Aktenzeichen 2 N 15.283
Leitsatz
1. Die materielle Beweislast dafür, dass die umweltbezogenen Stellungnahmen im Sinn von § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB tatsächlich öffentlich ausgelegt wurden, trifft die Gemeinde. (amtlicher Leitsatz)
2. Die Angemessenheit einer Fristverkürzung nach § 4a Abs. 3 S. 3 BauGB kann nur unter Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls festgestellt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, wie weit das vorangegangene Verfahren bereits das wesentliche Abwägungsmaterial vermittelt hat. Davon kann umso mehr ausgegangen werden, je geringfügiger die Änderungen und Ergänzungen des zunächst ausgelegten Entwurfs sind und umso weniger, je umfangreicher und komplexer sie sind. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Der vorhabenbezogene Bebauungsplan „A 15-H…“ der Antragsgegnerin, bekannt gemacht am 20. März 2015, ist unwirksam.
II.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Der zulässige Normenkontrollantrag (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) des Antragstellers ist begründet. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan der Antragsgegnerin, bekannt gemacht am 20. März 2015, ist unwirksam (§ 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
I. Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Der Antragsteller hat ihn mit Schriftsatz vom 29. Januar 2015, eingegangen beim Verwaltungsgerichtshof am 3. Februar 2015, und damit binnen der Jahresfrist nach Bekanntmachung des Plans gestellt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Er hat im Rahmen der ersten wie auch der erneuten öffentlichen Auslegung des Plans Einwendungen gegen die Planung erhoben, so dass § 47 Abs. 2a VwGO der Zulässigkeit seines Antrags nicht entgegensteht.
Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch antragsbefugt. Zwar ist er nicht Eigentümer eines Grundstücks im Plangebiet. Er kann sich aber als Eigentümer eines unmittelbar an das Plangebiet angrenzenden Grundstücks auf eine mögliche Verletzung des bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebots berufen, dem drittschützender Charakter hinsichtlich abwägungserheblicher privater Belange zukommt. Der Antragsteller hat hinreichend substantiiert dargelegt, dass der Plan zu einer mehr als geringfügig verstärkten Lärmbeeinträchtigung für sein Grundstück führen kann.
II. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet.
1. Der Plan leidet an einem beachtlichen Verfahrensfehler, weil die Antragsgegnerin im Rahmen der ersten öffentlichen Auslegung des Bebauungsplanentwurfs dadurch gegen § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB verstoßen hat, dass ihre Bekanntmachung im W… Stadtanzeiger vom 16. Mai 2014 zwar auf die vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen verweist, aber nicht alle diese umweltbezogenen Stellungnahmen öffentlich ausgelegt wurden. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind die Entwürfe der Bauleitpläne mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen. Dies konnte im vorliegenden Fall nicht zur Überzeugung des Senats dargelegt werden. Dieser Verfahrensfehler ist nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beachtlich und vom Antragsteller fristgerecht geltend gemacht worden.
Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Der Senat kann den vorgelegten Akten keinen Hinweis darauf entnehmen, ob die Unterlagen tatsächlich ausgelegt wurden. Die Schreiben sind in dem umfangreichen Aktenbestand der Antragsgegnerin zwar vorhanden. Die tatsächliche Auslegung lässt sich aber anhand der Akten nicht nachvollziehen. Anhaltspunkte für eine ordnungsgemäße Auslegung vom 26. Mai 2014 bis 27. Juni 2014 lassen sich den Akten nicht entnehmen. Insbesondere findet man in dem Ordner IV „Beb.Plan A 15 H… 2. öffentliche Auslegung vom 26.05. – 27.06.2014 Az.: 6102.200: A 15“ keinerlei Anhaltspunkte, obwohl die Antragsgegnerin unschwer solche – etwa durch Ablage von Kopien oder auch nur einen kurzen Aktenvermerk über die erfolgte Auslegung der Schreiben – hätte schaffen können.
Der Antragsteller rügt mit Schriftsatz vom 26. November 2015, dass in der ersten öffentlichen Auslegung vom 26. Mai 2014 bis 27. Juni 2014 die Altlastenerkundung „Kugelfang“ des Ingenieurbüros A…, G… (Stand: 15.4.2014), das Schreiben des Landratsamts N… vom 9. April 2014 (Altlasten und Schwermetalle), das Schreiben des Wasserwirtschaftsamts D… vom 18. März 2014 (Niederschlagswasserbeseitigung, Altlasten- Schwermetalle), das Schreiben des Landesbundes für Vogelschutz Bayern e.V. vom 15. April 2014 (Fauna, Bearbeitung des Artenschutzgutachtens) und das Schreiben verschiedener Einwender der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung (Äußerungen zum Lärmschutz) nicht ausgelegen hätten. Die Antragsgegnerin hat nicht bestritten, dass es sich dabei um wesentliche, bereits vorliegende umweltbezogene Stellungnahmen handelt, sondern sich mit Schriftsatz vom 28. April 2016 dahingehend eingelassen, es werde davon ausgegangen, dass sämtliche Unterlagen, die in der Bekanntmachung erwähnt worden seien, auch tatsächlich ausgelegen hätten. In der mündlichen Verhandlung des Senats hat der Bevollmächtigte des Antragstellers ausgeführt, dass er bei der ersten Auslegung im Rathaus gewesen sei und Einsicht in die ausgelegten Unterlagen verlangt habe. Die von ihm schriftsätzlich genannten Unterlagen seien dabei nicht zur Verfügung gestellt worden (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2016, S. 5). In der mündlichen Verhandlung des Senats hat die Antragsgegnerin lediglich darauf verwiesen, dass laut Befragung der Mitarbeiter die Unterlagen ausgelegen haben müssten (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2016, S. 5). Die Antragsgegnerin hat keinen Beweisantrag gestellt. Sie hat auch keine eventuellen Zeugen namentlich benannt.
Der Sachverhalt lässt sich von Amts wegen nicht weiter aufklären. Damit stellt sich die Frage, zu wessen Ungunsten die Unaufklärbarkeit einer bestimmten Tatsache geht. Für die materielle Beweislast ist in erster Linie das materielle Recht entscheidend (statt vieler Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 86 Rn. 2a). Wenn, wie im vorliegenden Fall, ausdrückliche Regeln fehlen, gilt der Grundsatz, dass die Nichterweislichkeit zulasten des Beteiligten geht, der aus der fraglichen Tatsache eine für ihn günstige Rechtsfolge ableitet. Dies ist im vorliegenden Fall die Antragsgegnerin, da es für sie günstig ist, wenn die umweltbezogenen Stellungnahmen tatsächlich öffentlich ausgelegt wurden. Im Übrigen ist es für einen Bürger tatsächlich kaum möglich, einen Beweis dazu zu führen, ob alle Unterlagen ausgelegt wurden. Es kann ihm nicht angesonnen werden, stets mit Zeugen während der Auslegung Einblick in die Unterlagen zu nehmen. Die ordnungsgemäße Auslegung liegt im alleinigen Verantwortungsbereich der Behörde. Dieser materiellen Beweislast ist die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden. Im Gegenteil belegen die von ihr gewählten vorsichtigen Formulierungen im Schriftsatz vom 28. April 2016 und die konjunktivische Formulierung in der mündlichen Verhandlung vom 30. Juni 2016, dass der Nachweis nicht geführt werden kann.
Das Gleiche gilt für die die erneute öffentliche Auslegung vom 13. Oktober 2014 bis 27. Oktober 2014. Die Bekanntmachung im W… Stadtanzeiger vom 2. Oktober 2014 weist auf die auszulegenden wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Erkenntnisse und Stellungnahmen ausdrücklich hin. Der Antragsteller rügt, dass die Altlastenerkundung „Kugelfang“ des Ingenieurbüros A… G… (Stand: 15.4.2014) sowie die Schreiben des Landratsamts N… vom 9. April 2014 und 8. Juni 2014 (richtig wohl: 18.6.2014; Altlasten und Schwermetalle sowie verkehrliche Belange) nicht ausgelegt worden seien. Aus den dem Senat vorliegenden Akten lässt sich eine ordnungsgemäße Auslegung nicht nachvollziehen. Die Altlastenerkundung „Kugelfang“ des Ingenieurbüros A… G… (Stand: 15.4.2014) sowie das Schreiben des Landratsamts N… vom 9. April 2014 finden sich zwar in einem Ordner V „Beb.Plan A 15 H…: 3. öffentliche Auslegung vom 13.10. – 29.10.2014 Az: 6102.200: A 15“. Demgegenüber ist jedoch das Schreiben des Landratsamts N… vom 18. Juni 2014 dort nicht enthalten, sondern Bestandteil des Ordners VII „Beb.Plan A 15 H…: Presse, Einwendungen, Stellungnahmen, Veröffentlichungen, Beispiele, Rechnungen Az.: 6102.200: A 15“.
In der mündlichen Verhandlung des Senats hat der Bevollmächtigte des Antragstellers erklärt, dass er auch bei der zweiten Auslegung im Rathaus gewesen sei und Einsicht in die ausgelegten Unterlagen verlangt habe. Die von ihm schriftsätzlich genannten Unterlagen seien dabei nicht zur Verfügung gestellt worden. Er habe ausdrücklich darum gebeten, ihm alle in der Bekanntmachung genannten Unterlagen zur Verfügung zu stellen (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2016, S. 5). Auch hier hat die Antragsgegnerin lediglich entgegnet, dass laut Befragung der Mitarbeiter die Unterlagen ausgelegen haben müssten. Damit ist die Antragsgegnerin ihrer materiellen Beweislast nicht gerecht geworden.
Die beiden Verfahrensfehler wurde vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 26. November 2015 und somit fristgerecht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans am 20. März 2015 (§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB) geltend gemacht.
2. Der Plan leidet auch deshalb an einem beachtlichen Verfahrensfehler, weil die Dauer der Auslegung und die Frist für Stellungnahmen bei der erneuten Offenlage gemäß § 4a Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 2 Satz 1 und § 4 Abs. 3 Satz 3 BauGB unangemessen verkürzt worden sind. Dieser Verfahrensfehler ist nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beachtlich und fristgerecht geltend gemacht worden.
a) Auch wenn der Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB aufgestellt worden ist, ist die Durchführung der öffentlichen Auslegung an § 3 Abs. 2, § 4a Abs. 3 BauGB zu messen. Zwar hat die Gemeinde gemäß § 13a Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 13 Abs. 2 Nr. 2 BauGB die Möglichkeit, anstelle der öffentlichen Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB nur der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist zu geben. Davon hat die Antragsgegnerin hier aber keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr hat sie sich für die Durchführung der öffentlichen Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB entschieden. Dann aber gelten auch die Vorgaben dieser Norm mit den bei erneuter Auslegung eingeräumten Möglichkeiten des § 4a Abs. 3 BauGB (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 1. Februar 2016, § 13 Rn. 38a, 39; Spannowsky in Berliner Kommentar zum BauGB, Stand: Mai 2016, § 13 Rn. 33).
b) Nach § 4a Abs. 3 Satz 3 BauGB kann die Gemeinde bei der erneuten Offenlage des Planentwurfs nach seiner Änderung oder Ergänzung die gemäß § 4a Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 BauGB einmonatige Dauer der Auslegung und die entsprechende Frist zur Stellungnahme angemessen verkürzen. Die hier vorgenommene Verkürzung auf den Zeitraum von zwei Wochen war jedoch nicht mehr angemessen. Eine Definition dessen, was angemessen ist, enthält das Gesetz nicht (ausführlich zur Gesetzgebungsgeschichte VGH BW, U.v. 28.11.2012 – 3 S 2313/10 – juris). Anders als die Vorläuferregelung in § 3 Abs. 3 Satz 2 BauGB 1998 enthält das Gesetz heute keine Untergrenze für die Verkürzung. Die unangemessene Kürze des gewählten Zeitraums ergibt sich daraus, dass er nach Würdigung aller Umstände nicht ausreichend war, um den Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung zu erfüllen. Nach der Intention des Gesetzgebers ist Ziel der Regelung in § 4a Abs. 3 Satz 3 BauGB die Verfahrensbeschleunigung. Eine effektive Öffentlichkeitsbeteiligung setzt voraus, dass die Öffentlichkeit zunächst die Möglichkeit erhält, sich ausreichend zu informieren, und anschließend noch genügend Zeit verbleibt, um substantiiert Stellung zu nehmen. Dies gilt auch für Bebauungspläne der Innenentwicklung wie den hier vorliegenden nach § 13a BauGB. Entweder wird die Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB durchgeführt oder der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist gegeben (§ 13a Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 13 Abs. 2 Nr. 2 BauGB).
Um wie viele Tage die einmonatige Frist verkürzt werden kann, ohne die qualitätssichernde Funktion der Öffentlichkeitsbeteiligung zu beeinträchtigen, kann nur unter Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls festgestellt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, wie weit das vorangegangene Verfahren bereits das wesentliche Abwägungsmaterial vermittelt hat (vgl. BayVGH, U.v. 5.2.2009 – 1 N 07.2713 – juris). Davon kann umso mehr ausgegangen werden, je geringfügiger die Änderungen und Ergänzungen des zunächst ausgelegten Entwurfs sind und umso weniger, je umfangreicher und komplexer sie sind (vgl. VGH BW, U.v. 28.11.2012 – 3 S 2313/10 – juris). Die Gemeinde hat hier von der Beschleunigungsmöglichkeit des § 4a Abs. 3 Satz 2 BauGB keinen Gebrauch gemacht. Somit konnten Stellungnahmen nicht nur zu den geänderten oder ergänzten Teilen abgegeben werden. Neues Abwägungsmaterial konnte damit nicht nur hinsichtlich der Änderungen und Ergänzungen entstehen. Entscheidend für die Bemessung der Frist sind daher vor allem der Umfang und die Komplexität der Änderungen und Ergänzungen. Aber auch ihre Bedeutung für die Planungskonzeption insgesamt ist in den Blick zu nehmen. Eine ausreichende Informations- und Stellungnahmemöglichkeit setzt auch voraus, dass der Öffentlichkeit genügend Zeit bleibt, sich mit den ausgelegten Unterlagen, also nicht nur dem Planentwurf, sondern auch seiner Begründung sowie den nach § 4a Abs. 3 Satz 1 BauGB i. V. m. § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB auszulegenden, nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen umweltbezogenen Stellungnahmen zu befassen.
Nach diesen Kriterien waren die Auslegungsdauer und die Stellungnahmefrist hier unangemessen kurz. Sie haben weder eine ausreichende Informationsmöglichkeit noch eine genügende Möglichkeit zur Stellungnahme gewährleistet. Der Zeitraum der erneuten öffentlichen Auslegung begann am Montag, den 13. Oktober 2014 und endete am Montag, den 27. Oktober 2014. Der letzte Tag des Auslegungszeitraums lag aber nach einem Wochenende in den Herbstferien. Die Schulferien sind für die Frage der Angemessenheit der Fristverkürzung nicht unbeachtlich. Bei der gesetzlichen Monatsfrist ist es zwar grundsätzlich unschädlich, wenn ein oder mehrere Feiertage oder Ferientage in den Zeitraum der öffentlichen Auslegung fallen, weil das Gesetz hier eine pauschalierende Betrachtungsweise vorsieht (vgl. BVerwG, U.v. 13.9.1985 – 4 C 64.80 – juris). Für eine solche pauschalierende Betrachtungsweise ist aber bei einer individuell festgesetzten und verkürzten Frist kein Raum (vgl. VGH BW, U.v. 28.11.2012 – 3 S 2313/10 – juris). Bei einer konkreten Betrachtung der verkürzten Frist ist hier vielmehr zu berücksichtigen, dass ein Feiertag oder Ferientag nach einem Wochenende vielfach zu einem verlängerten Wochenendurlaub bzw. das Wochenende zur Verlängerung der Urlaubswoche genutzt wird.
Im vorliegenden Fall hat die Gemeinde gegenüber dem ausgelegten Bebauungsplanentwurf vom 17. April 2014 zahlreiche Ergänzungen und Änderungen vorgenommen. Die Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung wurde mit einer Trennung der Sondergebietsfläche in Teilgebiete SO1 mit einer zulässigen Verkaufsfläche von 1.000 m² (A…) und SO2 mit einer zulässigen Verkaufsfläche von 800 m² (F…) entsprechend den konkret geplanten Vorhaben geändert. Die zulässigen Randsortimente wurden festgesetzt und konkretisiert. Die Flächen des Straßenumbaus in der O… Straße im Bereich der Zufahrt zum Plangebiet wurden einbezogen. Der Straßenumbau soll eine Aufweitung der Fahrbahn in Richtung R… Straße im Bereich der Zufahrt für Linksabbieger auf eine Breite von 4,85 m umfassen. Dazu war eine Reduzierung des östlichen Geh- und Radwegs auf 2 m erforderlich. Die Fahrbahnbreite in Richtung Norden verbleibt bei 3,25 m. Die partiell dargestellten Straßenbegrenzungslinien in der O… Straße und der R… Straße wurden entfernt. Zwischen den Pflanzgebotsflächen Pfg 1 und Pfg 2 wurde eine Abgrenzungslinie festgelegt. Die zulässige Höhe der baulichen Anlagen mit der Festsetzung der Oberkante der Attikahöhe als oberer Abschluss der Gebäude wurde ergänzt und konkretisiert. Die Höhe der Lärmschutzwand zwischen dem Plangebiet und dem Grundstück O… Straße 2 (FlNr. 2107/2) mit 507,5 m über NN, was der bisherigen festgesetzten Höhe von 2,5 m entspricht, wurde konkretisiert. Die zulässigen schalltechnischen Beurteilungspegel in Bezug zu den einzelnen Immissionsorten aus der „Schalltechnischen Untersuchung zu zwei geplanten Einzelhandelsbetrieben im Bebauungsplangebiet A 15 – H…“ des Büros K… vom 30. Oktober 2013 wurden als ergänzende Festsetzung unter 1.9.2 „Vorkehrungen zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG)“ übernommen. Es wurde festgesetzt, dass die Abstandsflächen gemäß Art. 6 BayBO einzuhalten sind. Die Ladenöffnungszeiten wurden begrenzt, ebenso die Anlieferzeiten und die zulässige Beleuchtung der Betriebsfläche. Ergänzend wurde festgelegt, dass die festgesetzten Pflanzgebote zwingend mit der Errichtung des Vorhabens herzustellen sind. Ergänzt wurde eine Festsetzung zum Artenschutz, dass Baumfällungen entsprechend dem Fachbeitrag Artenschutz vom 26. April 2014 nur außerhalb der Vegetationsperiode zwischen dem 1. November und dem 28. Februar zulässig sind. Die Begründung wurde hinsichtlich der Änderungen, sonstigen Ergänzungen und Konkretisierungen überarbeitet. Der geänderte vorhabenbezogene Bebauungsplan weist damit insgesamt 14 Änderungen auf. Bereits die Quantität der Änderungen ist ein Indiz dafür, dass Auslegungsdauer und Stellungnahmefrist nicht angemessen waren. In der zweiten Auslegung wurde ein neuer Umweltbericht mit Stand vom 11. September 2014 ausgelegt. Zwar ist im vereinfachten Verfahren ein Umweltbericht nicht erforderlich (§ 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Wenn jedoch ein solcher ausgelegt wurde, ist auch zu berücksichtigen, dass die Überprüfung möglicher Änderungen im Gutachten Zeit in Anspruch nimmt. Von besonderer Bedeutung sind jedoch die Aufteilung des Gebiets in zwei Sondergebiete sowie die Festsetzungen zum Nachbarschutz hinsichtlich der Übernahme der zulässigen schalltechnischen Beurteilungspegel, der Begrenzung der Ladenöffnungszeiten, der Anlieferzeiten und der zulässigen Beleuchtung der Betriebsfläche. Auch wenn mit letzteren die Stellungnahmen zur Öffentlichkeitsbeteiligung ausgewertet wurden, kann dies nicht lediglich als eine Reaktion auf diese Stellungnahmen angesehen werden. Von besonderem Gewicht ist auch, dass die Festsetzungen zum Nachbarschutz die subjektive Rechtsposition des Antragstellers und anderer Anlieger gestalten. Insgesamt sind die Änderungen zu umfangreich und zu komplex, als dass die Dauer der Auslegung von zwei Wochen – wobei der letzte Tag nach einem Wochenende in den Herbstferien lag – als angemessen betrachtet werden kann.
Der Verfahrensfehler wurde nicht vom Antragsteller, sondern von einem Dritten mit Schriftsatz vom 27. Februar 2015 (Az. 2 N 15.472) fristgerecht geltend gemacht (§ 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Dies ist ausreichend, weil die Rüge nicht nur zugunsten des Rügenden, sondern zugunsten von jedermann wirkt (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 1. Februar 2016, § 215 Rn. 44).
3. Die beiden dargelegten Verfahrensfehler führen zur Unwirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplans. Auf die weiter vorgetragenen materiellen Mängel kommt es mithin nicht mehr entscheidungserheblich an. Für eine eventuelle Heilung der Fehler durch die Antragsgegnerin sieht sich der Senat zu folgenden Hinweisen veranlasst: Selbst wenn man den Bebauungsplan zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch als abwägungsgerecht ansehen wollte, stellt sich die Frage, ob nach einer zukünftigen Heilung der Verfahrensfehler durch die Antragsgegnerin und der dann erforderlichen erneuten Abwägung hinsichtlich des Einzelhandels noch auf ein Gutachten der GMA aus dem Jahr 2011 zurückgegriffen werden kann. Die gleiche Problematik stellt sich hinsichtlich der Frage der verkehrlichen Erschließung. Fraglich ist insbesondere, ob auch angesichts der verkehrlichen Veränderungen am Hauptplatz der Antragsgegnerin noch ein Gutachten zugrunde gelegt werden kann, das auch auf Zahlen aus dem Jahr 2007 basiert. Eine erneute Abwägungsentscheidung der Antragsgegnerin müsste sich damit auseinandersetzen, ob die dem Bebauungsplan zugrundeliegende schallschutztechnische Untersuchung auch unter Berücksichtigung der verkehrlichen Veränderungen zu den richtigen immissionsschutzrechtlichen Festsetzungen führt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ist die Ziffer I. der Entscheidungsformel allgemein verbindlich und muss von der Antragsgegnerin nach Eintritt der Rechtskraft des Normenkontrollurteils in derselben Weise veröffentlicht werden, wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB).
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 20.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1, Abs. 8 GKG).