten verletzt ist.
Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berechnung der Abstandsflächen liegen nicht vor und wurden auch nicht vorgetragen.
b) Ebenfalls liegen keine Anhaltspunkte dafür vor oder wurden vorgetragen, dass die Antragstellerin durch die erteilte Befreiung von der Baugrenze für die Tiefgaragenzufahrt/-überdachung nach § 31 Abs. 2 BauGB in ihren Rechten verletzt ist.
Zum einen ist den in der streitgegenständlichen Baugenehmigung von Befreiungen erfassten Bebauungsplanfestsetzungen keine Konzeption des Plangebers zu entnehmen, wonach mittels dieser Festsetzung die Planbetroffenen zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft mit wechselseitigen Pflichten und Rechten verbunden seien sollten. Vorliegend ist in Ansehung der Planbegründung, wonach die überbaubaren Grundstücksflächen zur Straße hin der Schaffung einer Gartenzone dienen und die rückwärtigen Baugrenzen der Sicherung von Freiflächen (Nr. 5.3 der Begründung), kein Anhaltspunkt für die Annahme eines alle im Planbereich befindlichen Grundstücke treffenden Austauschverhältnisses im Sinne einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft erkennbar (vgl. BVerwG vom 9.8.2018 – 4 C 7.17 – juris).
Zum anderen handelt es sich bei der Festsetzung, von der befreit wurde (Baugrenze), um eine Maßfestsetzung, die grundsätzlich keinen Drittschutz vermittelt. Eine Ausnahme aufgrund eines erkennbaren planerischen Willens ergibt sich auch nicht aus den Bebauungsplanunterlagen, insbesondere dessen Begründung in Nr. 5.3 (hierzu BayVGH vom 5.9.2018 – 15 CS 16.1536 – juris; vom 15.2.2019 – 9 CS 18.2638 – juris).
3. a) Der Erhaltungssatzung der Antragsgegnerin ist kein Drittschutz zu entnehmen.
Ob eine konkrete Norm Drittschutz vermittelt, wird im Wesentlichen nach den Grundsätzen der sogenannten Schutznormtheorie ermittelt (st. Rspr. d. BVerwG; vgl. z.B. BVerwG, U.v. 17.6.1993 – 3 C 3/89 – BVerwGE 92,313; BayVGH, B.v. 18.6.2009 – 14 ZB 09.656 – juris m.w.N.). Die betreffende Norm muss ein Privatinteresse derart schützen, dass der Träger des Individualinteresses die Einhaltung des Rechtssatzes soll verlangen können.
Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung der entsprechenden Norm zu ermitteln.
Eine solche die Antragstellerin schützende Norm ist nicht erkennbar, denn es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Erhaltungssatzung … über die rein städtebauliche Zielsetzung des § 172 BauGB hinaus Eigentümern von im Geltungsbereich gelegenen Grundstücken Abwehrrechte gegen benachbarte Vorhaben gewährt (vgl. OVG Hamburg, B.v. 18.6.2015 – 2 Bs 99/15 – juris Rn. 31; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2017, § 172 Rn. 214, so auch BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 9 CS 16.2522 – juris – Rn. 14).
Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 172 BauGB, der aus dem 1976 in das BBauG aufgenommenen § 39 h hervorging, ergibt sich nichts anderes. Im Gesetzgebungsverfahren waren hinsichtlich des heutigen § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB ausschließlich städtebauliche Belange ausschlaggebend (vgl. hierzu Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, a.a.O., § 172 Rn. 3-6 m.w.N.).
b) Anhaltspunkte für eine drittschützende Wirkung der aufgrund § 172 BauGB erlassenen Rechtsnormen lassen sich auch nicht im Hinblick auf einzelne Bestimmungen der Satzung erkennen.
aa) Soweit die Antragstellerinvertreterin geltend macht, der Genehmigungsvorbehalt in § 3 Abs. 1 der Erhaltungssatzung sei vergleichbar mit den Verpflichtungen des Eigentümers eines denkmalgeschützten Gebäudes, aus welchen bei erheblicher Beeinträchtigung des Denkmals Abwehrrechte gegen Bauvorhaben des Nachbarn entstehen können, folgt die erkennende Kammer der Rechtsprechung des OVG Hamburg in seiner Entscheidung vom 18. Juni 2015, a.a.O., wonach ein dem Denkmalschutz vergleichbarer Schutz des Grundstückseigentümers im Bereich einer Erhaltungssatzung nicht gegeben ist.
Hierzu führt das OVG Hamburg aus:
„Das VG hat mit Recht angenommen, dass der Erhaltungsverordnung generell keine nachbarschützende Wirkung zukommt, weil eine auf § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB gestützte Erhaltungsverordnung allein städtebaulichen und damit öffentlichen Interessen dient. […]. Hiervon ist auch nicht mit Rücksicht auf Art. 14 Abs. 1 GG und den Drittschutz bei einer denkmalrechtlichen Genehmigung eine Ausnahme zu machen. Die von der ASt. insoweit gezogene Parallele zu der Argumentation des BVerwG in seinem oben genannten Urteil vom 21.4.2009 [BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 4 C 3/08 – juris] ist nicht tragfähig. Denn das BVerwG hat dort maßgeblich darauf abgestellt, dass sich die eigentumsgestaltende Wirkung der Unterschutzstellung eines Kulturdenkmals für dessen Eigentümer nicht in den Beschränkungen der Verfügungsbefugnis erschöpfe, sondern auch die Verpflichtung des Eigentümers umfasse, das Kulturdenkmal im Rahmen des Zumutbaren zu erhalten und zu pflegen. Diese Beschränkungen des Eigentums wären unverhältnismäßig, wenn der Eigentümer einerseits gezwungen wäre, das Denkmal zu erhalten und zu pflegen, aber andererseits Beeinträchtigungen seines Denkmals von außen ohne Abwehrrechte hinzunehmen hätte. Eine solche Unverhältnismäßigkeit kann bei dem Eigentümer einer Anlage, die im Geltungsbereich einer auf § 172 Abs. 1 Nr. 1 BauGB gestützten Erhaltungsverordnung liegt, nicht angenommen werden, weil für ihn nicht die Verpflichtung besteht, die Anlage zu erhalten und zu pflegen. Diese Pflichtenstellung ist vielmehr eine Besonderheit des Denkmalschutzrechts. Der Eigentümer einer nicht denkmalgeschützten baulichen Anlage ist hierzu, solange von der Anlage keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, nicht verpflichtet. Die Rechtswirkungen einer Erhaltungsverordnung erschöpfen sich für den Grundeigentümer zunächst lediglich in der Konstituierung eines Genehmigungsvorbehalts nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BauGB. Erst die Versagung der Genehmigung hat dann die Wirkung eines Bauverbots. Diese Gestaltung der Eigentumsposition der Grundeigentümer und der damit verfolgte Zweck einer Erhaltungsverordnung – bauliche Anlagen zu erhalten, die insbesondere das Ortsbild prägen oder von städtebaulicher Bedeutung sind – stehen zueinander in einem angemessenen Verhältnis […]“.
bb) Auch aus § 4 des Satzungstextes ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Normgeber Dritten Abwehrrechte gegen Bauvorhaben im Geltungsbereich der Satzung einräumen wollte.
Die Antragstellerinvertreterin hat sich zur Begründung maßgeblich darauf berufen, diese Norm vermittle wegen der Formulierung „Prägend für die Stadtgestalt sind bauliche Anlagen oder Teile solcher Anlagen, die alleine oder im Zusammenhang den Typus eines Villenviertels des ausgehenden 19. und des 1. Drittels des 20. Jahrhunderts verkörpern“ einen dem Denkmalschutz vergleichbaren Umgebungsschutz im Rahmen eines bestehenden Ensembles.
Jedoch enthält diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut lediglich die Anwendung des durch § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgegebenen Begriffs „Prägung der Stadtgestalt“ auf die örtlichen Verhältnisse im Geltungsbereich der streitgegenständlichen Erhaltungssatzung der Stadt … („Typus eines Villenviertels des ausgehenden 19. und des 1. Drittels des 20. Jahrhunderts“), vgl. § 2 Nr. 1 des Satzungstextes. Es ist nicht ersichtlich, dass Grundstückseigentümern eine wehrfähige Position vermittelt werden sollte.
c) Unabhängig von der Frage, ob die streitgegenständliche Erhaltungssatzung drittschützende Rechte vermittelt, wäre vorliegend wohl jedenfalls ihr Anwendungsbereich nicht eröffnet.
Nach der Einschätzung der Antragsgegnerin hielt der Normgeber selbst das Gebäude auf dem Baugrundstück nicht für im Sinne der §§ 2 Abs. 1, 4 und 6 der Satzung erhaltungswürdig. Dieser Einschätzung ist die Antragstellerin nicht substantiiert entgegengetreten, außerdem befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den streitgegenständlichen Grundstücken Reihenhausbebauung und auch westlich des Grundstücks der Antragstellerin wurde ein neues Bauvorhaben realisiert.
Ein Anspruch auf Einstufung eines dem Bauvorhaben benachbarten Gebäudes als erhaltungswürdig lässt sich der Satzung, die den Abbruch, die Änderung, die Nutzungsänderung und die Errichtung baulicher Anlagen unter einen Genehmigungsvorbehalt stellt, nicht entnehmen. Die subjektive Einschätzung der Antragstellerin, die nach ihrem persönlichen Empfinden die Gebäude im Zusammenhang für erhaltenswert hält, ist für die fachliche Einschätzung ohne Belang. Dies unterstreicht noch einmal, dass sich der Regelungsgehalt der Satzung – wie oben dargelegt – auf städtebauliche Gründe und damit auf Belange der Öffentlichkeit beschränkt.
d) Darüber hinaus kann die Antragstellerin – selbst für den Fall der Eröffnung des Anwendungsbereiches der Satzung – nicht mit Erfolg eine erhebliche Beeinträchtigung ihres Grundstücks geltend machen. Eine erhebliche Beeinträchtigung kann im Rahmen des denkmalrechtlichen Umgebungsschutzes vorliegen, wenn das Denkmal in seiner Eigenschaft durch Bauvorhaben in der Umgebung entwertet wird. Für eine derartige Beeinträchtigung wird von Antragstellerinseite nichts vorgetragen. Eine solche ist auch sonst nicht ersichtlich.
Ein darüber hinausgehendes schutzwürdiges Interesse der Antragstellerin, etwa an der Bewahrung der Denkmaleigenschaft anderer Baudenkmäler besteht nicht, denn die Antragstellerin ist nicht Sachwalterin des öffentlichen Interesses (BayVGH, B.v. 19.4.2017 – 9 CS 17.195 – juris, Rn. 20; BVerwG, B.v. 12.1.2016 – 4 BN 11.15 – juris).
4. Auch eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ist nicht ersichtlich.
Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängen von den Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommen soll, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG in ständiger Rechtsprechung z.B. U. v. 23.9.1999, Az.: 4 C 6.98 und B.v. 18.11.2004, Az.: 4 C 1/04- juris).
Von dem von der Beigeladenen geplanten Wohnhaus gehen keine unzumutbaren Störungen und Belästigungen für die Antragstellerin aus, die zu einem Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme führen würden. Entspricht ein Bauvorhaben – wie hier oben unter 2. ausgeführt – den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften (Art. 6 BayBO), ist für das Gebot der Rücksichtnahme grundsätzlich kein Raum mehr (vgl. BVerwG, B. v. 27.3.2018 – 4 B 50.17; BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215/96 – NVwZ-RR 1997, 516;). Nur in Ausnahmefällen kann eine bauliche Anlage dennoch eine unzumutbare, einmauernde oder erdrückende Wirkung entfalten (BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128/98 – juris -; BayVGH, B.v. 2.10.2018 – 2 ZB 16.2168 – juris – m.w.N.).
Anhaltspunkte dafür, dass das geplante Wohnhaus eine solche erdrückende oder einmauernde Wirkung auf das Grundstück der Antragstellerin hat, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12. April 2019 war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung bezüglich der Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen