Baurecht

Klage eines Dritten gegen eine beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis

Aktenzeichen  W 4 K 17.1386

Datum:
6.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 31379
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWG Art. 15
WHG § 6 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Abs. 1, § 13 Abs. 1

 

Leitsatz

Das fehlende Sachbescheidungsinteresse für einen Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis vermittelt keinen Nachbarschutz, sondern kann allenfalls ein Grund für die Behörde sein, den gestellten Antrag ohne inhaltliche Prüfung abzulehnen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Verwaltungsakt der Stadt W. vom 25. August 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage als Dritte gegen die der Beigeladenen erteilte beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis gemäß § 10 Abs. 1 WHG i.V.m. Art. 15 BayWG für die Entnahme von in der Baugrube anfallendem Grundwasser und die hieraus resultierende Grundwasserableitung in die städtische Kanalisation und für die dauerhafte Einbindung eines Bauwerks in das Grundwasser. Die Verletzung eines subjektiven Rechts eines Dritten kann sich bei einer solchen beschränkten Erlaubnis nur insoweit ergeben, als aus dem in § 6 Abs. 1 Nr. 3, § 13 Abs. 1 WHG verankerten wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebot folgt, dass bei allen wasserrechtlichen Gestattungen, somit auch bei der beschränkten Erlaubnis, im Rahmen der Ermessensbetätigung auch Belange Privater einzubeziehen sind, deren rechtlich geschützte Interessen von der beantragten Gewässerbenutzung in individualisierter und qualifizierter Weise betroffen werden; diesen Privaten steht ein Anspruch auf Beachtung und Würdigung ihrer Belange mit demjenigen Gewicht zu, das ihnen unter den konkreten Umständen objektiv zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 17.7.2012 – 8 ZB 11.1285 – juris Rn. 10 m.w.N.; VG München, U.v. 27.11.2012 – M 2 K 12.3526 – juris Rn. 16 m.w.N.). Hingegen findet § 14 Abs. 3 WHG bei der beschränkten Erlaubnis, anders als bei der gehobenen Erlaubnis, keine Anwendung, wie sie sich um Umkehrschluss aus § 15 Abs. 2 WHG ergibt.
Daran gemessen kann die Klage der Kläger keinen Erfolg haben, weil durch die der Beigeladenen erteilte beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis vom 25. August 2017 schon keine rechtlich geschützten Interessen der Kläger in individualisierter und zugleich qualifizierter Weise betroffen sind, bzw. jedenfalls einem etwaigen Anspruch der Kläger auf Beachtung und Würdigung ihrer Belange mit demjenigen Gewicht, das ihnen unter den konkreten Umständen objektiv zukommt, genüge getan ist.
Im Einzelnen:
1. Soweit die Kläger die Auffassung vertreten, der Bescheid der Beklagten sei schon deshalb rechtswidrig, weil die Beigeladene kein Sachbescheidungsinteresse für den Antrag habe, da sie von der wasserrechtlichen Erlaubnis keinen Gebrauch machen könne, weil eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis nicht erteilt werden könne, kann die Kammer dem nicht folgen.
Offensichtlich verkennt die Klägerseite in diesem Zusammenhang den Umstand, dass es sich vorliegend um eine Drittanfechtungsklage handelt. Selbst wenn man demnach davon ausgehen wollte, dass die beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis ersichtlich nutzlos wäre und der Beigeladenen somit das Sachbescheidungsinteresse fehlen würde, könnten sich die Kläger als Nachbarn nicht alleine darauf berufen, denn es handelt sich hierbei um eine verfahrensrechtliche Befugnis der Behörde, eine – hier zunächst unterstellt – nach materiellem Recht zu erteilende beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis wegen fehlendem Sachbescheidungsinteresse ausnahmsweise zu versagen, was nicht gleichbedeutend ist mit einer entsprechenden Rechtsposition des Nachbarn. Das Sachbescheidungsinteresse vermittelt daher keinen Nachbarschutz, sondern kann allenfalls ein Grund für die Behörde sein, den gestellten Antrag ohne inhaltliche Prüfung abzulehnen. Die sehr ausführlichen und breiten Erörterungen des Klägervertreters auf den Seiten 12 bis 17 des Klageschriftsatzes gehen daher offensichtlich ins Leere.
2. Des Weiteren ergibt sich ein die klägerischen Rechte verletzender Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht aufgrund ihres Vortrags, sie befürchteten eine Beeinträchtigung oder Gefährdung ihrer Grundstücke durch einen hydraulischen Grundbruch, den Auftrieb der Baugrubensohle, eine innere Erosion und Piping sowie artesisches Grundwasser.
Wie die fachtechnische Untersuchung des Büros G … GmbH und Co.KG, Beratende Ingenieure und Geologen (nachfolgend: G ) und die darauf gestützte Einschätzung des Wasserwirtschaftsamts Aschaffenburg verdeutlichen, sind diese Befürchtungen grundlos und aus geotechnischen Gesichtspunkten ausgeschlossen.
In diesem Zusammenhang ist zudem zu berücksichtigen, dass in der ständigen Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs allgemein anerkannt ist, dass amtlichen Auskünften und Gutachten der Wasserwirtschaftsämter entsprechend ihrer Stellung als wasserwirtschaftliche Fachbehörden eine besondere Bedeutung zukommt. Solche fachbehördlichen Aussagen beruhen auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall. Sie können nicht einfach – wie vorliegend durch die Kläger – mit der Begründung infrage gestellt werden, sie seien nicht nur nicht plausibel, sondern rechnerisch grob falsch (vgl. S. 28 des Klageschriftsatzes) bzw. nicht nachvollziehbar (vgl. S. 29 des Klageschriftsatzes). Die Notwendigkeit einer Abweichung und Beweiserhebung durch das Gericht (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) ist erst dann geboten, wenn sich der Eindruck aufdrängt, dass die gutachterliche Äußerung des Wasserwirtschaftsamtes tatsächlich oder rechtlich unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen fehlerhaft ist (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BayVGH, B.v. 17.11.2016 – 8 ZB 14.543 – juris Rn. 13 m.w.N.).
Vorliegend sind für das Gericht trotz der zahlreichen Einwände der Kläger gegen die Bewertung des Wasserwirtschaftsamtes im Schreiben vom 16. August 2017 sowie in dem Schreiben vom 14. Februar 2018 keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich geworden, die darauf hindeuten, dass die fachliche Bewertung des Wasserwirtschaftsamtes fehlerhaft sein könnte.
Das Wasserwirtschaftsamt hat bereits in seiner Stellungnahme vom 16. August 2017 darauf hingewiesen, dass nach den Ausführungen von G weder die Gefahr eines hydraulischen Grundbruchs, noch die Gefahr des Auftriebs der Baugrubensohle bestehe. Auch eine innere Erosion sowie artesisches Grundwasser seien ausgeschlossen. Es träten keine relevanten Auswirkungen auf den Grundwasserstand in der Umgebung des Bauvorhabens auf. Ebenso wenig seien gravierende Auswirkungen durch den Baukörper im Grundwasser zu erwarten. Diese Auffassung hat das Wasserwirtschaftsamt in der weiteren Stellungnahme vom 14. Februar 2018, aber auch in der mündlichen Verhandlung am 6. November 2018 noch einmal bestätigt. Auch unter Berücksichtigung der klägerischen Einwendungen seien relevante Auswirkungen und Setzungen auf Nachbargebäude nicht zu erwarten.
Diesen, für die Kammer nachvollziehbaren und plausiblen Feststellungen, vermögen die Kläger nichts entgegenzusetzen, zumal es – wie erwähnt – nicht ausreicht, lediglich das Gegenteil zu behaupten. Insbesondere aber vermögen sie mit ihren vielfältigen Angriffen auf die der Einschätzung zugrundeliegenden Berechnungsgrundlagen nicht durchzudringen. Denn aufgrund der Ausführungen des Wasserwirtschaftsamtes in den gutachterlichen Stellungnahmen und insbesondere auch der detaillierten und nachvollziehbaren Erläuterung der Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes in der mündlichen Verhandlung am 6. November 2018 hat das Gericht keinen Anlass anzunehmen, dass das Büro G und das Wasserwirtschaftsamt für ihre Bewertungen von durchgreifend fehlerhaften Berechnungsgrundlagen ausgegangen sind.
3. Nachdem folglich von tatsächlichen oder rechtlich unvollständigen, widersprüchlichen oder aus anderen Gründen fehlerhaften gutachterlichen Äußerungen keine Rede sein kann, bestand auch nicht die Notwendigkeit einer Abweichung und Beweiserhebung durch das Gericht.
4. Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht unter Berücksichtigung des in der mündlichen Verhandlung am 6. November 2018 vom Klägervertreter gestellten Beweisantrags.
Bei wohlwollender Auslegung dieses Antrags, klar ergibt sich dies aus der vom Klägervertreter gewählten Formulierung nicht, will der Klägervertreter mit diesem offenbar bezwecken, dass das Gericht ein weiteres Sachverständigengutachten zu der Frage einholt, dass das wasserrechtlich genehmigte Vorhaben zu einem hydraulischen Grundbruch und/oder einer Bodenerosion auf den Nachbargrundstücken führen könne.
Ein Beweisantrag mit einem derartigen Inhalt ist bereits unzulässig, da er einen Ausforschungs- bzw. Beweisermittlungsantrag darstellt. Ein solcher liegt in Bezug auf Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich „aus der Luft gegriffen“, „ins Blaue hinein“, also „erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage“ erhoben worden sind. Eine Behauptung kann zwar schon dann als unerheblich behandelt werden, wenn sie nicht auf dem Wissen des Behauptenden, sondern auf einer Vermutung beruht. Denn ein Beteiligter wird häufig von einer entscheidungserheblichen Tatsache, die sich ihm als möglich oder wahrscheinlich darstellt, keine genaue Kenntnis haben. Wenn die Gegenseite der Vermutung aber mit einer plausiblen Erklärung entgegentritt, darf diese nicht ignoriert werden. Dem Beteiligten ist zuzumuten, sich hiermit auseinanderzusetzen, etwa greifbare Anhaltspunkte zu benennen, die für seine Vermutung oder gegen die Erklärung der Gegenseite sprechen. Bei der Behauptung, die ohne jede tatsächliche Grundlage erhoben worden ist und ohne ein Eingehen auf sie entkräftende Gegenbehauptungen aufrechterhalten wird, braucht das Gericht dem nicht nachzugehen (vgl. BVerwG, B.v. 26.6.2017 – 6 B 54.16 – NVwZ 2017, 1388 = juris Rn. 7 m.w.N.).
Hiervon ausgehend war der Beweisantrag abzulehnen, weil, wie oben gezeigt, für die Behauptung der Kläger, es komme zu einem hydraulischen Grundbruch und/oder einer Bodenerosion auf den Nachbargrundstücken, keine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht. Dem stehen das Gutachten von G und die wasserwirtschaftlichen Stellungnahmen entgegen.
Davon abgesehen bedurfte es in adäquater Ermessensausübung keiner zusätzlichen Gutachtenseinholung, da die bereits vorliegenden Stellungnahmen von G sowie des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg tauglich und nutzbar sind und die unter Beweis gestellte Problematik adäquat klären.
5. Da auch die übrigen Einwendungen der Kläger keine Anhaltspunkte für eine etwaige Verletzung ihrer subjektiven Rechte aufzeigen, war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren aus Billigkeit der unterlegenen Klagepartei aufzuerlegen, da die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung einen Sachantrag gestellt hat und damit wegen § 154 Abs. 3 VwGO ein Kostenrisiko eingegangen ist.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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