Baurecht

Lagerplatz, Beseitigungsanordnung, Nutzungsuntersagung

Aktenzeichen  M 1 K 19.1252

Datum:
22.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 17847
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 1
BayBO Art. 76 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 19. Februar 2019. Dieser ist vielmehr rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I. Die Beseitigungsanordnung in Nr. 1 des Bescheids auf der Grundlage von Art. 76 Satz 1 BayBO erging in rechtmäßiger Weise.
1. Die Anordnung ist formell rechtmäßig, insbesondere wurde der Kläger vor Erlass angehört im Sinne von Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG.
2. Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Auf dieser Grundlage hat der Beklagte die Beseitigung rechtsfehlerfrei angeordnet.
a) Gegenstand der Anordnung ist ausweislich des Bescheidstenors die Beseitigung aller baulichen Anlagen einschließlich Gebäude, Anhänger und Gegenstände auf dem Grundstück; ausgenommen ist die Gerätehütte, die mit Baugenehmigung vom 16. April 1982 genehmigt worden ist. Damit bezieht sich das Beseitigungsverlangen zum einen auf die Anlagen wie die vorgefundenen Container, Boote, Wohnwägen, Chemietoiletten u.a., die in ihrer Gesamtheit einen Lagerplatz bilden. Es bezieht sich außerdem auf die bestehende Hütte im Südwesten des Grundstücks, weil diese bereits wegen ihres Standorts der genannten Baugenehmigung vom 16. April 1982 nicht entspricht und daher von der Anordnung nicht ausgenommen ist. Der Bescheidstenor ist insoweit unzweideutig und keiner abweichenden Auslegung zugänglich. Es bestehen keine Anhaltspunkte für das gegenteilige Verständnis, dass die Behörde die planabweichend errichtete Hütte gleichwohl belassen wollte. Zwar geht die tenorierte Ausnahme wohl ins Leere, weil keine plangemäße Hütte errichtet worden ist. Jedoch ist der Wille der Behörde ersichtlich darauf gerichtet, von der Beseitigungsanordnung nur die in genehmigter Form errichtete Hütte auszunehmen, zumal der Behörde der falsche Standort bekannt war (vgl. BA S. 20 und 21), auch durch Mitteilung des Klägers (BA S. 25). Auch die Bescheidsgründe stützen dieses Verständnis, weil insoweit mit einem unbestimmten statt einem bestimmten Artikel formuliert wird: „Für die vorgefundene Situation gibt es, mit Ausnahme einer Gerätehütte, keine baurechtlichen Genehmigungen“ (Bescheid, S. 2). Der Tenor ist insoweit auch hinreichend bestimmt und vollziehbar, weil unter Zuhilfenahme der genannten Baugenehmigung vom 16. April 1982 unzweifelhaft feststeht, dass die bestehende Hütte im Südwesten nicht von der Genehmigung umfasst und daher gemäß dem Tenor der streitgegenständlichen Anordnung zu beseitigen ist.
b) Die genannten Anlagen sind im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet worden. Sie sind genehmigungspflichtig (vgl. sogleich unter aa), ohne Genehmigung errichtet worden (bb)) und nicht genehmigungsfähig (cc)).
aa) Eine Verfahrensfreiheit des Lagerplatzes ist nicht gegeben. Eine landwirtschaftliche Privilegierung, die die Anwendbarkeit des Tatbestands von Art. 57 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. a BayBO voraussetzt, ist nicht gegeben. Auch beträgt die Größe des Platzes über 2.000 m² (vgl. BA S. 3), sodass bereits aus diesem Grund keine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. b BayBO besteht.
bb) Die von der Anordnung umfassten Anlagen sind formell rechtswidrig.
(1) Die Errichtung eines Lagerplatzes wurde insbesondere nicht von der Baugenehmigung vom 8. September 1978 bauaufsichtlich zugelassen.
Regelungsgegenstand der Baugenehmigung vom 8. September 1978 ist ausweislich des Bescheids eine Aufschüttung, auch der genehmigte Eingabeplan bezeichnet das Vorhaben lediglich als „Bepflanzung und Aufschüttung“. Ein Lager- oder LKW-Abstellplatz ist hingegen nicht genehmigt worden. Aus den Akten ist zwar ersichtlich, dass nach dem Willen des Bauherrn schließlich die Errichtung eines Lkw-Stellplatzes folgen sollte und dies auch der Bauaufsichtsbehörde bekannt war. Es liegen jedoch keinerlei genehmigte Eingabepläne dieser Nutzung vor, die – auch mit Blick auf das Erfordernis der Bestimmtheit – beispielsweise die Anzahl und Lage der Stellplätze der Lkws erkennen ließen. Einer diesbezüglich erweiternden Auslegung ist der Genehmigungsbescheid nicht zugänglich. Der Bescheid ist in seinem Regelungsgehalt unmissverständlich bestimmt und beschränkt. Vielmehr zeigen die näheren Umstände, dass die Bauaufsichtsbehörde die Genehmigung eines Lkw-Stellplatzes bewusst ausklammerte und dem Rechtsvorgänger des Klägers dies bewusst war. Denn bei der Aufschüttungsgenehmigung handelt es sich ausweislich ihrer „Auflage Nr. 09“ um eine bloße Teilbaugenehmigung. Außerdem war eine Bebauungsanfrage zur Errichtung des Lkw-Stellplatzes auf dem betreffenden Grundstück vorher zurückgenommen worden. Dies ergibt sich aus einer deswegen erstellten Kostenrechnung des Landratsamts vom 24. August 1978. Dem Kläger obläge es im Übrigen im Rahmen seiner materiellen Beweislast, eine legalisierende Genehmigung vorzulegen, wenn er vom Vorliegen einer Baugenehmigung ausgeht und sich hierauf beruft (BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 15 CS 16.1774 – juris).
Selbst wenn man zusammen mit der Klagepartei unterstellte, dass auch die Genehmigung eines Lkw-Stellplatzes erfolgt sei, würde diese die beanstandete Nutzung nicht umfassen. Ein L.platz ist begrifflich und nach der Verkehrsauffassung als Abstellfläche für einen Fuhrpark zu nutzen, nicht als Lagerplatz. Allenfalls kann sich die auf den Transportfahrzeugen befindliche Fracht für die Zeit des Abstellens des Fahrzeugs auf dem Stellplatz befinden, und nur insoweit ließe sich ein Funktionszusammenhang bejahen; der Begriff des Lkw-Stellplatzes umfasst jedoch nicht die Abladung von Fracht und deren Lagerung.
(2) Auch die auf dem Grundstück befindliche Hütte, auf die sich das Beseitigungsverlangen bezieht, ist formell rechtswidrig.
Die Hütte, die sich ausweislich der Feststellungen bei der Baukontrolle im März 2016 im Südwesten des Grundstücks befindet, ist dort nicht genehmigt. Die Baugenehmigung vom 16. April 1982 sieht einen anderen Standort für eine als Gerätehütte bezeichnetes Vorhaben etliche Meter weiter im Osten des Grundstücks vor. Damit liegt keine formelle Genehmigung der bestehenden Hütte vor. Dabei kann offenbleiben, ob die bestehende Hütte als Gerätehütte genutzt wird; bei der Baukontrolle konnte die Nutzungsweise der Hütte außer dem Vorhandensein eines Ofen- oder Entlüftungsrohres nicht festgestellt werden.
cc) Die beanstandeten baulichen Anlagen waren und sind materiell rechtswidrig.
Das Vorhabengrundstück liegt im planungsrechtlichen Außenbereich. Der Lagerplatz unter Einschluss der Hütte sind dort als nichtprivilegierte, sog. sonstige Vorhaben unzulässig, weil ihnen öffentliche Belange entgegenstehen, § 35 Abs. 2, Abs. 3 BauGB.
(1) Das Vorhabengrundstück ist nicht dem Innenbereich gemäß § 34 BauGB, sondern dem Außenbereich nach § 35 BauGB zuzuordnen, weil es nicht an einem Bebauungszusammenhang teilnimmt.
Zu dieser Überzeugung kommt die Kammer anhand der im Akt befindlichen Lagepläne und Fotos einschließlich der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen und die im BayernAtlas abrufbaren Luftbilder, ohne dass es der Einnahme eines Ortsaugenscheins bedurfte.
Die Anwendung von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB setzt einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil voraus. Ein Bebauungszusammenhang ist anzunehmen, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken den Eindruck der Zusammengehörigkeit und Geschlossenheit vermittelt und die in Rede stehende Fläche diesem Zusammenhang angehört. Wie eng diese Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern nach einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten einzelfallbezogen zu entscheiden. Den Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können nur Bauwerke, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, sodass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt werden oder in einem weiteren Sinne Nebenanlagen zu einer landwirtschaftlichen, (klein-)gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung sind, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (vgl. zu Vorstehendem BayVGH, B.v. 17.9.2021 – 1 ZB 20.16 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Einzubeziehen sind in die Betrachtung die tatsächlich vorhandenen baulichen Anlagen; es kommt nicht darauf an, wann die Bebauung der Umgebung und unter welchen, auch baurechtlichen Voraussetzungen entstanden ist. Genießen sie Bestandsschutz, sind sie in jedem Fall zu berücksichtigen. Für die Beurteilung der Frage, ob nicht genehmigte und nicht genehmigungsfähige bauliche Anlagen zu berücksichtigen sind, ist wesentlich, ob sie von den zuständigen Behörden in einer Weise geduldet werden, die keinen Zweifel daran lässt, dass sie sich mit dem Vorhandensein der Gebäude abgefunden haben. Auszuscheiden sind danach nicht genehmigte und auch nicht genehmigungsfähige Gebäude, deren Beseitigung jederzeit verlangt werden kann und dies nach Lage der Dinge auch zu erwarten ist (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 144. EL Oktober 2021, § 34 Rn. 35 m.w.N.).
Das Vorhabengrundstück weist selbst keine maßstabbildende Bebauung auf, die bei der städtebaulichen Beurteilung zu berücksichtigten ist. Die dort befindliche Gerätehütte ist an ihrem Standort ungenehmigt und wäre überdies kein Bau, der ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellt, weil sie nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dient. Die tatsächliche, hier streitgegenständliche Nutzung als Lagerplatz hat schon deswegen außer Betracht zu bleiben, weil sie rechtswidrig ist und die Behörde durch Erlass der streitigen Anordnung gerade signalisiert, sich damit nicht abzufinden. Die ehemalige Nutzung als L.platz hat für die planungsrechtliche Beurteilung ebenfalls außer Betracht zu bleiben. Der L.platz ist zum einen nie formell genehmigt worden; zum anderen wird dieser seit dem Jahr 2006 nicht mehr betrieben, erst nach Aufgabe des Speditionsbetriebs ist es zu der hier beanstandeten Nachfolgenutzung gekommen. Daher muss nicht entschieden werden, ob sich die Behörde seinerzeit mit der Existenz des Lkw-Stellplatzes abgefunden haben mag, weil dieser tatsächlich nicht mehr vorhanden ist. Im Übrigen ist nach der Betriebsaufgabe von vor über 15 Jahren auch nicht mehr mit dessen Wiederaufnahme zu rechnen. Unabhängig von den vorgenannten Erwägungen wäre selbst bei Annahme einer auf dem Vorhabengrundstück vorhandenen maßstabbildenden Bebauung nicht von einer Innenbereichslage auszugehen. Denn anhand des Luftbilds ist zu erkennen, dass sich das Grundstück in isolierter Lage befindet, das keinen baulichen Zusammenhang zu dem weiter östlich beginnenden Ortsteil hat. Dieser Eindruck bestätigt sich durch die gegebenen Entfernungen zu der östlich gelegenen Blockhüttenbebauung von 55 Metern sowie der in südöstlicher Richtung gelegenen landwirtschaftlichen Bebauung von 50 Metern. Der Ortsteil schließt das Baugrundstück nicht mit ein; dieses gehört dem Außenbereich an. Unberücksichtigt bleiben muss hierbei auch die vom Kläger angeführte Bebauung südöstlich seines Grundstücks, weil diese in Planung sein mag, gleichwohl nicht vorhanden ist.
(2) Das Vorhaben ist als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig, weil es öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt.
(a) Namentlich widerspricht das Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Dieser sieht einen Parkplatz vor; ein gewerblicher Lagerplatz stellt eine andere Nutzungsart dar und ist mit den planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht vereinbar. Für eine Funktionslosigkeit dieser Darstellung sind keine Anhaltspunkte erkennbar.
Zwar kann die tatsächliche Entwicklung dazu führen, dass sich das Gewicht der Aussagen des Flächennutzungsplans bis hin zum Verlust der Aussagekraft abschwächt. Dadurch kann ein Flächennutzungsplan die ihm vom Gesetz zugewiesene Bedeutung als Konkretisierung öffentlicher Belange und einer geordneten städtebaulichen Entwicklung verlieren. Auf die tatsächlichen Gegebenheiten abzustellen, bedeutet aber nicht, dass der Flächennutzungsplan grundsätzlich nur dann ein beachtlicher öffentlicher Belang ist, wenn seine Darstellungen mit der tatsächlichen Situation übereinstimmen; dann liefe seine Erwähnung als öffentlicher Belang weitgehend leer. Vielmehr soll lediglich klargestellt werden, dass der Flächennutzungsplan dort nicht mehr maßgeblich sein kann, wo seine Darstellungen den besonderen örtlichen Verhältnissen nicht mehr gerecht werden, diese also etwa durch die zwischenzeitliche Entwicklung überholt sind (BVerwG, B.v. 1.4.1997 – 4 B 11/97 – juris Rn 18). Auch wenn eine Parkplatznutzung des Grundstücks in den letzten Jahrzehnten nicht stattgefunden haben mag, ist diese Darstellung nicht überholt. Insbesondere ist keine Genehmigung – etwa der Aufschüttung oder der Gerätehütte – erteilt worden, die eine Nutzung als Parkplatz ausschließen würde. Nach erfolgter Beseitigung gemäß der streitgegenständlichen Anordnung kann dem planerischen Willen der Gemeinde wieder Rechnung getragen werden. Inwieweit die umliegende Nutzung der Flächen den Darstellungen des Nutzungsplans entspricht, ist für die Betrachtung des klägerischen Grundstücks ohne Belang.
(b) Das Vorhaben beeinträchtigt ferner die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert und verunstaltet das Landschaftsbild (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Ein gewerblicher Lagerplatz stellt eine im Außenbereich wesensfremde Bebauung dar. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass der Platz derzeit eingegrünt ist und deshalb nicht direkt einsehbar ist. Zwar besteht auch nach dem Befolgen der Beseitigungsanordnung weiterhin die Versiegelung des Bodens fort, sodass eine natürliche Bodennutzung nicht möglich ist. Gleichwohl bedeutet die Lagerung von Gegenständen auf dieser Fläche eine wesentlich stärkere Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart und führen zu einer Verunstaltung des ansonsten weithin von Bebauung freigehaltenen, naturnahen Landschaftsbildes. Dies illustrieren die im Akt befindlichen Fotos im Übrigen besonders anschaulich.
(c) Das Vorhaben lässt überdies das Entstehen einer unerwünschten Splittersiedlung befürchten, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB.
Die Regelung des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB bringt die Intention des Gesetzgebers zum Ausdruck, die Entwicklung unorganischer Siedlungsstrukturen und damit eine Zersiedlung, d.h. eine zusammenhanglose oder aus anderen Gründen unorganische Streubebauung im Außenbereich zu verhindern. Splittersiedlungen sind zwar nicht schon um ihrer selbst willen zu missbilligen. „Zu befürchten“ im Sinne von § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB ist die Entstehung, Erweiterung oder Verfestigung einer Splittersiedlung nur, wenn das Vorhaben zu einer „unerwünschten Splittersiedlung“ führt. Unerwünscht in diesem Sinne ist eine Splittersiedlung, wenn mit ihr ein Vorgang der Zersiedelung eingeleitet oder gar schon vollzogen wird. Es soll verhindert werden, dass in einer solchen Splittersiedlung eine ungeordnete bauliche Entwicklung stattfindet. Der Begriff der Splittersiedlung ist dabei weit zu fassen; er erstreckt sich nicht nur auf Wohnhäuser, sondern – zumindest – auch auf gewerbliche Anlagen, selbst wenn diese nur zum gelegentlichen Aufenthalt von Menschen bestimmt sind (BVerwG, U.v. 18.2.1983 – 4 C 19/81 – juris Rn. 23). Der hier vorliegende selbständige gewerbliche Lagerplatz, bei dem jedenfalls auch zeitweise mit dem Aufenthalt von Menschen gerechnet werden muss, weist die Eignung auf, einen Siedlungssplitter entstehen zu lassen. Das Vorhaben ist auch dazu geeignet, eine unerwünschte Zersiedlung einzuleiten, auch wenn in den vergangenen Jahren möglicherweise keine weiteren Fälle, die den Lagerplatz als Bezugsfall heranzogen, dazugekommen sind. Denn die Annahme einer unerwünschten Splittersiedlung rechtfertigt sich in der Regel und auch im konkreten Fall, weil das Vorhaben eine weitreichende oder noch nicht genau übersehbare Vorbildwirkung besitzt und daher seine unabweisbare Konsequenz sein könnte, dass in nicht verlässlich eingrenzbarer Weise noch weitere Bauten in seiner direkten Umgebung hinzutreten werden.
cc) Das Beseitigungsverlangen ist auch ansonsten rechtmäßig. Die Anordnung weist keine Ermessensfehler auf und ist verhältnismäßig.
(1) Gegen die Ermessenserwägungen des Beklagten gibt es nichts zu erinnern. Die Begründung erfolgte unter Einbeziehung der maßgeblichen Tatsachen, die in nicht zu beanstandender Weise gewichtet wurden. Ausweislich der Bescheidsgründe, die der Beklagtenvertreter im gerichtlichen Verfahren ergänzen konnte (§ 114 Satz 2 VwGO) veranlasste das Landratsamt die Kenntniserlangung und die Intensivierung der stattgefundenen Nutzung dazu, bauaufsichtlich einzuschreiten; in den Bescheidsgründen wird u.a. die Lagerung von hundert Chemietoiletten genannt. In den Ermessenserwägungen wird zutreffend darauf abgestellt, dass die Beseitigung das einzige Mittel sei, um wieder rechtmäßige Zustände herzustellen. Ferner erkennt der Beklagte ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Schonung des Außenbereichs und an der Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände und führt an, dass von dem Vorhaben eine Bezugsfallwirkung ausgehe. Ein Belassen der Situation wäre eine Demonstration dafür, dass man sich mit Erfolg über Gesetze hinwegsetzen könne. Der Beklagte stellt in die Entscheidung auch ein, dass die Anordnung einen wirtschaftlichen Aufwand für den Kläger bedeute, dieser sich aber dem Vorteil für die Allgemeinheit unterordne. Auch eine unbillige Härte sei nicht zu erkennen, schließlich trage ein Bauherr, der ohne vorherige Rückfrage beim Bauamt baue, das Risiko einer Rückbauanordnung. Diese zutreffenden Gründe vermögen die Beseitigungsanordnung zu rechtfertigen.
(2) Die Beseitigungsanordnung erweist sich auch mit Blick auf den Vortrag des Klägers, dass die Nutzung schon seit vielen Jahren hingenommen werde und unbeanstandet geblieben sei, als rechtmäßig.
Mit Blick auf einen zwischen der Errichtung einer Anlage und dem bauaufsichtlichen Aufgreifen verstrichenen längeren Zeitraum gilt, dass die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde, die Beseitigung einer illegalen Anlage zu verlangen, nicht verwirkt werden kann. Zum einen können nur Rechte, nicht aber auch Pflichten – hier: für rechtmäßige Zustände zu sorgen – verwirkt werden. Zum anderen wird ein illegaler Zustand nicht dadurch legal, indem er über einen längeren Zustand von der Behörde hingenommen wird. Insbesondere vermittelt dies dem Störer keinen Vertrauensschutz. Das schlichte Unterlassen bauaufsichtlichen Einschreitens (passive Duldung) kann den Erlass einer Beseitigungsanordnung nicht grundsätzlich hindern. Durch bloßen Zeitablauf und ohne das Hinzutreten weiterer Umstände kann eine Rechtsposition, die sonst nur das Baugenehmigungsverfahren vermittelt, nicht erlangt werden. Doch der ermessensfehlerfreie Erlass einer Beseitigungsanordnung kann ausgeschlossen sein, wenn die Bauaufsichtsbehörde durch vorausgegangenes positives Tun einen Vertrauenstatbestand zugunsten des Bauherrn geschaffen hat. Dies kann durch eine förmliche Duldung erfolgen, also einer Zusage im Sinn des Art. 38 BayVwVfG, eine bauaufsichtliche Maßnahme nicht zu erlassen, die zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf. In Betracht kommt jedoch auch ein über die bloße Untätigkeit hinausgehendes besonderes Verhalten der Behörde, aufgrund dessen der Betroffene zu der Annahme berechtigt ist, dass die Behörde von der Beseitigungsbefugnis keinen Gebrauch mehr machen will (BayVGH, U.v. 17.6.1998 – 2 B 97.171 – juris Rn. 25 ff.). Eine längere faktische Duldung kann ausschließlich im Rahmen des behördlichen Ermessens, also auf der Rechtsfolgenseite des Art. 76 Satz 2 BayBO, relevant sein, wobei auch insofern im Vergleich zu ausdrücklichen Duldungszusagen ein allenfalls verminderter Vertrauenstatbestand zu berücksichtigen ist (BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 15 CS 16.1774 – juris Rn. 33 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen steht dem Kläger ein die Beseitigungsanordnung hindernder Vertrauensschutz nicht zu. Eine förmliche Duldung des Lagerplatzes in Gestalt einer Zusicherung im Sinn von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, von einem Einschreiten abzusehen, hat der Beklagte unstreitig nicht abgegeben. Den vorgelegten Akten ist auch nichts dafür zu entnehmen, dass er auf andere Weise durch positives Tun einen Vertrauenstatbestand zugunsten des Klägers gesetzt hätte. Mit Blick die bereits länger anhaltenden Zustände sind auch die Ermessenserwägungen des Beklagten nicht zu beanstanden.
Möglicherweise wurde auf dem Vorhabengrundstück seit Ende der 1970er Jahre das Bestehen eines Lkw-Stellplatzes faktisch hingenommen. Dieser gehörte zu dem Speditionsunternehmen der Familie des Klägers und war nach Aktenlage aus dem Ortszentrum an den Vorhabenstandort verlagert worden war. Das Unternehmen mit dem Fuhrpark ist nach der Auskunft des Klägers im Jahr 2006 verkauft worden und steht damit nicht mehr im Eigentum des Klägers. Der L.platz ist im Zuge dessen aufgegeben worden. Anlass für das hier streitige bauaufsichtliche Einschreiten ist demgegenüber der Betrieb eines gewerblichen Lager- und Abstellplatzes, in dessen Rahmen der Kläger ausweislich der Beschilderung (vgl. BA S. 5) und seiner eigenen Angaben Flächen vermietet. Das bauaufsichtliche Tätigwerden erfolgte zehn Jahre später, nämlich im Jahr 2016. Anlass hierfür bot nach Aktenlage eine Meldung an das Sachgebiet Abfallrecht im Landratsamt. Diese veranlasste die Bauaufsichtsbehörde zu einer Rücksprache mit der Gemeinde, zur Eruierung der Genehmigungssituation und zur Durchführung von Baukontrollen. Das bauaufsichtliche Verfahren, das damit in Gang gesetzt worden war, mündete schließlich in den Erlass des streitigen Bescheids im Jahr 2019. Dessen Ergehen erst drei Jahre nach Kenntnis der näheren Umstände ist maßgeblich auf Fristverlängerungen zurückzuführen, die das Landratsamt auf Bitten des Klägers gewährte.
Nach welchen Grundsätzen die Behörde gegen einen etwaig fortgeführten L.platz hätte vorgehen können, ist nicht entscheidungserheblich. Mit Blick auf den Lagerplatz, der hier Gegenstand des bauaufsichtlichen Einschreitens bietet, ist von keinem Vertrauenstatbestand auszugehen, der zugunsten des Klägers spräche. Nach Aktenlage ist dem Landratsamt erst im Jahr 2016 bekannt geworden, dass eine derartige Nutzung erfolgt, und dies veranlasste die Bauaufsicht zum unmittelbaren Handeln. Zugleich ist aus den Ausführungen des Klägers im Anhörungsverfahren ersichtlich, dass bei ihm in den vergangenen Jahren kein Vertrauen auf den Fortbestand des Lagerplatzes entstanden war. Denn der Kläger gestand selbst zu, es sei zu nicht akzeptablen Zuständen gekommen (BA S. 18). Nach eigenem Bekunden war es dem Kläger bewusst, dass aufgrund der aktuellen Genehmigungslage Handlungsbedarf bestehe, und er bat um Mitteilung, welche Schritte erforderlich seien, um die jetzige Nutzung gesetzeskonform zu sichern (S. 22 BA). Dass der Kläger sich schließlich, nachdem er sich vergeblich um eine Legalisierung bemüht hatte, der Beseitigungsverfügung entgegenhält, dass die Zustände bereits länger bestünden und die Maßnahme damit unverhältnismäßig sei, verhilft ihm nicht zum Erfolg. Der Beklagte hat diesen Aspekt in seine Ermessenserwägungen aufgenommen und in nicht zu beanstandender Weise abgearbeitet. In den Bescheidsgründen ist berücksichtigt worden, dass der Kläger sich auf eine seit 15 Jahren praktizierte Nutzung beruft. Der Beklagte gewichtet die angeführten Gründe des öffentlichen Interesses, die für eine Beseitigung sprechen, auch in dem Fall, dass der Zustand bereits seit einigen Jahren so bestehe, in nicht zu beanstandender Weise höher (S. 2 und 3 des Bescheids).
Die Beseitigung der genannten Anlagen ist auch nach den vom Beklagten angeführten Gründen verhältnismäßig. Die Beseitigungsanordnung ist geeignetes Mittel, um für rechtmäßige Zustände zu sorgen. Insbesondere ist die Aufforderung zur Stellung eines Bauantrags kein gleich geeignetes, milderes Mittel, weil aus dem o.g. Gründen die Legalisierung des Vorhabens nicht infrage kommt. Im engeren Sinn hat das Interesse des Klägers am Fortbestand einer nicht genehmigten und nicht genehmigungsfähigen gewerblichen Nutzung im Außenbereich, der von wesensfremder Bebauung freizuhalten ist, gegen die Interessen der Allgemeinheit, dass dort baurechtmäßige Verhältnisse geschaffen werden, zurückzutreten.
II. Soweit sich die Klage gegen die Nutzungsuntersagung (Bescheidsnr. 2) wendet, ist auch diese unbegründet. Die Untersagung der Nutzung der Grundstücksfläche als Lager- und Abstellplatz erfolgt auf der Rechtsgrundlage von Art. 76 Satz 2 BayBO. Die Voraussetzungen hierfür sind erfüllt; es wird insoweit auf die entsprechend geltende Begründung zur Beseitigungsanordnung (unter oben 1.) Bezug genommen. Von der Nutzungsuntersagung muss auch nicht die bestehende Hütte ausgenommen werden, weil auch diese als rechtswidrige Anlage zu beseitigen ist.
III. Gegen die übrigen Regelungen im Bescheid bestehen keine rechtlichen Bedenken; dahingehend wurden auch keine Einwände erhoben. Die Vollstreckungsfristen von jeweils zwölf Wochen ab Bestandskraft des Bescheids ist nicht zu beanstanden. Die Zwangsgeldandrohungen (Bescheidsnr. 3 und 4) finden ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 und 2, Art. 36 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Ihre Höhe von je 5.000 EUR ist ebensowenig zu beanstanden. Auch gegen die Kostenentscheidungen (Bescheidsnrn. 5 und 6) bestehen keine rechtlichen Bedenken.

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