Baurecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung für den Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern mit 18 Tiefgaragenplätzen

Aktenzeichen  9 ZB 17.53

Datum:
7.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13655
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 12 Abs. 2, § 15

 

Leitsatz

1 Der Grundstücksnachbar hat die Errichtung notwendiger Garagen und Stellplätze für ein Wohnbauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Immissionen der zu- und abfahrenden Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Vermutung dafür, dass allein eine Überschreitung der in einer Stellplatzsatzung festgelegten notwendigen Anzahl von Stellplätzen zu unzumutbaren Lärmbelastungen führt, besteht nicht. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 16.418 2016-11-08 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. Die Beigeladene zu 2 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung K., das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Sie wendet sich als Nachbarin gegen die dem Beigeladenen zu 1 vom Landratsamt A. erteilte Baugenehmigung vom 9. März 2016 für den Neubau von zwei Mehrfamilienhäusern mit Tiefgarage auf den Grundstücken FlNr. … und … derselben Gemarkung. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage mit Urteil vom 8. November 2016 abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Klägerin beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Tiefgarage nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 12 Abs. 2 BauNVO planungsrechtlich zulässig ist und es insbesondere als ausgeschlossen erscheint, dass die vom An- und Abfahrtsverkehr der Tiefgaragenzufahrt ausgehende Immissionsbelastung so erheblich ist, dass für die Klägerin die Grenze des Zumutbaren überschritten wird und ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme anzunehmen ist. Dies unterliegt keinen ernstlichen Zweifeln.
Sowohl in (faktischen) allgemeinen als auch in reinen Wohngebieten – wie hier – sind Stellplätze und Garagen für den durch die zugelassene Nutzung notwendigen Bedarf gemäß § 12 Abs. 2 BauNVO zulässig. Die Vorschrift begründet für den Regelfall auch hinsichtlich der durch die Nutzung verursachten Lärmimmissionen eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit. Der Grundstücksnachbar hat deshalb die Errichtung notwendiger Garagen und Stellplätze für ein Wohnbauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Immissionen der zu- und abfahrenden Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2015 – 9 CS 14.2441 – juris Rn. 34 m.w.N.; BayVGH, B.v. 30.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 43 m.w.N.).
Soweit die Klägerin vorträgt, mit den genehmigten 18 Tiefgaragenplätzen sei deren Nutzung nicht auf die Hausbewohner beschränkt, übersteigt diese Anzahl den nach der Stellplatzsatzung der Beigeladenen zu 2 für Mehrfamilienhäuser notwendigen Stellplatzbedarf zwar um 3 Plätze. Das Verwaltungsgericht ist aber davon ausgegangen, dass sich die Anzahl von 18 Stellplätzen noch in einem Bereich bewegt, der auf eine Nutzung durch die Hausbewohner beschränkt sei. Dem wird im Zulassungsvorbringen nicht substantiiert entgegengetreten.
Dem Zulassungsvorbringen lassen sich auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Nutzung der drei „zusätzlichen“ Tiefgaragenplätze zu unzumutbaren Lärmbelastungen für die Klägerin führt. Eine Vermutung dafür, dass dies allein durch eine Überschreitung der in einer Stellplatzsatzung festgelegten notwendigen Anzahl von Stellplätzen der Fall sein könnte, besteht nicht (vgl. Würfel in Simon/Busse, BayBO, Stand Oktober 2018, Art. 47 Rn. 240).
Auch im Hinblick auf die genehmigte Gesamtzahl von 18 Tiefgaragenplätzen kann nicht davon ausgegangen werden, dass durch deren Nutzung Lärmbelastungen für die Klägerin ausgelöst werden, die über den oben genannten Rahmen hinausgehen. Vielmehr lässt sich abschätzen, dass diese Stellplätze am Tag eine vergleichsweise mäßige Nutzung mit sich bringen werden. Zudem steht nicht zu erwarten, dass ein nennenswerter Teil der Bewegungen in der Nachtzeit erfolgen wird (vgl. Parkplatzlärmstudie des Bayerischen Landesamtes für Umwelt, 6. Auflage 2007, Nr. 5.3 und Tabelle 6, S. 28). Auch in einem Schlafraum im Haus der Klägerin, der zur Straße und zu der auf der anderen Straßenseite liegenden Tiefgaragenzufahrt hin situiert ist, ist somit nicht mit unzumutbaren Lärmbelastungen zu rechnen. Dies gilt umso mehr, als die Errichtung einer Tiefgarage gegenüber einer oberirdischen Anordnung von Stellplätzen den Vorteil hat, dass dadurch mit dem Parken und Abfahren verbundene Geräuschbelästigungen, wie z.B. Schlagen von Autotüren, Starten von Motoren, weitgehend abgeschirmt werden (vgl. BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59.02 – juris Rn. 7). Die Tiefgarageneinfahrt befindet sich überdies straßennah in einem Bereich, in dem mit einer Stellplatznutzung zu rechnen ist und nicht in einem ruhigen rückwärtigen Gartenbereich.
Soweit die Klägerin eine schalltechnische Begutachtung zur Einhaltung der Immissionsrichtwerte der TA Lärm vermisst, ist in der Rechtsprechung wiederholt darauf hingewiesen worden, dass für die Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind, nicht eine schematische Orientierung an der TA Lärm (vgl. BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59.02 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 5.9.2012 – 15 CS 12.23 – juris Rn. 17). Insbesondere kann das Spitzenpegelkriterium der TA Lärm auf nach § 12 Abs. 2 BauNVO zulässige Stellplätze nicht ohne weiteres angewendet werden (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2012 a.a.O. Rn. 17; B.v. 9.12.2016 – 15 CS 16.1417 – juris Rn. 17 m.w.N.).
Entgegen dem Zulassungsvorbringen der Klägerin ist hier eine mechanische Belüftung für die Tiefgarage nicht erforderlich und als zusätzliche Lärmquelle nicht zu berücksichtigen. Die Notwendigkeit einer maschinellen Belüftung ergibt sich weder aus § 14 der Garagen- und Stellplatzverordnung (GaStellV) noch aus dem angefochtenen Bescheid vom 9. März 2016, der für die hier beantragte eingeschossige unterirdische Mittelgarage Nebenbestimmungen zur baulichen Umsetzung einer natürlichen Lüftung enthält (vgl. § 14 Abs. 2 GaStellV).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da der Beigeladene zu 1 – anders als die Beigeladene zu 2 – im Zulassungsverfahren einen rechtlich die Sache förderlichen Beitrag geleistet hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG (vgl. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit); sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen