Baurecht

Kostenentscheidung bei offenen Erfolgsaussichten

Aktenzeichen  15 B 18.95

Datum:
21.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 35666
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 18 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Erfolgsaussichten eines erledigten baurechtlichen Verfahrens, in welchem sich die schwierige und umstrittene Rechtsfrage gestellt hätte, ob und unter ggf. welchen Voraussetzungen bei der Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen in einem Bebauungsplan die Bezugnahme auf die natürliche Geländeoberfläche als unterem Bezugspunkt den (Bestimmtheits-)Anforderungen des § 18 Abs. 1 BauNVO und des rechtsstaatlichen Gebots der Normenklarheit genügt, sind als offen anzusehen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei offenen Erfolgsaussichten entspricht es billigem Ermessen, die Kosten beider Instanzen nach Maßgabe des Tenors und differenziert nach erstinstanzlichem Verfahren und Berufungsverfahren zu verteilen (Anschluss an BayVGH BeckRS 2016, 54893). (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 K 16.40 2016-08-09 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 9. August 2016 ist wirkungslos geworden.
III. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt der Kläger die Hälfte; der Beklagte und die Beigeladene tragen jeweils ein Viertel der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, wobei die Beigeladene diesbezüglich die (andere) Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger und der Beklagte jeweils zur Hälfte. Die Beigeladene trägt ihre im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Der Streitwert wird in beiden Rechtszügen auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1. Das Verfahren ist aufgrund der übereinstimmenden Erledigterklärungen der Parteien (Schriftsätze des Beklagten vom 12. November 2018 und des Klägers vom 19. Dezember 2018) beendet und in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 9. August 2016 ist wirkungslos geworden (§ 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entsprechend).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht bei Erledigung der Hauptsache nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.
Im vorliegenden Rechtsstreit stellte sich die schwierige und umstrittene Rechtsfrage, ob und unter ggf. welchen Voraussetzungen bei der Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen in einem Bebauungsplan die Bezugnahme auf die natürliche Geländeoberfläche als unterem Bezugspunkt den (Bestimmtheits-) Anforderungen des § 18 Abs. 1 BauNVO und des rechtsstaatlichen Gebots der Normenklarheit genügt. Während in der Rechtsprechung z.T. die „natürliche Geländeoberfläche“ als unterer Bezugspunkt i.S. von § 18 Abs. 1 BauNVO grundsätzlich akzeptiert wird, verweist die Gegenansicht darauf, dass die vorhandene bzw. natürliche Geländehöhe als Bezugspunkt nicht ausreichend gegen Veränderungen gesichert sei (zum Streitstand vgl. den Zulassungsbeschluss des Senats vom 8. Januar 2018 – 15 ZB 16.2214). Wenn es zur streitigen Entscheidung gekommen wäre, wäre vom Senat auch die aktuelle Rechtsprechung des Nordrhein-Westfälischen Oberverwaltungsgerichts zu thematisieren gewesen, wonach die Bezugnahme auf die „natürliche Geländeoberfläche“ zur Festlegung eines unteren Bezugspunkts den Anforderungen des § 18 Abs. 1 BauNVO jedenfalls dann nicht dem Bestimmtheitsgebot gerecht werden soll, wenn das natürliche Gelände auf den einzelnen Grundstücken und auch innerhalb der Baufenster erhebliche Höhenunterschiede aufweist (OVG NRW, B.v. 1.2.2017 – 7 D 71/15.NE – BauR 2017, 842 = juris Rn. 31 ff.; vgl. auch König in König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Auflage 2014, § 18 Rn. 4). Da aufgrund des kursorischen Charakters der Kostenentscheidung im Verfahren nach § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO weder eine weitere Sachaufklärung stattfindet noch die Klärung schwieriger Rechtsfragen zu erfolgen hat (BayVGH, B.v. 25.09.2007 – 26 N 05.1670 – juris Rn. 2; B.v. 5.2.2015 – 15 N 12.1518 – juris Rn. 2; B.v. 11.11.2016 – 15 B 16.1239 – juris Rn. 2; B.v. 26.1.2017 – 9 ZB 15.2286 – juris Rn. 3; B.v. 19.4.2017 – 9 ZB 14.1916 – juris Rn. 2), ist von offenen Erfolgsaussichten der Klage bis zum erledigenden Ereignis auszugehen. Vor diesem Hintergrund entspricht es billigem Ermessen, die Kosten beider Instanzen nach Maßgabe des Tenors und differenziert nach erstinstanzlichem Verfahren und Berufungsverfahren zu verteilen (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2016 – 15 B 16.1239 – juris Rn. 4, 5 m.w.N.):
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens fallen nach billigem Ermessen dem Kläger zur Hälfte zur Last; die andere Hälfte hiervon tragen der Beklagte und der Beigeladene (jeweils ein Viertel). Die Beteiligung der Beigeladenen an den Gerichtskosten erscheint insoweit billig, weil diese im erstinstanzlichen Verfahren einen (Klageabweisungs-) Antrag gestellt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO) und sich in der Sache auf die Seite des Beklagten gestellt hat. Da sich die Beigeladene aufgrund dieses Antrags am Prozessrisiko beteiligt (vgl. auch BayVGH, B.v. 19.4.2017 – 9 ZB 14.1916 – juris Rn. 2), entspricht es der Billigkeit, den Kläger entsprechend seiner Quote auch mit der Hälfte an den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu beteiligen (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
Für das Berufungsverfahren wird angesichts der offenen Erfolgsaussichten eine jeweils hälftige Kostenverteilung zwischen dem Kläger und der Beklagten als ermessensgerecht erachtet. Zudem haben Kläger und Beklagter im Laufe des Rechtsmittelverfahrens über einen Tektur- / Befreiungsantrag eine Kompromisslösung gefunden. Auch vor diesem Hintergrund entspricht eine hälftige Kostentragung von Kläger und Beklagtem der Billigkeit. Da die Beigeladene im Berufungsverfahren keinen Sachantrag gestellt hat, konnten ihr für das Berufungsverfahren keine Kosten auferlegt werden; weil die Beigeladene im Berufungsverfahren nicht an der Kostenlast zu beteiligen ist, hat sie ihre außergerichtlichen Kosten insoweit selbst zu tragen.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 sowie § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019); sie orientiert sich an der Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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