Baurecht

Keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör

Aktenzeichen  15 ZB 15.1069

Datum:
8.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 103 Abs. 1
VwGO VwGO § 108 Abs. 2
BV BV Art. 91 Abs. 1

 

Leitsatz

Eine mit der Anhörungsrüge geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, wenn das Gericht den Vortrag (Zahl der Vollgeschosse als ungeeignetes Kriterium für einen Grundzug der Planung) eines Beteiligten in seine Entscheidung einbezieht, ihm aber keine maßgebliche Bedeutung beimisst. Denn dann wird nur die inhaltliche Unrichtigkeit der getroffenen Entscheidung geltend gemacht, aber keine Gehörsverletzung. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

15 ZB 13.2039 2015-04-23 Bes VGHMUENCHEN VG Augsburg

Tenor

I.
Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg.
Nach § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO ist auf Rüge eines durch die Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Senat hat durch den Beschluss vom 23. April 2015, mit dem er den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung abgelehnt hat, ihren Anspruch auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 91 Abs. 1 BV) hat eine zweifache Ausprägung: Zum einen untersagt es dem Gericht, seiner Entscheidung Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde zu legen, zu denen sich die Beteiligten nicht äußern konnten. Zum anderen gibt es den Beteiligten einen Anspruch darauf, dass rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen vom Gericht zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung in Erwägung gezogen wird, soweit es aus verfahrens- oder materiell-rechtlichen Gründen nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (vgl. BayVerfGH, E. v. 25.08.2016 – Vf. 2-VI-15 – juris Rn. 34 f.; BVerfG, B. v. 5.4.2012 – 2 BvR 2126/11 – NJW 2012, 2262; BVerwG, B. v. 17.6.2011 – 8 C 3.11 u. a. – juris Rn. 3). Der Gehörsanspruch verlangt jedoch nicht, dass das Gericht das gesamte Vorbringen der Beteiligten in den Urteilsgründen wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen hat. Vielmehr sind in dem Urteil nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Gericht kann sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht einen Aspekt des Vorbringens eines Beteiligten in den Urteilsgründen nicht abgehandelt hat, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht in Erwägung gezogen, wenn er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (vgl. BVerwG, B. v. 8.9.2016 – 2 C 10.16 – juris Rn. 4).
Hieran gemessen ist die Klägerin nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Die Annahme des Senats in der Entscheidung vom 23. April 2015, bei der Festsetzung der zwingenden Zahl der Vollgeschosse handle es sich vorliegend nicht um ein ungeeignetes Kriterium für die Darstellung eines Grundzugs der Planung, weil die unterschiedliche Anzahl der Vollgeschosse selbst bei gleicher Höhe eines mit fünf bzw. sechs Vollgeschossen errichteten Gebäudes nach außen hin stets sichtbar bleibe, beruht weder auf Tatsachen oder Beweisergebnissen, zu denen sich die Klägerin nicht äußern konnte, noch darauf, dass der Senat rechtzeitiges und erhebliches Vorbringen der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in seine Erwägungen einbezogen hat.
1. Soweit die Klägerin bemängelt, Gegenteiliges ergebe sich eindeutig aus der von ihr im Zulassungsverfahren mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2013 als Anlage 1 vorgelegten Planzeichnung auf Blatt 49 der Gerichtsakte (richtig: Blatt 48), wonach sich ein fünfgeschossiges Gebäude von einem sechsgeschossigen Gebäude nicht nur auf der Nordseite, sondern auch auf der Südseite in keiner Weise unterscheide, kann sie damit schon deswegen nicht durchdringen, weil sie mit diesem Einwand der Sache nach lediglich die inhaltliche Unrichtigkeit der getroffenen Entscheidung geltend macht. Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs lässt sich damit nicht begründen (vgl. BVerfG, B. v. 4.9.2008 – 2 BvR 2162/07 – BVerfGK 14, 238/241 = juris Rn. 13; B. v. 4.2.2016 – 2 BvR 2223/15 – juris Rn. 65; BVerwG, B. v. 28.11.2008 – 7 BN 5.08 – NJW 2009, 457; B. v. 18.3.2016 – 1 A 1.16 u. a. – juris Rn. 2). Im Übrigen hat der Senat diesen Plan in seine Entscheidung mit einbezogen, aber der Tatsache, dass sich darauf sowohl die Nordansichten als auch die Südansichten nahezu gleich darstellen, keine maßgebliche Bedeutung beigemessen, weil der Plan, wie die Klägerin in ihrer Anhörungsrüge selbst angibt, ein Bauvorhaben darstellt, das – entgegen den Festsetzungen des Bebauungsplans – kein Pultdach, sondern ein Flachdach aufweist. Dies ist in der Entscheidung auch zum Ausdruck gekommen (vgl. Beschlussabdruck Rn. 14 a.E.).
2. Soweit die Klägerin rügt, der Senat habe bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass die Klägerin eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans zur Dachform (Flachdach statt Pultdach) beantragt habe und ihr diese Befreiung mit der mit Schriftsatz vom 24. September 2014 vorgelegten Baugenehmigung vom 2. September 2014 auch erteilt wurde, führt dies ebenfalls nicht zum Erfolg der Anhörungsrüge. Der Senat hat sowohl den Befreiungsantrag als auch die Baugenehmigung vom 2. September 2014 zur Kenntnis genommen, diesen jedoch für die Frage, ob die Festsetzung der zwingenden Zahl der Vollgeschosse einen Grundzug der Planung darstellt, keine rechtserhebliche Bedeutung zugemessen. Denn aus dem Umstand, dass im Einzelfall ausnahmsweise ein Anspruch auf Befreiung von einer (ortgestalterischen) Festsetzung des Bebauungsplans zur Dachform besteht oder eine solche Befreiung erteilt wurde, kann nicht der Schluss gezogen werden, dass es sich bei der Festsetzung der zwingenden Zahl der Vollgeschosse von vorneherein um ein ungeeignetes Kriterium für die Darstellung eines Grundzugs der Planung handelt. Im Übrigen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 24. September 2014 nicht die vollständige Baugenehmigung mit sämtlichen genehmigten Bauvorlagen vorgelegt, sondern lediglich den Bescheidtext mit einer – ohne Genehmigungsvermerk versehenen – Kopie der Nordansicht des genehmigten Vorhabens. Die Südansicht oder die genehmigten Eingabepläne wurden nicht vorgelegt.
Soweit die Klägerin mit der Anhörungsrüge neue Unterlagen vorgelegt hat, ist dies verspätet (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil für das Verfahren über die Anhörungsrüge eine Festgebühr nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) in Höhe von 60,- € anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).

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