Aktenzeichen Au 5 K 16.520
Leitsatz
Die Genehmigung zur Nutzungsänderung in eine Asylbewerberunterkunft ist gegenüber einem Gewerbebetrieb nicht rücksichtslos, wenn sich die Umgebungsbebauung im unbeplanten Innenbereich als Gemengelage aus diesem großflächigen Gewerbetrieb und Wohnbebauung darstellt und der Betrieb gegenüber des Asylbewerberunterkunft – auch hinsichtlich der Lärmimmissionen – nicht mehr Rücksicht nehmen muss als gegenüber der bereits vorhandenen Wohnbebauung. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
1.Die Klage ist in ihrem Hauptantrag unbegründet, da die angefochtene Baugenehmigung die Klägerin nicht in ihren subjektivöffentlichen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Einem Nachbarn des Bauherrn steht ein Anspruch auf Versagung der Baugenehmigung grundsätzlich nicht zu. Er kann eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Ein derartiger Fall ist vorliegend nicht gegeben.
Durch das Vorhaben des Beigeladenen wird die Klägerin weder in Vorschriften des öffentlichen Baurechts, die gerade dem Schutz ihrer individuellen Interessen dienen, noch hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme, insbesondere unter dem Aspekt der „heranrückenden Wohnbebauung“, verletzt.
Im gerichtlichen Verfahren findet demnach keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung hat sich vielmehr darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris). Es genügt somit nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind.
Die Klage der Klägerin bleibt ohne Erfolg, weil der angefochtene Bescheid nicht an einem derartigen Mangel leidet.
a) Die planungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens ist anhand der Regelung des § 34 BauGB zu beurteilen, da für das maßgebliche Gebiet, in dem sich die Betriebsgebäude der Klägerin und die nördlich und südöstlich der …straße gelegenen Wohngebäude befinden, kein Bebauungsplan besteht und sich das Baugrundstück innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile befindet.
Eine Verletzung klägerischer Rechte durch die erteilte Baugenehmigung ist vorliegend nicht ersichtlich, da das Bauvorhaben des Beigeladenen sich nach der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und auch nicht gegen das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 34 Abs. 2 BauGB nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre.
Der Begriff des Einfügens hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ist nachbarschützend (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – DBVl. 1994, 284 ff.),
Als „nähere Umgebung“, in die sich das in Streit stehende Bauvorhaben im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfügen muss, kommen nicht nur die unmittelbaren Nachbargrundstücke in Betracht, vielmehr muss die nähere Umgebung insoweit berücksichtigt werden, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und soweit die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstückes prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – IV C 9.77 – BVerwGE 55, 369 ff.; B.v. 13.5.2014 – 4 B 38/13 – juris Rn. 7; B.v. 2.10.2014 – 15 ZB 13.819 – juris Rn. 6). Als ein derartiger Bereich gegenseitiger Beeinflussung und Prägung kann bei Wohnbauvorhaben in der Regel das betreffende Straßengeviert und die gegenüberliegende Straßenseite angesehen werden (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 15 ZB 14.1542 – juris; U.v. 10.7.1998 – 2 B 96.2819 – juris Rn. 25).
Abzustellen ist dabei auf die tatsächlich vorhandene Bebauung der Umgebung. Die Grenzen der maßgeblichen näheren Umgebung sind nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation, in die das Grundstück eingebettet ist, zu bestimmen. Der vorhandene Baubestand bestimmt dabei den Maßstab für die weitere Bebauung mit (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.1998 – 4 C 5/98 – NVwZ 1999, 523; BayVGH, U.v. 13.9.2012 – 2 B 12.109 – juris Rn. 26). Maßgeblich ist insoweit die im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung tatsächlich vorhandene Bebauung bzw. die tatsächlich ausgeübte Nutzung (BVerwG, U.v. 27.8.1998, a. a. O.).
Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, ergibt sich nach Auswertung der Katasterauszüge und Luftbilder, dass sich im vorliegenden Fall kein klassisches Straßengebiert, gebildet aus dem Bachfeldweg im Westen, der …straße im Süden, der …straße sowie der …Straße im Westen ausbildet, da nördlich der unmittelbaren Bebauung an der …straße im weiteren Verlauf des Bachfeldweges im Norden größere unbebaute Flächen vorhanden sind. Eine wechselseitige Prägung vorhandener baulicher Nutzungen ist vorliegend allein im Verlauf der …straße von West nach Ost festzustellen. In diesem Bereich, der seine nördliche topographische Begrenzung durch den Verlauf des Bachfeldbaches findet, sind nördlich und südöstlich der …straße ausschließlich Wohngebäude vorzufinden. Der südwestlich der …straße gelegene Bereich wird maßgeblich durch die großen betrieblichen Flächen der Klägerin, die sich teilweise auch im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr…. der Stadt … befinden, bestimmt. Gekennzeichnet ist der maßgebliche Bereich, in dem sich das streitgegenständliche Baugrundstück befindet, durch das wechselseitige Austauschverhältnis der allein durch die Größe ihrer Betriebsgebäude und der in Anspruch genommenen Flächen augenfällig in Erscheinung tretenden Klägerin und den sich nördlich bzw. südöstlich angrenzenden Wohngebäuden in großer Zahl.
Die Kammer ist der Auffassung, dass insoweit kein Mischgebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 BauNVO vorliegt, da ein solches eine annähernde quantitative und qualitative Gleichrangigkeit bzw. Gleichwertigkeit von gewerblicher Nutzung und Wohnnutzung als Wesensmerkmal erfordert, an dem es vorliegend fehlt (vgl. hierzu Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 6, Anm. 1.1). Abgesehen von der größeren gewerblichen Nutzung der Klägerin befindet sich im maßgeblichen Bauquartier keine weitergehende prägende gewerbliche Nutzung. In den übrigen Bereichen wird der maßgebliche Bereich großflächig durch vorhandene Wohnbebauung geprägt. Andererseits liegt aber auch kein allgemeines bzw. reines Wohngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. §§ 3, 4 BauNVO vor, da das Betriebsgelände der Klägerin nicht als ein bei der Beurteilung im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB auszublendender Fremdkörper gewertet werden kann. Eine solche Betrachtung verbietet sich, da das Betriebsgelände der Klägerin den südlich der …straße gelegenen Bereich wesentlich mitprägt und hierbei große Flächen in Anspruch nimmt. Von einer gänzlich untergeordneten Wirkung der Betriebsgebäude der Klägerin gegenüber der nördlich und südöstlich der …straße gelegenen Wohnbebauung kann nicht gesprochen werden. Dies auch vor dem Hintergrund des beträchtlichen Emissionspotentials der Klägerin.
Somit erweist sich die maßgebliche Umgebungsbebauung, auf die bei der Beurteilung nach § 34 Abs. 1 BauGB abzustellen ist, nach Auffassung der Kammer als Gemengelage zwischen erheblichen Wohnanteilen und der großflächigen und auch mit einem erheblichen Störpotenzial ausgestatteten gewerblichen Einheit der Klägerin.
In diese Gemengelage fügt sich das streitgegenständliche Bauvorhaben nach seiner Art gemäß § 34 Abs. 1 BauGB ein. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der genehmigten Nutzung um eine Wohnnutzung im bauplanungsrechtlichen Sinne handelt oder vielmehr eine Anlage für soziale Zwecke mit wohnähnlichem Charakter vorliegt. Für die Annahme einer Anlage für soziale Zwecke mit allenfalls wohnähnlichem Charakter spricht, dass der Aufenthalt von Asylbegehrenden in solchen Unterkünften nicht freiwillig ist, sondern vielmehr auf einer Zuweisungsentscheidung der zuständigen Behörde beruht, auf die der Asylbegehrende keine Einflussmöglichkeiten hat (vgl. § 53 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz – AsylG, Art. 4 Abs. 1 Aufnahmegesetz – AufnG). Zudem sind Asylbegehrende von der Entscheidung der Verwaltung hinsichtlich ihrer Unterbringung – z. B. im Hinblick auf die Raumbelegung – abhängig, so dass von einer – wie das Bundesverwaltungsgericht fordert (vgl. B.v. 25.3.1996 – 4 B 302.95 – ZfBr 1996, 228) – Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises nicht die Rede sein kann. Überdies dürfte es sich regelmäßig nur um einen vorübergehenden Aufenthalt von Asylbegehrenden in der entsprechenden Einrichtung handeln. Letztlich bedarf dies jedoch keiner vertiefenden Betrachtung, da selbst wenn man mit der Klägerin davon ausginge, dass es sich bei der genehmigten Nutzung um ein Wohnen im Sinne der bauplanungsrechtlichen Bestimmungen handeln würde, diese Nutzung sich aufgrund der in der maßgeblichen Umgebung bereits vorhandenen prägenden Wohnbebauung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfügen würde.
In derartigen städtebaulichen Gemengelagen, also in Gebieten mit aufeinanderprallenden, unterschiedlichen Nutzungen, kann sich die Klägerin nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen, jedoch sind spezifische Rücksichtnahmepflichten einzufordern (z. B. Mittelwertbildung der Richtwerte hinsichtlich der Lärm- und Geruchsimmissionen – vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2014 – 9 B 10.1979 – juris Rn. 21; BVerwG, B.v. 28.9.1993 – 4 B 151/93 – juris Rn. 12).
b) Für einen Verstoß gegen das nachbarliche Rücksichtnahmegebot ist vorliegend jedoch nichts ersichtlich.
Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen von den Umständen des Einzelfalles ab. Das heißt, dass anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu prüfen ist, ob die mit einem Bauvorhaben verbundenen Nachteile das Maß dessen überschreiten können, was einem Grundstücksnachbarn billigerweise noch zugemutet werden kann. In Bereichen, in denen Nutzungen unterschiedlicher Art und unterschiedlicher Schutzwürdigkeit zusammentreffen, wie es für eine Gemengelage charakteristisch ist, ist die Grundstücksnutzung mit einer gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme gekennzeichnet. Die Rücksichtnahme auf eine immissionsträchtige Nutzung, wie sie von der Klägerin ausgeübt wird, kann gerade unter Umständen verlangen, eine andere als die beabsichtigte Nutzung zu wählen bzw. die Nutzung zu unterlassen. Die Klägerin als Rücksichtnahmebegünstigte hat dann einen Anspruch auf Aufhebung der Baugenehmigung, wenn diese eine Nutzung im Wege der Änderung zulässt, die ihr gegenüber als abwehrfähig rücksichtslos anzusehen wäre. Welches Maß an Rücksicht verlangt werden kann, ist im jeweiligen Einzelfall durch Abwägung der Interessen der dem Rücksichtnahmeverhältnis unterliegenden Beteiligten zu ermitteln. Der Beigeladene muss sich in seiner baulichen Grundstücksnutzung so einrichten, dass die Klägerin in der (gewerblichen) Nutzung ihres Grundstücks nicht unzumutbar beeinträchtigt bzw. eingeschränkt wird (vgl. BayVGH, U.v. 18.6.1997 – 26 B 96.2602 – juris). Auch darf sich das Vorhaben des Beigeladenen insbesondere keinen vom gewerblichen Betrieb der Klägerin ausgehenden unzumutbaren Immissionen aussetzen.
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist das streitige Bauvorhaben, unabhängig davon, ob man es als Wohnbauvorhaben oder als soziale Anlage mit wohnähnlichem Charakter qualifiziert, nicht abwehrfähig rücksichtslos.
Zum einen hat die Klägerin ohnehin schon auf die vorhandene, nähere bzw. in vergleichbarer Entfernung gelegene vorhandene Wohnbebauung auf den nördlich der …straße gelegenen Grundstücken Fl.Nrn. …, … und … der Gemarkung … bzw. den sich östlich an das Grundstück der Klägerin anschließenden ebenfalls wohngenutzten Grundstücken mit den Fl.Nrn. … und … der Gemarkung … Rücksicht zu nehmen. Aufgrund dieser Wohnbebauung in gleichem bzw. geringerem Abstand zur gewerblichen Nutzung der Klägerin und der hieraus folgenden Verpflichtung der Klägerin zur Rücksichtname auf eine vergleichbar schützenswerte (reine) Wohnbebauung ergibt sich, dass die Klägerin durch die geplante Nutzung des Baugrundstücks des Beigeladenen keine gewerblichen Betriebseinschränkungen zu befürchten hat. Auf diesen Umstand hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 11. August 2016 nochmals hingewiesen. Selbst unter Annahme eines reinen Wohnbauvorhabens fügt sich das Bauvorhaben des Beigeladenen, was die von ihm hinzunehmenden Immissionen angeht, in die vorbelastete Eigenart der näheren Umgebung ein, da dieses sich keinen stärkeren Belästigungen aussetzt als die bereits vorhandene Wohnbebauung. Umgekehrt verschlechtert sich die Lage des gewerblichen Betriebs der Klägerin nicht durch die Errichtung einer weiteren Wohneinheit (vgl. zu heranrückender Wohnbebauung an gewerbliche Nutzung: Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand: Januar 2016, Art. 66 Rn. 510; zu heranrückender Wohnbebauung an landwirtschaftliche Nutzung: BayVGH, B.v. 5.4.2016 – 15 ZB 14.2792 – juris). Sofern man die vom Beigeladenen beabsichtigte Nutzung als soziale Anlage mit lediglich wohnähnlichem Charakter begreift, ergibt sich nichts anderes, da eine derartige Nutzung in ihrer Schutzwürdigkeit ohnehin hinter der sich in unmittelbarer Nähe bereits befindlichen reinen Wohnbebauung zurückbleibt.
Zum anderen liegen für das Bauvorhaben des Beigeladenen sowohl eine schalltechnische Untersuchung des Ingenieurbüros …, …, vom 14. Januar 2016 als auch eine immissionsschutzfachliche Stellungnahme des Beklagten vom 27. Januar 2016 vor, die übereinstimmend zum Ergebnis gelangen, dass das Bauvorhaben des Beigeladenen keinen unzumutbaren schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt wird. Der aufgrund der vorhandenen Gemengelage zwischen Wohnen einerseits und gewerblicher Nutzung andererseits in Anlehnung an die für Mischgebiete geltenden Bestimmungen der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm 1998) sachgerechte Mittelwert von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts kann demnach am Immissionsort des Baugrundstücks des Beigeladenen auch zur Nachtzeit zuverlässig eingehalten werden. Diesbezüglich hat die immissionsschutzfachliche Stellungnahme des Beklagten dargelegt, dass keine baulichen Selbsthilfemaßnahmen des Beigeladenen erforderlich sind, um die insoweit für die Gemengelage geltenden Lärmgrenzwerte einzuhalten. Der Einbau einer Lüftungsanlage bzw. das Geschlossen halten der Fenster sei nicht erforderlich. Vielmehr sei bei gekippten Fenstern in „Spaltlüftungsstellung“ ungestörter Schlaf der künftigen Bewohner der baulichen Anlage des Beigeladenen möglich.
Zusammenfassend ist nicht erkennbar, dass durch das Bauvorhaben des Beigeladenen der gewerbliche Betrieb des Klägers zusätzlich beeinträchtigt würde und mit Betriebseinschränkungen rechnen müsste. Da die maßgebliche Umgebung bereits in nennenswertem Umfang durch reine Wohnnutzung vorbelastet ist, scheidet eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme aus.
Bauordnungsrechtliche Einwände gegen das Bauvorhaben hat die Klägerin nicht erhoben.
2. Die Klage bleibt auch mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 11. August 2016 gestellten Hilfsantrag ohne Erfolg. Zwar ist mit der Erfolglosigkeit des Hauptantrages die innerprozessuale Bedingung eingetreten, über den gestellten Hilfsantrag zu entscheiden, jedoch bleibt dieser in der Sache ohne Erfolg. Da die vom Beklagten erteilte streitgegenständliche Baugenehmigung – unbefristet erteilte Baugenehmigung zur Nutzungsänderung des vorhandenen Bürogebäudes auf dem Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … – keine subjektivöffentlichen Rechte der Klägerin verletzt, bleibt für die hilfsweise erhobene Verpflichtungsklage auf Ergänzung der Baugenehmigung um eine Nebenbestimmung im Sinne von Art. 36 Abs. 1, 2 Nr. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) kein Raum. Da der Beigeladene einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung ohne Nebenbestimmungen im Sinne von Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO besitzt und überdies die Baugenehmigung die Klägerin nicht in drittschützenden Rechten verletzt, muss die Klage auch im Hilfsantrag ohne Erfolg bleiben. Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, weist die Kammer abschließend darauf hin, dass im vorliegenden Fall auch die Voraussetzungen für eine Befristung der Baugenehmigung im Sinne von § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 2 BauGB nicht vorlägen. Nach seinem eindeutigen Wortlaut beschränkt sich der Regelungsgehalt der Vorschrift des § 246 Abs. 12 Satz 1 Nr. 2 BauGB ausschließlich auf die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes für ein Gewerbe- bzw. Industriegebiet sowie auf Sondergebiete im Sinne der § 8 bis 11 BauNVO. In der hier vorhandenen Gemengelage ist eine Anwendung – auch im Analogiewege, wie von der Klägerin angedacht – ausgeschlossen.
Nach allem war die Klage daher in Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich mithin auch keinem Kostenrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten, soweit entstanden, selbst zu tragen hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 – Sonderbeilage BayVBl Januar 2014).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.