Baurecht

Nachbarklage gegen Anbau, Aufzugsanlage, Planungsrechtlich gebotener Grenzanbau, Gebot der Rücksichtnahme

Aktenzeichen  AN 9 K 19.02494

Datum:
7.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18282
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6 Absatz 1 S. 3
BauGB § 34 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage bleibt ohne Erfolg. Die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 22. Oktober 2019 verletzt keine drittschützenden Vorschriften. Die Kläger sind daher nicht in ihren Rechten verletzt.
Eine Anfechtungsklage führt nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur zum Erfolg, wenn der angefochtene Verwaltungsakt – hier die Baugenehmigung – rechtswidrig ist und den Kläger zugleich in seinen Rechten verletzt. Für den Erfolg einer Nachbarklage ist eine mögliche objektive Verletzung einer Rechtsnorm allein somit nicht ausreichend. Vielmehr muss sich die Rechtswidrigkeit zum einen aus einer Norm ergeben, die dem Schutz des Nachbarn dient (Schutznormtheorie, vgl. nur BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris). Maßgeblich kann zum anderen nur eine Rechtsverletzung sein, die zum Prüfungsumfang des bauaufsichtsrechtlichen Verfahrens gehört, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Folglich stellt das gerichtliche Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle dar; die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften verletzt sind, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln (BayVGH a.a.O.).
1. a) Die von den Beigeladenen zur Genehmigung gestellte und bereits fertiggestellte Aufzugsanlage mit Stahl- und Glasschacht ist eine nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtige bauliche Anlage. Da sie keinen Sonderbau im Sinne von Art. 2 Abs. 4 BayBO darstellt, bestimmt sich das Prüfprogramm der Beklagten als Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO.
Als insoweit nachbarschützende Prüfvorschrift kommt vorliegend das Abstandsflächenrecht nach Art. 6 BayBO in Betracht. Die Vorschriften über die Abstandsflächen dienen in ihrer Gesamtheit auch dem Nachbarschutz (VGH München B.v. 30.11.2005 – 1 CS 05.2535, BeckRS 2005, 17740; B.v. 13.12.2004 – 20 CS 04.2915, BeckRS 2004, 33984; Busse/Kraus/Hahn/Kraus, 141. EL März 2021 Rn. 550, BayBO Art. 6 Rn. 550).
Jedoch verletzt die Aufzugsanlage der Beigeladenen die Vorschriften des Abstandsflächenrechts nicht. Denn ihr Anbau muss keinerlei Abstandsflächen wahren.
aa) Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO müssen bauliche Anlagen vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freihalten. So will das Abstandsflächenrecht eine ausreichende Belichtung und Belüftung der Gebäude gewährleisten (VGH München U.v. 31.7.2020 15 B 19.823, B.v. 6.4.2018 – 15 ZB 17.36; U.v. 3.12.2014 – 1 B 14.819 unter Bezugnahme auf VGH München U.v. 14.10.1985- 14 B 85 = BayVBl. 1986, 143, U.v. 14.12.1994 – 26 B 93.4017 = VGHE nF 48,24; Busse/Kraus/Kraus, 141. EL März 2021, BayBO Art. 6 Rn. 4).
Hingegen sind gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO vor an der Grundstücksgrenze errichteten Außenwänden dann keine Abstandsflächen einzuhalten, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder darf. Somit räumt Art. 6 Abs. 1 Satz. 3 BayBO dem Städtebaurecht den Vorrang ein, soweit es um die Errichtung von Gebäuden ohne Grenzabstand geht.
Planungsrechtlich kann sich eine Pflicht zum Grenzanbau im unbeplanten Innenbereich – für das Vorhaben der Beigeladenen gilt kein Bebauungsplan – auch aus dem Vorliegen einer faktischen Bauweise ergeben, § 34 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 22 BauNVO. So hält das BVerwG, B.v. 11.03.1994 – 4 B 53/94, ausdrücklich fest, dass, wenn innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils ein Grundstück nur in geschlossener Bauweise bebaut werden darf, die Einhaltung der seitlichen Abstandsflächen nicht verlangt werden darf (Busse/Kraus/Kraus, 141. EL März 2021, BayBO Art. 6 Rn. 46f).
bb) Vorliegend ist demnach an die Grenzen zu bauen, wobei dahinstehen kann, ob sich die Eigenart der näheren Umgebung durch eine faktisch festgesetzte geschlossene Bauweise (§§ 34 Abs. 1 i.V.m. 22 Abs. 1, 3 BauNVO) oder durch eine faktisch festgesetzte offene Bauweise in Form von Hausgruppen (§§ 34 Abs. 1 BauGB i.V.m. 22 Abs. 1, 2 BauNVO) auszeichnet.
Jedenfalls erweist sich das Vorhaben als planungsrechtlich zulässig, da es sich insbesondere mit Blick auf die Bauweise in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Daraus folgt zugleich, dass im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO nach planungsrechtlichen Vorschriften ohne Einhaltung von Abstandsflächen gebaut werden darf.
(1) Das in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil i.S.v. § 34 Abs. 1 BauGB liegende Vorhaben der Beigeladenen liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Daher ist es nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen. Insofern ist entscheidend, ob es sich im Hinblick auf die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.
(2) Die für ein Bauvorhaben maßgebliche nähere Umgebung i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der den Vorhabenstandort umgebende Bereich, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des Vorhabengrundstücks prägt oder doch beeinflusst.
Die Grenzen der näheren Umgebung i.S.d. § 34 BauGB lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (vgl. BayVGH, U.v. 24.11.2010 – 9 B 10.363 – juris). Damit sind die Grundstücke in der Umgebung insoweit zu berücksichtigen, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Eine Straße kann dabei ein trennendes oder verbindendes Element sein (BVerwG U.v. 25.5.1978, 4 C 9.77; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 34 Rn. 36; VG Ansbach, U.v. 14.11.2018 – AN 9 K 16.641 – juris).
Maßstab für die Beurteilung von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich ist nach § 34 Abs. 1 BauGB die Eigenart der näheren Umgebung. Entscheidend ist, ob sich der jeweils beachtlichen Umgebung ein Rahmen entnehmen lässt. Dabei ist unter der „Eigenart“ die Summe der städtebaulich relevanten Aspekte zu verstehen, auf die sich die Zulässigkeitsbeurteilung nach § 34 bezieht. Dies setzt die Prüfung des räumlichen Umfangs der maßgeblichen Umgebung sowie die städtebaulichen Elemente voraus, nach denen sich die Beurteilung des Einfügens richtet. Festzustellen ist insbesondere auch die Eigenart der Bauweise der näheren Umgebung (zur je gesonderten Ermittlung der Eigenart der näheren Umgebung für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB benannten Merkmale u.a.: BVerwG B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13, NVwZ 2014, 1246 = BeckRS 2014, 51700; U.v. 8.12.2015 – 4 C 5.14, ZfBR 2017, 263 = BeckRS 2016, 11376; OVG Münster B.v. 27.9.2016 – 10 A 2670.15, BeckRS 2016, 112419; OVG Schleswig U.v. 31.8.2016 – 1 LB 4.14, BeckRS 2016, 53813; vgl. auch BVerwG U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77).
Unter Heranziehung des Akteninhalts – vor allem der Lagepläne – ist hier das Geviert* …Straße, …, …straße und unterer Teil des Kreisverkehrs am …als insoweit prägende nähere Umgebung anzusehen.
Die das Geviert umgebenden Straßen weisen angesichts des Ausbaugrads eine trennende Wirkung auf – der …weg und der untere Teil des Kreisverkehrs im Norden des Vorhabengrundstücks, die* … Straße im Westen sowie die …straße im Osten. Die Straßen sind jeweils großzügig ein- oder gar zweispurig ausgebaut und mit einem oder zwei Parkstreifen versehen, wobei diese zum Teil sogar quer angeordnet sind. Zudem weist das maßgebliche Geviert soweit ersichtlich einheitlich vorwiegend Wohnnutzung auf, wobei es sich insoweit um mehrstöckige Wohnhäuser handelt.
Angesichts dieser Struktur handelt es sich insoweit um ein erkennbar abgegrenztes Geviert, das auf weiter entferntere Bebauung nicht mehr prägend ausstrahlt und seinerseits von entfernterer Bebauung nicht mehr geprägt wird.
(3) Aus der vorliegend relevanten näheren Umgebung lässt sich eine Bauweise mit Grenzbebauung als notwendig oder zumindest möglich ableiten. Die vorliegende Blockrandbebauung im Geviert* …Straße, … und* …straße zeichnet sich weitgehend durch eine Bebauung ohne seitlichen Grenzabstand aus; nur an drei Stellen finden sich Durchbrechungen in Form einer Einfahrt (eine südlich des Vorhabengrundstücks in der* …straße, sowie zwei östlich des Vorhabengrundstücks in der …straße).
Das Gericht schließt sich insoweit dem Vortrag der Beklagten an – dem die Kläger auch nicht entgegengetreten sind.
Die mögliche beziehungsweise notwendige Grenzbebauung ergibt sich daraus, dass in der maßgeblichen näheren Umgebung von einer faktisch festgesetzten geschlossenen Bauweise i.S.d. § 22 Abs. 3 BauNVO oder von Hausgruppen in der offenen Bauweise i.S.v. § 22 Abs. 2 BauNVO auszugehen ist. In beiden Fällen ist aber Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO erfüllt, so dass das klägerische Vorhaben keine Abstandsflächen einzuhalten hat.
Für eine geschlossene Bauweise spräche, dass die hier auf den Grundstücken der näheren Umgebung errichteten Häuser mehrheitlich gemeinsame Grundstücksgrenzen ohne seitlichen Grenzabstand überwinden. Für die Annahme einer offenen Bauweise könnte angeführt werden, dass jedenfalls an drei Stellen im Geviert nicht grenzständig aneinandergebaut worden ist. Nähme man dies an, trägt indes der unwidersprochene Vortrag der Beklagten, dass das Mehrfamilienhaus der Kläger mit dem Eckgebäude der Beigeladenen und den direkt an ihr Gebäude im Süden und an das Gebäude der Beigeladenen im Osten angebauten Gebäuden eine Hausgruppe i.S.v. 22 abs. 3 BauNVO bildet.
Sowohl eine faktisch festgesetzte geschlossene Bauweise (§ 22 Abs. 3 BauNVO), als auch faktisch festgesetzte Hausgruppen (§ 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO) führen dazu, dass im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO an die Grenze gebaut werden muss oder darf. Daher ist eine differenzierte Qualifizierung der Bauweise der Bebauung im maßgeblichen Geviert – faktisch festgesetzte geschlossene Bauweise, faktisch festgesetzte Hausgruppen – entbehrlich.
(4) Da das klägerische Vorhaben die faktischen Vorgaben zur Bauweise für beide Alternativen einhält, fügt es sich im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB hinsichtlich der Bauweise in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Daraus folgt, dass im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO nach planungsrechtlichen Vorschriften ohne Einhaltung von Abstandsflächen gebaut werden darf.
b) Aus dem Gebot der Rücksichtnahme kann sich im vorliegenden Fall kein anderes ergeben. Die klägerische Aufzugsanlage ist nicht rücksichtslos.
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG (grundlegend insb. U.v. 25.2.1977 – 4 C 22.75; U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77; U.v. 18.10.1985 – 4 C 19.82; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85; U.v. 27.8.1998 – 4 C 5.98) gehört die Beachtung des Gebots der Rücksichtnahme zum Bestandteil der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Einfügens iSd § 34 Abs. 1. Hält sich ein Vorhaben danach innerhalb des aus der Umgebung zu ermittelnden Rahmens, fügt sich dennoch nicht in die Umgebung ein, wenn es die notwendige Rücksichtnahme auf die sonstige, insb. in der unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (BVerwG U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77). Das Gebot der Rücksichtnahme ist Bestandteil des Einfügensgebots nach § 34 Abs. 1 BauGB (BVerwG U.v. 13.2.1981 – 4 B 14.81). Es bezieht sich auf die in § 34 Abs. 1 Satz 1 geregelten Zulässigkeitsmerkmale (Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche; BVerwG U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85).
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zulässigkeitsmerkmale des § 34 Abs. 1 die berührten Belange der Grundstückseigentümer und ihr Ausgleich bereits wesentlich bewirken (vgl. nur die Hinweise des VGH München, B.v. 16.5.2017 – 1 ZB 16.1938, BeckRS 2017, 111580). Vorhaben, die den maßgeblichen Rahmen einhalten oder ihn zwar überschreiten, die städtebauliche Situation aber nicht verschlechtern, fügen sich regelmäßig auch im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ein; eine Unzulässigkeit aufgrund des Rücksichtnahmegebots bildet insoweit einen Ausnahmefall (u.a. BVerwG U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77; U.v. 4.7.1980 – 4 C 101.77).
Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris; BayVGH B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris; BayVGH, B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 4 m.w.N).
Schon daraus folgt, dass das Gebot der Rücksichtnahme durch Gegenseitigkeit geprägt ist. Ein Nachbar kann sich somit etwa nicht auf eine Unterschreitung des Grenzabstands durch ein Vorhaben berufen, wenn er selbst den Abstand in gleicher Weise unterschreitet (OVG Lüneburg B.v. 12.4.2017 – 1 ME 34.17, NVwZ-RR 2017, 683 = BeckRS 2017, 109037); zur Reziprozität auch: VGH München B.v. 28.4.2020 – 9 ZB 18.1493, BeckRS 2020, 9653.
Wesentlich ist, ob unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Zulässigkeit von Vorhaben, die sich im vorgegebenen Rahmen halten, gewichtigere Belange der Nachbarschaft entgegenzuhalten sind. Schlichte Situationsveränderungen berühren das Rücksichtnahmegebot nicht (VGH Mannheim B.v. 24.1.1991 – 8 S 112/91, VBlBW 1991, 297). Das Gebot der Rücksichtnahme schützt regelmäßig nicht vor einer Verschlechterung der freien Aussicht oder vor Einsichtsmöglichkeiten von benachbarten Häusern (BVerwG B.v. 3.1.1983 – 4 B 224.82, BRS 40 Nr. 192 = BeckRS 2016, 41930; VGH München B.v. 15.2.2017 – 1 CS 16.2396, BeckRS 2017, 104044; B.v. 26.11.2018 – 9 ZB 18.912, BeckRS 2018, 32495 und B.v. 10.7.2020 – 15 CS 20.1409, BeckRS 2020, 16902; OVG Münster U.v. 30.5.2017 – 2 A 130.16, NWVBl 2017, 520 = BeckRS 2017, 118692; B.v. 3.8.2017 – 7 A 1830.16, BeckRS 2017, 120623; B.v. 22.1.2018 – 7 A 2183.16, BeckRS 2018, 370; B.v. 11.9.2018 – 7 B 918.18, BeckRS 2018, 21761; B.v. 28.2.2019 – 10 B 41.19, BeckRS 2019, 2710).
Eine Rücksichtslosigkeit aufgrund einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung kommt bei nach Höhe, Breite und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – DVBl. 1981, 928 ff. = juris Rn. 32 ff.: zwölfgeschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zu zweieinhalb geschossigem Wohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – DVBl. 1986, 1271 f. = juris Rn. 15: grenznahe 11,5 m hohe und 13,31 m lange, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkende Siloanlage bei einem sieben Meter breiten Nachbargrundstück; vgl. auch BayVGH, B.v. 3.5.2011 – 15 ZB 11.286 – juris Rn 13; B.v. 17.7.2013 – 14 ZB 12.1153 – BauR 2014, 810 f. = juris Rn. 14; B.v. 30.9.2015 – 9 CS 15.1115 – juris Rn. 13; B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 5; VGH BW, B.v. 16.2.2016 – 3 S 2167/15 – juris Rn. 38; Sächs.OVG, B.v. 4.8.2014 – 1 B 56/14 – juris Rn. 16 ff.; B.v. 16.6.2015 – 1 A 556/14 – juris Rn. 16; B.v. 25.7.2016 – 1 B 91/16 – juris Rn. 13 ff.; ein Rechtsprechungsüberblick findet sich bei Troidl, BauR 2008, 1829 ff.).
Nach alledem ist eine Rücksichtslosigkeit der von den Beigeladenen geplanten Aufzugsanlage nicht ersichtlich: Der Anbau beeinflusst das Gebäude der Klägerin baurechtlicher Sicht nicht. Baurechtlich relevante nachteilige Effekte sind nicht zu befürchten. Die weitgehend transparente Aufzugsanlage liegt nördlich des klägerischen Gebäudes gegenüber dessen Treppenhauswand. Der Aufzugsanbau fügt sich weitgehend in den offenen „Schacht“ – die Folge eines baulichen Versatzes zwischen dem klägerischen Grundstück und dem Grundstück der Beigeladenen – ein. Im Übrigen ist es das Gebäude der Kläger, das weiter in Richtung Osten ragt. Insofern ist es im Sinne gegenseitiger Rücksichtnahme sachgerecht, nun auch den Beigeladenen einen Anbau nach Osten zu ermöglichen – zumal sich die Aufzugsanlage nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagten auf einer Höhe mit der Dachgaube der Kläger befindet.
3. Zuletzt ist darauf hinzuweisen, dass eine Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 5 BayBO unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt wird. Die klägerseits vorgetragene Sorge von Feuchtigkeitsschäden als Folge der Ausführung der Aufzugsanlage ist demnach kein für die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung entscheidender Belang.
Das öffentliche und das private Recht sind strukturell zu trennen. Gegenstand der Baugenehmigung ist ausschließlich das öffentliche Recht. Private Rechte Dritter – worunter etwa mögliche privatrechtlich Ersatzansprüche als Folge der Ausführung der betreffenden baulichen Anlage fallen – haben keinerlei Relevanz. Insoweit verbliebe allenfalls der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten. Es ist nicht Aufgabe der Verwaltungsbehörden und -gerichte, private Rechtsverhältnisse zu regeln und über sie zu entscheiden (vgl. auch BVerwGE 20, 124, 126).
4. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO: Als Unterliegende haben die Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.

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