Aktenzeichen W 5 K 17.1187
Leitsatz
1 Zu den Anforderungen, die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellen sind. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2 Vorschriften zum Maß der baulichen Nutzung und zur überbaubaren Grundstücksfläche dienen grundsätzlich ausschließlich dem öffentlichen Interesse. (Rn. 31 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
3 Zur Berücksichtigung von Abgrabungen bei der Bestimmung der Wandhöhe i.S.v. Art. 6 Abs. 4 BayBO. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen des Beigeladenen zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klägerin als Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt.
Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Anfechtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Bejahung der Klagebefugnis setzt voraus, dass es auf der Grundlage des Tatsachenvorbringens des Betroffenen zumindest möglich erscheint, dass dieser durch den angefochtenen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt wird (sog. Möglichkeitstheorie, vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1993 – 4 B 206/92 – juris).
Die Beigeladenenseite ist der Auffassung, dass es der Klage bereits an der Klagebefugnis fehle, weil die Rechte der Klägerin unter Zugrundelegung ihres Vorbringens offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein könnten. Darüber hinaus seien Beeinträchtigungen des Gemeinschaftseigentums, die die Klägerin als Wohnungseigentümergemeinschaft allein geltend machen könne, von der Klägerin nicht vorgebracht worden. Schließlich scheide eine Rechtsverletzung der Klägerin auch insoweit aus, als das klägerische Anwesen selbst unter Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschriften errichtet worden sei.
Im Falle der Anfechtung eines an einen anderen gerichteten begünstigenden Verwaltungsakts durch einen Dritten kann sich eine eigene, die Klagebefugnis begründende Rechtsposition aus einer im Verfahren zu prüfenden drittschützenden Norm ergeben. Ob eine die behördliche Entscheidung tragende Norm Dritten, die durch die Entscheidung betroffen werden, Schutz gewährt und Abwehrrechte einräumt, hängt vom Inhalt der jeweiligen Norm sowie davon ab, ob der Drittbetroffene in den mit der behördlichen Entscheidung gestalteten Interessenausgleich eine eigene schutzfähige Rechtsposition einbringen kann. Drittschutz vermitteln nur solche Vorschriften, die nach dem in ihnen enthaltenen, durch Auslegung zu ermittelnden Entscheidungsprogramm für die Behörde auch der Rücksichtnahme auf Interessen eines individualisierbaren, sich von der Allgemeinheit unterscheidenden Personenkreises dienen (st. Rspr. vgl. BVerwG, Ue.v. 19.9.1986 – 4 C 8/84 – u. 16.3.1989 – 4 C 36/85 – beide juris). Die drittschützende Wirkung einer Norm wird also durch eine sachliche – Gebot der Rücksichtnahme auf bestimmte Interessen Dritter – wie auch eine personale Komponente – Betroffensein eines nach dem Schutzzweck der Norm zu ermittelnden Personenkreises – bestimmt.
Hinzu kommt, dass die Gesamtheit der Wohnungseigentümer Inhaberin der das Gemeinschaftseigentum – dies sind das Grundstück sowie die Teile, Anlagen und Einrichtungen des Gebäudes, die nicht im Sondereigentum oder im Eigentum eines Dritten stehen (§ 1 Abs. 5 WEG) – betreffenden öffentlich-rechtlichen Abwehrrechte ist (vgl. König in Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 66 Rn. 12). Demgegenüber kann der einzelne Wohnungseigentümer (§ 1 Abs. 2 WEG) grundsätzlich baurechtliche Nachbarrechte aus eigenem Recht nach § 13 Abs. 1 Halbs. 2 WEG geltend machen, wenn eine konkrete Beeinträchtigung seines Sondereigentums im Raum steht (vgl. BayVGH, U.v. 12.7.2012 – 2 B 12.1211 – juris unter Verweis auf BVerwG, B.v. 20.8.1992 – 4 B 92/92 – juris; BayVGH, B.v. 2.10.2003 – 1 CS 03.1785 – BayVBl. 2004, 664; B.v. 11.2.2004 – 2 CS 04.18 – juris; B.v. 10.6.2008 – 2 CS 08.1298 – juris; B.v. 21.1.2009 – 9 CS 08.1330-1336 – juris; B.v. 22.3.2010 – 15 CS 10.352 – juris). Gegenstand des Sondereigentums sind die gemäß § 3 Abs. 1 WEG bestimmten Räume (eine bestimmte Wohnung oder nicht zu Wohnzwecken dienende bestimmten Räume) sowie die zu diesen Räumen gehörenden Bestandteile des Gebäudes, die verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch das gemeinschaftliche Eigentum oder ein auf Sondereigentum beruhendes Recht eines anderen Wohnungseigentümers über das nach § 14 WEG zulässige Maß hinaus beeinträchtigt oder die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird (§ 5 Abs. 1 WEG).
Die Klägerin macht neben der Verletzung des Abstandsflächenrechts sowie des Gebots der Rücksichtnahme auch die Unbestimmtheit der streitgegenständlichen Baugenehmigung und die Verletzung von Brandschutz- und Stellplatzvorschriften geltend. Hierbei stützt sie sich jedenfalls teilweise auf die Verletzung drittschützender Vorschriften, wobei eine Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums zumindest möglich erscheint. So steht bereits der Teilbereich des klägerischen Grundstücks, auf das nach dem Vortrag der Klägerin die östliche Abstandsfläche des Erweiterungsbaus falle, im Gemeinschaftseigentum der Klägerin. Darüber hinaus führt auch die angegriffene Feuerwehrzufahrt über einen Teilbereich des klägerischen Grundstücks, das im Gemeinschaftseigentum der Klägerin steht. Aus Sicht der Kammer besteht damit zumindest die Möglichkeit, dass (auch) das Gemeinschaftseigentum der Klägerin berührt ist, womit die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO zu bejahen ist.
2. Die Klage ist aber unbegründet. Die Baugenehmigung der Beklagten vom 31. August 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Einem Nachbarn des Bauherrn steht ein Anspruch auf Versagung der Baugenehmigung grundsätzlich nicht zu. Er kann eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (s. bereits oben).
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Bei Sonderbauten prüft die Bauaufsichtsbehörde gemäß Art. 60 Satz 1 BayBO unter anderem die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB (Nr. 1) sowie Anforderungen nach den Vorschriften der Bayerischen Bauordnung und auf Grund dieses Gesetzes (Nr. 2).
2.1. Die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt keine drittschützenden Vorschriften des Bauplanungsrechts.
Ausgangspunkt der bauplanungsrechtlichen Beurteilung des Vorhabens des Beigeladenen ist § 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 BauGB. Das Baugrundstück und das Grundstück der Klägerin liegen im Geltungsbereich des einfachen „Bebauungsplan ‚Sophienstraße‘ – Sanderau für das Gebiet zwischen Friedrich-Ebert-Ring, Schiller-, Frieden-, Franz-Ludwig- und Weingartenstraße“ vom 16. Juli 1986/21. Januar 1987, der u.a. ein allgemeines Wohngebiet und vordere Baugrenzen und Baulinien festsetzt.
Das Bauvorhaben entspricht gemäß § 30 Abs. 3 BauGB den Festsetzungen dieses Bebauungsplans. Es ist seiner Art nach in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO als Anlage für gesundheitliche Zwecke allgemein zulässig und liegt vollständig innerhalb der vorgegebenen vorderen Baugrenzen. Der Bebauungsplan legt schließlich gerade keine seitlichen oder rückwärtigen Baugrenzen fest, die dem Vorhaben entgegenstehen.
Im Übrigen fügt sich das Vorhaben gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein und verletzt das darin enthaltene Gebot der Rücksichtnahme nicht zu Lasten der Klägerin.
Das Gebot der Rücksichtnahme (grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22/75 – BVerwGE 52, 122) soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten. Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen im Wesentlichen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dies beurteilt sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmeberechtigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die der Klägerin aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihr als Nachbarin billigerweise noch zumutbar ist (Mitschang/Reidt in Battis/ Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 13. Aufl. 2016, § 35 Rn. 78).
Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Bauvorhaben des Beigeladenen in seinen Auswirkungen auf das Grundstück der Klägerin auch in ihrer Summe im Ergebnis nicht als rücksichtslos. Weder mit der Höhe noch mit der Größe, der Lage oder der Nähe des Vorhabens ist eine so erhebliche Belastung bzw. Einschränkung von Nutzungsmöglichkeiten für das Grundstück der Klägerin verbunden, dass sie durch die erteilte Baugenehmigung in ihren geschützten Rechten verletzt wäre. Die vorgelegten Planunterlagen geben keine Hinweise darauf, dass das Grundstück der Klägerin erhebliche Einbußen an Belichtung, Belüftung und Besonnung, Wohnruhe oder Wohnfrieden erfahren wird. Schließlich kann nicht die Rede davon sein, dass das Bauvorhaben des Beigeladenen eine erdrückende oder einmauernde Wirkung hervorruft. Die seitens der Klägerin darüber hinaus gerügten objektiven Rechtsverstöße führen zu keinem anderen Ergebnis. Im Einzelnen:
Das Vorhaben fügt sich insgesamt – auch unter Berücksichtigung des bestehenden Alt- und Zwischenbaus – nach seinem Maß der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Unabhängig davon, dass die Vorschriften zum Maß der baulichen Nutzung grundsätzlich – wie auch hier – ausschließlich dem öffentlichen Interesse zur städtebaulichen Ordnung dienen (vgl. BVerwG, B.v. 19.10.1995 – 4 B 215/95 – BauR 1996, 82; B.v. 11.3.1994 – 4 B 53/94 – NVwZ 1994, 1008; Dirnberger in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 132. EL Dezember 2018, Art. 66 Rn. 356 ff.) und sich die Klägerin auf einen dahingehenden Verstoß mangels Drittschutzes der betreffenden Vorschriften schon nicht berufen könnte, liegt ein solcher auch nicht vor. Für das Maß der baulichen Nutzung ist auf die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung abzustellen, also insbesondere auf die flächenmäßige Ausdehnung, die Geschosszahl und die Höhe der baulichen Anlage (vgl. § 16 Abs. 2 BauNVO; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 131. EL Oktober 2018, § 34 Rn. 40 m.V.a. BVerwG, U.v. 23.3.1994 – 4 C 18.92; B.v. 21.6.1996 – 4 B 84.96; B.v. 26.7.2006 – 4 B 55.06; B.v. 21.6.2007 – 4 B 8.07; alle juris). Während der fünfgeschossige Alt- und zweigeschossige Zwischenbau insoweit unverändert bleiben, kommt mit dem Erweiterungsbau ein dreigeschossiges Gebäude hinzu, das mit seiner Höhe von bis zu 10,00 m noch deutlich hinter der umgebenden, meist vier- oder fünfgeschossigen Bebauung und auch deutlich hinter dem fünfgeschossigen klägerischen Anwesen zurückbleibt. Unter Berücksichtigung der gesamten Grundfläche ergibt sich eine absolute Größe des Vorhabens, die den durch die nähere Umgebung vorgegebenen Rahmen nicht sprengt. So befinden sich in unmittelbarer Umgebung zu dem Baugrundstück vergleichbare Gebäudekomplexe, beispielsweise nordöstlich des Baugrundstücks auf den Fl.Nrn. …4/2 und …5/2 der Gemarkung Würzburg und auch im Bereich des von der Weingarten-, Amalien-, Franz-Ludwig-Straße und der Traubengasse umgrenzten Bauquartiers südwestlich des Baugrundstücks (vgl. z.B. amtlichen Lageplan v. 8.5.2017). Schließlich bleibt festzustellen, dass das Vorhaben insbesondere auch das in der näheren Umgebung vorhandene Verhältnis zur umgebenden Freifläche wahrt. Insoweit weisen die westlich und nördlich des streitgegenständlichen Bauquartiers vorhandenen Freiflächen deutlich geringere Ausmaße auf.
Das Vorhaben fügt sich zudem hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Auch diese Vorschriften dienen grundsätzlich – wie auch hier – ausschließlich dem öffentlichen Interesse zur städtebaulichen Ordnung (vgl. BVerwG, B.v. 19.10.1995 – 4 B 215/95 – BauR 1996, 82; U.v. 19.9.1986 – 4 C 8/84 – BauR 1987, 70) und können von der Klägerin mangels Drittschutzes der betreffenden Vorschriften nicht gerügt werden. Letztlich weist aber das Bauquartier der Klägerin und des Beigeladenen auch keine faktischen hinteren Baugrenzen auf. Denn einerseits ragt der bauaufsichtlich genehmigte Zwischenbau des Beigeladenen bereits weit in den rückwärtigen Bereich des gemeinsamen Bauquartiers hinein. Andererseits sind auch die Grundstücke mit den Fl.Nrn. …1/6 und …3 der Gemarkung Würzburg in ihren rückwärtigen Bereichen bebaut und die vorhandene Bebauung in dem Quartier besteht so versetzt, dass sich keine einheitliche Linie ergibt, die sich als Baugrenze heranziehen ließe. Schließlich begegnet das Vorhaben darüber hinaus hinsichtlich seiner räumlichen Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung und hinsichtlich der konkreten Größe seiner Grundfläche keinen Bedenken.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots (auch) dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zu 2,5-geschossigem Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – juris Rn. 15: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; vgl. auch BayVGH, B.v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770 – juris; B.v. 5.7.2011 – 14 CS 11.814 – juris). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind u.a. die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Darüber hinaus haben die vom Abstandsflächenrecht geschützten Belange einer ausreichenden Belichtung, Belüftung, Besonnung und Wahrung des Wohnfriedens auch städtebauliche Bedeutung (BVerwG, U.v. 16.5.1991 – 4 C 17/90 – NVwZ 1992, 165). Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot, das selbstständig neben den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften zu prüfen ist, im Hinblick auf die genannten Belange auch dann verletzt sein kann, wenn die Abstandsflächenvorschriften eingehalten sind (BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128/98 – NVwZ 1999, 879; s.a. BayVGH, B.v. 21.1.2008 – 15 ZB 06.2304 – juris). Mit diesem Grundsatz lässt sich zwar nicht im Umkehrschluss bei jedem Verstoß gegen Abstandsflächenvorschriften ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot herleiten; diesbezüglich kommt es vielmehr stets auf die tatsächlichen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls an (BayVGH, B.v. 9.10.2006 – 26 ZB 06.1926 – juris). Es ist aber zumindest bei offenkundig nicht eingehaltenen Abstandsflächen zu prüfen, ob hierin nicht zugleich auch eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme gesehen werden kann (Wolf in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Art. 59 Rn. 43).
Dass das Bauvorhaben des Beigeladenen der Klägerin gegenüber eine erdrückende bzw. einmauernde Wirkung entfaltet, ist ersichtlich auszuschließen. Eine solche Wirkung des neu zu errichtenden Erweiterungsbaus der Altenpflegeeinrichtung des Beigeladenen mit einer Gebäudehöhe von bis zu 10,00 m auf das Wohnhaus der Klägerin mit einer Gebäudehöhe von 18,14 m scheidet sowohl von den Ausmaßen als auch bzgl. der baulichen Gestaltung aus. Für die Annahme einer erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes ist kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als das betroffene Gebäude (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris). Hinzu kommt, dass das klägerische Grundstück aufgrund des leichten Geländeabfalls höher liegt als das Baugrundstück des Beigeladenen. Auch von offenkundig nicht eingehaltenen Abstandsflächen kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Eine ausreichende Belichtung und Belüftung des Anwesens der Klägerin bleibt erhalten und eine Beeinträchtigung des Wohnfriedens und der Wohnruhe durch die entstehenden Einsichtsmöglichkeiten ist nicht gegeben. Dies ergibt sich einerseits aus der vergleichsweise niedrigen Höhe des neu zu errichtenden Erweiterungsbaus, andererseits aber auch daraus, dass der geplante Neubau sowie das Anwesen der Klägerin zwischen ca. 23 m und über 29 m weit entfernt voneinander liegen. Damit werden selbst im Erdgeschoss des klägerischen Anwesens ein Lichteinfallswinkel von mindestens 45° und insgesamt auch der notwendige Sozialabstand eingehalten. Im Übrigen ist die gesamte nähere innerstädtische Umgebung des Baugrundstücks davon geprägt, dass Abstandsflächen in ihrer vollständigen Tiefe nicht eingehalten werden. Von dem Vorhaben des Beigeladenen gehen demgegenüber weit weniger Beeinträchtigungen aus.
Die Klägerin kann schließlich aus dem Umstand, dass das Baugrundstück des Beigeladenen bisher zum Teil nicht bebaut war, genauso wenig eine Schutzwürdigkeit ableiten, wie aus dem Umstand, dass die Beklagte zuvor in anderen Baugenehmigungsverfahren eine Bebauung ebendieser Grundstücke abgelehnt hat. An frühere Einschätzungen in anderen Baugenehmigungsverfahren ist die Beklagte nicht gebunden. Soweit die Klägerin auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg (B.v. 27.3.2017 – 2 Bs 51/17 – juris) verweist, kann diese auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden. Während dort ein Bauvorhaben auf einer nicht überbaubaren Fläche eines Blockinnenbereichs errichtet werden sollte, liegt der neu zu errichtende Erweiterungsbau hier im – nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften bebaubaren – rückwärtigen Bereich eines Bauquartiers. Das streitgegenständliche Vorhaben fügt sich im vorliegenden Fall nach seiner überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung ein (s.o.). Die Bebauung im rückwärtigen Bereich des Bauquartiers bleibt mit dem Vorhaben insgesamt in einem angemessenen Verhältnis zu der umgebenden Bebauung. Eine Vergleichbarkeit der beiden Fallkonstellationen ist daher nicht gegeben.
Vor diesem Hintergrund können die seitens der Klägerin darüber hinaus gerügten objektiven Rechtsverstöße – unabhängig von ihrem tatsächlichen Vorliegen (s. dazu unten) – zu keinem anderen Ergebnis führen. Das Vorhaben fügt sich in die Eigenart der näheren Umgebung ein und ruft keine (erheblichen) Beeinträchtigungen der von dem Gebot der Rücksichtnahme umfassten nachbarlichen Belange hervor. Eine eigenständige Bedeutung kommt den gerügten objektiven Rechtsverstößen im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme schließlich nicht zu.
2.2. Die Klägerin kann sich darüber hinaus nicht mit Erfolg auf eine Verletzung drittschützender und im Baugenehmigungsverfahren zu prüfender Vorschriften des Bauordnungsrechts berufen.
2.2.1. Die Klägerin kann insbesondere eine Verletzung der Vorschriften des Abstandsflächenrechts nach Art. 6 BayBO nicht erfolgreich rügen.
Bei der Berechnung der Abstandsflächentiefe für die östliche Außenwand des neu zu errichtenden Erweiterungsbaus hat die Beklagte zu Recht hinsichtlich des unteren Bezugspunkts der anzusetzenden Wandhöhe auf das vorhandene natürliche und nicht auf das geplante Gelände abgestellt. Die durch die östliche Außenwand des neu zu errichtenden Erweiterungsbaus ausgelöste Abstandsfläche liegt daher vollständig auf dem Baugrundstück.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Diese Abstandsflächen müssen auf dem Grundstück selbst liegen, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO. Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 BayBO nach der Wandhöhe, wobei von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut gemessen wird. Unterer Bezugspunkt für die Ermittlung der Wandhöhe ist die Geländeoberfläche. Dies ist die Schnittlinie, die das Gelände unmittelbar mit der Außenfläche der Gebäudewand bildet. Dabei ist grundsätzlich auf die natürliche Geländeoberfläche abzustellen. Natürliche Geländeoberfläche ist die gewachsene und nicht die durch Aufschüttungen oder Abgrabungen veränderte Geländeoberfläche. Geländeoberfläche im Sinne des Abstandsflächenrechts ist weiterhin in besonderen Fällen die im Bebauungsplan oder auch im Einzelfall von der Bauaufsichtsbehörde im Rahmen der Baugenehmigung festgelegte Geländeoberfläche (Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Art. 6 Rn. 168 ff.). Auch Abgrabungen können für die Bestimmung des unteren Bezugspunkts zur Ermittlung der Wandhöhe zu berücksichtigen sein (vgl. BayVGH, B.v. 23.12.2013 – 15 CS 13.2479 – juris). Dies gilt allerdings nicht für jedwede Abgrabung. Genehmigte untergeordnete Vertiefungen nur vor einem Teil einer Außenwand, die dem Baukörper unmittelbar zugeordnet sind, technisch mit dem Baukörper verbunden sind und der Funktion der angrenzenden Räume dienen, wie z.B. Kellerlichtschächte oder Kellereingangstreppen, bleiben unberücksichtigt (Schönfeld in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, März 2019, Art. 6 Rn. 139 unter Bezugnahme auf BayVGH, B.v. 27.7.1998 – 14 B 97.157; OVG Magdeburg, B.v. 24.1.2012 – 2 M 157/11 – beide juris). Bei größeren Abgrabungen, die häufig der Schaffung von Aufenthaltsräumen in Untergeschossen dienen, ist das durch die Abgrabung geschaffene Geländeniveau der untere Bezugspunkt zur Ermittlung der Wandhöhe (zu allem Schönfeld in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Art. 6 Rn. 139 unter Bezugnahme auf BayVGH, B.v. 23.12.2013 – 15 CS 13.2479 – juris; Thüringer OVG, B.v. 19.3.2018 – 1 EO 770/17; beide juris; vgl. auch OVG Münster, B.v. 27.6.1995 – 7 B 1413/95 – juris m.w.N.). Auf die (bisherige) natürliche Geländeoberfläche kann dann nicht mehr abgestellt werden, wenn sie durch Abgrabungen weitgehend und auf Dauer beseitigt worden ist und damit als Bezugsgröße für die Ermittlung der Wandhöhe ausscheidet (vgl. Thüringer OVG, B.v. 19.3.2018 – 1 EO 770/17 – juris). Es ist insbesondere für die Bemessung der Wandhöhe nicht auf eine fiktive Geländeoberfläche abzustellen, die nach Maßgabe der Bauvorlagen ersichtlich dauerhaft beseitigt werden soll. Liegt das Nachbargrundstück tiefer als das Baugrundstück und gräbt der Bauherr das zum Nachbargrundstück weisende Gelände dauerhaft ab, so ist die Wandhöhe seines Gebäudes von der geplanten neuen Geländeoberfläche ausgehend zu berechnen (BayVGH, B.v. 23.12.2013 – 15 CS 13.2479 – juris). Zu berücksichtigen ist ebenfalls, inwieweit die Abgrabung eine größere bauliche Ausnutzung des Baugrundstücks zur Folge hat (vgl. Thüringer OVG, B.v. 19.3.2018 – 1 EO 770/17 – juris).
Nach den eingereichten Plänen soll das Gelände vor der hier in Frage stehenden östlichen Außenwand des neu zu errichtenden Erweiterungsbaus auf einer Länge von knapp 20 m von 0,00 m (aufsteigend) bis zu 1,23 m tief abgegraben werden, wobei das vorhandene natürliche Gelände in Richtung zum klägerischen Grundstück nach 2,00 m und über ein 0,50 m breites Gefälle wieder aufgenommen wird. Hierdurch wird jeweils ein ebenerdiger Zugang zu den im Erdgeschoss befindlichen Wohnungen hergestellt; im Übrigen (mit einer Tiefe zwischen ca. 5 m und 10 m) bleibt das Gelände in Richtung zum klägerischen Grundstück unverändert.
Es bleibt festzustellen, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung keine Festlegung einer geänderten Geländeoberfläche enthält (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2001 – 1 CS 01.1612 – juris). Die geplante Abgrabung ist nach ihren Ausmaßen zudem so untergeordnet, dass sie bei der Bemessung der Wandhöhe außer Betracht bleibt und weiterhin auf das vorhandene natürliche Gelände abzustellen ist. Denn mit Blick auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Be.v. 11.12.2014 – 15 CS 14.1710; 23.12.2013 – 15 CS 13.2479; 27.7.1998 – 14 B 97.157; alle juris) ergibt sich, dass eine solche Fallkonstellation, in der die geplante Abgrabung bei der Berechnung der Abstandsflächentiefe zu berücksichtigen ist – vorliegend gerade nicht gegeben ist. Einerseits wird hier das vorhandene natürliche Gelände nicht großflächig und bis zur Grundstücksgrenze der Klägerin hin dauerhaft beseitigt. Das natürliche Gelände wird nämlich bereits in einem Abstand von 2,00 m vor der Außenwand wieder aufgenommen und über eine Entfernung von mindestens 5,00 m zur Grundstücksgrenze zum klägerischen Grundstück unverändert belassen. Die Baugenehmigungsbehörde hat deshalb gerade nicht auf ein fiktives, weil dauerhaft und großflächig beseitigtes Gelände als unteren Bezugspunkt der Wandhöhe abgestellt, sondern auf ein konkret vorhandenes, von der betreffenden Außenwand lediglich geringfügig zurückgesetztes Gelände. Andererseits liegt hier das Gelände des Baugrundstücks nicht nur nicht deutlich höher als das des klägerischen Grundstücks. Das Gelände fällt vielmehr ausgehend vom Anwesen der Klägerin in Richtung des Baugrundstücks leicht ab (vgl. „Südansicht Erweiterung“). Im Hinblick auf die durch die Abgrabung geschaffene größere Ausnutzbarkeit des Baugrundstücks bleibt zudem festzustellen, dass durch die Abgrabung keine Aufenthaltsräume in Untergeschossen geschaffen werden sollen. Ermöglicht werden lediglich ebenerdige Zugänge zu den im Erdgeschoss geplanten Wohnungen. Dabei können diese Wohnungen samt Fenster unabhängig von der Abgrabung verwirklicht werden; denn die Fenster liegen allesamt über dem natürlichen Gelände (vgl. „Ostansicht Erweiterung“; anders liegt der Fall in der Entscheidung des OVG Saarlouis, B.v. 13.10.1998 – 2 W 7/98 – juris). Zwar geht die Abgrabung mit ihren Ausmaßen über einen bloßen Kellerlichtschacht oder eine Kellereingangstreppe hinaus. Sie weist aber dennoch insgesamt einen geringen Umfang auf, ist dem Bauvorhaben unmittelbar zu- und untergeordnet und dient der Funktion der angrenzenden Räume, sodass sie nach Auffassung der Kammer bei der Ermittlung der Wandhöhe nicht zu berücksichtigen ist. Alleine aufgrund der geschaffenen ebenerdigen Zugänge sind keine – über die aufgrund der geplanten Fenster ohnehin vorhandenen – erheblich hinausgehenden Beeinträchtigungen abstandsflächenrechtlicher Belange zu erwarten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf etwaige Einblicksmöglichkeiten und Geräusche (vgl. OVG Saarlouis, B.v. 13.10.1998 – 2 W 7/98 – juris), die zudem durch die niedrigere Lage des Baugrundstücks und das wieder aufgenommene natürliche Gelände teilweise abgeschirmt werden.
Lediglich hilfsweise und ohne dass es hierauf noch ankäme, ist auszuführen, dass die Kammer darüber hinaus dem von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Rechtssatz folgt, dass sich ein Nachbar nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegenüber einer Baugenehmigung in der Regel nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift berufen kann, wenn auch die Bebauung auf seinem Grundstück den Anforderungen dieser Vorschrift nicht entspricht und wenn die beidseitigen Abweichungen etwa gleichgewichtig sind und nicht zu – gemessen am Schutzzweck der Vorschrift – schlechthin untragbaren, als Missstand (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BayBO) zu qualifizierenden Verhältnissen führen (vgl. BayVGH, U.v. 4.2.2011 – 1 BV 08.131; VGH Mannheim, B.v. 29.9.2010 – 3 S 1752/10; beide juris). Nach diesem Maßstab stünde der Klägerin das geltend gemachte Abwehrrecht auch dann nicht zu, wenn die Abstandsflächen des neu zu errichtenden Erweiterungsbaus in dem gerügten Umfang auf das Grundstück der Klägerin zum Liegen kämen. Denn aufgrund der – nach Erteilung der Baugenehmigung für das klägerische Anwesen vom 6. August 1992 vorgenommenen – Teilung des klägerischen Grundstücks liegt nunmehr die Abstandsfläche der nordwestlichen Außenwand des klägerischen Anwesens, für die in der Baugenehmigung keine Abweichung erteilt worden war, jedenfalls auf einer Länge von ca. 12,50 m und einer Breite von ca. 0,44 m (ohne Berücksichtigung des umlaufenden Dachvorsprungs von ca. 1,00 m Breite), mithin in einem Umfang von insgesamt ca. 5,50 m², auf dem Baugrundstück. Während das klägerische Gebäude nämlich ca. 16,20 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze entfernt errichtet ist, löst dessen Dachgeschoss, das gegenüber den darunter liegenden Geschossen um ca. 1,50 m zurückspringt, ausweislich der Planunterlagen eine Abstandsflächentiefe von 18,14 m aus, wobei der umlaufende Dachvorsprung von ca. 1,00 m noch unberücksichtigt bleibt. Bei einer Berücksichtigung des umlaufenden Dachvorsprungs – die nach Auffassung der Kammer auch erforderlich ist – liegt die Abstandsfläche sogar in einem Umfang von insgesamt ca. 20,88 m² (1,44 m Breite, 14,50 m Länge) auf dem Baugrundstück. Der Umfang der von der Klägerin gerügten Abstandsflächenunterschreitung durch die östliche Außenwand des neu zu errichtenden Erweiterungsbaus beträgt demgegenüber insgesamt lediglich ca. 2,54 m². Damit hält die Wohnanlage der Klägerin gegenüber dem Grundstück des Beigeladenen die Abstandsflächen in einem weit größeren Ausmaß nicht ein wie die Klägerin dies bei dem streitgegenständlichen Vorhaben im Hinblick auf die östliche Außenwand des neu zu errichtenden Erweiterungsbaus rügt. Es käme schließlich durch die beidseitige Nichteinhaltung der Abstandsflächenvorschriften nicht zu schlechthin untragbaren, als Missstand zu qualifizierenden Verhältnissen (vgl. bereits unter 2.1.). Darauf, dass das Anwesen der Klägerin bestandskräftig bauaufsichtlich genehmigt ist und der – zunächst nicht vorliegende – Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschriften auf Seiten der Klägerin durch die Teilung ihres Grundstücks begründet wurde, kommt es dabei nicht an. Denn alleine der mit einer Baugenehmigung verbundene formelle Bestandsschutz steht dem Einwand des treuwidrigen Verhaltens jedenfalls nicht entgegen (vgl. Schönfeld in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 10. Auflage 2019, Art. 6 Rn. 297 m.w.N.). Darüber hinaus hat die Klägerin durch die Teilung ihres Grundstücks den nunmehr vorliegenden Verstoß gegen die nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften auch selbst herbeigeführt. Schließlich entfällt der Vorwurf treuwidrigen Verhaltens auch nicht dadurch, dass das Gebäude des sich wehrenden Nachbarn im Einklang mit dem (damals geltenden) Abstandsflächenrecht errichtet worden ist (vgl. z.B. VGH Mannheim, U.v. 18.11.2002 – 3 S 882/02; OVG Lüneburg, B.v. 30.3.1999 – 1 M 897/99; OVG Schleswig-Holstein, U.v. 15.12.1992 – 1 L 118/91; alle juris). Denn der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken der wechselseitigen Rücksichtnahme und des Austauschs. Nicht alleine schon aus der Verletzung nachbarschützender Normen ergibt sich der Abwehranspruch des Nachbarn, sondern erst aus der tatsächlichen Störung des nachbarlichen Gleichgewichts (vgl. Schönfeld in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Art. 6 Rn. 297). Eine solche ist aber zu Lasten der Klägerin jedenfalls nicht gegeben.
Im Hinblick auf den Alt- und den Zwischenbau, die in ihrem äußeren Bestand unverändert bleiben und deren Nutzungsintensität im Vergleich zu vorher sogar vermindert wird (die Anzahl der Betten sinkt nach der eingereichten Planung im Altbau um dreizehn und im Zwischenbau um zwei Betten), wird eine abstandsflächenrechtliche Neubetrachtung wegen möglicher nachteiliger Auswirkungen auf die durch das Abstandsflächenrecht geschützten Belange nicht notwendig (vgl. Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Art. 6 Rn. 14 ff.; BayVGH, B.v. 9.10.2003 – 25 CS 03.897 – juris Rn. 22). Durch die Neuerrichtung des Erweiterungsbaus werden keine abstandsflächenrechtlich erheblichen baulich-konstruktiven Änderungen vorgenommen. Insbesondere wird durch den Anbau keine neue, einheitliche Außenwand hergestellt. Die in Bezug auf Verletzungen des Abstandsflächenrechts durch den Alt- bzw. den Zwischenbau vorgebrachten Einwendungen der Klägerin können aus diesen Gründen nicht zum Erfolg führen. Von einer Darstellung der Abstandsflächen der Bestandsgebäude in den genehmigten Plänen konnte insoweit abgesehen werden. Auch die von der Klägerseite gerügte abweichende tatsächliche Gebäudehöhe des Bestandsgebäudes hat bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung außer Betracht zu bleiben.
Soweit die Klägerin vorbringt, dass die Konstruktionshöhen des neu zu errichtenden Erweiterungsbaus unter Berücksichtigung der Vorgaben der EnEV 2016 gemäß der genehmigten Eingabeplanung offenkundig zu gering bemessen seien und damit ein Abstandsflächenverstoß gegenüber dem klägerischen Grundstück vorprogrammiert sei, hat auch dies bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung außer Betracht zu bleiben. Die Baugenehmigung hat alleine die konkrete und mit Genehmigungsvermerk verzeichnete Planung zum Gegenstand. Sie erlaubt demgegenüber nicht auch eine (leicht) abweichende bzw. (besser) realisierbare Ausführung des Vorhabens.
Soweit die Klägerin schließlich rügt, dass die Abstandsflächen zwischen Anbau und Bestand in den Bereichen, in denen der sogenannte Anbau den Bestandszwischenbau überbaue, nicht vollständig dargestellt seien, weil auch das zweite Obergeschoss des neu zu errichtenden Erweiterungsbaus mit seinen nördlichen Wandbereichen Abstandsflächen auslöse, und die Abstandsflächenvorschriften in diesem Bereich nicht eingehalten würden, weil sie die nordwestlich und nordöstlich des Überbaus anfallenden Abstandsflächen überlappten, verhilft auch das der Klage nicht zum Erfolg. Einerseits dürfen sich Abstandsflächen, die in einem Winkel von mehr als 75° zueinander stehen, überdecken, Art. 6 Abs. 3 Nr. 1 BayBO. Dass die von dem Überbau ausgelösten Abstandsflächen auf den Bestandszwischenbau fallen, begegnet schließlich auch keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Art. 6 Rn. 222 ff.). Andererseits berührt die Tatsache, dass von einer Darstellung der an der nördlichen Außenwand des neu zu errichtenden Erweiterungsbaus anfallenden Abstandsflächen abgesehen wurde, ersichtlich keine nachbarlichen Belange der Klägerin. Ebenso wenig werden die nachbarlichen Belange der Klägerin dadurch berührt, dass sich die Abstandsflächen nordwestlich – auf der dem klägerischen Anwesen abgewandten Seite – des neu zu errichtenden Erweiterungsbaus mit denen der gegenüberliegenden Außenwand des Bestandszwischenbaus überlappen. Im Übrigen hat die Baugenehmigungsbehörde insoweit auch eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften zugelassen. Eine Verletzung der Rechte der Klägerin aufgrund dieser Abweichung ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
2.2.2. Die von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen gegen den geforderten Stellplatznachweis von 16 Pkw-, 8 Motorrad- und 15 Fahrradstellplätzen (Nr. 2071a der Baugenehmigung vom 31. August 2017) bleiben ohne Erfolg.
Die Pflicht zur Herstellung einer ausreichenden Zahl von Stellplätzen soll nicht den Nachbarn schützen; die Vorschrift dient vielmehr ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr. Rechte der Nachbarn werden nur verletzt, wenn die Genehmigung eines Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze zu Beeinträchtigungen führt, die dem Nachbarn bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind. Das kann etwa der Fall sein, wenn der durch den Stellplatzmangel bewirkte Park- oder Parksuchverkehr den Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt oder wenn die bestimmungsgemäße Nutzung des Nachbargrundstücks nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287; BayVGH, B.v. 15.11.2010 – 2 ZB 09.2191; beide juris; Würfel in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Art. 47 Rn. 47). Dies zugrunde gelegt kann die Klägerin vorliegend eine Verletzung der Pflicht zur Herstellung einer ausreichenden Zahl von Stellplätzen mangels Drittschutz der Vorschriften des Art. 47 Abs. 1 und Abs. 2 BayBO i.V.m. der Stellplatzsatzung der Beklagten vom 25. März 2014 bereits nicht mit Erfolg gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung einwenden. Darüber hinaus hat die Klägerin auch keine besonderen Beeinträchtigungen geltend gemacht.
Unabhängig davon und ohne dass es hierauf noch entscheidend ankäme, soll die Altenpflegeeinrichtung ausweislich der genehmigten Planunterlagen mit insgesamt 76 Betten ausgestattet werden. Diese Zahl hat die Beklagte ihrer „ausführlichen Stellplatzberechnung“ (Bl. 13 d. Verfahrensakte 1570/17) zugrunde gelegt und unter Anwendung der Stellplatzsatzung der Beklagten vom 25. März 2014 einen Stellplatzbedarf über 16 Pkw-, 8 Motorrad- und 15 Fahrradstellplätze berechnet. In der streitgegenständlichen Baugenehmigung hat sie einen entsprechenden Nachweis gefordert. Einen höheren Stellplatzbedarf für die genehmigten 76 Betten in der Altenpflegeeinrichtung bzw. eine daraus resultierende Beeinträchtigung ihrer nachbarlichen Belange hat die Klägerin nicht schlüssig vorgetragen; beides ist vorliegend auch nicht ersichtlich.
2.2.3. Soweit die Klägerin eine Nichteinhaltung der Brandschutzbestimmungen rügt, führt auch dies nicht zum Erfolg der Klage.
Der Brandschutz wurde im Baugenehmigungsverfahren nicht bauaufsichtlich geprüft, sondern wird durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt (vgl. Bl. 2 und 141 d. Verfahrensakte 1570/17). Werden bautechnische Nachweise durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt, gelten die entsprechenden Anforderungen auch in den Fällen des Art. 63 BayBO als eingehalten, Art. 62 Abs. 1 Satz 4 BayBO. Mangels bauaufsichtlicher Prüfung dieser Vorschriften und weil sich der Prüfungsrahmen der Baugenehmigung nicht auf sie erstreckt, kann ein entsprechender Verstoß gegen die Baugenehmigung nicht eingewendet werden.
Unabhängig davon und ohne dass es hierauf noch entscheidend ankäme, dienen die Regelungen betreffend die Feuerwehrzufahrt auch nicht dem Schutz des Nachbarn. Die Anforderungen an eine geeignete Feuerwehrzufahrt sollen schnelle und wirksame Brandbekämpfungsmaßnahmen vor Ort ermöglichen; sie bezwecken damit den Schutz der auf dem Baugrundstück vorhandenen Anlagen sowie deren Benutzer. Sie dienen grundsätzlich nicht dem Schutz von Nachbargrundstücken und der darauf befindlichen baulichen Anlagen (vgl. VG München, U.v. 5.2.2018 – M 8 K 17.1285 – juris; s.a. Strohhäker in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Art. 5 Rn. 3 m.V.a. VG München, B.v. 1.10.2012 – M 8 SN 12.3614 – juris). Im Übrigen ist die Klägerin vor dem Übergreifen eines Gebäudebrandes vonseiten des Baugrundstücks – angesichts der Lage des neu zu errichtenden Erweiterungsbaus – ausreichend geschützt.
2.3. Die Klägerin kann auch die Unbestimmtheit der streitgegenständlichen Baugenehmigung nicht mit Erfolg rügen.
Wie jeder Verwaltungsakt muss die Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, Art. 68 BayBO). Sie muss das genehmigte Vorhaben, insbesondere Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung, eindeutig erkennen lassen, damit die am Verfahren Beteiligten (vgl. Art. 13 Abs. 1 BayVwVfG) die mit dem Genehmigungsbescheid getroffene Regelung nachvollziehen können. Hinreichend bestimmt ist eine Baugenehmigung danach in objektiv-rechtlicher Hinsicht, wenn die getroffene Regelung für jeden Beteiligten – gegebenenfalls nach objektivierender Auslegung – eindeutig zu erkennen ist und deshalb keiner unterschiedlichen Bewertung zugänglich ist. Was Gegenstand der Baugenehmigung sein soll, bestimmt der Bauherr durch seinen Bauantrag. Der Inhalt der Baugenehmigung ergibt sich aus der Bezeichnung, den Regelungen und der Begründung im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen und sonstigen Unterlagen. Wird deshalb in der Baugenehmigung auf den Antrag oder Antragsunterlagen verwiesen, ist die Baugenehmigung hinreichend bestimmt, wenn es der Antrag oder die Antragsunterlagen sind. In nachbarrechtlichen Streitigkeiten – wie hier – ist die Bestimmtheit der Baugenehmigung nur daraufhin zu prüfen, ob es dem Nachbarn möglich ist, festzustellen, ob und in welchem Umfang er durch das Vorhaben in seinen drittschützenden Rechten betroffen wird (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2018 – 9 CS 18.10; B.v. 5.7.2017 – 9 CS 17.603 – beide juris; BVerwG, B.v. 20.5.2014 – 4 B 21.14 – juris Rn. 9, 13; König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Auflage 2012, Art. 68 Rn. 33 ff.; Lechner in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Art. 68 Rn. 465 ff., jeweils m.w.N.).
Hinsichtlich sämtlicher von der Klägerin gerügter fehlender Darstellungen ist jedoch – unabhängig davon, ob eine solche Darstellung auch erforderlich gewesen wäre – nicht dargetan, dass es der Klägerin deshalb nicht möglich wäre, festzustellen, ob und in welchem Umfang sie durch das Vorhaben in ihren drittschützenden Rechten betroffen wird. Eine entsprechende Relevanz für drittschützende Rechte ist hinsichtlich der gerügten Darstellungen auch nicht ersichtlich.
Insbesondere soweit die Klägerin vorträgt, dass die Höhe des vorhandenen Geländes vor der östlichen Außenwand des neu zu errichtenden Erweiterungsbaus auf der Linie zwischen der Abstandsfläche „A 2“ und „A 2.1“ (s. Abstandsflächenplan) in der „Ostansicht Erweiterung“ nicht eingetragen sei, führt dies auch nicht zu einer Unbestimmtheit der Baugenehmigung. Die Höhe ergibt sich aus den genehmigten Planunterlagen anhand des Maßstabes. Gleiches gilt hinsichtlich der Vermaßungen zu den Grundstücksgrenzen. In Bezug auf die Feuerwehrzufahrt verweist die streitgegenständliche Baugenehmigung auf den Kaufvertrag vom 5. März 1996. Eine Unbestimmtheit ergibt sich hieraus nicht. Darüber hinaus entfaltet die gerügte Darstellung der Feuerwehrzufahrt für das klägerische Grundstück keine Regelungswirkung („Bestand“). Der Brandschutz wird schließlich durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt (s. bereits oben).
Die Ausmaße des neu zu errichtenden Erweiterungsbaus und die anfallenden Abstandsflächen zum klägerischen Grundstück sind aus den genehmigten Planunterlagen hinreichend erkennbar.
Nach allem war die Klage daher abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da sich der Beigeladene durch eigene Antragstellung am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entsprach es der Billigkeit, seine außergerichtlichen Aufwendungen der Klägerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.