Aktenzeichen W 4 K 18.671
ZPO § 227
Leitsatz
1. I. Die Klage wird abgewiesen.
2. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen.
3. III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
1. Benachbart i.S.d. Art. 66 Abs. 1 Satz 1 und 6 sowie Abs. 2 Satz 4 BayBO sind nicht nur unmittelbar angrenzende Grundstücke, sondern auch Grundstücke, die in nachbarrechtlich relevanter Weise im Einwirkungsbereich des Bauvorhabens liegen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Frage, ob die Baugenehmigung bei mehr als 20 Beteiligten nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO öffentlich bekannt gemacht werden darf, ist nicht maßgebend, ob diese Personen tatsächlich am Baugenehmigungsverfahren beteiligt worden sind, d.h. ob ihnen die Bauunterlagen nach Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO vorgelegt wurden, sie ihnen tatsächlich bekannt waren oder sie tatsächlich Einwendungen erhoben haben oder nicht. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Gründe
1. Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist der Bescheid des Landratsamts K. vom 21. Dezember 2017, mit dem der Beigeladenen der Neubau einer Hotelanlage mit 214 Betten auf den Grundstücken Fl.Nrn. …87 bis …91 jeweils Gemarkung V. genehmigt wurde.
Das Gericht konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 28. Mai 2019 über diesen Streitgegenstand entscheiden, da Gründe, die eine Terminsaufhebung rechtfertigen könnten, nicht vorlagen.
Nach § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 173 VwGO kann ein Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Die Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts („kann“, BVerwG, B.v. 22.5.2001 – 8 B 69/01 – NJW 2001, 2735 (2735); Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 102 Rn. 6). Ermessensleitlinie ist dabei die Wahrung des rechtlichen Gehörs der Verfahrensbeteiligten (Schübel-Pfister, a.a.O.). Eine Terminsänderung ist geboten, wenn trotz aller nach der Prozesslage gebotenen und zumutbaren Anstrengungen die ordnungsgemäße Wahrnehmung eines Termins seitens eines Beteiligten nicht möglich ist (Dolderer, in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 102 Rn. 27).
Entgegen der Ansicht des Klägervertreters war nach diesen Maßstäben keine Terminsverlegung erforderlich, denn der Kläger hat keinen erheblichen Grund, der eine Terminsverlegung rechtfertigen würde, glaubhaft gemacht (§ 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1, Abs. 2 ZPO).
In ihrem Schriftsatz vom 23. Mai 2019 machen die Bevollmächtigten des Klägers geltend, dass seit der Terminsbestimmung verschiedene Tatsachen bekanntgeworden seien, welche die Annahme rechtfertigen würden, dass das Bauvorhaben, für das die streitgegenständliche Baugenehmigung vorliege, im Wesentlichen so nicht errichtet worden sei, wie dies die Genehmigung regele. Das errichtete Bauvorhaben sei ein „Aliud“. Dieses Vorbringen stellt allerdings keinen erheblichen Grund i.S.d. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO dar, denn Streitgegenstand der vorliegenden Anfechtungsklage ist allein die Frage, ob im maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung (vgl. BVerwG, B.v. 3.11.2006 – 10 B 19/06 – juris) diese rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 90 Rn. 8). Nicht maßgelblich sind hingegen die vom Klägervertreter geltend gemachten angeblichen nachträglichen Änderungen der Sachlage, zumal diese nicht zu einer Änderung des Gegenstandes der Klage führen.
2. Die Klage ist unzulässig, da verfristet. Bereits das Verwaltungsgericht hat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf diesen Umstand hingewiesen. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 16. Oktober 2018 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (9 CS 18.1415) in diesem Zusammenhang folgendes ausgeführt:
„ 2. Die Klage des Antragstellers vom 18. Mai 2018 gegen die Baugenehmigung des Landratsamts vom 21. Dezember 2017 an den Beigeladenen ist verfristet, weil sie nicht innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO erhoben wurde, die aufgrund der wirksamen öffentlichen Bekanntmachung der Baugenehmigung vom 27. Dezember 2017 am 29. Januar 2018 abgelaufen ist (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB).
a) Die vom Landratsamt gewählte öffentliche Bekanntmachung der Baugenehmigung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO ist hier nicht durch Art. 66a Abs. 1 BayBO gesperrt; ein Fall des Art. 66a Abs. 2 BayBO liegt offensichtlich nicht vor.
…
b) Die Voraussetzungen für eine wirksame öffentliche Bekanntmachung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO sind gegeben.
Nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO kann die Zustellung einer Baugenehmigung nach Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO bei mehr als 20 Beteiligten im Sinn des Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBO durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Gemäß Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde in dem Fall, dass an einem Baugenehmigungsverfahren mindestens zehn Nachbarn im gleichen Interesse beteiligt sind, ohne vertreten zu sein, diese auffordern, innerhalb angemessener Frist einen Vertreter zu bestellen.
aa) Voraussetzung für die Ersetzung der Zustellung einer Ausfertigung der Baugenehmigung durch öffentliche Bekanntmachung ist zunächst, dass mehr als 20 Nachbarn die Genehmigung nach Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO zugestellt werden müsste, weil sie nicht zugestimmt haben oder ihren Einwendungen nicht entsprochen wurde (vgl. Edenharter in Spannowsky/Manssen, a.a.O., Art. 66 Rn. 71). Benachbart i.S.d. Art. 66 Abs. 1 Satz 1 und 6 sowie Abs. 2 Satz 4 BayBO sind dabei nicht nur unmittelbar angrenzende Grundstücke, sondern auch Grundstücke, die in nachbarrechtlich relevanter Weise im Einwirkungsbereich des Bauvorhabens liegen. Soweit ein Grundstück belastenden Auswirkungen ausgesetzt sein kann, ist eine potentielle Betroffenheit ausreichend (BayVGH, B.v. 4.4.2011 – 14 CS 11.263 – juris Rn. 29). Dementsprechend ist hier zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen des genehmigten Hotels, insbesondere hinsichtlich der vom Antragsteller im Wesentlichen geltend gemachten und vom Landratsamt zugrunde gelegten Verkehrsbeeinträchtigungen durch eine erhebliche Zunahme des Verkehrs, über die nur angrenzenden Grundstücke hinausgehen. Damit hat das Landratsamt zu Recht auf einen größeren Kreis benachbarter Grundstücke abgestellt und ist – entgegen der Ansicht des Antragstellers – nicht bloß vom sog. formellen Nachbarbegriff unmittelbar angrenzender Grundstücke ausgegangen (vgl. König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Auflage 2012, Art. 66 Rn. 14). Aus dem Schreiben des Antragsgegners vom 9. Oktober 2017 an den Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Gemarkung V. lässt sich hierzu nichts Gegenteiliges entnehmen. Denn zum einen hat sich das Landratsamt lediglich auf die von diesem Eigentümer, der selbst kein Landwirt ist, vorgetragenen Bedenken wegen angrenzender landwirtschaftlicher Betriebe sowie einer möglichen Lärmbeeinträchtigung seines Grundstücks durch die Gästeterrasse des Hotels bezogen. Zum anderen wurde diesem Eigentümer, dessen Grundstück nicht unmittelbar an das Baugrundstück angrenzt, seitens des Landratsamts ohne Weiteres Akteneinsicht gewährt, was dessen Einstufung als Beteiligter voraussetzt (vgl. Art. 29 BayVwVfG).
Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist für die Frage der Nachbarschaft auch nicht ausschließlich auf die Darstellung auf Blatt 72 der Behördenakte abzustellen, die die entlang der Straße „…“ (FlNr. … Gemarkung V.) und der Hotelzufahrt über den Weg FlNr. … Gemarkung V. betroffenen Grundstücke abbildet. Zwar ist bei der Beurteilung, ob die öffentliche Bekanntmachung zu Recht erfolgt ist, auf den Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung abzustellen. Spätere (Rechts-)Änderungen im Bereich der Grundstückseigentümer können sich demnach nicht auf die Wirksamkeit der öffentlichen Bekanntmachung auswirken. Zu Recht weist der Antragsteller darauf hin, dass bei der Berechnung der Mindestzahl nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO Personen, die zum o.g. Zeitpunkt Eigentümer mehrerer benachbarter Grundstücke sind, nur als ein Beteiligter zu werten sind (BayVGH, B.v. 4.4.2011 – 14 CS 11.263 – juris Rn. 31 und B.v. 21.3.2012 – 14 ZB 11.2148 – juris Rn. 6). Umgekehrt sind Grundstücke, die nicht im Alleineigentum einer Person stehen, auch mit der entsprechenden Zahl an (Mit-)Eigentümern zu berücksichtigen.
Hinsichtlich der Betroffenheit ist jedoch die objektive Sachlage maßgebend, weil es nach dem o.g. Nachbarbegriff insoweit allein darauf ankommt, wer potentiell von belastenden Auswirkungen des Vorhabens betroffen ist. Dass die Bauaufsichtsbehörde den Kreis potentiell Betroffener entsprechend der Darstellung auf Blatt 72 der Behördenakte gegebenenfalls zu eng gezogen hat, ist unerheblich, wenn zum Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung der Baugenehmigung weitere potentiell Betroffene von dem herangezogenen Belang für die Beurteilung der im gleichen Interesse Betroffenen, hier hinsichtlich der Verkehrsbeeinträchtigungen, tatsächlich vorhanden sind.
bb) Nach diesen Kriterien sind hier mehr als 20 Beteiligte im gleichen Interesse hinsichtlich der vom Bauvorhaben hervorgerufenen Verkehrsbeeinträchtigungen betroffen. Zwar ist die Darstellung auf Blatt 72 der Behördenakte insoweit zu korrigieren, als Eigentümer mehrerer Grundstücke nur einmal gezählt werden dürfen und allein danach die Mindestzahl nicht erreicht wird. Hier sind jedoch auch die Eigentümer der Grundstücke entlang der Straße „A.“ (FlNr. … Gemarkung V.) mitzuzählen. Denn gerade die im Baugenehmigungsbescheid vom 21. Dezember 2017 festgesetzte Nebenbestimmung T0205 Nr. 2, wonach die Zufahrt „von der Staatsstraße St … in die Kreisstraße ‚ …‘ über die Straße ‚ …‘ bis zum Baugrundstück auszuschildern und vorzunehmen“ ist, „auch während der Bauphase“, belegt, dass sichergestellt werden sollte, dass der Verkehr über die Straße „…“ und nicht über mögliche Ausweichstrecken, insbesondere die Straße „A.“ als direkte Verbindung zur Staatsstraße St …, abgewickelt werden soll. Damit ist eine potentielle Betroffenheit weiterer Grundstücke von Verkehrsbeeinträchtigungen jedenfalls nicht erst nachträglich in die Überlegungen einbezogen worden. Unter Berücksichtigung der zahlreichen Grundstücke mit unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen entlang der Straße „A.“ (FlNr. … Gemarkung V.) ergeben sich zusammen mit den Betroffenen entlang der Straße „…“ jedoch ohne weiteres mehr als 20 Beteiligte. Damit kann offen bleiben, ob der erst im Klageverfahren geltend gemachte und vom Antragsgegner im Verwaltungsverfahren wohl nicht erkannte Belang einer Beeinflussung der Kaltluftabflüsse durch das Bauvorhaben ebenfalls eine öffentliche Bekanntmachung begründen könnte.
Unerheblich ist ferner, dass der Eigentümer der FlNr. … Gemarkung V. anwaltlich vertreten ist. Er ist gleichwohl für die Mindestzahl zu berücksichtigen, weil „vertreten zu sein“ im Sinne des Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBO nur eine gemeinsame Vertretung durch einen Bevollmächtigten bedeutet (VGH, B.v. 3.2.1997 – 2 CS 96.3563 – BayVBl 1998, 151; Edenharter in Spannowsky/Manssen, a.a.O., Art. 66 Rn. 35), die hier nicht vorliegt.
Offen bleiben kann, ob, wie der Antragsteller meint, das von der Stadt V., die Eigentümer mehrerer Flächen und Straßengrundstücke ist, erteilte planungsrechtliche Einvernehmen als Zustimmung i.S.d. Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BayBO gilt, da unabhängig hiervon jedenfalls insgesamt mehr als 20 Beteiligte nicht zugestimmt haben oder ihren Einwendungen nicht entsprochen wurde. Eine Zustellung der Baugenehmigung ist in allen Fällen erforderlich, in denen keine vorbehaltlose Nachbarunterschrift angenommen werden kann (Molodovsky in Molodovsky/Famers/Waldmann, a.a.O., Art. 66 Rn. 194). Sie ist auch dann erforderlich, wenn der Nachbar gar keine Erklärung abgegeben hat, weil er auch dann nicht zugestimmt hat (Dirnberger in Simon/Busse, a.a.O., Art. 66 Rn. 215). Der Grund, weshalb Nachbarn dem Bauvorhaben nicht zugestimmt haben, z.B. ausdrückliche Verweigerung, Nichtvorlage der Unterlagen oder bloßes Offenhalten der Rechtsschutzmöglichkeiten, ist für die Frage der Zustellung nicht maßgebend (vgl. König in Schwarzer/König, a.a.O., Art. 66 Rn. 31).
cc) Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist für die Frage, ob die Baugenehmigung bei mehr als 20 Beteiligten im Sinne des Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBO nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO öffentlich bekannt gemacht werden darf, nicht maßgebend, ob diese Personen tatsächlich am Baugenehmigungsverfahren beteiligt worden sind, d.h. ob ihnen die Bauunterlagen nach Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO vorgelegt wurden, sie ihnen tatsächlich bekannt waren oder sie tatsächlich Einwendungen erhoben haben oder nicht.
Auf eine fehlende oder fehlerhafte Nachbarbeteiligung kann sich der Nachbar nicht berufen (BayVGH, B.v. 9.1.2018 – 9 C 17.88 – juris Rn. 3 m.w.N.); maßgebend ist allein die Verletzung drittschützender materieller Rechte (Dirnberger in Simon/Busse, a.a.O., Art. 66 Rn. 208; Edenharter in Spannowsky/Manssen, a.a.O., Art. 66 Rn. 6, 68). Im Rahmen der Nachbarbeteiligung obliegt die Verpflichtung, den Eigentümern benachbarter Grundstücke den Lageplan und die Bauzeichnungen zur Unterschrift vorzulegen, allein dem Bauherrn oder seinem Beauftragten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Eine Beteiligung der Nachbarn vor Abschluss des Baugenehmigungsverfahrens ist – ohne Antrag des Bauherrn – weder von der Gemeinde (Art. 66 Abs. 1 Satz 3 BayBO) noch von der Bauaufsichtsbehörde durchzuführen. Die Nachbarbeteiligung nach Art. 66 BayBO ist vielmehr so angelegt, dass ohne den ausdrücklich zu äußernden Willen des Bauherrn die Nachbarbeteiligung unterbleibt (vgl. LT-Drs. 12/13482 S. 62).
Das bloße Fehlen der Nachbarunterschrift löst für die Bauaufsichtsbehörde allerdings die Pflicht aus, die Baugenehmigung nach Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO zuzustellen, unabhängig davon, aus welchen Gründen die Nachbarunterschrift fehlt oder ob der Nachbar überhaupt beteiligt wurde (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – juris Rn. 17; Jäde in Jäde/Weinl/Dirnberger/Bauer/Eisenreich, a.a.O., Art. 66 Rn. 155, 169 f.). Diese Zustellpflicht besteht unabhängig von der Zahl der zuzustellenden Ausfertigungen der Baugenehmigung, wobei die Individualzustellung nach Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO bei mehr als 20 Beteiligten im Sinn des Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBO nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden kann. Die Bauaufsichtsbehörde ist weder wenn ihr die Nachbarn allesamt bekannt sind, noch wenn größere Personenmehrheiten beteiligt sind, befugt, von einer Zustellung bei fehlender Nachbarunterschrift abzusehen; im letzteren Fall hat sie gegebenenfalls nach Art. 66 Abs. 2 Sätze 4 bis 6 BayBO zu verfahren (Jäde in Jäde/Weinl/Dirnberger/Bauer/Eisenreich, a.a.O., Art. 66 Rn. 172).
Aus Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO bzw. aus der dortigen Verweisung auf Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBO lässt sich nicht ableiten, dass eine öffentliche Bekanntmachung – in Ersetzung der Individualzustellung und in Abweichung von den o.g. Grundsätzen – nur bei tatsächlicher Beteiligung der Nachbarn wirksam erfolgen kann. Gegenteiliges ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch der Historie, der Systematik oder dem Sinn und Zweck der Norm.
Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO lässt sich nicht entnehmen, dass eine tatsächliche Beteiligung im Baugenehmigungsverfahren vorausgesetzt wird. Vielmehr nimmt Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO durch die Verweisung auf Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBO auch den Nachbarbegriff auf, bei dem es – wie oben ausgeführt – darauf ankommt, dass ein Grundstück objektiv potentiell von belastenden Auswirkungen eines Bauvorhabens betroffen ist. Dem entspricht auch die Systematik der Norm. Während Art. 66 Abs. 1 BayBO den Regelfall der Nachbarbeteiligung enthält, klärt Art. 66 Abs. 2 BayBO das Verhältnis zwischen bauordnungsrechtlicher Nachbarbeteiligung und Verwaltungsverfahrensrecht (LT-Drs. 12/13482 S. 62). Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus Sinn und Zweck der Regelung ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass durch Art. 66 Abs. 2 BayBO die o.g. Grundsätze der Nachbarbeteiligung verändert werden sollten. Der Gesetzgeber differenziert im Rahmen des Art. 66 BayBO nicht zwischen unterschiedlichen Beteiligten i.S.d. Art. 13 BayVwVfG. Er stellt vielmehr durch die verfahrensrechtliche Beteiligungsvorschrift des Art. 66 Abs. 2 Satz 1 BayBO klar, dass der Nachbar – unabhängig von seiner tatsächlichen Beteiligung – automatisch, kraft Gesetzes die Stellung eines Beteiligten hat (LT-Drs. 12/13482 S. 62; Grziwotz/Saller, Bayerisches Nachbarrecht, 3. Auflage 2015, Teil 5. Rn. 63). Demgegenüber bleibt für Personen, die nicht dem Nachbarbegriff des Art. 66 Abs. 1 Satz 1 und 6 BayBO unterfallen, nur die Hinzuziehung gem. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG, sofern die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 BayVwVfG vorliegen, oder das Verfahren zur Beteiligung der Öffentlichkeit nach Art. 66a BayBO, das hier nicht gewählt wurde. Auch aus der Gesetzeshistorie ergibt sich nichts anderes. Denn durch das Gesetz vom 12. April 1994 (GVBl S. 210) wurde gerade die Verpflichtung der Gemeinde bei fehlender Unterschrift den Nachbarn zu benachrichtigen und ihn zu einer Äußerung aufzufordern dahingehend abgeschwächt, dass dies nur noch auf Antrag des Bauherrn möglich ist (vgl. LT-Drs. 12/13482 S. 62). Die Verantwortung zur (tatsächlichen) Beteiligung der Nachbarn wurde damit vollständig dem Bauherrn übertragen. Änderungen der verfahrensrechtlichen Aspekte oder Voraussetzungen in Art. 66 Abs. 2 BayBO im Hinblick auf diese geänderte Verpflichtung zur Beteiligung der Nachbarn hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen.
Der Antragsteller leitet aus der Verweisung in Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO auf die „Beteiligung im gleichen Interesse“ gemäß Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBO ab, dass dessen Kenntnis eine tatsächliche Beteiligung voraussetzt. Für die Frage der öffentlichen Bekanntmachung kann aber nichts anderes als im Rahmen des Art. 66 Abs. 1 BayBO gelten, wonach eine tatsächliche Beteiligung des Nachbarn nicht erfolgt sein muss. Denn für die Beurteilung einer Beteiligung im gleichen Interesse kommt es – wie bereits ausgeführt – auf die objektive Sachlage an, die die Behörde gegebenenfalls von Amts wegen zu ermitteln hat und die im Rahmen eines Klageverfahrens voll nachprüfbar ist. Insoweit ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass explizit Einwendungen erhoben worden sein müssen, damit die Behörde das Vorliegen eines gleichen Interesses beurteilen kann. Darüber hinaus sind weder aus der Gesetzesbegründung noch sonst Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die dem Bauherrn obliegende Verpflichtung der Nachbarbeteiligung im Rahmen der Zustellung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO anders als im Rahmen der Zustellung nach Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO bewerten wollte. Dem Einwand des Antragstellers, Art. 19 Abs. 4 GG erfordere in diesen Fällen, dass der Nachbar tatsächlich beteiligt wurde, lässt sich unter Umständen auch anderweitig Rechnung tragen (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2015 – 9 CS 15.1762 – juris Rn. 21 m.w.N.). Hier hat das Verwaltungsgericht eine Wiedereinsetzung des Antragstellers in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO hinsichtlich der versäumten Klagefrist abgelehnt, worauf im Beschwerdeverfahren nicht eingegangen wird. Auf Aspekte einer möglichen Verwirkung nachbarlicher Rechte kommt es insoweit hierbei nicht an.
dd) Die Entscheidung des Landratsamts, die Baugenehmigung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO öffentlich bekannt zu machen, ist nicht ermessensfehlerhaft. Auch wenn im Rahmen der Nachbarbeteiligung des Art. 66 Abs. 1 und 2 BayBO – anders als im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung des Art. 66a Abs. 1 BayBO – ein Antrag des Bauherrn keine Voraussetzung für eine öffentliche Bekanntmachung der Baugenehmigung ist, kann lediglich aus dem Vorliegen eines derartigen Antrags zur öffentlichen Bekanntmachung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO seitens der hier Beigeladenen nicht auf einen Ermessensnichtgebrauch geschlossen werden. Dass Ermessenserwägungen angestellt wurden, zeigen bereits die Eintragungen in der Karte, wie sie sich Blatt 72 der Behördenakte entnehmen lassen. Das Gebrauchmachen von der Möglichkeit der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung stellt auch keinen Ermessensfehlgebrauch dar (BayVGH, B.v. 3.2.1997 – 2 CS 96.3563 – BayVBl 1998, 151/152). Der Entlastungszweck durch eine öffentliche Bekanntmachung anstelle einer Individualzustellung reicht bei der hier vorliegenden Erfüllung der Voraussetzungen regelmäßig für die Wahl dieser Verfahrensvariante aus (vgl. Jäde in Jäde/Weinl/Dirnberger/Bauer/Eisenreich, a.a.O., Art. 66 Rn. 175; Molodovsky in Molodovsky/Famers/Waldmann, a.a.O., Art. 66 Rn. 195).
c) Anhaltspunkte für eine inhaltlich fehlerhafte öffentliche Bekanntmachung sind weder vorgetragen noch ersichtlich (Art. 66 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2, Satz 5 BayBO).
Die Klage im Hauptsacheverfahren bleibt somit bereits wegen Nichteinhaltung der Klagefrist erfolglos.“
Die Kammer macht sich diese Ausführungen zu eigen, so dass vorliegend eindeutig von der Unzulässigkeit der Klage auszugehen ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schriftsatz der Klägervertreter vom 27. Mai 2019.
Soweit dort dem Bayer. Verwaltungsgerichtshof vorgeworfen wird, seine Ausführungen seien nicht schlüssig, da, würde man seiner Logik folgen, die Voraussetzungen des Masseverfahrens bei jedem Bauvorhaben im Innenbereich erfüllt wären, kann die Kammer dieser Argumentation schon nicht folgen. Insbesondere ist die von den Klägervertretern angenommene Vergleichbarkeit einer Baugenehmigung für ein Einfamilienhaus mit einer Baugenehmigung zum Neubau einer Hotelanlage mit 214 Betten für die Kammer nicht nachvollziehbar.
Nicht schlüssig begründet und argumentativ ebenso nicht nachvollziehbar ist die weitere Einwendung der Klägervertreter gegen den Beschluss des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Oktober 2018, das Ermessen der Behörde sei vorliegend im Rahmen ihrer Entscheidung über eine Individualzustellung oder eine öffentliche Zustellung jedenfalls hinsichtlich des Klägers auf Null reduziert. In diesem Zusammenhang sei auf den Wortlaut des Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO verwiesen, wonach die Sonderregelung in Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO die in Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO geregelte Zustellungsverpflichtung ersetzt.
Der vom Klägervertreter in diesem Zusammenhang gestellte Beweisantrag, der so wörtlich zu Protokoll gegeben wurde, ist schon mangels Substantiiertheit abzulehnen gewesen. Es wird aus dem gesamten Antrag, selbst wenn man diesen wohlwollend zu Gunsten des Klägers auslegt, nicht klar, auf welche konkrete und individualisierte Tatsache sich der Beweisantrag beziehen soll. Im Übrigen wäre er jedenfalls unbehelflich, da behördeninterne Vorüberlegungen hinsichtlich der öffentlichen Bekanntmachung für die Entscheidung selbst nicht maßgeblich sind.
Wie das Verwaltungsgericht bereits in seinem Beschluss vom 18. Juni 2018 im Verfahren W 4 S 18.672 ausgeführt hat und insbesondere aber auch der Bayer. Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 16. Oktober 2018 überzeugend dargelegt hat, war die Klage wegen Nichteinhaltung der Klagefrist unzulässig und daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat, erscheint es angebracht, dass der Kläger auch deren außergerichtliche Kosten trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.