Baurecht

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Aktenzeichen  B 1 K 18.645

Datum:
14.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40864
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3
LStVG Art. 9 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen. 
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt bei entsprechender Auslegung ihrer Anträge im Sinne des § 88 VwGO die Aufhebung der sie belastenden Verfügungen. Sie geht hierbei sowohl gegen den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2018 als auch gegen den Bescheid vom 5. Juli 2018 vor. Die ursprüngliche Klage vom 25. Juni 2018 wurde daher um weitere Streitgegenstände in Form der angegriffenen Verfügungen im Bescheid vom 5. Juli 2018 erweitert. Aufgrund dieser Einbeziehung liegt eine Klageänderung im Sinne des § 91 Abs. 1 VwGO vor (vgl. Rennert in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 91 Rn. 9). Da sich die Beklagte mittels Klageerwiderung vom 8. Oktober 2018 vollumfänglich zur eingereichten Klage, also auch zum neu einbezogenen Bescheid, geäußert hat, ist von ihrer Einwilligung zur Klageänderung gemäß § 91 Abs. 2 VwGO auszugehen. Darüber hinaus wäre die Klageänderung auch sachdienlich (§ 91 Abs. 1 VwGO), da beide Bescheide denselben Sachverhalt betreffen und daher die bis zur Änderung der Klage gewonnenen Ergebnisse der Prozessführung verwertet werden können.
Zwar hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten die streitgegenständlichen Bescheide vollumfänglich angegriffen, da jedoch aus den Schriftsätzen und der außergerichtlichen Korrespondenz explizit hervorgeht, dass kein Eilrechtsschutz eingelegt wird, ist davon auszugehen, dass gegen die jeweilige Ziffer 2 der Bescheide nicht vorgegangen werden soll. Hiergegen wäre zudem nur das spezielle Eilverfahren statthaft (vgl. hierzu Hoppe in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 42 m.w.N; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand: 36. EL Februar 2019, § 80 Rn. 199 m.w.N.).
Die angegriffenen Bescheide sind bezüglich der jeweiligen Ziffern 1 deckungsgleich. Da der Klägerin die vollständige Entfernung der bestehenden Nester der Eichenprozessionsspinner auf den streitgegenständlichen Grundstücken bereits mit Bescheid vom 19. Juni 2018 auferlegt wurde und sie dieser Verpflichtung nur teilweise (was unstreitig ist) nachgekommen ist, bestand zum Zeitpunkt des Erlasses des späteren Bescheids vom 5. Juli 2018 weiterhin die Befolgungswirkung des Erstbescheides. Die nochmalige Anordnung der Verpflichtung zur vollständigen Entfernung der Nester stellt daher eine bloße Wiederholung der ursprünglichen Anordnung ohne eigenen Regelungscharakter und eigener Beschwer dar. Daher kann die Klage der Klägerin dahingehend ausgelegt werden, dass sie sich gegen die Anordnung der Ziffer 1 des Bescheids vom 19. Juni 2018, die lediglich in Ziffer 1 des Bescheids vom 5. Juli 2018 wiederholt wird, wendet.
Darüber hinaus geht die Klägerin gegen die Verfügungen in den jeweiligen Ziffern 3 und 4 beider Bescheide vor und begehrt die von ihr aufgewandten Kosten für die teilweise Beseitigung der Gespinstnester der Eichenprozessionsspinner.
II.
Die Klage gegen die Ziffer 3 des Bescheids vom 19. Juni 2018 ist abzuweisen, da sie bereits unzulässig ist.
Im Übrigen (Ziffern 1 und 4 des Bescheids vom 19. Juni 2018 und Ziffern 3 und 4 des Bescheids vom 5. Juli 2018) hat die Klage in der Sache keinen Erfolg. Die gegenüber der Klägerin erlassenen Verfügungen sind in rechtmäßiger Weise ergangen und haben sie daher nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Mangels rechtswidriger Grundverfügung (Ziffer 1 des Bescheides vom 19. Juni 2018) hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr zur teilweisen Beseitigung der Gespinstnester der Eichenprozessionsspinner aufgewandten Kosten in Höhe von 1.001,98 EUR.
1. Die Klage gegen Ziffer 3 des Bescheids vom 19. Juni 2018 ist unzulässig, da die erhobene Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, Art. 38 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwZVG nur dann statthaft ist, wenn der zugrundeliegende Verwaltungsakt noch wirksam ist (vgl. Happ in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 42 Rn. 14).
Nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG bleibt ein Verwaltungsakt solange wirksam, bis er sich erledigt hat. Eine Erledigung ist dann anzunehmen, wenn ein Verwaltungsakt aufgrund nachträglicher Entwicklung seinen Regelungszweck nicht mehr erreichen kann (vgl. VG Würzburg, U.v. 6.5.2019 – W 8 K 18.1027 – juris Rn. 18 m.w.N.), d.h., wenn er seine tatsächliche oder rechtliche Grundlage verliert (vgl. Leisner-Egensperger in Mann/Sennekamp/Uechtritz, Verwaltungsgesetz, 2. Auflage 2019, § 43 Rn. 67 m.w.N.).
Die Androhung der Ersatzvornahme im Bescheid vom 19. Juni 2018 hat sich bereits erledigt und entfaltet keine tatsächliche oder rechtliche Wirkung mehr. Die Beklagte hat die Ziffer 3 des Bescheids vom 19. Juni 2018 zwar nicht explizit aufgehoben oder zurückgenommen. Dies geschah jedoch konkludent durch den Erlass der neuen Androhung der Ersatzvornahme unter Zugrundelegung einer neuen Erfüllungsfrist im Bescheid vom 5. Juli 2018. Für die Annahme einer konkludenten Aufhebung eines Verwaltungsaktes kommt es nicht auf den inneren Willen der Behörde, sondern auf den objektiven Sinngehalt ihres Verhaltens an, der sich nach dem objektiven Empfängerhorizont erschließt (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1998 – 6 C 2/98 – juris Rn. 20). Durch den Neuerlass der Androhung der Ersatzvornahme im Bescheid vom 5. Juli 2018 hat die Beklagte zu erkennen geben, dass sie nunmehr nur noch auf Basis der später erfolgten Androhung Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung vornehmen wird. Diese Annahme wird auch durch ihr weiteres Verhalten bestätigt. Nach Ablauf der zunächst gesetzten Erfüllungsfrist bis zum 27. Juni 2018 (vgl. Bescheid vom 19. Juni 2018) wurde keine Ersatzvornahme vollzogen. Die tatsächliche Durchführung der Ersatzvornahme wurde mit Schreiben vom 9. Juli 2018 für den 13. Juli 2018 angekündigt und durchgeführt. Dies geschah zeitlich nach der neu ergangenen Androhung der Ersatzvornahme im Bescheid vom 5. Juli 2018 und auch erst nach Ablauf der darin gesetzten neuen Erfüllungsfrist (bis zum 10. Juli 2018). Hierdurch gibt die Beklagte bei objektiver Betrachtung nach außen zu erkennen, durch die neue Androhung der Ersatzvornahme gleichzeitig die zeitlich frühere Androhung aufzuheben und dieser so ihre Wirksamkeit zu nehmen.
Die Anfechtungsklage gegen Ziffer 3 des Bescheids vom 19. Juni 2018 wurde nicht in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt. Einer solchen Klage würde es zudem am besonderen Feststellungsinteresse fehlen. Zum einen wurde die angedrohte Ersatzvornahme bereits vollzogen und die betroffenen Bäume gefällt (vgl. Sitzungsprotokoll vom 14. Juli 2020, S. 2), sodass keine hinreichend konkrete Wiederholungsgefahr mehr gegeben ist. Zum anderen beruht die tatsächlich durchgeführte Ersatzvornahme eindeutig auf der Androhung vom 5. Juli 2018, sodass durch die Androhung vom 19. Juni 2018 keinerlei Nachteile für die Klägerin, in Form einer möglichen Kostenerhebung auf Basis der bereits aufgehobenen Androhung, bestehen.
2. Die gegen Ziffer 1 des Bescheids vom 19. Juni 2018 erhobene Klage hat in der Sache keinen Erfolg, da die erlassene sicherheitsrechtliche Anordnung rechtmäßig erging.
a. Die erhobene Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO ist zulässig. Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids vom 19. Juni 2018 ist weiterhin wirksam und hat sich nicht erledigt. Nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG hat sich ein Verwaltungsakt erst dann erledigt, wenn er weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Weise Wirkung entfaltet. Allein der Vollzug eines Handlungspflichten auferlegenden Verwaltungsaktes muss nicht bereits zu dessen Erledigung führen und zwar auch dann nicht, wenn hiermit irreversible Tatsachen geschaffen werden. Die Erledigung eines Verwaltungsaktes tritt vielmehr erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkung zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (vgl. BVerwG, B.v. 17.11.1998 – 4 B 100.98 – juris Rn. 9). Vielmehr gehen von einem Verwaltungsakt, mit dem Handlungspflichten auferlegt werden, die im Wege der Ersatzvornahme vollstreckt wurden, auch weiterhin rechtliche Wirkungen für das Vollstreckungsverfahren aus. Denn der Grundverwaltungsakt bildet zugleich die Grundlage für den Kostenbescheid (vgl. BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 7 C 5/08 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 20.4.2016 – 15 ZB 14.2686 u.a. – juris Rn. 45). Im vorliegenden Fall wurden die Gespinstnester der Eichenprozessionsspinner in den Bäumen der Klägerin bereits im Wege der Ersatzvornahme vollständig beseitigt (vgl. Schriftsatz vom 8. Oktober 2018). Zudem wurden die betroffenen Bäume zwischenzeitlich durch die Klägerin gefällt. Jedoch wurden die Kosten für die Ersatzvornahme noch nicht von der Beklagten gegenüber der Klägerin geltend gemacht (vgl. Sitzungsprotokoll vom 14. Juli 2020, S. 2). Eine derartige Kostenerhebung ist in Zukunft weiterhin möglich und von der Beklagten geplant, sodass der zugrundeliegende Verwaltungsakt immer noch Regelungswirkung bezüglich einer künftigen Kostenerhebung entfaltet. Darüber hinaus begehrt die Klägerin im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens die Erstattung von Kosten, die sie bereits selbst zur teilweisen Beseitigung der Nester des Eichenprozessionsspinners auf ihrem Grundstück, ohne rechtliche Anerkennung der Verpflichtung aus dem streitgegenständlichen Bescheid, aufgewendet hat. Diese Erstattung ist als Folgenbeseitigungsbegehren zu betrachten. Die Regelungswirkung des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes dauert auch wegen eines möglichen Folgenbeseitigungsanspruchs der Klägerin in Form der Kostenerstattung weiterhin an (vgl. BVerwG, B.v. 17.11.1998 – 4 B 100.98 – juris Rn. 9).
b. Die erlassene sicherheitsrechtliche Anordnung ist formell rechtmäßig. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten handelte die Beklagte als zuständige Sicherheitsbehörde nach Art. 6 LStVG, Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG. Es besteht eine abstrakte Gefahr für das Leben und die Gesundheit der sich in der Nähe des streitgegenständlichen Grundstücks aufhaltenden Personen wegen einer möglichen Gesundheitsgefährdung durch die Haare und Larvenhäute des Eichenprozessionsspinners.
Eine spezielle sicherheitsrechtliche Zuständigkeit liegt nicht vor.
aa. Die Waldschädlingsverordnung (WaldSchadInV) ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 WaldSchadInV sind für den Erlass von Verwaltungsakten aufgrund der WaldSchadInV gegenüber Eigentümern und Nutzungsberechtigten von Waldgrundstücken, von Walderzeugnissen sowie von Grundstücken, auf denen Walderzeugnisse lagern, die Kreisverwaltungsbehörden auf Antrag der zuständigen unteren Forstbehörden zuständig. Nach § 2 Abs. 2 WaldSchadInV ist die Kreisverwaltungsbehörde auf Antrag der zuständigen Gemeinde für den Erlass von Verwaltungsakten aufgrund der WaldSchadInV für sonstige mit Waldbäumen bestockte Grundstücke zuständig.
Der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung ist jedoch bereits nicht eröffnet. Zwar handelt es sich beim Eichenprozessionsspinner um einen Waldschädling im Sinne des § 1 Satz 2 der WaldSchadInV, jedoch ist das Grundstück der Klägerin kein Waldgrundstück oder ein sonstiges mit Waldbäumen bestocktes Grundstück.
Der Begriff des Waldes ist in Art. 2 Abs. 1 BayWaldG dahingehend definiert, dass Wald jede mit Waldbäumen bestockte oder nach den Vorschriften dieses Gesetzes wiederaufzuforstende Fläche ist. Nach Art. 2 Abs. 2 BayWaldG stehen Waldwege, Waldeinteilungs- und Waldsicherungsstreifen, Waldblößen und Waldlichtungen und mit Wald räumlich zusammenhängende Pflanzgärten, Holzlagerplätze, Wildäsungsflächen und sonstige ihm dienende Flächen gleich. Nach Art. 2 Abs. 4 BayWaldG zählen unter anderem mit Baumgruppen, Baumreihen oder Hecken bestockte Flächen nicht zum Begriff Wald. Dies gilt auch für im bebauten Gebiet gelegene, kleinere Flächen, die mit Waldbäumen bestockt sind. Eine ähnliche Definition findet sich auch in § 2 BWaldG, wobei nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 BWaldG ebenfalls Flächen mit Baumbestand, die gleichzeitig dem Anbau landwirtschaftlicher Produkte dienen, keinen Wald darstellen. Dass es sich beim klägerischen Grundstück entsprechend der historischen Vermessungskarte einst um ein Waldgrundstück gehandelt hat, ist bei der Bestimmung der Waldeigenschaft unerheblich, da es hierfür auf die aktuelle und tatsächliche Bepflanzung ankommt. Legt man diese Maßstäbe zugrunde, handelt es sich beim verfahrensgegenständlichen Grundstück (Fl.Nrn. aa und aa/2) der Klägerin nicht um ein Waldgrundstück. Auf den Luftbildaufnahmen (Seite 74, 75 und 107 der Gerichtsakte) ist deutlich zu erkennen, dass das Grundstück der Klägerin hauptsächlich als landwirtschaftliche Nutzfläche (Wiesenfläche) genutzt wird. Durch diese überwiegende landwirtschaftliche Verwendung wird bereits die Waldeigenschaft ausgeschlossen (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 BWaldG). Darüber hinaus spricht auch die tatsächliche Bestockung des Grundstücks gegen die Bejahung eines Waldes. Entlang der westlichen Grundstücksgrenze wachsen vereinzelte Bäume, die nördliche Grundstücksgrenze ist mit einer kleinen Baumreihe bewachsen. An der nordöstlichen Grundstücksgrenze (an die Schule angrenzend) befindet sich, wie auf den Luftaufnahmen gut erkennbar ist, ein länglicher mit Bäumen bepflanzter Streifen. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten handelt es sich bei diesem Baumstreifen gerade nicht um einen schmalen Wald. Auf den von der Klägerin vorgelegten Lichtbildern (Seite 109 und 111 der Gerichtsakte) ist zu erkennen, dass die einzelnen Bäume des Bestandes weit geästete Kronen besitzen, sodass der gesamte Baumstreifen nur aus wenigen Bäumen besteht. Der Baumstreifen vermittelt keinen flächenhaften Eindruck, den ein Wald vermitteln würde. Ein solcher Eindruck wird insbesondere dadurch geschmälert, dass sich in unmittelbarer Nähe zum Baumstreifen nur noch vereinzelte weitere Bäume befinden. Der mit Bäumen bepflanzte Streifen befindet sich zudem lediglich am Rande einer landwirtschaftlich genutzten Fläche und grenzt diese von der anliegenden Bebauung ab. Der streitgegenständliche Baumbestand vermittelt den optischen Eindruck einer Baumreihe und keines Waldes. Da auch ein Wiederaufforsten des ursprünglichen Waldbestandes durch die klare landwirtschaftliche Nutzung des Grundstücks in naher Zukunft nicht zu erwarten ist, ist das Grundstück auch nicht unter den Begriff der wiederaufzuforstenden Fläche zu fassen.
Auch eine sonstige mit Waldbäumen bestockte Fläche, die unter die WaldSchInV fällt, liegt nicht vor. Ungeachtet dessen, ob es sich bei den Eichen um Waldbäume handelt, liegt bereits keine mit Waldbäumen bestockte Grundstücksfläche vor, die vom Schutzbereich der WaldSchInV umfasst wird. Der Begriff der mit Waldbäumen bestockten Grundstücksfläche muss funktions- und schutzbezogen ausgelegt werden. Die Waldschädlingsverordnung bezweckt die Bekämpfung von schädlichen Insekten in Wäldern und auf sonstigen mit Waldbäumen bestockten Grundstücken, sobald diese Schädlinge durch Fraß oder in anderer Weise an Waldbäumen oder Walderzeugnissen unzumutbare Schäden anrichten (§ 1 Satz 1 WaldSchInV). Die Waldschädlingsverordnung dient daher dem Schutz der Waldbäume und Waldkulturen vor einem bestandsbedrohenden Befall durch den Eichenprozessionsspinner. Dem lässt sich entnehmen, dass der Zweck der Verordnung nicht der Schutz der Bevölkerung vor Gefahren durch Brennhaare des Eichenprozessionsspinners, sondern der Schutz der Wälder ist. Der Begriff der mit Waldbäumen bestockten Fläche muss daher entsprechend dem Sinn und Zweck der Verordnung so ausgelegt werden, dass nur solche bestockte Grundstücke darunter zu subsumieren sind, bei denen eine Gefahr für Waldflächen und größere Baumkulturen durch Fraß durch Schädlinge droht. Gerade nicht darunter fallen einzelne Baumreihen, bei denen kein Risiko des Übergriffs des Schädlingsbefalls auf größere Waldbaumbestände oder Waldflächen besteht.
bb. Auch eine Spezialzuständigkeit der Forstverwaltung nach Ziffern 4 und 5.2. der gemeinsamen Bekanntmachung der Regierung von Unterfranken, Mittelfranken und Oberfranken vom 16. Dezember 2019 ist nicht einschlägig, da sich Ziffer 5.2., die auf Ziffer 5.1. Bezug nimmt, auf eine Verpflichtung zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners der Eigentümer oder Nutzungsberechtigten von Waldflächen bezieht. Da der Baumbestand auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück jedoch nicht als Wald (vgl. obige Ausführungen) anzusehen ist, liegt bereits keine Waldfläche im Sinne der gemeinsamen Bekanntmachung vor. Zudem sind die Ziffern 4 und 5 der Bekanntmachung ebenfalls nur im Falle eines bestandsbedrohenden Befalls durch Eichenprozessionsspinner zum Schutz der Wälder, nicht jedoch zum Schutz der Bevölkerung vor Gefahren durch Brennhaare anwendbar.
c. Die Beklagte hat die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 19. Juni 2019 zu Recht auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG gestützt, da insbesondere auch eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für eine andere Behörde nicht besteht (siehe b).
aa. Nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG kann die zuständige Sicherheitsbehörde für den Einzelfall Anordnungen treffen, um Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerte, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen. Von den auf dem klägerischen Grundstück festgestellten Gespinstnestern des Eichenprozessionsspinners geht/ging eine Gesundheitsgefahr für die sich in der Nähe des Grundstücks aufhaltenden Personen, insbesondere die Anwohner benachbarter Gebäude und Schüler der anliegenden Schule, aus. Die nur bis zu 0,2 mm langen Brennhaare der Eichenprozessionsspinner und die bei der Verpuppung zurückgelassenen Hautrückstände stellen eine akute Beeinträchtigung für die menschliche Gesundheit dar. Die Brennhaare brechen leicht ab, sind mit Widerhaken versehen und enthalten das lösliche Eiweiß „Thaumetopoein“. Die Anzahl der Brennhaare und damit die Gesundheitsgefährdung nehmen mit jedem weiteren Entwicklungsstadium des Schädlings zu. Je nach Witterung erfolgt ab Mitte/Ende Juni die Verpuppung in Kokons im Gespinstnest. Die Brennhaare werden mit der letzten Larvenhaut abgestreift und verbleiben in den Gespinstnestern. So besitzt jede Altraupe bis zu 700.000 Brennhaare. Die Nester können mehrere Jahre als feste Gebilde aus Spinnfäden, Raupenkot, Häutungsresten und Puppenhülsen erhalten bleiben. Zum einen reizen die eindringenden Brennhaare die Oberhaut sowie die Schleimhäute mechanisch, zum anderen verursacht das enthaltene giftige Eiweiß eine allergische Reaktion (Hautausschläge, Reizungen an Mund- und Nasenschleimhaut, Augenbindehautentzündungen, Hornhautentzündungen, schmerzhafter Husten und Asthma, Bronchitis), die bei verschiedenen Personen unterschiedlich stark ausfallen kann und bei wiederholtem Kontakt an Intensität zunimmt. Zudem werden Allgemeinerscheinungen wie Schwindel, Fieber und Müdigkeit ausgelöst. Zu diesen körperlichen Reaktionen kommt es nicht nur bei einem Kontakt mit den Brennhaaren der Raupe, sondern auch bei einem Kontakt mit deren Häutungsresten bzw. mit den Gespinstnestern als solche (vgl. Merkblatt 15 der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft vom August 2018 „Eichenprozessionsspinner“ – https://www.lwf.bayern.de/ service/publikationen/lwf_merkblatt/022847/index.php, abgerufen am 24. September 2019; Band 26 der Schriftreihe Gesundheit und Umwelt des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit „Bedeutung des Eichenprozessionsspinners in der Umwelt und für die Gesundheit“ (2013), S. 6, S. 10 ff. – https://www.bestellen.bayern.de/application/applstarter?APPL=eshop& DIR=eshop& ACTIONxSETVAL(artdtl.htm,APGxECLI:NODENR:340344,AARTxNR:lgl_umweltmed_00010,AARTxECLI:NODENR:333064,USERxBODYURL:artdtl.htm,ECLI:KATALOG:StMUG,AKATxECLI:NAME:StMUG,ALLE:x)=X, abgerufen am 24. September 2019). Es besteht daher für Anwohner, vor allem für die Schüler der angrenzenden Schule, eine erhebliche Gesundheitsgefahr. Dass die Schule an manchen Tagen, trotz des Befalls der klägerischen Bäume mit dem Eichenprozessionsspinner, die Fenster öffnen konnte bzw. geöffnet hat, ist unerheblich, da sich die Gefahr durch die Haut- und Haarrückstände des Eichenprozessionsspinners noch nicht realisiert haben muss, sondern bereits eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Eintritt von Gesundheitsschäden für die Annahme einer konkreten Gefahr genügt. Diese hinreichende Wahrscheinlichkeit ist bereits durch das Vorhandensein der Gespinstnester des Eichenprozessionsspinners in den Eichen der Klägerin gegeben. Es besteht jederzeit und über viele Jahr hinweg die Möglichkeit, dass die Rückstände an Raupenhaut- und haaren durch Luftströme in unmittelbaren Kontakt mit Menschen auf angrenzenden Grundstücken geraten und bei diesen die beschriebenen körperlichen Reaktionen auslösen.
bb. Die Klägerin ist als Zustandsstörerin nach Art. 9 Abs. 2 LStVG auch richtige Adressatin der sicherheitsrechtlichen Anordnung.
Macht das Verhalten oder der Zustand eines Tieres oder der Zustand einer anderen Sache Maßnahmen nach dem Landesstraf- und Verordnungsgesetz notwendig, so sind diese gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten (Art. 9 Abs. 2 Satz 1 LStVG). Die Maßnahmen können auch gegen den Eigentümer oder den sonst dinglich Verfügungsberechtigten gerichtet werden (Art. 9 Abs. 2 Satz 2 LStVG). Die Zustandsverantwortlichkeit oder Zustandsstörerhaftung nach dieser Bestimmung knüpft an die sich aus der tatsächlichen und rechtlichen Herrschaft über die Sache ergebenden Pflicht an, dafür zu sorgen, dass von der Sache keine Störungen oder Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen (vgl. BVerwG, B.v. 31.7.1998 – 1 B 229/97 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 11.6.2019 – 10 CS 19.684 – juris Rn. 8). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Sache die ursächliche Quelle der Gefahr ist und die Gefahr unmittelbar mit dem Zustand der Sache in Verbindung steht (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.1998 a.a.O. – juris Rn. 8 m.w.N.). Dieses Unmittelbarkeitserfordernis ist gegeben, wenn bei wertender Betrachtung aller Umstände durch den Zustand des Gegenstandes selbst die Gefahrengrenze überschritten wird (vgl. BVerwG, B.v. 16.6.2005 – 3 B 129/04 – juris Rn. 6).
Eine solche unmittelbare Verknüpfung zwischen der Sache und der Gefahr liegt zur Überzeugung der Kammer hier vor. Denn bei wertender Betrachtung aller Umstände geht die Gefahr jedenfalls unmittelbar von dem Zustand der Eichen auf dem klägerischen Grundstück in Gestalt des Befalls der Eichen mit dem Eichenprozessionsspinner aus. Die Gespinstnester sind feste Gebilde aus Spinnfäden, Raupenkot, Häutungsresten und Puppenhülsen und bleiben über Jahr hinweg erhalten, sodass sie den befallenen Eichen und dem Boden in der Nähe der Bäume lange Zeit anhaften können. Diese feste und langjährige Anhaftung an den betroffenen Bäumen und den Böden in unmittelbarer Nähe zu den Eichen führt dazu, dass die Gespinstnester wertend betrachtet zum Zustand der Sache selbst werden. Durch diese, mit den Gespinstnestern aus Raupenhaut und -haaren befallenen Eichen der Klägerin besteht eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit der Anwohner der benachbarten Grundstücke, insbesondere der Schüler der angrenzenden Schule. Daher geht die Gefahr der Gesundheitsschädigung vom Zustand der Eichen aus, sodass durch die Bäume selbst die Gefahrengrenze für die betroffenen Menschen überschritten wird (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 11.6.2019 – 10 CS 19.648 – juris Rn. 9; VG Ansbach, B.v. 1.3.2019 – 15 S 18.01380 – juris Rn. 40).
Der Einwand der Klägerin, eine Unmittelbarkeit zwischen dem Zustand der Bäume und der Entstehung der Gefahr bestehe nicht, greift nicht durch.
Soweit vorgetragen wird, bei den Nestern der Eichenprozessionsspinner handele es sich nicht um „totes Material“, das den Eichen anhafte, sondern um einen Bestandteil des Naturhaushaltes, sodass die Gefahr von einem wilden und herrenlosen Tier im Sinne des § 960 Abs. 1 Satz 1 BGB und nicht vom Baum als Bestandteil (§ 94 BGB) des Grundstücks ausgehe, wird auf obige Ausführungen verwiesen, wonach die Gefahr für die Gesundheit der Anwohner und Schulkinder primär von den Haar- und Hautrückständen des Eichenprozessionsspinners ausgeht. Die Gefahr der Gesundheitsbeeinträchtigung wird daher nicht nur von den Eichenprozessionsspinnern als herrenlosen Tieren, sondern durch deren hinterlassene Haar- und Hautrückstände verursacht. Die Raupen des Eichenprozessionsspinners verlieren diese Rückstände regelmäßig ausschließlich in der Nähe der befallenen Eiche, sodass auch diesbezüglich ein unmittelbarer Zusammenhang zu den streitgegenständlichen Bäumen gegeben ist. Diese Rückstände haften fest und über eine längere Zeit an den Eichen an. Zwar werden die Rückstände hierdurch nicht feste Bestandteile des Baumes im Sinne einer untrennbaren Verbindung, jedoch ist es nicht notwendig, dass die Gefahr von einer dauerhaften Eigenschaft der Sache ausgeht. Auch eine vorübergehende Eigenschaft, wie im vorliegenden Fall der Befall der Eichen mit dem Eichenprozessionsspinner und dessen Gespinstnestern, ist ausreichend (vgl. Koehl in Bengl/Berner/Emmerig, Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz, Stand Februar 2019, Art. 9 Rn. 40). Die von der Klägerseite vorgetragenen Grundsätze des Zivilrechts und die Rechtsprechung der Zivilgerichte (vgl. BGH, U.v. 7.7.1995 – V ZR 213/94) sind in diesem Zusammenhang nicht anwendbar. Das Zivilrecht bezweckt die Regelung von nachbarrechtlichen Nutzungskonflikten (vgl. BGH, U.v. 7.7.1995 a.a.O. – juris Rn. 8). Dem Sicherheitsrecht liegt hingegen der Gedanke der effektiven und schnellen Gefahrabwehr zugrunde. Die effektive Gefahrabwehr zum Schutz für Leib und Gesundheit der Menschen (Art. 2 Abs. 2 GG) erlaubt eine wertende Betrachtung zur Bestimmung der unmittelbaren Verursachung der Gefahrenlage. Aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtungen von Zivilrecht und öffentlichem Sicherheitsrecht ist es durchaus gerechtfertigt den Begriff des Zustands einer Sache entgegen der zivilrechtlichen Definition des unmittelbaren Bestandteils einer Sache zu bestimmen.
Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten, bei dem Befall mit dem Eichenprozessionsspinner handele es sich um eine Naturgefahr für die die Klägerin nicht als Zustandsverantwortliche hafte, wird die Verantwortlichkeit des Eigentümers bei Naturereignissen gerade nicht ausgeschlossen. Ein Naturereignis zeichnet sich grundsätzlich durch dessen zufälliges und untypisches Auftreten aus. Die Zustandsverantwortlichkeit ist nicht nur auf typische und zufällige Gefahren begrenzt, sondern erfasst auch Fälle, in denen Dritte oder sonstige Ereignisse, Zufall oder höhere Gewalt die Sache in einen gefährlichen Zustand versetzt haben, da die Zustandsverantwortlichkeit an die aus der tatsächlichen und rechtlichen Sachherrschaft hergeleitete Rechtspflicht anknüpft, dafür zu sorgen, dass von dem Grundstück keine Gefahr ausgeht. Die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Nutzung und Verwertung des Sacheigentums korrespondiert hierbei mit der öffentlich-rechtlichen Pflicht, die sich aus der Sache ergebenden Lasten und Risiken zu tragen (vgl. BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 – juris Rn. 46, 51; Koehl in Bengl/Berner/Emmerig, Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz a.a.O., Art. 9 Rn. 42, 44 ff. m.w.N.). Eine Begrenzung dieser Haftung kommt allenfalls bei fremdem Missbrauch in Betracht (vgl. Koehl in Bengl/Berner/Emmerig, Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz a.a.O., Art. 9 Rn. 42, 44 ff. m.w.N.). Bei einer Gefahr, die durch den Schädlingsbefall eines Baumes hervorgerufen wird, ist nicht von einem fremden Missbrauch auszugehen. Darüber hinaus erstreckt sich das Verbreitungsgebiet des Eichenprozessionsspinners bereits auf ganz Bayern, wobei ein Schwerpunkt des Befallgebietes unter anderem in einigen Regionen Oberfrankens liegt, wo seit Jahren eine dauerhafte und deutlich erhöhte Populationsdichte besteht und der Eichenprozessionsspinner mittlerweile häufig gesichtet wurde (vgl. Merkblatt 15 der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft vom August 2018 a.a.O.), sodass nicht mehr von einem untypischen und zufälligen Sachverhalt ausgegangen werden kann (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 11.6.2019 a.a.O. – juris Rn. 9).
Bezüglich des Einwands, dass es sich im Falle einer Haftung um ein über das zumutbare Maß hinausgehendes Sonderopfer der Klägerin für Naturgefahren handele, wird auf die obigen Ausführungen, dass Art. 9 Abs. 2 LStVG eine Haftung auch für Naturgefahren vorsieht, verwiesen. Die mit der weitgehenden sicherheitsrechtlichen Verantwortlichkeit des Zustandsstörers einhergehenden und von der Klägerin dargestellten Härten sind im Lichte des Art. 14 GG lediglich bei der Auswahl des Störers und des störungsbeseitigenden Mittels im Rahmen der Verhältnismäßigkeit aufzufangen (vgl. BVerfG, B.v. 16.2.2000 a.a.O. – juris Rn. 54).
Die Klägerin führt durch ihre Bezugnahme auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 24. April 2018 (1 A 94/15 – juris) zudem aus, dass es sich bei dem Befall mit dem Eichenprozessionsspinner um einen durch den Grundstückseigentümer unbeherrschbaren Zustand, auf den dieser keine Einflussmöglichkeit habe, handele. Auch dieser Einwand ist unerheblich, da es sich bei der Zustandsverantwortlichkeit um eine Art sicherheitsrechtliche Garantenhaftung handelt, die weder auf ein Verschulden noch auf die Fähigkeit die entstehende Gefahr zu beseitigen abstellt. Damit ist der Befall mit dem Eichenprozessionsspinner bei wertender Betrachtung auch ein im Sinne von Art. 9 Abs. 2 LStVG relevanter Umstand, der geeignet ist, den engen Wirkungszusammenhang und das Überschreiten der Gefahrengrenze durch den Zustand der Sache – an Wohnbebauung und eine Schule angrenzendes Grundstück der Klägerin mit befallenen Eichen – herzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 11.6.2019 a.a.O. – juris Rn. 9 m.w.N., Koehl in Bengl/Berner/Emmerig, Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz a.a.O., Art. 9 Rn. 42).
Entgegen des Vorbringens des Bevollmächtigten der Klägerin wird das Unmittelbarkeitserfordernis auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Gefahrenlage angeblich erst durch die heranrückende Bebauung entstanden ist. Die Gefahrenlage geht von den mit dem Eichenprozessionsspinner befallenen Bäumen in unmittelbarer Nähe zur Schule und den Wohnbebauungen aus. Die Gefahrenlage wurde erst im Zeitpunkt des Befalls mit dem Schädling und nicht bereits durch die herangerückte Bebauung geschaffen. Selbst wenn man einen Fall der sogenannten „latenten Gefahr“ annehmen würde, wäre die Zustandsverantwortlichkeit der Klägerin zu bejahen. In Fällen des sog. „latenten Störers“ ist die Verantwortlichkeit des Störers nach einer einzelfallorientierten Schadens- und Risikozurechnung zu bestimmen (vgl. Koehl in Bengl/Berner/Emmerig, Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz a.a.O., Art. 9 Rn. 29). Sowohl die Errichtung des Baumbestandes der Klägerin als auch die Wohnbebauung erfolgten in rechtmäßiger Art und Weise. Die Gefahr an sich entstand erst durch den Befall der einzelnen Eichen mit dem Eichenprozessionsspinner. Der Befall eines Baumes mit einem Schädling ist der Schadens- und Risikosphäre des einzelnen Baumbesitzers und nicht den Bauherren herangerückter Wohnbebauung zuzurechnen.
Die unmittelbare Beziehung zwischen der drohenden Gesundheitsgefährdung der Anwohner und Schüler und dem klägerischen Grundstück und dessen Zustand wird nicht aus Gründen des Natur- und Umweltschutzes (Art. 20 a GG, Art. 141 Abs. 1 BV) unterbrochen. Dass die Bejahung der Eigenschaft der Klägerin als Zustandsstörerin mittelbar die vorsorgliche und flächendeckende Fällung von Eichen zur Folge haben könnte und damit Belange des Natur- und Umweltschutzes berührt werden, ist zwar ein begründeter Einwand des Klägerbevollmächtigten, jedoch bestimmt der Gedanke der effektiven und schnellen Gefahrenabwehr das Sicherheitsrecht. Würde bei der oben durchgeführten wertenden Betrachtung zur Ermittlung des Zustandsstörers die hypothetisch mögliche Folge der Baumfällung in großem Ausmaße berücksichtigt werden, würden hierdurch die Grundprinzipien des Sicherheitsrechts als Gefahrabwehrrecht entwertet werden. Bei fast allen sicherheitsrechtlichen Einzelfällen (Haftung von Schiffshaltern, Haftung für das Halten von Hunden, Haftung des Grundstückseigentümers für herabstürzende Felsbrocken, Haftung des Grundstückseigentümers für Sichtbehinderungen auf Verkehrszeichen durch Hecken (vgl. Koehl in Bengl/Berner/Emmerig, Bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz a.a.O., Art. 9 Rn. 45)) würde eine solche hypothetische Folgenbetrachtung zu einem Ausschluss der Haftung führen, sodass die gesetzlich geregelte Zustandshaftung gegenstandslos werden würde. Dies ist weder vom Gesetzgeber gewollt, noch im Hinblick auf eine effektive Gefahrabwehr geboten.
cc. Die Beseitigungsanordnung ist auch verhältnismäßig (Art. 8 LStVG). Sie ist zur Beendigung der Gesundheitsgefahr geeignet und erforderlich, da keine milderen, gleich effektiven Maßnahmen ersichtlich sind. Insbesondere kann die Gefahr für die Gesundheit der Anwohner und Schüler nicht durch das Aufstellen von Warnschildern beseitigt werden. Unabhängig davon, ob die Schule tatsächlich an ein paar Tagen die Fenster zum Lüften geöffnet hat, ist zum Schutz der Gesundheit der Schüler und auch anderer Anwohner die Entfernung der Gespinstnester durch eine geeignete Fachfirma die in diesem Fall einzig mögliche Bekämpfungsmaßnahme. Zudem ist die Beseitigungsanordnung angemessen, da ein zumutbarer Eingriff in das Eigentum der Klägerin vorliegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 – juris Rn. 55 ff.) ist die Zumutbarkeitsgrenze dann als erreicht anzusehen, wenn die Kosten für die Gefahrenabwehr oder Störungsbeseitigung die Höhe des Verkehrswertes des Grundstücks erreichen. Die sicherheitsrechtliche Entfernung der Eichenprozessionsspinnergespinstnester überschreitet daher diese Zumutbarkeitsgrenze noch nicht. Bei Kosten für die Entfernung der Nester von insgesamt ca. 5.000,00 EUR ist der Verkehrswert des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks schätzungsweise um ein Vielfaches höher. Von Seiten der Klägerin wurde Gegenteiliges nicht vorgetragen.
Die Anordnung erging auch ermessensgerecht. Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 2 VwGO sind nicht ersichtlich, insbesondere hat die Beklagte ihr Ermessen erkannt und festgestellt, dass die Entfernung der Nester die einzig mögliche Maßnahme zur Gefahrbeseitigung darstellte. Ein Ermessensfehlgebrauch dahingehend, dass gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das daraus abgeleitete Willkürverbot verstoßen wurde, ist nicht gegeben. Zwar bemängelten die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, dass nur gegen sie kostenpflichtige Maßnahmen ergriffen worden seien und eine Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners im übrigen Gemeindegebiet nicht stattfand, jedoch stellte der Vertreter der Beklagten glaubhaft dar, dass auch gegen weitere Grundstückseigentümer Maßnahmen ergriffen wurden. So wurden insbesondere an Orten, an denen sich Kinder aufhalten, beispielsweise dem örtlichen Kindergarten und dem Spielplatz, Eichenfällungen durchgeführt, um den Eichenprozessionsspinner zu beseitigen. Die Kosten hierfür wurden dem jeweiligen Grundstückseigentümer in Rechnung gestellt. Auch die Gemeinde selbst führte auf ihren Grundstücken Fällungen der befallenen Bäume durch. Ein willkürliches Vorgehen gegen die Klägerin allein ist daher nicht erkennbar.
3. Gegen die Androhung der Ersatzvornahme in Ziffer 3 des Bescheids vom 5. Juli 2018 bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Es kann dahinstehen, ob sich die Androhung der Ersatzvornahme vom 5. Juli 2018 durch Zeitablauf und Durchführung der Ersatzvornahme erledigt hat (vgl. bejahend BayVGH B.v. 20.4.2016 – 15 ZB 14.2686 u.a. – juris Rn. 45), da die Androhung zumindest rechtmäßig erfolgte und die Klage hiergegen bereits unbegründet ist.
Sowohl die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen der Art. 18, 19, 20, 29 und 30 VwZVG als auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen der Art. 32 und 36 VwZVG sind erfüllt. Die Androhung einer Ersatzvornahme ist aufgrund der Dringlichkeit der Beseitigung der Gespinstnester und des Schutzes der Gesundheit für Schulkinder und Anwohner ein angemessenes Mittel zur Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnung (Art. 29 Abs. 3 VwZVG). Ein Zwangsgeld, das zunächst noch betrieben werden müsste, ist im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der Beseitigung der Gespinste nicht erfolgsversprechend (Art. 32 Satz 2 VwZVG). Auch wurde mit fünf Tagen, im Hinblick auf die bereits zuvor getätigte Androhung vom 19. Juni 2018 und der dort gesetzten Frist, eine ausreichend lange Erfüllungsfrist im Sinne des Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG zur Beseitigung der Eichenprozessionsspinnergespinstnester gesetzt. Da die ursprüngliche Androhung der Ersatzvornahme (Bescheid vom 19. Juni 2018) konkludent aufgehoben wurde, bestehen auch keine Bedenken hinsichtlich einer möglichen gleichzeitigen Androhung von Zwangsmitteln (Art. 36 Abs. 3 VwZVG). Nach Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG wurde in der Androhung auch der Kostenbetrag zur Durchführung der Ersatzvornahme vorläufig veranschlagt.
4. Die in Ziffer 4 des Bescheids vom 19. Juni 2018 getroffene Kostenentscheidung ist dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig ergangen.
Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 Abs. 1 Satz 1 KG durften der Klägerin Kosten in Form von Gebühren für den Erlass der Beseitigungsverfügung auferlegt werden. Die Höhe der festgesetzten Gebühr von 400,00 EUR bewegt sich innerhalb des Gebührenrahmens, den Art. 6, Art. 5 i.V. m. Nr. 2.II.1/1 der Anlage 1 zum Kostengesetz für den Erlass sicherheitsrechtlicher Anordnungen vorsieht (Gebührenrahmen 15,00 bis 600,00 EUR). Obwohl die konkludent aufgehobene Androhung der Ersatzvornahme vom 19. Juni 2019 rechtswidrig erging, da der Kostenbetrag der Ersatzvornahme nicht vorläufig veranschlagt wurde (Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG), durfte die Beklagte Kosten für den Erlass des Bescheides vom 19. Juni 2019 erheben, da zumindest die Grundverfügung (Ziffer 1) auf einer richtigen Sachbehandlung im Sinne des Art. 16 Abs. 5 KG beruht. Die Behörde hätte voraussichtlich allein für den Erlass dieser sicherheitsrechtlichen Anordnung den gleichen Zeit- und Arbeitsaufwand gehabt, sodass sich die Androhung der Ersatzvornahme sowieso nicht auf den Zeit- und Arbeitsaufwand und daher die Kostenhöhe ausgewirkt hat (vgl. hierzu auch VG Würzburg, U.v. 22.10.2018 – W 8 K 17.502 – juris Rn. 50). Gegenteilige Anhaltspunkte sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
5. Die in Ziffer 4 des Bescheids vom 5. Juli 2018 erhobenen Kosten sind nicht zu beanstanden. Zwar wird in der Begründung des Bescheids die falsche Nummer aus der Anlage 1 zum Kostengesetz genannt. Jedoch liegt die Höhe der festgesetzten Gebühr von 50,00 EUR im unteren Bereich des Gebührenrahmens (12,50 bis 150,00 EUR), den Nr. 1.I.8/1 der Anlage 1 zum Kostengesetz für isolierte Zwangsmittelandrohungen vorsieht.
6. Da die Beseitigungsanordnung in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides vom 19. Juni 2019 rechtmäßig erging (vgl. II. 2.), hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Erstattung der für die teilweise Beseitigung der Gespinstnester aufgewandten 1.001,98 EUR.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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