Baurecht

Materielle Prüfung eines Bebauungsplans

Aktenzeichen  2 N 17.1448

Datum:
31.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7162
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 1 Abs. 3, Abs. 6, Abs. 7, § 2 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Der Begriff der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB wird durch die politische Willensentscheidung der Gemeinde ausgefüllt. Insoweit besitzt die Gemeinde im Bereich der städtebaulichen Erforderlichkeit ein weites planerisches Ermessen. (Rn. 30) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots gem. § 1 Abs. 7 BauGB auf die Frage, ob die Gemeinde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat. (Rn. 34) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der zulässige Antrag nach § 47 VwGO ist unbegründet.
1. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks mit der FlNr. 1757/11 der Gemarkung B …, das im Plangebiet liegt. Er ist als Eigentümer von den Festsetzungen des Bebauungsplans unmittelbar betroffen und damit antragsbefugt, weil die Festsetzungen Inhalt und Schranken seines Grundeigentums bestimmen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG).
2. Der Antrag ist nicht begründet. Der Bebauungsplan verstößt weder gegen formelles noch materielles Recht.
a) Es liegt kein formeller Fehler vor. Die Antragsgegnerin hat alle abwägungserheblichen Belange gemäß § 2 Abs. 3 BauGB ermittelt. Dabei müssen nicht alle in § 1 Abs. 6 BauGB aufgeführten Belange in die Abwägung eingestellt werden. Die Abwägungsbeachtlichkeit an sich, das jeweilige Gewicht der Belange und sonstige Abwägungsbeachtlichkeiten hat die Gemeinde in eigener Verantwortung zu prüfen und zu bewerten (vgl. BVerwG, B.v. 23.4.1997 – 4 NB 13.97 – juris; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand 1. Oktober 2018, § 1 Rn. 188).
Wie sich insbesondere aus dem Satzungsbeschluss ergibt, hat die Antragsgegnerin die Belange der Landwirtschaft (§ 1 Abs. 6 Nr. 8b BauGB), des Verkehrs (§ 1 Abs. 4 Nr. 9 BauGB), die privaten Belange des Grundeigentums, des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten landwirtschaftlichen Betrieb, der Erschließungskosten sowie der verkehrlichen Erschließung in die Abwägung eingestellt. § 1 Abs. 7 Nr. 7a BauGB bezeichnet als weiteren Belang unter dem Aspekt des Naturhaushalts den Boden. Durch die bauliche Maßnahme kommt es zu einer Bodenversiegelung. Solche Versiegelungen sollen im Rahmen der der Abwägung unterliegenden Bodenschutzklausel auf das notwendige Maß begrenzt werden (vgl. BVerwG, B.v. 12.6.2008 – 4 BN 8.08 – juris). Auch diesen Belang hat die Antragsgegnerin gesehen, denn aus der Sitzungsvorlage für den Satzungsbeschluss vom 21. Juni 2017 wird deutlich, dass die Antragsgegnerin erkannt hat, dass die Erschließungsstraße Flächen neu versiegelt (Behördenakte Bl. 291/1). In der Tabelle 1 „Eckdaten der Erschließungsvarianten“ wird unter dem Kriterium F der Gesichtspunkt der Neuversiegelung bei den einzelnen Varianten aufgeführt. Die Frage der Bodenversiegelung wurde auch bei der Thematik des Flächenverbrauchs berücksichtigt. Die Antragsgegnerin hat erkannt, dass es hinsichtlich der Belange des Umweltschutzes bei der vorliegenden Planung zu Neuversiegelungen durch zusätzliche Straßenflächen und gegebenenfalls durch Nachverdichtungen im bestehenden Siedlungsbereich kommt. Für Neuversiegelungen sei an anderer Stelle ein Ausgleich geschaffen worden. Bei allen Planungsvarianten sind der Antragsgegnerin zufolge zusätzliche Flächenversiegelungen unvermeidbar. Insgesamt handle es sich um einen flächenmäßig geringen Eingriff. Es wurde auch in den Blick genommen, inwieweit eine bestehende Wegefläche einbezogen werden kann und inwieweit durch Straße und Kanal möglichst wenig in freie Flächen eingegriffen wird. Überdies ist das Thema Boden auch im Umweltbericht behandelt worden.
Auch die Auswirkungen auf die Landschaft, vor allem auf ihr Erscheinungsbild, wurden im Rahmen der Bauleitplanung berücksichtigt. Entscheidungserhebliche Faktoren sind die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft, ihr Erscheinungsbild und ihre Funktion als Erlebnis- und Erholungsraum der Menschen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 4 BNatSchG). Aus Sicht der Antragsgegnerin sind insbesondere Elemente wie Gehölzstrukturen oder Hochbauten landschaftsprägend. Die vorgesehene Straße (mit einer 4,5 m breiten Fahrbahn) über die Pferdekoppel stelle keine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung für das Landschaftsbild dar. Weil durch den Bau der Erschließungsstraße keine erheblichen Beeinträchtigungen bei den Belangen des Umweltschutzes zu befürchten seien, falle dieser Belang bei der vorliegend zu treffenden Planungsentscheidung nicht ins Gewicht und sei gegenüber den Beurteilungskriterien Flächenbedarf, Kosten und sonstige Sachverhalte zurückgestellt worden. Ausgehend von dem oben Dargelegten ist die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials durch die Antragsgegnerin nicht zu beanstanden.
b) Ein Verstoß gegen materielles Recht liegt ebenso wenig vor.
aa) Eine Unwirksamkeit des Bebauungsplans folgt hier nicht aus einer fehlenden städtebaulichen Erforderlichkeit im Sinn von § 1 Abs. 3 BauGB. Ob ein Bauleitplan erforderlich ist, richtet sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde, der insoweit ein weites Planungsermessen zukommt, innerhalb dessen sie ermächtigt ist, eine Städtebaupolitik entsprechend ihren städtebaulichen Vorstellungen zu betreiben (vgl. BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – BayVBl 2000, 23). Die Gemeinde ist demnach planungsbefugt, wenn sie hierfür hinreichend gewichtige städtebauliche allgemeine Belange ins Feld führen kann. Was die städtebauliche Entwicklung und Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB erfordert, ist nicht allein aus räumlichen Gegebenheiten sowie nach allgemeinen Grundsätzen oder sonstigen abstrakten Vorgaben zu bestimmen. Vielmehr legt die Gemeinde kraft ihrer Planungshoheit und planerischen Gestaltungsfreiheit selbst fest, welche städtebauliche Konzeption mit der Planung verfolgt wird. Der Begriff der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung wird durch die politische Willensentscheidung der Gemeinde ausgefüllt. Insoweit besitzt die Gemeinde im Bereich der städtebaulichen Erforderlichkeit ein weites planerisches Ermessen.
Die Siedlung S … verfügt bislang über keine öffentliche innere verkehrliche Erschließung. Ein Teil der Bewohner kann nur über die Privatstraßen der Nachbarn die eigenen Anwesen erreichen. Grundstücke ohne Zugang zu der südlich der Siedlung verlaufenden R …straße sind zudem von der öffentlichen Ver- und Entsorgung abgeschnitten. Stattdessen verfügen die Bewohner zum Teil zur Abwasserbeseitigung über geschlossene Gruben und zur Wasserversorgung über Brunnen. Ferner ist eine bauliche Entwicklung nicht möglich, da alle Grundstücke, die nicht an die R …straße grenzen, über keine gesicherte Erschließung verfügen und somit Bauvorhaben hier kein Baurecht erhalten. Darüber hinaus galt es nach Auffassung der Antragsgegnerin geordnete Verhältnisse in der Siedlung herzustellen, indem eine öffentliche Zuwegung die Erreichbarkeit der Hinterliegergrundstücke für Bewohner, Feuerwehr, Krankenwagen, Müllabfuhr, Postzusteller und Besucher garantiert. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die derzeitigen Verhältnisse als nicht zufriedenstellend beurteilt und deshalb durch die Aufstellung eines Bebauungsplans sowie den anschließenden Bau der öffentlichen Erschließungsanlagen die Missstände beseitigt.
b) Der Bebauungsplan leidet an keinen Mängeln in der Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB).
Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung von Bauleitplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Ein Abwägungsmangel liegt vor, wenn eine Abwägung überhaupt nicht vorgenommen worden ist oder wenn der Ausgleich zwischen den verschiedenen Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, der die objektive Gewichtung eines dieser Belange verfehlt (vgl. bereits BVerwG, U.v. 12.12.1969 – IV C 105.66 – BVerwGE 34, 301/ 309). Das Abwägungsgebot erlaubt bei einer Planungsentscheidung einen besonders flexiblen und dem Einzelfall gerecht werdenden Interessenausgleich unter maßgeblicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Maßgebend ist, ob nach zutreffender und vollständiger Ermittlung des erheblichen Sachverhalts alle sachlich beteiligten Belange und Interessen der Entscheidung zugrunde gelegt sowie umfassend in nachvollziehbarer Weise abgewogen worden sind (vgl. auch BVerfG (Kammer), B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727).
Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entschieden hat. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Die Kontrolle beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots auf die Frage, ob die Gemeinde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat.
Zu den regelmäßig abwägungsbeachtlichen privaten Belangen gehören das durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Grundeigentum (vgl. BVerwG, U.v. 1.11.1974 – IV C 38.71 – BVerwGE 47, 144) sowie der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb. Die Gemeinde darf durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern, einschränken oder sogar aufheben. Der Bestandsschutz steht dem nicht entgegen. Im Bereich S … befinden sich alle für den Bau der Erschließungsanlagen erforderlichen Flächen im Privateigentum. Um eine Planverwirklichung sicher zu stellen, konnte daher im Bebauungsplan die Erschließungsstraße mit einem möglichst geringen Eingriff in private Belange unter Berücksichtigung von städtebaulichen, erschließungstechnischen und wirtschaftlichen Kriterien festgesetzt werden.
Dabei hat die Antragsgegnerin die Erschließungssituation zutreffend eingeschätzt. Das Grundstück mit dem Anwesen S … 8 grenzt direkt an die R …straße und ist somit unabhängig von den Festsetzungen des Bebauungsplans bereits erschlossen. Alle anderen Grundstücke, die im Dorfgebietsbereich liegen, werden durch die Planstraße erschlossen. Hinsichtlich der Kanalisation hat die Antragsgegnerin ausgeführt, dass das Gebäude S … 8 (im Gegensatz zu den Gebäuden S … 3 und 10 auf FlNr. 1757/11) bereits an die Kanalisation angeschlossen sei. Des Weiteren sei festzustellen, dass aufgrund der liegenschaftlichen Gegebenheiten bei allen denkbaren Erschließungsstraßen die FlNr. 1757/11 tangiert werde und somit eine Beteiligung an den Erschließungskosten bei allen denkbaren Planungsvarianten eintrete. Dies ist nicht zu beanstanden.
Wie sich aus dem Satzungsbeschluss vom 21. Juni 2017 ergibt, hat die Antragsgegnerin sechs Planungsalternativen näher untersucht. Hierbei hat sie besonderes Augenmerk auf die Kriterien Flächenbedarf, Kostenannahme sowie bestimmte nicht messbare Sachverhalte gelegt. Für den Senat ist nachvollziehbar, dass ein wesentlicher Faktor für die Unterschiede in den Kosten der einzelnen Varianten die unterschiedlichen Kostenansätze für äußere und innere Straßenerschließung sind. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die äußere Straßenerschließung praktisch in offener Fläche erfolgt, während die innere Erschließung im Bereich der bestehenden Bebauung stattfindet und insbesondere Aufwand für Straßenentwässerung und Randbefestigung erfordert. Die Angleichung an den Bestand der anschließenden Grundstücke verursache ebenfalls Kosten (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 17.1.2019 S. 3). Der Senat hat keinen Anlass an den Erfahrungswerten der Antragsgegnerin, die im Jahr circa 5,5 ha Fläche erschließt, zu zweifeln.
Der Antragsteller hat die von der Antragsgegnerin zugrunde gelegten Werte hinsichtlich der Kriterien Flächenbedarf und Kosten nicht substantiiert bestritten. Es ist nicht zu beanstanden, dass sich in der gesamten Abwägung der Antragsgegnerin die Variante 2 als diejenige Variante erwiesen hat, die die geringstmöglichen Eingriffe in private Belange nach sich zieht.
aa) Die Variante 1 hat einen höheren Flächenbedarf als die Variante 2 (1.878 m² bei Variante 1 und 1.657 m² bei Variante 2). Die Kosten liegen bei Variante 1 mit 640.000 Euro ebenfalls höher als bei Variante 2 mit 580.000 Euro. Bei der Variante 1 wird zudem – was von der Antragsgegnerin als sonstiger nicht messbarer Sachverhalt in die Abwägung eingestellt wurde – mittels einer öffentlichen Straße der Hofraum des bestehenden landwirtschaftlichen Betriebs des Beigeladenen zu 1 durchschnitten. Diesem Eingriff hat die Antragsgegnerin ein höheres Gewicht beigemessen als dem Eingriff in die Pferdekoppel des Antragstellers. Ihr zufolge ist der gesamte Raum zwischen zwei landwirtschaftlichen zusammenhängend genutzten Gebäuden als Hofraum zu betrachten. In diesem Bereich sei mit dem Rangieren von landwirtschaftlichen Fahrzeugen zu rechnen. Insbesondere falle für die Nutzbarkeit eines Hofraums ins Gewicht, ob dieser vollständig im Eigentum des Privaten liege oder ob er durch eine öffentlich gewidmete Straße durchschnitten werde. Ein durch eine öffentliche Straße durchschnittener Hofraum stelle einen stärkeren Eingriff in den ausgeübten landwirtschaftlichen Betrieb dar, als wenn eine Weidefläche mittels öffentlicher Straße durchquert werde. Im Rahmen der Abwägung ist diese Gewichtung durch die Antragsgegnerin nicht zu beanstanden, weil sie sich in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entscheiden kann.
bb) Die Variante 3 hat mit 2.893 m² den höchsten Flächenbedarf und auch die angenommenen Kosten liegen mit ca. 700.000 Euro sehr hoch. Wegen der durchgehenden Wegeverbindung ist der Flächenbedarf am Höchsten und auch die Kosten liegen über denen alternativer Prüfvarianten. Wie bei der Variante 1 wird auch bei der Variante 3 der Hofraum des bestehenden landwirtschaftlichen Betriebs des Beigeladenen mit einer öffentlichen Straße durchschnitten. Die Bewertung der Antragsgegnerin, dass die Variante 3 größere Eingriffe in das Privateigentum als alternative Prüfvarianten erfordert, ist nicht zu beanstanden. Der Antragsteller ist der Auffassung, dass durch die Variante 3 der Kanal von der R …straße durch den Hof des Beigeladenen zu 1 bis zum Ende der Bebauung geführt werden könne. Außerdem könne der südliche Teil der Straße auf dem bereits bestehenden Weg errichtet werden. Schließlich wäre eine Breite von 3 m ausreichend, weil die Straße im Norden und Süden an die R …straße anschließe, so dass Begegnungsverkehr seltener stattfinde. Für den Senat ist der Einwand der Antragsgegnerin nachvollziehbar, dass sich auch bei der Variante 3 Begegnungsverkehr nicht ausschließen lasse. Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass es sich bei der Straßenbreite von 4,5 m um die fachlich erforderliche Straßenmindestbreite handle. Der städtebauliche Entwurf habe eine Fahrbahnbreite von 5,5 m vorgesehen. Im Übrigen würde sich bei einer Verringerung der Straßenbreite auf 3 m der Flächenbedarf der Variante 3 um rund 830 m² verringern und würde somit insgesamt immer noch rund 400 m² mehr Fläche benötigen als die Variante 2 mit 4,5 m Fahrbahnbreite und Sackgasse.
Auch der Senat hält die vom Antragsteller vorgeschlagene Verringerung der Straßenbreite auf 3 m (mit Ausweichstellen) bei der hier inmitten stehenden Straßenlänge von circa 531 m für nicht ausreichend. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin eine Breite von 4,50 m als unteren Standard ansieht, weil insbesondere Wasser-, Kanal- und Stromversorgung verlegbar sein müssen.
cc) Zur Variante 4 hat der Antragsteller ausgeführt, dass die Straße im Wesentlichen auf der bestehenden Trasse geführt werden könne und seine Koppel nicht durchschnitten werde. Die Variante 4 hat jedoch mit 2.342 m² einen höheren Flächenbedarf als die Variante 2 und die geschätzten Kosten sind mit ca. 770.000 Euro von allen Planungsalternativen die höchsten. Dies liegt insbesondere daran, dass der Kanal auf ca. 750 m Länge errichtet werden muss. Zudem führt die Verlegung des Kanals in dieser Trasse dazu, dass wegen der Länge des Kanals voraussichtlich alle Anlieger pumpen werden müssen. Das Ergebnis der Antragsgegnerin, dass bei der Variante 4 höhere Eingriffe in private Belange vorliegen als bei alternativen Prüfvarianten und deshalb die Variante 4 abgelehnt wird, ist vertretbar.
dd) Zur Variante 5 meint der Antragsteller, dass hierdurch auf der bestehenden Trasse gebaut und seine Koppel verschont werden könnte. Außerdem wäre die Kanallänge kürzer. Unabhängig davon, ob auf dem Grundstück des Beigeladenen zu 1 der öffentliche Kanal über das Hofgrundstück geführt werden kann, muss hier eine sehr große Straßenfläche ausgebaut werden. Entsprechende Kosten entstehen. Der Flächenbedarf ist mit 2.342 m² bei der Variante 5 deutlich höher als bei der Variante 2. Auch die Kosten liegen mit geschätzten 610.000 Euro über denen der Variante 2.
ee) Zur Variante 6 erklärt der Antragsteller, dass dadurch sein Abreitplatz und seine Koppel weniger beeinträchtigt würden. Demgegenüber erhöhen sich jedoch die Kosten für Straße und Kanal. Die Variante 6 hat mit 1.769 m² Flächenbedarf einen geringfügig höheren Flächenbedarf als die Variante 2. Aber die Kosten liegen mit 630.000 Euro um 50.000 Euro über den Kosten für die Variante 2. Im Übrigen dürfte der Unterschied in der Beeinträchtigung für die Koppel im Vergleich zur Plantrasse nicht groß sein. Denn auch hier werden Flächen des Antragstellers durchschnitten.
ff) Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin den vom Antragsteller vorgeschlagenen Varianten nicht gefolgt ist. Die vom Antragsteller vorgeschlagenen Varianten A 1 und A 2 verschonen zwar dessen Koppel, jedoch entstehen dadurch höhere Kosten und das Anwesen des Beigeladenen zu 1 wird durchschnitten. Die vom Antragsteller vorgebrachten Varianten A 1 und A 2 sind städtebaulich ungeeignet. Bei der aufgezeigten Planungsvariante A 1 wird die Wendeanlage mittig im Siedlungsbereich angeordnet. Es entsteht im Süden eine Stichstraße, an deren Ende es keine öffentliche Wendemöglichkeit gibt und wodurch zum Rückwärtsfahren genötigt wird. Bei der Variante A 2 soll die Wendeanlage unmittelbar zwischen zwei Wohnhäusern liegen. Dies ist nicht zu befürworten, wenn sich gleichzeitig mit der Variante 2 eine städtebaulich besser geeignete Alternative anbietet. Die Variante C des Antragstellers entspricht der Variante 6. Insofern gilt das oben Ausgeführte. Die Variante D des Antragstellers entspricht der Variante 5 mit dem Unterschied, dass der Entwässerungskanal über das Hofgrundstück des Antragstellers direkt zum Kanalanschluss in der R …straße geführt wird. Der Unterschied liegt im Wesentlichen darin, dass das eine Mal durch den Hof des Anwesens des Beigeladenen zu 1 und das andere Mal durch den Hof des Anwesens des Antragstellers geleitet wird. Auch hier sind die entsprechenden Überlegungen der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden. Bei der Variante E des Antragstellers handelt es sich um die Nullvariante. Damit kann jedoch das Planziel nicht erreicht werden. Insofern gilt das oben zur Erforderlichkeit Ausgeführte.
gg) Die Variante 2 erfordert mit 1.657 m² insgesamt den geringsten Flächenbedarf und ist zudem mit 580.000 Euro kostengünstiger als alle anderen Prüfvarianten. Die vorgesehene Erschließungsstraße führt durch die Nordseite des Abreitplatzes. Die Antragsgegnerin hat zwar einen Eingriff im Sinn der „sonstigen nicht messbaren Sachverhalte“, die sie als Eckdaten der Erschließungsvarianten ihrer Abwägung zugrunde gelegt hat, festgestellt, diesen jedoch für zumutbar gehalten und sich deshalb für Variante 2 entschieden. Der Antragsteller wendet sich insbesondere gegen die Variante 2, weil mit dieser der Abreitplatz durchschnitten wird. Außerdem werde die Beschattung des Abreitplatzes durch Bäume, die im Sommer für die Pferde wichtig sei, teilweise beseitigt. Beim Augenschein hat der Senat festgestellt, dass sich südlich des Anwesens des Antragstellers eine größere Streuobstwiese befindet, sodann eine als Abreitplatz bezeichnete eingezäunte Fläche, die überwiegend mit Gras bewachsen ist. Daran schließt sich eine größere Koppel an, auf der sich vier Pferde befanden. Der Antragsteller hat vorgetragen, dass sich die Pferde vom Stall aus entlang eines eingezäunten Wegs selbstständig auf die nächstgelegen Koppel westlich und dann auf die größere Koppel südlich begeben können. Die geplante Zuwegung soll in diesem Bereich auf der nördlichen Seite des Abreitplatzes entlangführen (Niederschrift über den Augenschein vom 27. November 2018 S. 3).
Die Antragsgegnerin hat dargelegt, dass der südliche Teil der Koppel in der vegetationsreichen Zeit zum Heumachen genutzt werde. Die Pferde verblieben somit in der vegetationsreichen Zeit auf der direkt mit den Stallungen verbundenen nördlichen Koppel und würden außerhalb der vegetationsreichen Zeit dann auch auf die südliche Koppel geführt. Des Weiteren sei die heutige Pferdekoppel bereits in mehrere Weideabschnitte unterteilt. Einer davon komme dem Umgriff der südlichen Koppel, die durch die Plantrasse vom Rest der Koppel abgetrennt werde, nahe. Wenn die Pferde als Gruppe von den Stallungen zur Koppel geführt werden könnten, müsse es ebenso möglich sein, die Pferde als Gruppe über die Straße von der südlichen, auf die nördliche Koppel zu führen. Ferner sei festzustellen, dass bisher die Pferde bereits ohne befestigten Weg auf bzw. durch die nördlichen Weideabschnitte geführt werden könnten.
Durch die neue Straße wird nicht lediglich die Pferdekoppel, sondern auch der Abreitplatz durchschnitten. Der Senat verkennt nicht, dass dies mit betrieblichen Umorganisationen bzw. Einschränkungen für den Antragsteller verbunden sein wird. So kann durchaus kontrovers diskutiert werden, wie die Koppel in Zukunft eingezäunt werden soll, ob Tore errichtet werden können, um die Überquerung der Straße durch die Pferde zu ermöglichen, und ob der Abreitplatz auf dem Grundstück des Antragstellers beispielsweise weiter nach Norden verlegt werden kann. Zudem ist es für die betriebliche Organisation wichtig, wo schattenspendende Bäume vorhanden sind und ob der Abreitplatz südlich der geplanten Straße verschoben werden kann, so dass zumindest ein großer Baum noch Schatten geben kann. Durch die Querung kommt es zu einem Verlust an Flächen, die bisher dem Antragsteller uneingeschränkt zur landwirtschaftlichen Nutzung zur Verfügung stehen. Für ihn wird durch die Plantrasse jedoch keine unzumutbare Erschwerung seines Betriebs herbeigeführt. Die vorgesehene Erschließungsstraße erfordert im Bereich der Pferdekoppel, die eine Gesamtgröße von circa 16.000 m² hat, einen Flächenbedarf von ca. 570 m². Bei einer Verringerung landwirtschaftlicher Nutzflächen um circa 3,6% handelt es sich um einen geringfügigen Verlust. Bei einer 16.000 m² großen Pferdekoppel ist die Verlegung eines Abreitplatzes von circa 800 m² zumutbar. Auf der vorgesehenen Straße kann man im Bereich der Pferdekoppel bei rund 30 Bewohnern von einem Verkehrsaufkommen von circa 60 Kfz/Tag ausgehen. Die Pferde über eine Erschließungsstraße mit einem solch geringen Verkehrsaufkommen von einem Weideteil auf den anderen Weideteil zu führen, ist zumutbar. Gleiches gilt für die Lösung des Problems der Situierung des Abreitplatzes. Dem Senat erschließt sich nicht, wieso die Pferdenutzung aufgegeben werden müsste.
Im Übrigen kann auch die geringe Größe der Pensionspferdehaltung des Antragstellers nicht übersehen werden. Die Kapazität der Boxen reicht nur für sechs Pferde. Der Einwand des Antragstellers, dass ein kleiner Betrieb einen Eingriff schlechter hinnehmen könne als ein größerer Betrieb, ist nicht hinreichend substantiiert worden.
Es ist somit nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin den Belang einer öffentlichen Erschließung höher gewichtet hat als den Eingriff in die Pferdekoppel.
hh) Soweit der Antragsteller vorgetragen hat, dass in der Abwägung zu wenig berücksichtigt worden sei, wo bisher die historische Straßentrasse verlaufen sei, ist dies kein entscheidender Gesichtspunkt. Hinsichtlich des historischen Wegeverlaufs ist die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis gekommen, dass das Rechtsinstitut der unvordenklichen Verjährung zur Begründung einer öffentlichen Wegeführung durch den S … nicht herangezogen werden könne. Dass die derzeitigen Privatwege einem Straßenverlauf entsprächen, wie dieser seit Entstehung schon immer gewesen sei, lasse sich nicht belegen. Sie hat diesbezüglich ein entsprechendes Rechtsgutachten eingeholt (Behördenakte Blatt 400/1). Dem ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. In der mündlichen Verhandlung wurde strittig diskutiert, ob der bestehende Weg von der R …straße aus nur die Zuwegung zum Anwesen M … gewesen ist oder eine Durchwegung des S …s insgesamt. Wie dem auch sei, eine öffentliche Erschließung ist durch die historische Straßentrasse jedenfalls nicht vorgegeben.
ii) Schließlich ist auch die Abwägungsentscheidung der Antragsgegnerin im Hinblick auf den Umweltgesichtspunkt der Neuversiegelung nicht zu beanstanden. Sie hat sich dafür entschieden, dieses Kriterium nachrangig zu behandeln, weil bei allen Varianten eine nicht unerhebliche Neuversiegelung erfolgt und für die neuversiegelten Flächen ein Ausgleich an anderer Stelle erfolgen soll. Die Antragsgegnerin kann dem Planungsziel, eine ordnungsgemäße Erschließung sicherzustellen, ein höheres Gewicht einräumen als der Vermeidung zusätzlicher Bodenversiegelung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt, so dass es nicht der Billigkeit entspricht, ihre außergerichtlichen Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

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