Baurecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung bei Erschließung über Nachbargrundstück

Aktenzeichen  AN 9 K 15.02432

Datum:
14.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34 Abs. 1
BayBO BayBO Art. 59 Abs. 1
GG GG Art. 14 S. 1

 

Leitsatz

Das planungsrechtliche Erfordernis einer gesicherten Erschließung dient grundsätzlich nur öffentlichen Interessen und hat keine nachbarschützende Funktion. Ein sich unmittelbar aus der Eigentumsgarantie in Art. 14 S. 1 GG ergebendes Abwehrrecht des Nachbar ist nur dann gegeben, wenn eine infolge Fehlens der Erschließung rechtswidrige Baugenehmigung für den Nachbarn eine unmittelbare Rechtsverschlechterung in Richtung auf die Duldung eines Notwegerechts bewirkt.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen des Beigeladenen.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Gegenstand des Verfahrens ist nach dem maßgeblichen in der mündlichen Verhandlung gestellten Klageantrag allein die Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 28. Mai 2015. Insoweit ist die Klage unbegründet, da der Bescheid den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Kläger als Nachbar kann die Baugenehmigung mit dem Ziel der Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn sie rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit sich gerade aus der Verletzung solcher Normen ergibt, die nicht nur im Interesse der Allgemeinheit erlassen sind, sondern gerade seinem Schutz zu dienen bestimmt sind. Hinzu kommt, dass nur ein solcher Verstoß gerügt werden kann, zu dem die Baugenehmigung auch Feststellungen trifft. Eine solche Verletzung nachbarschützender und im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu prüfender Vorschriften zulasten des Klägers ist hier nicht gegeben.
Das gegenständliche Bauvorhaben wurde von der Genehmigungsbehörde zu Recht im vereinfachten Genehmigungsverfahren behandelt, so dass sich der Prüfungsumfang aus Art. 59 Abs. 1 BayBO ergibt. Da im Bereich des Baugrundstücks kein qualifizierter Bebauungsplan besteht, erfolgte die bauplanungsrechtliche Prüfung des Vorhabens gemäß § 34 Abs. 1 BauGB. Da die Art der Nutzung des Vorhabens hier der des klägerischen Grundstücks entspricht und unproblematisch ist, und da eine Verletzung des nachbarschützenden Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme durch das Bauvorhaben weder substantiiert vorgetragen wird noch ersichtlich ist, ist eine Rechtsverletzung allein durch die vom Kläger gerügte Erschließung des Bauvorhabens über den nördlichen Streifen seines Grundstücks denkbar. Insofern ist aber davon auszugehen, dass das planungsrechtliche Erfordernis einer gesicherten Erschließung grundsätzlich nur öffentlichen Interessen dient und keine nachbarschützende Funktion hat (vgl. BayVGH, B. v. 19.2.2007 – 1 ZB 06.92 m. w. Hinweisen). Ein sich unmittelbar aus der Eigentumsgarantie in Art. 14 Satz 1 GG ergebende Abwehrrecht des Nachbarn ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann anerkannt, wenn eine infolge Fehlens der Erschließung rechtswidrige Baugenehmigung für den Nachbarn eine unmittelbare Rechtsverschlechterung in Richtung auf die Duldung eines Notwegerechts bewirkt.
Davon kann hier aber allein schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil dem Bauherrn nach dem Inhalt der im Grundbuch eingetragenen Grunddienstbarkeit sowohl ein unbeschränktes Geh- und Fahrtrecht als auch ein Kanalleitungsrecht über den nördlichen Grundstücksstreifen des klägerischen Grundstücks Fl. Nr. … zusteht. Die Einwendungen des Klägers gegen das Bestehen eines solchen im Grundbuch gesicherten Geh-, Fahrt- und Kanalleitungsrechts dringen nach Überzeugung des Gerichts nicht durch. Soweit der Kläger behauptet, die Inanspruchnahme des gegenständlichen Teils seines Grundstücks im Rahmen der Grunddienstbarkeit für das im Streit befindliche Bauvorhaben bedeute eine Überbeanspruchung der Grunddienstbarkeit, so widerspricht dem ersichtlich der Vertragsinhalt des der Eintragung der Grunddienstbarkeit zugrundeliegenden notariellen Kaufvertrags. Denn im Hinblick darauf, dass der östliche Teil des damals ungeteilten Grundstücks Fl. Nr. …an die Straße … und den dort befindlichen Kanal angrenzte, ergibt sich, dass das durch die Grunddienstbarkeit gesicherte Geh-, Fahrt- und insbesondere Kanalleitungsrecht ersichtlich der Vorbereitung einer Hinterliegerbebauung im rückwärtigen Teil dieses Grundstücks diente. Eine solche Bebauung lag auch deshalb nahe, weil die Übereignung des betreffenden Grundstücksteils an den Kläger gerade zur Ermöglichung einer Hinterliegerbebauung auf seinem Grundstück erfolgte. Dafür spricht auch die Tatsache, dass das später im östlichen Bereich des Grundstücks Fl. Nr. …(alt) errichtete Wohnhaus ohne Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers von der Straße … aus wege- und kanalmäßig erschlossen wurde. Dass die Inanspruchnahme des mit der Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücksteil durch das nunmehr genehmigte Einfamilienwohnhaus den Rahmen der vereinbarten Grunddienstbarkeit überschreitet, ist für das Gericht nicht ersichtlich. Soweit ist es dem Kläger nicht gelungen, darzulegen, inwieweit der von dem Bauvorhaben ausgelöste Verkehr oder das von diesem ausgelöste Abwasser zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung seines Eigentums führen könnten. Soweit sich der Kläger darauf beruft, die Baugenehmigung hätte erst nach einer Einigung zwischen ihm und dem Bauherrn über eine mögliche finanzielle Beteiligung an der Instandhaltung des Wegs oder des Kanals oder über die Beteiligung am Winterdienst oder ähnliches bedurft, so verkennt er, dass die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird und die Regelung dieser Fragen nicht zum Regelungsgehalt der Baugenehmigung gehört.
Da somit nachbarschützende Rechte des Klägers durch das Bauvorhaben hier nicht verletzt werden, war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO, wobei es billigem Ermessen entspricht, die notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Beigeladenen dem Kläger aufzuerlegen, da der Beigeladene durch Antragstellung ein Kostenrisiko übernommen und sich am Verfahren beteiligt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß § 52 Abs. 1 GKG festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24-28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

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