Aktenzeichen M 1 K 16.5925
Leitsatz
Anforderungen an die Anzahl der notwendigen Stellplätze dienen grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs. Ein Nachbar kann sich nur dann ausnahmsweise mit Erfolg auf eine unzureichende Stellplatzsituation berufen, wenn die Baugenehmigung ohne die erforderlichen Stellplätze zu Beeinträchtigungen führt, die dem Nachbarn bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind und damit ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme vorliegt. (Rn. 38 – 39) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Bescheid vom 28. November 2016 verletzt die Kläger nicht in drittschützenden Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Ein Nachbar kann sich als Dritter gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20; B.v. 2.9.2013 – 14 ZB 13.1193 – juris Rn. 11). Eine Verletzung drittschützender Normen durch eine Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde kommt dabei nur insoweit in Betracht, als die Feststellungswirkung dieser Entscheidung reicht (vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2009 – 14 ZB 09.1244 – juris Rn. 6; VG München, U.v. 20.6.2016 – M 8 K 15.2869 – juris Rn. 34).
Der streitbefangene Bescheid erging im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO, da es sich bei dem Vorhaben nicht um einen Sonderbau im Sinne von Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt. Auf der Grundlage des hier somit relevanten Prüfungsmaßstabes käme die Annahme einer Nachbarrechtsverletzung nur dann in Betracht, wenn zulasten der Kläger gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO drittschützende Rechtspositionen des Bauplanungsrechts, d.h. der bauplanungsrechtliche Gebietsbewahrungs- und Gebietsprägungsanspruch oder das Recht auf Beachtung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots, verletzt wären (1.) oder gegen drittschützende Rechtspositionen im Hinblick auf die beantragte Abweichung von der Stellplatzsatzung nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO verstoßen würde (2.), doch sind keine dieser Rechtspositionen verletzt.
1. Ein Verstoß gegen drittschützende Rechtspositionen des Bauplanungsrechts ist nicht gegeben.
a) Der Gebietsbewahrungsanspruch der Kläger ist durch Zulassung der streitgegenständlichen Nutzungsänderung und der Werbeanlagen nicht verletzt. Dieser Anspruch schützt einen Nachbarn in einem durch Bebauungsplan festgesetzten oder in einem faktischen Baugebiet unabhängig von tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigungen gegen eine von der jeweils zulässigen Nutzungsart abweichende gebietswidrige Nutzung (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 26.10.2009 – 9 CS 09.2104 – juris Rn. 4; B.v. 10.08.2016 – 9 ZB 16.944 – juris Rn. 11). Der Abwehranspruch gegen die Zulassung „gebietsfremder“ Vorhaben wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird (BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – juris Rn. 4).
Aufgrund der im Rahmen des Augenscheins getroffenen Feststellungen zu den einzelnen Nutzungen in der näheren Umgebung ist jedenfalls nicht von einem faktischen reinen Wohngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 BauNVO auszugehen. Denn neben weit überwiegender Wohnnutzung befinden sich in einzelnen Anwesen neben Wohnnutzung unter anderem auch eine Tierarztpraxis, eine Zahnarztpraxis, zwei Steuerberatungsbüros, ein kleineres Immobilienbüro, ein Büro einer ortsansässigen Malerfirma sowie eine Praxis für Allgemeinmedizin und Eventagenturen. Darüber hinaus gibt es einen Getränkemarkt sowie Lagerräume einer ortsansässigen Malerfirma.
Welcher exakte Umgriff hier als nähere Umgebung heranzuziehen ist und ob die nähere Umgebung als faktisches allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO – wozu das Gericht tendiert – oder als faktisches Mischgebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO zu qualifizieren ist, kann offen bleiben. Denn selbst zugunsten der Klagepartei unterstellt, dass ein faktisches allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO gegeben ist, ergibt sich kein Abwehranspruch der Kläger. Denn die genehmigten Nutzungsänderungen und Werbeanlagen wären auch in einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet zulässig.
Die Lebensmittelausgabe der … Tafel und das Sozialkaufhaus der Diakonie sind als Einrichtungen, die einem besonderen fürsorgerischen Angebot für Bedürftige dienen, als Anlagen für soziale Zwecke nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO bzw. § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO allgemein zulässig (vgl. zum Begriff einer Anlage für soziale Zwecke z.B. BVerwG, B.v. 13.7.2009 – 4 B 44.09 – ZfBR 2009, 691; siehe auch Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 4 BauNVO Rn. 91 ff.).
Das technische Büro der Sondermaschinenbaufirma ist nach der maßgeblichen typisierenden Betrachtungsweise (vgl. hierzu z.B. BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – juris Rn. 11 m.w.N.) als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise bzw. nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO allgemein zulässig. Der Kunsthandwerksbetrieb für … stellt einen nicht störenden Handwerksbetrieb i.S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO dar und ist daher sowohl im allgemeinen Wohngebiet nach der genannten Vorschrift bzw. in einem Mischgebiet nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO allgemein zulässig.
Auch die Genehmigung der …schule führt zu keinem Abwehranspruch der Kläger. Insoweit kann offen bleiben, ob die für die …schule genutzten Räume nicht ohnehin einem freien Beruf im Sinne des § 13 BauNVO dienen und die genehmigte Nutzungsänderung daher bereits nach § 13 BauNVO zulässig ist oder die …schule jedenfalls als Anlage für sportliche Zwecke nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO bzw. nach § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO allgemein zulässig ist (BayVGH, U.v. 20.2.1991 – 1 B 88.03146 – NVwZ-RR 1992, 60; s. auch VG Saarland, U.v. 29.7.2015 – 5 K 677/14 – juris Rn. 83). Unter Berücksichtigung des Bedeutungswandels der vergangenen Jahrzehnte ist der Sportanlagenbegriff weit auszulegen, so dass auch Anlagen und Einrichtungen hierunterfallen, die der Freizeitbetätigung und dem Fitnesstraining dienen. Im Hinblick auf die allein maßgebende städtebauliche Relevanz kann es, solange der Sportzweck erfüllt ist und nicht ein anderer Nutzungszweck, wie Unterhaltung oder gesellige Betätigung, bestimmend ist, für die Qualifizierung als Anlage für sportliche Zwecke nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO nicht darauf ankommen, ob eine Anlage für sportliche Zwecke gewerblich oder gemeinnützig betrieben wird (siehe Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 4 BauNVO Rn. 102 f.).
Die Werbetafeln von je 1,76 qm Fläche sind als Eigenwerbung untergeordnete Nebenanlagen des jeweiligen Betriebs und somit nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO zulässig, da sie dem Nutzungszweck der im Gebäude angebotenen Leistungen dienen und der Eigenart des Baugebiets nicht widersprechen.
b) Soweit die Kläger vortragen, die Zulassung der Nutzungsänderung belaste sie durch die massive und konzentrierte Nutzung des streitgegenständlichen Anwesens überproportional, berufen sie sich offenbar auf den sogenannten Gebietsprägungserhaltungsanspruch (vgl. hierzu VG München, U.v. 17.5.2016 – M 1 K 16.629 – juris Rn. 30). Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Diese dem Nachbarschutz dienende Vorschrift findet als eine die §§ 2 bis 14 BauNVO ergänzende Regelung zur Art der baulichen Nutzung kraft Verweisung in § 34 Abs. 2 BauGB im unbeplanten Innenbereich Anwendung (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.1991 – 4 B 40.91 – NVwZ 1991, 1078 – juris Rn. 4; B.v. 16.12.2008 – 4 B 68.08 – ZfBR 2009, 376 – juris Rn. 4 m.w.N.) und vermittelt neben der Wahrung des Rücksichtnahmegebots auch einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2002 – 4 B 86.01 – NVwZ 2002, 1384 – juris Rn. 7 m.w.N.; BayVGH, B.v. 9.12.2015 – 15 CS 15.1935 – ZfBR 2016, 169 – juris Rn. 20).
Es bestehen keine Anhaltspunkte für einen Widerspruch des Vorhabens zur Eigenart des (faktischen) allgemeinen Wohn- oder Mischgebiets. Zwar geht § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO davon aus, dass im Einzelfall Quantität in Qualität umschlagen kann, dass also die Größe einer baulichen Anlage oder der Umfang ihrer Nutzung die Art der baulichen Nutzung erfassen kann (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.1995 – 4 C 3.94 – NVwZ 1995, 899 – juris Rn. 17). Das ist hier aber nach Auffassung der Kammer nicht der Fall. Der von der Beigeladenen im Bauantragsverfahren aufgeführte, durch den streitgegenständlichen Bescheid genehmigte Umfang der einzelnen Nutzungen (siehe insbesondere Bl. 37 der Behördenakte) führt auch unter Berücksichtigung der durch das „MuTaBi“ bestehenden Vorbelastung nicht dazu, dass der Nutzungsumfang des streitgegenständlichen Anwesens insgesamt im Verhältnis zur Größe des Ortsteils eine Veränderung des Gebietscharakters nach sich zieht. Das Vorhaben lässt im genehmigten Umfang keine gebietsunverträglichen Störungen erwarten. Auch die Anzahl der verschiedenen Nutzungen in dem Gebäude ist für sich keine geeignete Grundlage, um die bebauungsrechtliche Zulassungsfähigkeit des Vorhabens unter dem Aspekt des Gebietsprägungsanspruchs in Zweifel zu ziehen. Hinsichtlich der Gesamtbelastung der Kläger durch die Nutzungen im streitgegenständlichen Anwesen ist zu berücksichtigen, dass die verschiedenen Nutzungen zu unterschiedlichen Zeiten ausgeübt werden, sich nur teilweise überschneiden und die mit den einzelnen Nutzungen einhergehenden Auswirkungen unterschiedlich intensiv sind. Gemäß der Auflistung der Betriebszeiten durch die Beigeladene wird das …studio von Montag bis Freitag von maximal 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr genutzt, an Wochenenden und während der Schulferien ist es geschlossen. Das Sozialkaufhaus hat Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 9.00 Uhr bis 17.30 Uhr und am Mittwoch von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet. Die Lebensmittelausgabe der Tafel erfolgt nur donnerstags von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr. Die Anlieferung der Lebensmittel erfolgt kurzzeitig dienstags bzw. mittwochs ab 17.30 Uhr. Daraus ergibt sich ein auch im allgemeinen Wohngebiet zulässiger Nutzungsumfang.
c) Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme wird durch die genehmigte Nutzungsänderung und die Zulassung der Werbeanlagen nicht zulasten der Kläger verletzt.
Das Rücksichtnahmegebot zielt darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Gegenläufige Nutzungsinteressen sollen in rücksichtsvoller Weise zugeordnet und unter Beachtung des jeweils widerstreitenden Interesses ausgeübt werden (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – BVerwGE 52, 122). Über die Vereinbarkeit eines Vorhabens mit dem Gebot der Rücksichtnahme ist auf der Grundlage einer nachvollziehenden Abwägung der im konkreten Fall widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es also wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6.98 – BauR 2000, 234 – juris Rn. 18 m.w.N.;, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – BVerwGE 52, 122). Vom Rücksichtnahmegebot sind nur solche Einwirkungen erfasst, die bei der bestimmungsgemäßen Nutzung einer baulichen Anlage typischerweise auftreten. Sie müssen bodenrechtlich relevant sein, um als städtebaulicher Gesichtspunkt bei der Prüfung des Nachbarschutzes nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO Beachtung zu finden. Störungen, die allein durch ein Fehlverhalten einzelner Bewohner bzw. Besucher in einem benachbarten Anwesen verursacht sind, können dagegen nur mit Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts beseitigt werden (BayVGH, U.v. 13.9.2012 – 2 B 12.109 – juris Rn. 40). Entsprechendes gilt für sonstige Belästigungen durch soziale Konflikte (SächsOVG, B.v. 19.7.2016 – 1 B 49/16 – juris Rn. 7).
Dies zugrundgelegt stellt sich das mit der Baugenehmigung vom 28. November 2016 zugelassen Vorhaben der Beigeladenen nicht als rücksichtlos dar. Es ist nicht ersichtlich, dass die Auswirkungen der streitgegenständlichen Nutzungsänderung auf die Grundstücke der Kläger die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten und somit rücksichtlos sind. Aufgrund einer Gesamtwürdigung der Interessen der Kläger einerseits und der Interessen der Beigeladenen andererseits ist selbst bei Berücksichtigung der Vorbelastung durch das „MuTaBi“ nicht von einer unzumutbaren und damit rücksichtslosen Nutzung im genehmigten Umfang auszugehen.
Die Kläger können sich nicht auf eine „erdrückende“ oder „abriegelnde Wirkung“ aufgrund des Ziel- und Quellverkehrs berufen. Eine solche Wirkung kommt nach der Rechtsprechung bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – DVBl 1981, 928: zwölfgeschossiges Gebäude in Entfernung von 15 m zum Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – DVBl 1986, 1271: drei 11,50 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem Wohnanwesen; BayVGH, B.v. 16.10.2012 – 15 ZB 11.1016 – juris Rn. 6; VGH BW, U.v. 2.6.2015 – 8 S 1914/14 – juris Rn. 64). Hier wenden sich die Kläger jedoch nicht gegen baukörperbezogene Belastungen, sondern die mit der beantragten Nutzungsänderung einhergehende zusätzliche Verkehrsbelastung. Insoweit kann von einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung der beantragten Nutzungsänderung nicht gesprochen werden.
Aus den bereits unter 1.b) dargestellten Öffnungszeiten der einzelnen Nutzungen ergibt sich, dass der publikumsrelevante Verkehr dieser Nutzungen nur zur Tagzeit und nur von Montag bis Freitag erfolgt. Das technische Büro der Sondermaschinenbaufirma sowie der Kunsthandwerksbetrieb für … verursachen keinen nennenswerten Verkehr, beide Nutzungen werden durch einzelne Mitarbeiter ausgeübt. Darüber hinaus werden Kinder, die an den Kursen der …schule und des „MuTaBi“ teilnehmen, nach Auskunft der Beigeladenen meistens nur gebracht und wieder abgeholt, so dass nur kurz gehalten und nicht länger geparkt wird.
Eine unzumutbare Belästigung der Kläger durch Lärmimmissionen wurde von den Klägern nicht hinreichend dargelegt und ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. Aufgrund der Entfernung der klägerischen Anwesen vom Baugrundstück, den Angaben der Beigeladenen zum Nutzungsumfang im Genehmigungsverfahren sowie dem Umstand, dass die Nutzungen nur zur Tagzeit ausgeübt werden, bestehen für das Gericht keine Anhaltspunkte, dass die zulässigen Lärmgrenzwerte überschritten werden. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die mit einer zulässigen Nutzung einhergehenden sozial adäquaten Lebensäußerungen grundsätzlich zumutbar und nicht rücksichtslos sind (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2016 – 15 ZB 14.891 – juris Rn. 15). Sollte jedoch im Einzelfall, z.B. beim Lüften der Räume der …schule, unzumutbarer Lärm hervorgerufen werden, kann diesem Umstand durch Auflagen im Rahmen eines bauaufsichtlichen Einschreitens Rechnung getragen werden und wird hierdurch nicht die Rechtmäßigkeit der Genehmigung per se in Frage gestellt.
Soweit die Kläger eine Rücksichtslosigkeit mit einer Nutzung des streitgegenständlichen Anwesens außerhalb der genehmigten Betriebszeiten begründen wollen, kann dies der streitgegenständlichen Klage auch nicht zum Erfolg verhelfen. Denn Gegenstand der Anfechtungsklage ist die Nutzungsänderung im genehmigten Umfang. Gegen darüber hinausgehende Nutzungen, müssen sich die Kläger gegebenenfalls im Wege eines Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten wenden. In Bezug auf Ruhestörungen und das Fehlverhalten einzelner Besucher des streitgegenständlichen Anwesens beispielweise durch kurzfristiges Zuparken sind die Kläger auf die Inanspruchnahme der Möglichkeiten des Rechts der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verweisen.
2. Auch die von den Klägern gerügte Stellplatzproblematik verletzt sie nicht in drittschützenden Rechten.
a) Zwar ist die (bauordnungsrechtliche) Frage, ob die Anzahl der notwendigen Stellplätze nach Art. 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BayBO erfüllt ist, wegen der beantragten Abweichung von der gemeindlichen Stellplatzsatzung nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO vom vereinfachten Prüfprogramm erfasst. Doch können sich die Kläger mangels Drittschutzes auf einen etwaigen Verstoß hiergegen nicht mit Erfolg berufen. Denn die Anforderungen an die Anzahl der notwendigen Stellplätze dienen grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs (vgl. z.B. OVG NRW, U.v. 10.7.1998 – 11 A 7238/95 – juris).
b) Ein Nachbar kann sich nur dann ausnahmsweise mit Erfolg auf eine unzureichende Stellplatzsituation berufen, wenn die Baugenehmigung ohne die erforderlichen Stellplätze zu Beeinträchtigungen führt, die dem Nachbarn bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind und damit ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme vorliegt. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der durch den Stellplatzmangel bewirkte Park- und Parksuchverkehr den Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt oder wenn die bestimmungsgemäße Nutzung des Nachbargrundstücks nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287 – BauR 2010, 120 – juris Rn. 39 m.w.N. zur Rechtsprechung). Diskutiert wird die Möglichkeit eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot für Einrichtungen wie Sportstadien, Hörsäle von Universitäten oder neue Abteilungen von Krankenhäusern. Diese Fallkonstellationen rufen jedoch allesamt einen erheblich größeren Stellplatzbedarf hervor als die streitgegenständliche Nutzungsänderungen der Beigeladenen (vgl. VG München, U.v. 1.12.2015 – M 1 K 15.4038 – juris Rn. 26). Die Situation im zu entscheidenden Fall ist mit den genannten Ausnahmefällen nicht vergleichbar und eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger nicht zu besorgen, zumal ihnen die Möglichkeiten des Rechts der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu Gebote stehen, sollte tatsächlich die Nutzung ihrer Grundstücke durch parkende Fahrzeuge im Einzelfall vorübergehend eingeschränkt werden oder ein Durchkommen von Rettungsfahrzeugen nicht mehr gewährleistet sein (s.o.).
3. Soweit die Kläger geltend gemacht haben, dass die Beleuchtung der Werbetafeln störend sei, ist festzuhalten, dass die Beleuchtung unstreitig nicht vom Genehmigungsumfang und damit auch nicht vom Streitgegenstand der Klage umfasst ist. Darüber hinaus ist die Beleuchtung infolge einer Aufforderung der Beigeladenen durch das Landratsamt auch nicht mehr in Betrieb.
4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da die Beigeladene einen eigenen Sachantrag gestellt und sich daher einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es billigem Ermessen, dass die Kläger ihre außergerichtlichen Kosten tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.