Baurecht

Nachbarantrag gegen Baugenehmigung zum Neubau von fünf Wohnappartements

Aktenzeichen  W 5 S 17.402

Datum:
22.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34 Abs. 1 S. 1
BayBO BayBO Art. 65 Abs. 1 S. 1
BauNVO BauNVO § 12, § 15 Abs. 1 S. 2
BayDSchG BayDSchG Art. 6 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1 Ob es sich um eine Villenkolonie bzw. villenartige Bebauung handelt, stellt kein Kriterium im Rahmen des Einfügungsgebots dar. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Sofern die Stellplätze an der vorderen, der Erschließungsstraße zugewandten Grenze des Baugrundstücks vorgesehen sind und die Entfernung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze des Nachbarn über 30 m beträgt, kann von einer unzumutbaren Belastung nicht gesprochen werden. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen des Beigeladenen hat die Antragstellerin zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich als Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Fl.Nr. …3 der Gemarkung Würzburg, …straße …5 in Würzburg, gegen die dem Beigeladenen mit Bescheid vom 1. Dezember 2016 erteilte Baugenehmigung zum Neubau von fünf Wohnappartements auf dem Grundstück Fl.Nr. …4/3 der Gemarkung Würzburg, R. Straße … in Würzburg (Baugrundstück).
1. Das 2.869 m² große Baugrundstück, das sich an der R. Straße Ecke W.straße befindet, ist mit der sog. Villa … bebaut, die von dem Beigeladenen als Verbindungshaus (sog. „…“) genutzt wird. Diese ist – ebenso wie die westlich an der R. Straße sich anschließende Wohnbebauung – als Einzeldenkmal in die Denkmalliste eingetragen. Das Grundstück der Antragstellerin grenzt in südlicher Richtung an das Baugrundstück an. Der fragliche Bereich ist überwiegend mit Wohnhäusern bebaut, ein Bebauungsplan existiert nicht.
2. Bereits im Jahr 2014 hatte der Beigeladene einen Bauantrag für den Neubau eines Studentenwohnheims mit sieben Einheiten in zweigeschossiger Bebauung im südlichen Bereich des Baugrundstücks gestellt, den der Bau- und Ordnungsausschuss der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 21. Oktober 2014 abgelehnt hat, woraufhin der Beigeladene den Bauantrag zurücknahm.
Mit Bauantrag vom 11. Juni 2016, eingegangen bei der Antragsgegnerin am 13. Juni 2016 beantragte der Beigeladene den Bau von fünf Wohnappartements für Studenten mit Nebenräumen auf dem Baugrundstück. Ausweislich der Planzeichnungen soll das eingeschossige Gebäude mit einem Pultdach in der nordöstlichen Grundstücksecke, hin zur R.Straße wie auch zur W.straße, gebaut werden. Richtung Süden sollen sich sieben Pkw-Stellplätze anschließen.
Die Antragstellerin wie auch ein weiterer Nachbar machten Einwendungen geltend. Das Vorhaben führe zu einer Verschandelung des historischen Gebäudeensembles der R.Straße durch den unpassenden Bau. Es ergebe sich eine zusätzliche Lärmbelästigung durch mehr Bewohner bzw. Studentenpartys. Eine Gefährdung des historischen Baumbestandes sei zu befürchten und das Argument des Wohnmangels für Studenten sei unter den Gesichtspunkt von Neubauten nicht mehr gegeben.
2. Mit Bescheid vom 1. Dezember 2016 erteilte die Stadt Würzburg dem Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung nach den Plänen vom Juni 2016.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Baugenehmigung sei zu erteilen gewesen (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO), da dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstünden, die im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu prüfen seien (Art. 59 BayBO). Die von der Antragstellerin und einem weiteren Grundstücksnachbarn vorgebrachten Einwendungen hinsichtlich einer erhöhten Verkehrsbelastung durch das Bauvorhaben seien nicht ausreichend, eine Versagung der Baugenehmigung zu begründen, da nachbarschützende Vorschriften nicht verletzt seien. Nach einem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg sei grundsätzlich davon auszugehen, dass Garagen und Stellplätze, deren Zahl dem durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf entspreche, sogar in einem von Wohnbebauung geprägten Bereich keine erheblichen, billigerweise unzumutbaren Störungen hervorrufen würden. Gleiches gelte für den zusätzlichen Verkehr. Ansonsten böte sich keinerlei städtebauliche Entwicklungsmöglichkeit im Stadtgebiet. Dem vorgebrachten Argument könne daher keine Bedeutung zugemessen werden.
3. Gegen den Bescheid vom 1. Dezember 2016 ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten am 29. Dezember 2016 Klage (W 5 K 16.1356) erheben und am 19. April 2017 den
A n t r a g stellen,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. Dezember 2016 anzuordnen.
Zur Begründung wurde vorgetragen: Die streitgegenständliche Baugenehmigung verletze die Antragstellerin in ihren Rechten, weil sich das Bauvorhaben nicht in die villenartige Umgebung einfüge. Bereits im Jahr 2012 habe der Beigeladene einen ersten Anlauf unternommen, auf seinem Grundstück weitere Studentenzimmer zu schaffen. Dieser Versuch sei jedoch gescheitert, als der Bau- und Ordnungsausschuss das Vorhaben abgelehnt habe. Die Fachabteilung Bauaufsicht der Antragsgegnerin habe mitgeteilt, dass auch die vorliegende nördliche Variante mit Lage des Baukörpers in der nordöstlichen Grundstücksecke nicht zu vertreten sei. Ohne nachvollziehbare Begründung sowohl hinsichtlich der Präjudizwirkung als auch Nichteinfügens in die nähere villenartige Umgebung durch andere Grundstücke sowie ohne Beachtung oder Prüfung der Baumschutzverordnung habe der Bau- und Ordnungsausschuss plötzlich und völlig überraschend dem Bauvorhaben zugestimmt und keine zwei Wochen später sei die Baugenehmigung erteilt worden. Die Fachabteilung Naturschutz der Antragsgegnerin sei nicht in die Genehmigung eingebunden gewesen. Es liege auch ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayDSchG vor, da im Rahmen der erteilten Baugenehmigung nicht geprüft worden sei, wie sich das Vorhaben in den Bestand oder auf das Erscheinungsbild des gegenständlichen Baudenkmals bzw. der gegenständlichen Villenkolonie auswirke. Insoweit werde auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. Juli 2016 verwiesen, wonach sich der Neubau auf die Eigenschaft eines Denkmalensembles bereits dann negativ auswirke, wenn hierdurch das für das Ensemble charakteristische Gesamterscheinungsbild verhindert werde. Es werde weiter gerügt, dass die Behörde bei der Genehmigung der Stellplätze nicht das ordnungsgemäße Ermessen ausgeübt habe, da sieben Stellplätze allein wegen des bereits stattgefundenen vorherigen Dachgeschossausbaus nicht ausreichend seien. Es sei auch zu befürchten, dass die in die genehmigten Appartements einziehenden Studenten zu einer Steigerung der bereits jetzt vom Verbindungshaus ausgehenden Lärmbeeinträchtigung für die Nachbarn führen würde. Da der Beigeladene nicht mitgeteilt habe, wann mit der Ausführung des beabsichtigten Bauvorhabens begonnen werden solle, sei auch die Eilbedürftigkeit gegeben.
4. Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung wurde vorgetragen: Der Antrag sei unbegründet. Die Baugenehmigung sei rechtsfehlerfrei im vereinfachten Genehmigungsverfahren ergangen. Vorschriften, die die subjektiv-öffentlichen Rechte der Antragstellerin schützten, würden durch den städtischen Bescheid nicht verletzt. Die Baugenehmigung begegne planungsrechtlich keinen Bedenken, das Wohnbauvorhaben füge sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein. Lediglich hinsichtlich des Standortes für ein entsprechendes Wohngebäude sei im Hinblick auf den insbesondere im südlichen Grundstücksbereich vorhandenen wertvollen Baumbestand sowie die Auswirkung auf das unter Denkmalschutz stehende Verbindungshaus langwierig gerungen worden. Der genehmigte Standort trage auch der Stellungnahme des FA Naturschutz vom 8. September 2014 Rechnung, wonach aus naturschutzfachlicher Sicht eine Verlagerung des Neubaus auf die vorhandenen Stellplätze am Haupttor Ecke R.Straße – W.straße zur weitest gehenden Schonung des Baumbestandes führen würde. Hierbei fielen lediglich zwei Nadelgehölze, wobei gemäß Auflage 2042 der Baugenehmigung hierfür ein Baumfällantrag zu stellen sei. Die vorgetragene Verletzung des Rücksichtnahmegebots aufgrund von Lärmbeeinträchtigungen durch Feiern im Freien mit mehreren hundert Besuchern, die in den zurückliegenden Jahren vom Verbindungsgrundstück ausgegangen seien, könne offenkundig nicht dazu führen, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben mit fünf Wohnapartments genehmigungsunfähig werde.
5. Der Beigeladene beantragte,
den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung wurde vorgebracht: Die Antragstellerin könne sich nicht auf die Verletzung nachbarschützender Bestimmungen berufen. Die Beachtung des Denkmalschutzes habe keinen nachbarschützenden Charakter. Im Übrigen habe der Beigeladene alles getan, um Belange des Denkmalschutzes zu berücksichtigen, so werde das Bauwerk eingeschossig und in schlichter Holzbauweise ausgeführt. Zum denkmalgeschützten Studentenverbindungshaus sei es signifikant untergeordnet. Auch die Bestimmungen zum Baumschutz hätten keine nachbarschützende Funktion. Im Übrigen schone das Bauvorhaben alle Bäume im Umfeld mit Ausnahme einer Eibe. Auch die Stellplatzverpflichtung sei keine nachbarschützende Norm. Ausreichend Stellplätze seien nachgewiesen. Was die behaupteten zusätzlichen Emissionen durch das Bauvorhaben betreffe, sei dies nicht nachvollziehbar.
6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag ist zulässig.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin (§ 80 Abs. 1 VwGO) entfällt vorliegend, weil sie sich gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens wendet (§ 212a BauBG). In einem solchen Fall kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen (§ 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO). Ein derartiger Antrag kann unmittelbar bei Gericht gestellt werden.
2. Der Antrag ist unbegründet.
Im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. seines Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 68 und 73 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
Vorliegend lässt sich nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung anhand der Akten feststellen, dass die Anfechtungsklage der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung der Stadt Würzburg vom 1. Dezember 2016 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird, da der angefochtene Bescheid die Antragstellerin nicht in nachbarschützenden Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nach Art. 59 BayBO ist im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren der Prüfungsrahmen beschränkt. Die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften der Bayerischen Bauordnung wird grundsätzlich nicht mehr geprüft. Nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO hat die Bauaufsichtsbehörde aber die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die baulichen Anlagen nach § 29 bis 38 BauGB zu prüfen.
2.1. Die Baugenehmigung ist nur dann aufzuheben, wenn sie rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Einem Nachbarn des Bauherrn steht ein Anspruch auf Versagung der Baugenehmigung grundsätzlich nicht zu. Er kann eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (vgl. OVG Münster, B.v. 5.11.2013 – 2 B 1010/13 – DVBl. 2014, 532; BVerwG, B.v. 28.7.1994 – 4 B 94/94; U.v. 19.9.1986 – 4 C 8.84; U.v. 13.6.1980 – IV C 31.77; alle juris).
Im vorliegenden Fall ist nach Überzeugung der Kammer ein derartiger Ver-stoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO) aber nicht gegeben.
2.2. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Bauvorhabens richtet sich seiner Art nach nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO. Das Vorhaben des Beigeladenen auf Errichtung von fünf Wohnappartements ist als Wohngebäude nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO zulässig.
Auch im Übrigen bestehen keine rechtlichen Bedenken an der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Das Vorhaben des Beigeladenen fügt sich hinsichtlich der allein maßgeblichen vorgenannten Kriterien, nämlich des Maßes der baulichen Nutzung (vgl. §§ 16 ff. BauNVO), der Bauweise (vgl. § 22 BauNVO: offen oder geschlossen) und der überbaubaren Grundstücksfläche (vgl. § 23 BauNVO) in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Ob es sich um eine Villenkolonie bzw. villenartige Bebauung handelt, stellt kein Kriterium im Rahmen des Einfügungsgebots dar.
Im Übrigen werden Nachbarrechte durch einen Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nur dann verletzt, wenn die angefochtene Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des „Einfügens“ enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Dies ist aber (ebenfalls) nicht der Fall. Im Einzelnen:
Das Gebot der Rücksichtnahme (grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22/75 – juris) soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten. Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen im Wesentlichen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dies beurteilt sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmeberechtigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die der Antragstellerin aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihr als Nachbarin billigerweise noch zumutbar ist (vgl. Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, Vorbem. zu §§ 29 – 38 Rn. 49).
Die anhand des Rücksichtnahmegebots durchzuführende Interessenabwägung führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin dem Interesse des Beigeladenen an der Verwirklichung des Vorhabens keine überwiegenden eigenen Interessen entgegenzusetzen hat. Soweit in der Rechtsprechung zudem anerkannt ist, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots auch dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft z.B. befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78; B.v. 20.9.1984 – 4 B 181/84; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – alle juris), kann dies im vorliegenden Fall der Antragstellerin ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Denn die „Masse“ des Vorhabens entfaltet vorliegend keine erdrückende Wirkung.
Schließlich kann die Kammer eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme auch nicht unter dem Aspekt der Anordnung der Stellplätze auf dem Baugrundstück erkennen.
So ist der Antragsgegnerin beizupflichten, dass der in Wohngebieten durch die für die zulässige Nutzung notwendigen und gemäß § 12 BauNVO gleichfalls zulässigen Garagen und Stellplätze ausgelöste Kfz-Lärm von den Nachbarn im Allgemeinen hinzunehmen ist, zumal diese erfahrungsgemäß stets gleichartigen Lärm verursachen. Dies bedeutet aber nicht – wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (B.v. 16.2.1994 – 15 CS 93.3973 – NVwZ-RR 1995, 9) – entschieden hat, dass Garagen und Stellplätze an jeder beliebigen Stelle hingenommen werden müssen. Dies gilt nämlich für Garagen uneingeschränkt nur, wenn sie wie üblich im vorderen, straßenseitigen Grundstücksbereich angeordnet sind, wo für eine weitgehende Abschirmung der Geräusche durch das Garagengebäude und für eine rasche An- und Abfahrt gesorgt ist. Im Übrigen haben die jeweiligen Nachbarn in der Weise aufeinander Rücksicht zu nehmen, dass sie ihre Garage und/oder Stellplätze so anordnen, dass sie den anderen möglichst wenig stören, soweit dies ohne wesentliche Einschränkung der nach dem öffentlichen Baurecht zulässigen Grundstücksnutzung möglich ist. Dies kann dazu führen, dass sogar die gewünschte Zahl von Wohneinheiten an der Größe und am Zuschnitt des Grundstücks scheitert. Denn im Rahmen des Rücksichtnahmegebots gemäß §§ 12, 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist zu beachten, dass Kraftfahrzeuglärm, gemessen an den Kriterien der im Rahmen dieser Bestimmung herangezogenen technischen Regelwerke häufig unzumutbar ist. So hat auch das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Anlage von Stellplätzen bzw. Garagen vor allem dann unzulässig ist, wenn ihre Nutzung zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft führt, wobei der Zufahrt besondere Bedeutung zukommt, weil – jedenfalls bei Wohnbebauung – der Zu- und Abgangsverkehr die Nachbarschaft regelmäßig am stärksten belastet. Demgemäß begegnen – so das Bundesverwaltungsgericht explizit – Garagen und Stellplätze in ruhigen rückwärtigen Gartenbereichen hinter Wohnhäusern oft rechtlichen Bedenken (B.v. 20.3.2003 – 4 B 59/02 – NVwZ 2003, 1516).
Gemessen an diesen Maßstäben ist in dem hier zu entscheidenden konkre-ten Einzelfall ein Verstoß gegen das nachbarliche Rücksichtnahmegebot nicht zu bejahen. Denn die vom Beigeladenen für das streitgegenständliche Wohnbauvorhaben aufgeplanten Pkw-Stellplätze befinden sich nicht im ruhigen rückwärtigen Gartenbereich. Vielmehr sind die sieben Stellplätze an der vorderen, der Erschließungs Straße zugewandten Grenze des Baugrundstücks vorgesehen. Die Entfernung zur gemeinsamen Grundstücksgrenze beträgt über 30 m. Damit kann von einer unzumutbaren Belastung nicht gesprochen werden. Darüber hinaus ist auch nichts dafür ersichtlich, dass von den fünf Wohnungen ein unzumutbarer Lärm ausgehen und auf das Grundstück der Antragstellerin einwirken würde. Soweit von der Antragstellerin mehrfach gerügt wird, dass von dem im Zusammenhang mit dem Verbindungshaus stattfindenden Festen (u.a. „sog. …fete“) ein unzumutbarer Lärm ausgehe, kann dies im hiesigen Verfahren nicht als Grund für die Versagung der Baugenehmigung herangezogen werden.
2.3. Auch das Vorbringen der Antragstellerseite, es liege ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler (Denkmalschutzgesetz – DSchG) vor, weil im Rahmen der erteilten Baugenehmigung nicht geprüft worden sei, wie sich das Vorhaben auf den Bestand oder auf das Erscheinungsbild des gegenständlichen Baudenkmals bzw. der gegenständlichen Villenkolonie auswirke, kann dies der baurechtlichen Nachbarklage bzw. dem Antrag nach § 80a VwGO nicht zum Erfolg verhelfen.
Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 DSchG ist die Errichtung von Anlagen in der Nähe von Baudenkmälern erlaubnispflichtig, wenn sich dies auf den Bestand oder das Erscheinungsbild eines der Baudenkmäler auswirken kann. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG kann die Erlaubnis versagt werden, soweit das Vorhaben zu einer Beeinträchtigung des Wesens, des überlieferten Erscheinungsbildes oder der künstlerischen Wirkung eines Baudenkmals führen würde und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands sprechen. Die Regelung stellt auf die öffentlichen Belange des Denkmalschutzes ab, private Interessen finden keine Erwähnung, das Abwehrrecht des Denkmaleigentümers geht damit nicht über das hinaus, was Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Mindestschutz verlangt (BayVGH, B.v. 10.6.2014 – 15 CS 14.692 und U.v. 24.1.2013 – 2 BV 11.1631; beide juris). Ist – wie hier – eine Baugenehmigung erforderlich, entfällt gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 1 DSchG die Erlaubnis mit der Folge, dass im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens auch über die denkmalrechtlichen Fragen entschieden wird (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 3, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO).
Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 21.4.2009 – 4 C 3/08 – BVerwGE 133, 347; B.v. 16.11.2010 – 4 B 28/10 – BauR 2011, 657) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. U.v. 10.6.2014 – 15 CS 14.692 – juris) geht die Kammer davon aus, dass dem Denkmaleigentümer im Rahmen des sog. Umgebungsschutzes nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Art. 6 Abs. 2 Satz 2 DSchG ein Abwehrrecht gegen eine Baumaßnahme in der Nähe des Baudenkmals zukommen kann, wenn sich diese auf den Bestand oder das Erscheinungsbild des Baudenkmals auswirkt. Begründet wird dies damit, dass für den Denkmaleigentümer einerseits die Bestimmungen des Denkmalschutzes Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinn des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen (und zwar im Hinblick auf seine gesetzlichen Pflichten nach Art. 4 DSchG, das Denkmal zu erhalten und zu pflegen), und dass andererseits die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verlangt, dass Vorkehrungen getroffen werden, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers vermeiden sowie die Privatnützigkeit des Eigentums soweit wie möglich erhalten.
Allerdings wird die Antragstellerin hier durch die streitgegenständliche Baugenehmigung, aufgrund derer die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis entfällt, nicht in ihren vg. Rechten verletzt. Denn ausweislich des Bayerischen Denkmal-Atlasses handelt es sich zwar bei dem auf dem Baugrundstück vorhandene Wohnhaus – und weiteren sich an der R.Straße befindlichen Wohnhäusern – um Baudenkmäler i.S.d. DSchG. Dies gilt jedoch nicht für das Grundstück Fl.Nr. 3623. Ausweislich des Bayerischen Denkmal-Atlasses findet sich auf diesem Grundstück kein Baudenkmal. Damit kann ihr auch kein Umgebungsschutz und damit auch kein Abwehrrecht im vg. Sinn zustehen. Wenn von Antragstellerseite das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. Juli 2016 (M 8 K 15.2524 – BeckRS 2016, 55644) herangezogen wird, so kann dies schon deshalb nicht verfangen, weil dieser Entscheidung gerade keine baurechtliche Nachbarklage zugrunde liegt, sondern eine Verpflichtungsklage des Bauherrn, gerichtet auf die Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheids im Hinblick auf die denkmalschutzrechtliche Zulässigkeit seines Vorhabens.
2.4. Soweit die Antragstellerin eine Verletzung naturschutzrechtlicher Bestimmungen rügt, nämlich eine Gefährdung der auf dem Baugrundstück vorhandenen Bäume sowie die Nichteinbindung der Naturschutz-Abteilung der Antragsgegnerin, kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen.
So enthält die Baugenehmigung zur Frage der Beseitigung von Bäumen auf dem Baugrundstück schon keine Aussage, insbesondere keine Erlaubnis zur Beeinträchtigung der Bäume, so dass auch eine Rechtsverletzung des Grundstücksnachbarn durch eine entsprechende Regelung in der Baugenehmigung von vornherein ausscheidet. Vielmehr enthält die streitgegenständliche Baugenehmigung unter Ziffer 2042 lediglich die an die Beigeladene gerichtete Aufforderung, für die „zu fällenden Bäume beim Fachbereich Umwelt- und Klimaschutz / FA Naturschutz (…) vor Baubeginn ein Baumfällantrag zu stellen“.
Darüber hinaus dienen Vorschriften der Grünordnung wie auch Regelungen über den Baumschutz wie auch Vorschriften des Natur- und Landschaftsschutzes ausschließlich den öffentlichen Interessen; sie räumen Dritten keine Nachbarrechte ein, entfalten mithin keine drittschützende Wirkung (vgl. Simon/Busse, BayBO, Stand Jan. 2017, Art. 66 Rn. 259 und 265).
Abschließend bleibt noch festzuhalten, dass auch die von Antragstellerseite gerügte unterbliebene Einschaltung der Unteren Naturschutzbehörde im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens – und damit ein (eventueller) Verstoß gegen Art. 65 Abs. 1 Satz 1 BayBO – nicht zum Erfolg der Nachbarklage führen kann.
Nach dieser Vorschrift hört die Bauaufsichtsbehörde zum Bauantrag diejenigen Stellen, (1) deren Beteiligung oder Anhörung für die Entscheidung über den Bauantrag durch Rechtsvorschrift vorgeschrieben ist oder (2) ohne deren Stellungnahme die Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens nicht beurteilt werden kann.
Fraglich ist hier allerdings, ob es im vorliegenden Fall der Anhörung der Unteren Naturschutzbehörde i.S. der Nr. 1 bedurfte. Fraglich ist auch, ob hier ein Fall der Nr. 2 des Art. 65 Abs. 1 Satz 1 BayBO gegeben ist, insbesondere ob in diesem Sinne eine Stellungnahme erforderlich ist, wobei insoweit eine Schranke durch den Prüfungsrahmen des Art. 59 BayBO gesetzt sein dürfte (vgl. hierzu BeckOK BauordnungsR Bayern, Stand Jan 2017, Art. 65 BayBO, Rn. 29 f.; Simon/Busse, BayBO, Art. 59 Rn. 56 ff.).
Letztlich muss all dies hier nicht entscheiden werden, denn der Nachbar kann aus dem Unterlassen einer Beteiligung oder aus sonstigen Verstößen gegen die Anhörungsvorschrift des Art. 65 Abs. 1 BayBO nicht den Erfolg seiner Klage gegen die Baugenehmigung herleiten (vgl. BeckOK BauordnungsR Bayern, Art. 65 BayBO, Rn. 64). Denn die Anhörung bzw. Beteiligung dritter Stellen ist ein rein innerdienstlicher Vorgang zwischen der Bauaufsichtsbehörde und der zu beteiligenden Stelle ohne Außenwirkung. Sie liegt allein im öffentlichen Interesse, begründet keine Rechte Einzelner und ist nicht drittschützend (vgl. Simon/Busse, BayBO, Art. 65 Rn. 64 und Art. 66 Rn. 293; BeckOK BauordnungsR Bayern, Art. 65 BayBO, Rn. 63; s.a. BGH, U.v. 5.7.1990 – III ZR 190/88 – juris).
3. Nachdem die Klage der Antragstellerin nach allem mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird, überwiegt das Interesse des Beigeladenen an einer baldigen Ausnutzung der Baugenehmigung das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Somit konnte der Antrag keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da sich der Beigeladene durch eigene Antragstellung am Prozesskostenrisiko beteiligt hat, entsprach es der Billigkeit, seine eventuell entstandenen außergerichtlichen Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 GKG. Nachbarklagen werden nach Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 mit 7.500,00 EUR bis 15.000,00 EUR im Hauptsacheverfahren bewertet. Die Kammer hält im vorliegenden Fall in der Hauptsache einen Streitwert von 10.000,00 EUR als angemessen, der für das vorliegende Sofortverfahren zu halbieren ist (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).

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