Aktenzeichen M 9 K 19.792
Leitsatz
1. Eine Zimmerei stellt einen der Versorgung des Gebiets dienenden Handwerksbetrieb im Sinne von § 5 Abs. 1 BauNVO dar. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine fehlende Erschließung ist grundsätzlich nicht drittschützend, da sie nur dem öffentlichen Interesse einer geordneten städtebaulichen Entwicklung dient. Eine Ausnahme hiervon ist nur dann gegeben, wenn eine wegen fehlender Erschließung rechtswidrige Baugenehmigung für den Nachbarn eine unmittelbare Rechtsverschlechterung in Richtung auf das Duldenmüssen eines Notweg- oder Notleitungsrechts nach § 917 Abs. 1 BGB bewirkt. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Nachbar kann sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu – gemessen am Schutzzweck der Vorschrift – schlechthin untragbaren, als Missstand (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayBO) zu qualifizierenden Verhältnissen führen. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger als Gesamtschuldner haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 zu tragen. Der Beigeladene zu 2 trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die Kläger werden durch die der Beigeladenen zu 1 erteilte Baugenehmigung vom 23. Januar 2019 nicht in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Gegenstand der Anfechtungsklage ist die Baugenehmigung vom 23. Januar 2019. Die im Bescheid enthaltene wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 5 WHG wurde nach dem eindeutigen klägerischen Antrag nicht angegriffen. Nach dem Klageantrag aus dem Schriftsatz vom 19. Februar 2019 soll ausdrücklich nur die Baugenehmigung aufgehoben werden.
Nach interessengerechter Auslegung des Klageantrages nach §§ 133, 157 BGB analog liegt nur eine Anfechtungsklage vor. Klageantrag und Klagebegründung sind nicht ganz eindeutig, ob der Klägerbevollmächtigte zwei Anfechtungsklagen oder nur eine Klage erheben wollte. Der Antrag war deswegen unter Berücksichtigung des klägerischen Interesses auszulegen (Rennert in: Eyermann, 15. Aufl. 2019, VwGO § 88 Rn. 8). Danach liegt nur eine Anfechtungsklage vor, da auch nur eine Baugenehmigung erteilt wurde.
Der mit Anschreiben vom 4. Februar 2019 den Klägern zugestellte Bescheid vom 23. Januar stellt keinen weiteren Verwaltungsakt dar. Bei der Ergänzung eines Satzes im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung handelt es sich um die nachträgliche Ergänzung eines Teils der Begründung, nicht um einen weiteren Verwaltungsakt nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Es fehlt an einer weiteren Regelungswirkung.
2. Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im vorliegenden Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die den Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (vgl. statt aller z. B. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris).
a) Der Gebietserhaltungsanspruch der Kläger ist nicht verletzt, da das Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 5 Abs. 1 BauNVO zulässig ist. Das Vorhaben liegt im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB. Die nähere Umgebung entspricht dabei einem Dorfgebiet nach § 5 BauNVO.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängt die Beantwortung der Frage, ob ein Grundstück Teil eines Bebauungszusammenhangs ist, davon ab, inwieweit eine aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsanschauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich lässt sich nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben treffen, sondern nur aufgrund einer umfassenden Würdigung der gesamten örtlichen Gegebenheiten, insbesondere der optisch wahrnehmbaren topografischen Situation und der Umgebungsbebauung (BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – NVwZ 2012, 1631; B.v. 8.10.2015 – 28.15 – ZfBR 2016, 67).
Das Vorhaben befindet sich zwar am Ortsrand, nimmt aber nach dem vorliegenden Lageplan und den Feststellungen des Augenscheins an den von den anderen Gebäuden vermittelten Bebauungszusammenhang noch teil. Insbesondere finden sich auf den unmittelbar an das Vorhabengrundstück angrenzenden FlNr. ..9/1 der Gemarkung G. und der FlNr. … der Gemarkung G. ebenfalls Gebäude, die weiter nach Osten reichen. Topographische Gegebenheiten, welche zu einer Zäsur führen würden, waren beim Augenschein nicht feststellbar. Die Orientierung der anderen Häuser zur L.-C.-Str. führt nicht dazu, dass nach dem Eindruck vor Ort das Vorhaben nicht mehr am Bebauungszusammenhang teilnimmt.
Die nähere Umgebung entspricht einem Dorfgebiet. Neben den Wohnhäusern und der bereits vorhandene Zimmerei der Beigeladenen zu 1 finden sich westlich der L.-C-Str. noch landwirtschaftliche Betriebe. Das Vorliegen eines Dorfgebiets wurde durch die Kläger auch nicht bezweifelt.
Die Zimmerei ist bezüglich der Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 5 Abs. 1 BauNVO zulässig, da sie einen der Versorgung des Betriebs dienenden Handwerksbetrieb darstellt. Dabei ist nach dem Wortlaut von § 5 Abs. 1 BauNVO unbeachtlich, ob es sich bei dem Handwerksbetrieb um einen typischerweise störenden Betrieb handelt (Söfker in: EZBK, 135. EL August 2019, BauNVO § 5 Rn. 45). Handwerksbetriebe, welche der Versorgung des Betriebs dienen, sind Teil der städtebaulich gewollten Versorgungsinfrastruktur eines Dorfgebietes. Aus diesem Grund sind von diesen typischerweise ausgehende Störungen hinzunehmen, soweit nicht im Einzelfall das Gebot der Rücksichtnahme verletzt ist.
Die Zimmerei stellt einen der Versorgung des Gebiets dienenden Handwerksbetrieb dar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich das Vorhabengrundstück in einem ländlichen Raum befindet. Im ländlichen Raum ist der Versorgungsbereich größer zu ziehen, damit die Betriebe wirtschaftlich arbeiten können. Die Versorgung angrenzender kleinerer Orte und Weiler führt nicht dazu, dass die Anforderungen des § 5 Abs. 1 BauNVO nicht mehr erfüllt wären (BayVGH, B.v. 18.7.2013 – 15 ZB 12.1059 – juris Rn. 5).
b) Eine Ausnahme vom Einfügen nach § 34 Abs. 3a BauGB wegen der Art der baulichen Nutzung, wie wohl im Bescheid erfolgt, ist nicht notwendig, da das Vorhaben bezüglich der Art der Nutzung bereits nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 5 Abs. 1 BauNVO zulässig ist. Nach § 34 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 BayBO kann im Einzelfall vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB abgewichen werden, wenn die Abweichung einer Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs dient, die Abweichung städtebaulich vertretbar ist und auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Aus der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 23. Januar 2019 geht zwar nicht klar hervor, ob hinsichtlich der übrigen Kriterien des Einfügens nach § 34 Abs. 1 BauGB eine Abweichung nach § 34 Abs. 3a BauGB erteilt werden sollte. Allerdings ist festzuhalten, dass ein fehlendes Einfügen hinsichtlich Maß der baulichen Nutzung, überbaubarer Grundstücksfläche und Bauweise nicht ersichtlich ist und auch nicht substantiiert von den Klägern vorgetragen wurde. Es liegt deswegen nahe, dass sich die Abweichung nach § 34 Abs. 3a BauGB nur auf die Art der baulichen Nutzung beziehen sollte.
Aber selbst wenn die Abweichung im Bescheid auch die anderen Kriterien erfassen sollte, sind die Kläger durch eine Abweichung nicht in eigenen Rechten verletzt.
Wie im Rahmen der Erteilung von Befreiungen nach § 31 Abs. 2 BauGB richtet sich die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Nachbarrechtsbehelfs bei einer Abweichung nach § 34 Abs. 3a BauGB materiell-rechtlich danach, ob von nachbarschützenden oder von nicht nachbarschützenden Vorschriften befreit wird. Nur im Falle der Abweichung von einer nachbarschützenden Vorschrift kann der Nachbar die objektive Rechtswidrigkeit der Abweichung rügen (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2017 – 1 CS 17.693 – juris; VG München, U.v. 6.6.2018 – M 9 K 17.5750 – juris; VG München, B.v. 20. 2.2019 – M 9 SN 18.4319 -juris Rn. 24; Söfker in: EZBK, 135. EL September 2019, BauGB § 34 Rn. 88d).
Die anderen Kriterien des Einfügens dienen der städtebaulichen Ordnung, nicht aber dem Schutz des Nachbarn (vgl. BayVGH, B.v. 29.9.2008 – 1 CS 08.2201 – juris Rn. 14; BVerwG, B.v. 23.6.1995 – 4 B 52/95 – juris). Ein Abwehranspruch gegen eine erteilte Abweichung bestünde deswegen nur, wenn das Gebot der Würdigung der nachbarlichen Interessen verletzt worden wäre. Damit wäre auch über den Umweg des § 34 Abs. 3a BauGB bei der Nachbarklage nur zu prüfen, ob das Gebot der Rücksichtnahme verletzt worden ist (vgl. Dürr in: Brügelmann, BauGB, Stand: 110. Lfg., April 2019, § 34 Rn. 180). Eine von den Klägern vorgebrachte floskelartige Begründung im Bescheid kann von den Klägern als Nachbarn deswegen nicht gerügt werden.
c) Selbst wenn – wie nicht – das Vorhaben entsprechend dem klägerischen Vortrag im Außenbereich läge, ergäbe sich hieraus keine Verletzung einer drittschützenden Norm. Die Freihaltung des Außenbereichs dient ausschließlich öffentlichen Interessen (BVerwG, B.v. 28.7.1999 – 4 B 38/99 – juris Rn. 5). Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Freihaltung des Außenbereichs. Auch mittelbar über einen anderen Maßstab für das Gebot der Rücksichtnahme oder größere einzuhaltende Abstandsflächen steht einem Nachbarn kein Anspruch auf Freihaltung des Außenbereichs zu. Vielmehr gelten für Vorhaben im Außen- und Innenbereich grundsätzlich die gleichen Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO. Das Gebot der Rücksichtnahme aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB bzw. als ungeschriebener öffentlicher Belang schützt den Nachbarn nicht weitergehender, als er im Innenbereich vor rücksichtslosen Vorhaben geschützt wird.
d) Das hier richtigerweise aus § 34 Abs. 1 BauGB und § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO folgende Gebot der Rücksichtnahme ist nicht verletzt. Das Gebot der Rücksichtnahme soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten und vermittelt insofern Drittschutz, als die Genehmigungsbehörde in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Belange eines erkennbar abgrenzbaren Kreises Dritter zu achten hat. Die Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und was dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Begünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständiger und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist verletzt, wenn durch das geplante Vorhaben die Nutzung des Nachbargrundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird.
Das Vorhaben und insbesondere die Garage entwickeln keine erdrückende, einmauernde oder abriegelnde Wirkung für das Grundstück der Kläger. Eine solche Wirkung wurde ausnahmsweise beispielsweise bejaht für drei 11,50 m hohe Silos, die auf das Nachbargrundstück „wie eine riesenhafte metallische Mauer wirken“ (BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – juris) oder auch für den Neubau eines zwölfgeschossigen Hochhauses neben einem zweigeschossigen Wohnhaus in einem von zwei- und dreigeschossiger Wohnbebauung geprägten Gebiet (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris). Vorliegend ist ein derartiges „Missverhältnis“ oder auch ein derartiges „Bedrängen“ des Nachbargrundstücks nicht ansatzweise erkennbar. Eine abstandsflächenrechtlich zulässige Grenzgarage an der gemeinsamen Grundstücksgrenze und die geringfügige Erweiterung des Hauptgebäudes durch den Anbau sind dafür keinesfalls ausreichend.
Unzumutbare Belästigungen oder Störungen gehen vom Vorhaben auch nicht in Form von Schallimmissionen auf das klägerische Grundstück aus. Nach dem zum Bauantrag vorgelegten Schallgutachten (Bl. 102 ff. d. Behördenakte B-2017-3057) werden die im Bescheid beauflagten zielorientierten Grenzwerte auf dem klägerischen Grundstück eingehalten. Die Festlegung von um 6 db (A) reduzierten Werten für ein Dorfgebiet nach Nr. 6.1 Buchst. d) der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm i. d. F. vom 1.6.2017 ist aus Sicht der Kläger nicht zu beanstanden.
e) Die Kläger sind nicht aufgrund einer fehlenden gesicherten Erschließung des Vorhabens nach § 34 Abs. 1 BauGB in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt.
Eine fehlende Erschließung ist grundsätzlich nicht drittschützend, da sie nur dem öffentlichen Interesse einer geordneten städtebaulichen Entwicklung dient. Eine Ausnahme hiervon ist nur dann gegeben, wenn eine wegen fehlender Erschließung rechtswidrige Baugenehmigung für den Nachbarn eine unmittelbare Rechtsverschlechterung in Richtung auf das Duldenmüssen eines Notweg- oder Notleitungsrechts nach § 917 Abs. 1 BGB bewirkt (VG München, U.v. 23.11.2016 – M 9 K 15.4601 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 23.8.2010 – 2 ZB 10.1216 – juris Rn. 3). Denn in diesem Fall wäre er in seinen Rechten aus Art. 14 GG verletzt. Eine unmittelbare Rechtsverschlechterung ist weder im Hinblick auf die straßenmäßige Erschließung noch die leitungsmäßige Erschließung erkennbar.
Die Erschließung des Vorhabengrundstücks erfolgt bisher unter Berücksichtigung der Feststellungen aus dem Augenschein über eine ca. 4 m bis 4,60 m breite asphaltierte Zufahrt. Diese befindet sich sowohl auf dem klägerischen Grundstück als auch auf der FlNr. … der Gemarkung G. Ungefähr in der Mitte der Zufahrt verläuft die Grundstücksgrenze. Die Zufahrt wird auf dem klägerischen Grundstück durch eine Stützmauer und einen von den Klägern errichteten Carport begrenzt. Zur straßenmäßigen Erschließung gehört, dass die Zufahrt den durch das Vorhaben ausgelösten Verkehr im Regelfall bewältigen kann (vgl. BVerwG, B.v. 3.4.1996 – 4 B 253/95 – NVwZ 1997, 389). Nach den Feststellungen des Augenscheins ist nicht erkennbar, weshalb die 4 m bis 4,60 m breite Zufahrt nicht den durch den Betrieb ausgelösten Verkehr aufnehmen und bewältigen können sollte. Die Kläger haben hierzu auch nichts substantiiert vorgetragen. Insbesondere ist hervorzuheben, dass nicht ersichtlich ist, dass das genehmigte Vorhaben überhaupt zu einer maßgeblichen Steigerung des bisher schon bestehenden An- und Abfahrtsverkehrs der Zimmerei führt.
Unter Zugrundelegung diese Feststellung ist ausgeschlossen, dass auf dem klägerischen Grundstück eine unmittelbare Rechtsverschlechterung in Richtung auf das Dulden eines Notwegrechts nach § 917 Abs. 1 BGB bewirkt wird. Soweit die tatsächlich vorhandene Zufahrt auf dem Grundstück der Kläger liegt, ist sie durch das Geh- und Fahrrecht dinglich gesichert. In diesem Bereich bedarf es somit keines Notwegerechts.
Durch die errichteten Anlagen auf dem klägerischen Grundstück kann das Geh- und Fahrtrecht nur insoweit nach § 1028 Abs. 1 Satz 2 BGB erlöschen, als der Anspruch auf Beseitigung der Anlagen aus §§ 1027, 1004 BGB bereits verjährt ist. Ein vollständiges Erlöschen hat nicht stattgefunden. Nach den Feststellungen des Augenscheins reicht die noch bestehende Breite auf dem klägerischen Grundstück zusammen mit dem Bereich der Zufahrt auf der FlNr. … der Gemarkung G. aus, um eine ausreichende Erschließung sicherzustellen. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des BGH die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Beseitigung nach entsprechender Anwendung von § 197 Nr. 2 BGB 30 Jahre beträgt (BGH, U.v. 18.7.2014 – V ZR 151/13 – juris Rn. 30). Zivilrechtlich könnte deswegen zumindest für den Carport noch ein nicht verjährter Beseitigungsanspruch bestehen. Da die vorhandene Breite aber auch mit Carport für die Erschließung ausreicht, bedurfte es diesbezüglich keiner Entscheidung.
Die Nutzung des eingetragenen Geh- und Fahrtrecht durch die Beigeladene zu 1 stellt keine Verletzung in eigenen subjektiven-öffentlichen Rechten der Kläger dar.
Auf der FlNr. … der Gemarkung G. fehlt es an der dinglichen Sicherung. Soweit die Nutzung dieses Grundstücks für die Erschließung notwendig ist, kann dahinstehen, ob die Eigentümerin dieses Grundstücks die Benutzung ihres Grundstücks beenden könnte. Dieses Notwegerecht läge nicht auf dem Grundstück der Kläger. Ein Notweg nach § 917 BGB verläuft so, dass er für die Duldungspflichtigen die geringstmöglichen Belastung darstellt. Dies entspricht dem derzeitigen Verlauf der Zufahrt. Eine Verletzung der Rechte aus Art. 14 GG der Eigentümerin der FlNr. … der Gemarkung G. kann durch die Kläger nicht geltend gemacht werden.
Es entsteht auch keine Verschlechterung hinsichtlich eines Notleitungsrechts auf dem Grundstück der Kläger, sodass eine Verletzung in eigenen Rechten aufgrund einer fehlenden gesicherten Erschließung durch Leitungen ebenfalls ausgeschlossen ist. Das Vorhabengrundstück ist bereits mit Leitungen erschlossen. Durch das nun genehmigte Vorhaben entstehen keine neuen Anforderungen an die vorhandenen Leitungen. Außerdem lag den vorhandenen Leitungen vermutlich eine Zweckvereinbarung der jeweiligen Grundstückseigentümer zugrunde, dass das Vorhabengrundstück die vorhandenen Leitungen nutzen darf. Diese Zweckvereinbarung haben die Kläger zumindest durch schlüssiges Verhalten übernommen (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2010 – 2 ZB 10.1216 – juris Rn. 4).
Letztlich ist festzuhalten, dass die Baugenehmigung weder hinsichtlich der Zufahrt noch bezüglich der Leitungen zu einer erkennbaren Verschlechterung der Rechtslage der Kläger führt.
f) Die nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) BayBO i. V. m. Art. 6 BayBO zu prüfenden nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften sind durch die Grenzgarage, welche die Kläger scheinbar vornehmlich stört, nicht verletzt (aa). Im Übrigen können sich die Kläger jedenfalls auf eine Verletzung von Abstandsflächen nicht berufen, da sie ihrerseits die Abstandsflächen nicht eingehalten haben (bb).
aa) Die genehmigte Grenzgarage der Beigeladenen zu 1 ist nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO privilegiert und konnte deswegen ohne eigene Abstandsflächen grenzständig genehmigt werden. Nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO sind Garagen mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m ohne eigenen Abstandsflächen zulässig. Die Garage hat nach den genehmigten Bauvorlagen eine Länge von 9 m und eine Wandhöhe von 2,90 m bis 3,01 m. Die mittlere Wandhöhe ist dabei unter 3 m. Auch Art. 6 Abs. 9 Satz 2 BayBO ist nicht verletzt. Danach darf die Länge der die Abstandsflächentiefe gegenüber der Grundstücksgrenze nicht einhaltenden Bebauung nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO auf einem Grundstück insgesamt 15 m nicht überschreiten. Das Vorhabengrundstück besteht grundbuchrechtlich aus den FlNr. …/7 und …/9 der Gemarkung G. Bei isolierter Betrachtung der FlNr. …/9 der Gemarkung G. ist die Garage auf beiden Seiten des schmalen Handtuchgrundstücks grenzständig gebaut. Die Garage ist damit bei grundbuchrechtlicher Betrachtung mit 18 m (2 × 9 m) an die Grenze, ohne Einhaltung der Abstandsflächen, genehmigt worden. Die Grenze zwischen den beiden grundbuchrechtlich getrennten Grundstücken muss bei der Berechnung der 15 mGrenze aber außer Betracht bleiben. Zur Beurteilung, ob ein Grundstück nach Art. 6 Abs. 9 Satz 2 BayBO vorliegt, bedarf es einer natürlichen Betrachtungsweise. Ansonsten hätte es der Grundstückseigentümer in der Hand z. B. durch Grundstücksteilungen die 15 mGrenze zu umgehen (vgl. BayVGH, B.v. 25.3.2013 – 1 CE 13.332 – juris Rn. 5). Bei natürlicher Betrachtungsweise bilden die beiden Flurnummern ein einheitliches Vorhabengrundstück. Dafür spricht, dass die FlNr. …/9 der Gemarkung ein schmales Handtuchgrundstück ist, welche nur zusammen mit der FlNr. …/7 der Gemarkung G. bebaubar ist. Außerdem soll die Grenzgarage auch unmittelbar an den Bestand auf der FlNr. …/9 der Gemarkung G. angebaut werden. Es wäre bloße Förmelei, zunächst eine Grundstücksverschmelzung von der Beigeladenen zu 1 zu verlangen. Die Grenzgarage hält die 15 m Grenze ein, da sie nur mit einer Länge von 9 m, an der relevanten westlichen Grundstücksgrenze, die Abstandsflächen nicht einhält.
bb) Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf die Verletzung der nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften berufen. Denn nach der obergerichtlichen Rechtsprechung kann sich ein Nachbar nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu – gemessen am Schutzzweck der Vorschrift – schlechthin untragbaren, als Missstand (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayBO) zu qualifizierenden Verhältnissen führen (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2017 – 1 CS 17.918 – juris Rn. 10, sowie BVerwG, B.v. 14.10.2014 – 4 B 51.14 – juris zur Geltung des Grundsatzes von Treu und Glauben in der gesamten Rechtsordnung).
Der von den Klägern errichtete Carport hält die Grenzen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO nicht ein und durfte deswegen nicht ohne eigene Abstandsflächen grenzständig errichtet werden. Der Carport wurde ohne Baugenehmigung errichtet. Für die Prüfung der Einhaltung der Abstandsflächen ist die Situation zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich.
Nach den Feststellungen des Augenscheins ist die Wandhöhe des Carports der Kläger über 3 m. Unterer Bezugspunkt für die Ermittlung der Wandhöhe i. S. d. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO ist regelmäßig die natürliche Geländeoberfläche nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO. Künstliche Aufschüttungen und andere Geländeveränderungen können zwar durch Zeitablauf zu einer Änderung der „natürlichen“ Geländeoberfläche führen, aber nur wenn sie den Eindruck vermitteln, dass das Gelände seit jeher so vorhanden war (BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 1 ZB 15.1839 – juris Rn. 5).
Das Gelände auf dem klägerischen Grundstück wurde um ca. 1 m aufgeschüttet. Die Aufschüttung war beim Augenschein deutlich erkennbar und vermittelte nicht den Eindruck einer „natürlichen“ Geländeoberfläche. Damit ist die Aufschüttung im Bereich des Carports zur Ermittlung der Wandhöhe zu berücksichtigen. Auch ohne exakte Vermessung im Augenschein war für alle Beteiligten erkennbar, dass die Wandhöhe unter Berücksichtigung der Aufschüttung über 3 m liegt. Als Abstandsflächenverstoß durch die Beigeladene zu 1 kommt, da die genehmigte Garage der Beigeladene zu 1 die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 9 BayBO einhält, nur die Abweichung von den Abstandsflächen bezüglich der Überschneidung mit der übernommenen Abstandsfläche in Betracht. Die Überschneidung mit einer Fläche von ca. 0,55 m2 stellt aber eine weniger gewichtige Abweichung von der Abstandsflächen dar. Dass durch die geringfügige Überschneidung untragbare Missstände hervorgerufen werden, ist ausgeschlossen.
cc) Ob die erteilte Abweichung von den Abstandsflächen gegenüber den Klägern nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO rechtmäßig ist und die Kläger deswegen nicht in eigenen Rechten verletzt kann offen bleiben. Die Kläger können sich schon nicht darauf berufen.
g) Hochwasserrechtliche Auswirkungen sind nicht Teil des Prüfprogramms nach Art. 59 BayBO und mussten deswegen nicht geprüft werden (BayVGH, B.v. 6.2.2019 – 15 CS 18.2459 – juris Rn. 37, VG München, U.v. 3.7.2019 – M 9 K 18.3944 – juris Rn. 30). Die Baugenehmigung ist keine Schlusspunktentscheidung. Eine Verletzung nachbarschützenden Normen durch eine Baugenehmigung kommt nur in Betracht, soweit diese Vorschriften Teil des Prüfungsprogramms sind. Die Lage des Vorhabens im Verhältnis zu den bestehenden Gebäuden wurde im Rahmen der Ausnahmegenehmigung des § 78 Abs. 5 WHG berücksichtigt. Diese wurde von den Klägern nicht angefochten und ist deswegen bestandskräftig geworden. Es wurde darüber hinaus nicht substantiiert dargelegt, weshalb entgegen der wasserrechtlichen Ausnahmegenehmigung eine nachteilige Veränderung von Wasserstand und Abfluss bei Hochwasser zu erwarten sei. Die vorgesehene Retentionsmulde sollte den Retentionsraumverlust ausgleichen, sodass keine Nachteile zu befürchten sind.
Des Weiteren ist fraglich, ob sich die Kläger auf einen Verstoß gegen das wasserrechtliche Gebot der Rücksichtnahme überhaupt berufen könnten. Das Grundstück der Kläger liegt ebenfalls im festgesetzten Überschwemmungsgebiet. Die Baugenehmigung vom 4. Juli 2006 für den Anbau auf dem Grundstück der Kläger wurde mit der Auflage erteilt, dass das Grundstück nicht aufgefüllt oder weiter bebaut werden darf. Dies sollte ausdrücklich auch für baugenehmigungsfreie Anlagen gelten. Die Kläger errichteten dennoch ihren Carport und füllten das Gelände auf. Die Kläger selbst haben damit eine nachteilige Veränderung von Wasserstand und Abfluss bei Hochwasser herbeigeführt.
3. Die Kostenentscheidung fußt auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 159, 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene zu 1 hat sich aufgrund der Antragstellung in ein Kostenrisiko begeben, sodass es der Billigkeit entspricht, den Klägern ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Der Beigeladene zu 2 hat keinen Antrag gestellt, sodass es mangels Kostenrisiko nicht der Billigkeit entspricht, seine außergerichtlichen Kosten den Klägern aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.