Baurecht

Naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht

Aktenzeichen  14 ZB 18.2060

Datum:
28.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
DÖV – 2020, 247
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayNatSchG Art. 39
BayGO Art. 36, Art. 37, Art. 59 Abs. 2
BauGB § 24

 

Leitsatz

Beschließt der Gemeinderat, das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht auszuüben, obwohl darüber an sich der erste Bürgermeister in eigener Zuständigkeit zu entscheiden hätte, und vollzieht der erste Bürgermeister diesen Beschluss, anstatt ihn nach Art. 59 Abs. 2 GO zu beanstanden, macht er sich diese Entscheidung damit zu Eigen. Das Ausübungsverlangen des ersten Bürgermeisters gegenüber der Kreisverwaltungsbehörde leidet in diesem Fall nicht an einem Mangel im Zusammenhang mit der Organkompetenz. (Rn. 12)

Verfahrensgang

Au 2 K 17.1116 2018-07-26 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegt jedenfalls nicht vor.
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage der Kläger gegen den Bescheid vom 13. Juli 2017, mit dem das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht nach Art. 39 BayNatSchG für das von ihnen gekaufte Grundstück FlNr. 1173 der Gemarkung K* … mit einer Fläche von 3540 m² zugunsten des Marktes P* …, des Beigeladenen zu 1, ausgeübt wurde, mit der Begründung abgewiesen, der Bescheid sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts lägen vor. Der Eschachgraben, an den das Grundstück angrenze, sei ein Gewässer dritter Ordnung und kein bloßer Be- und Entwässerungsgraben, was sich aus der Stellungnahme der fachkundigen Stelle für Wasserwirtschaft am Landratsamt Neu-Ulm vom 6. Juli 2017 und aus dem Ergebnis des gerichtlichen Augenscheins ergebe. Die zweimonatige Ausübungsfrist des Art. 39 Abs. 7 Satz 1 BayNatSchG sei gewahrt, da diese Frist nicht bereits durch den Eingang der Abschrift des notariellen Kaufvertrags bei der für den Vollzug des Grundstücksverkehrsgesetzes zuständigen Stelle des Landratsamts ausgelöst worden sei. Der Ausübung des Vorkaufsrechts liege auch ein wirksames Ausübungsverlangen des Beigeladenen zu 1 zugrunde. In der Übersendung eines Negativzeugnisses i.S.v. § 28 Abs. 1 Satz 3 und 4 BauGB mit Schreiben des ersten Bürgermeisters vom 11. April 2017 liege kein Ausübungsverzicht in Bezug auf das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht. Auch sei das Verlangen durch das zuständige Organ des Beigeladenen zu 1 beschlossen worden. Zwar sei hierfür nach der Geschäftsordnung des Beigeladenen zu 1 grundsätzlich der (beschließende) Haupt- und Finanzausschuss zuständig, allerdings könne sich der – hier tätig gewordene – Gemeinderat nach § 1 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung die Behandlung einer (richtig: und) Entscheidung im Einzelfall vorbehalten. Auch lägen hinreichende Rechtfertigungsgründe i.S.d. Art. 39 Abs. 2 BayNatSchG vor, da der Beigeladene zu 1 eine ökologische Aufwertung durch Umgestaltung des Grundstücks beabsichtige, was zwischenzeitlich durch den Gestaltungsplan vom 11. Juni 2018 dokumentiert sei. Bedenken gegen die Ermessensausübung bestünden nicht.
Durch das Vorbringen der Kläger im Zulassungsverfahren werden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts im Ergebnis nicht ernstlich in Frage gestellt und keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften.
1. Die Kläger wenden gegen die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zunächst ein, die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 39 BayNatSchG lägen entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht vor, da es sich beim Eschachgraben um einen Be- und Entwässerungsgraben i.S.v. Art. 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG handele, bei dem ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht nicht in Betracht komme. Ein Be- und Entwässerungsgraben sei definitionsgemäß ein kleines, künstlich hergestelltes Gewässer mit kleinem Bett und geringer Wasserführung mit der Funktion der Be- und Entwässerung landwirtschaftlich genutzter oder sonstiger Grundstücke. Der künstlich hergestellte Eschachgraben beginne im Süden westlich des Ortsteils Erbishofen des Beigeladenen zu 1 und habe bis zur Einmündung in die Roth eine Länge von ca. 7 km. Die Sole des Eschachgrabens habe durchgängig eine Breite von lediglich ca. 0,6 bis 0,7 m. An der Böschungsoberkante weise der Graben eine Breite von ca. 1,7 bis 1,8 m auf. Eine Wasserführung finde insbesondere in den heißen Sommer- und in den kalten Wintermonaten nicht statt. Seine Funktion sei demnach ausschließlich die Be- und Entwässerung der angrenzenden landwirtschaftlichen Grundstücke. Dies habe sich durch die Ortseinsicht des Verwaltungsgerichts am 9. Mai 2018 bestätigt. Eine Wasserführung habe damals nicht festgestellt werden können.
Mit diesem Vortrag können die Kläger die Richtigkeit der Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht in Frage stellen. Das Verwaltungsgericht weist bezugnehmend auf die Stellungnahme der fachkundigen Stelle für Wasserwirtschaft am Landratsamt Neu-Ulm vom 6. Juli 2017 darauf hin, dass der Eschachgraben, dessen Quellgebiet zwischen Hittistetten und Erbishofen liege, südlich von Straß in die Roth einmünde und – diesbezüglich lag der Stellungnahme ein Plan bei – eine Gesamtlänge von etwa 9,5 km sowie ein Einzugsgebiet von etwa 900 ha aufweise. Mit diesen Ausführungen setzt sich der Kläger nicht auseinander, insbesondere wird nicht dargelegt, inwieweit es sich beim Eschachgraben angesichts seiner bedeutenden Länge um ein kleines Gewässer handeln soll und sich seine Funktion angesichts dieser Länge und des relativ großen Einzugsgebiets sowie der Mündung in die Roth auf die Be- und Entwässerung der (vielen) anliegenden Grundstücke beschränken sollte. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass das zeitweise Trockenfallen des Eschachgrabens der Einstufung als oberirdisches Gewässer dritter Ordnung nicht entgegensteht (vgl. nur § 3 Nr. 1 WHG, der ein ständig oder zeitweilig in Becken fließendes oder stehendes oder aus Quellen wildabfließendes Wasser als oberirdisches Gewässer definiert). Der Umstand, dass der Graben möglicherweise künstlich angelegt ist, ist hierfür ebenfalls nicht von Bedeutung (vgl. Knopp in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, AbwAG, Stand Juni 2018, § 2 WHG Rn. 14; Fischer-Hüftle in Fischer-Hüftle/Egner/Meßerschmidt/Mühlbauer, Naturschutzrecht in Bayern, Stand April 2018, Art. 39 BayNatSchG Rn. 6). Auch zu den weiteren Ausführungen des Beklagten im Zulassungsverfahren zur Einstufung des Eschachgrabens als oberirdisches Gewässer dritter Ordnung – der Graben sei in seinem Unterlauf überwiegend und zum Mündungsbereich hin ständig wasserführend und seine ökologische Bedeutung gehe angesichts der dort vorhandenen Vielfalt an Flora und Fauna (Wildstauden wie Blutweiderich, Sumpfschwertiris, Mädesüß, Wasserminze, Brunnenkresse, Sumpfstorchenschnabel, Schilf, Seggen u.a., Jungfische, Bachflohkrebse und Libellenlarven sowie sauberer Kiesgrund) über die eines Be- und Entwässerungsgrabens hinaus -, die diese Einschätzung bestätigen, auf die es im Ergebnis aber nicht mehr entscheidungserheblich ankommt, verhalten sich die Kläger nicht mehr.
2. Weiter wenden die Kläger gegen die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils ein, der Beigeladene zu 1 habe dadurch, dass der erste Bürgermeister mit Schreiben vom 11. April 2017 ein Negativzeugnis an das Notariat übersandt habe, auf die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts verzichtet. Dieses Negativzeugnis habe sich entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht ausschließlich auf Vorkaufsrechte nach dem Baugesetzbuch bezogen. Vielmehr ergebe sich aus dem Inhalt der Anforderung des Notariats vom 7. April 2017 und aus dem Negativzeugnis vom 11. April 2017 keine Beschränkung auf Vorkaufsrechte nach dem Baugesetzbuch. Ausdrücklich erwähnt würden dort nur die gesetzlichen Vorkaufsrechte und damit auch das Vorkaufsrecht gemäß Art. 39 BayNatSchG. Für die Erteilung des Negativzeugnisses sei der erste Bürgermeister gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. e und g der Geschäftsordnung für den Marktgemeinderat P* … vom 23. Mai 2014 i.d.F. der am 20. November 2014 und 8. November 2015 beschlossenen Änderungen (im Folgenden: Geschäftsordnung) unzweifelhaft zuständig gewesen.
Durch diese Ausführungen wird die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass sich das vom ersten Bürgermeister mit Schreiben vom 11. April 2017 übermittelte Negativzeugnis nur auf Vorkaufsrechte nach dem Baugesetzbuch bezogen hat, nicht erschüttert. Auch wenn dies aus dem Inhalt der Anforderung des Notariats bzw. dem Negativzeugnis selbst nicht explizit hervorgehen sollte, liegt dies auf der Hand. Denn der beigeladene Markt, dem das Notariat diese Anforderung übersandt hat, kann nur Adressat für eine Anfrage hinsichtlich des Vorkaufsrechts nach §§ 24 f. BauGB sein und ein diesbezügliches Negativzeugnis ausstellen (vgl. § 28 Abs. 1 BauGB). Für die Abgabe einer Erklärung zu einem Vorkaufsrecht nach Art. 39 BayNatSchG ist – worauf das Verwaltungsgericht (UA Rn. 25 a.E.) und der Beklagte im Zulassungsverfahren zu Recht hingewiesen haben – nicht die Gemeinde, sondern der Freistaat Bayern, vertreten durch die Kreisverwaltungsbehörde, hier das Landratsamt Neu-Ulm, zuständig (Art. 39 Abs. 3 Satz 1 BayNatSchG). Dementsprechend hat das Notariat auch unter dem 15. Mai 2017 dem Landratsamt Neu-Ulm den Kaufvertrag mit der Bitte um Stellungnahme zum gesetzlichen Vorkaufsrecht nach Art. 39 BayNatSchG übersandt. Im Übrigen hätte, worauf ebenfalls das Verwaltungsgericht (UA Rn. 25 a.E.) und der Beklagte im Zulassungsverfahren zu Recht hingewiesen haben, der Markt bzw. dessen erster Bürgermeister auf die Ausübung des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts mangels Zuständigkeit auch nicht wirksam gegenüber dem Notar verzichten können (vgl. BayVGH, U.v. 18.12.1997 – 9 B 94.1699 – BeckRS 1997, 19570).
3. Auch der weitere (rechtzeitig vorgebrachte) Einwand der Kläger gegen die Richtigkeit des Urteils, es liege deshalb kein wirksames Verlangen des Beigeladenen zu 1 i.S.v. Art. 39 Abs. 3 Satz 4 BayNatSchG vor, weil nicht der Marktgemeinderat, sondern der erste Bürgermeister für ein entsprechendes Verlangen zuständig gewesen wäre, führt nicht zur Zulassung der Berufung. Denn die verwaltungsgerichtliche Entscheidung erweist sich jedenfalls im Ergebnis als offenkundig richtig, so dass nicht von ernstlichen Zweifeln i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auszugehen ist (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542/543). Hierzu wurden die Kläger mit Schreiben vom 13. August 2019 gehört.
a) Die Kläger führen innerhalb der Antragsbegründungsfrist aus, das Verwaltungsgericht habe seine Auffassung, der Marktgemeinderat sei für die Ausübung des Vorkaufsrechts zuständig gewesen, auf veraltete Vorschriften in der Geschäftsordnung gestützt. Richtigerweise ergebe sich die Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters aus Art. 37 Abs. 2 Satz 1 GO i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. g der Geschäftsordnung in der Fassung der Änderung vom 20. November 2014. Die vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Regelungen in § 9 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. d und § 13 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. g der Geschäftsordnung, wonach der erste Bürgermeister des Marktes bis zu einer Höhe von 15.000 Euro und der beschließende Haupt- und Finanzausschuss darüber hinaus bis zu einer Höhe von 50.000 Euro zuständig für die Ausübung von Vorkaufsrechten sei, sei durch Beschluss des Marktgemeinderats vom 20. November 2014 geändert worden. Seitdem sei der erste Bürgermeister ungeachtet der Höhe ausschließlich für die Ausübung bzw. Nichtausübung von Vorkaufsrechten zuständig. Der Marktgemeinderat sei aufgrund dieser zwingenden Zuständigkeitsregelungen daran gehindert gewesen, anstelle des ausschließlich zuständigen ersten Bürgermeisters darüber zu entscheiden, ob gegenüber dem Landratsamt i.S.v. Art. 39 Abs. 3 Satz 4 BayNatSchG verlangt werde, das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht auszuüben. Der Marktgemeinderat sei nach Art. 37 Abs. 2 Satz 2 GO auch daran gehindert gewesen, die dem ersten Bürgermeister übertragene Angelegenheit an sich zu ziehen. Eine Entscheidung des ausschließlich zuständigen ersten Bürgermeisters über die Ausübung des Vorkaufsrechts liege nicht vor, da dieser sich in seiner Begründung vom 27. Juni 2017 ausschließlich auf die Beschlussfassung des Marktgemeinderats beziehe. Dieser schwerwiegende Verstoß gegen Art. 30 Abs. 2, Art. 37 Abs. 2 Satz 2 GO sowie gegen die Zuständigkeitsregelungen der Geschäftsordnung führe zur Nichtigkeit der in den Sitzungen des Marktgemeinderats vom 11. Mai und 22. Juni 2017 gefassten Beschlüsse (vgl. BayVGH, U.v. 18.6.2008 – 4 BV 07.211 – BayVBl 2009, 90/91). Eine Heilung bzw. eine Unbeachtlichkeit dieses Verstoßes nach Art. 45, 46 BayVwVfG komme nicht in Betracht (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2004 – 22 B 03.1362 – BayVBl 2004, 494/496 f.). Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 31.3.2003 – 4 B 00.2823 – BayVBl 2003, 501 und B.v. 23.6.2015 – 22 ZB 14.2797 u.a. – juris) könne sich auch ein Außenstehender darauf berufen, dass dieses gemeindliche Handeln ihm gegenüber fehlerhaft sei.
b) Den Klägern ist zwar einzuräumen, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Prüfung, ob der Marktgemeinderat, der die Ausübung des Vorkaufsrechts in seinen Sitzungen vom 11. Mai und 22. Juni 2017 beschlossen hat, hierfür das zuständige Organ i.S.v. Art. 29, 30 Abs. 2 GO war (vgl. UA Rn. 25), auf Bestimmungen in der Geschäftsordnung des Marktes abgestellt hat, die damals nicht mehr in Kraft waren. Allerdings erschließt sich auch nicht, weshalb, wie von den Klägern argumentiert, sich die Zuständigkeit des ersten Bürgermeisters hierfür aus Art. 37 Abs. 2 Satz 1 GO i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. g der Geschäftsordnung (in der Fassung der Änderungen vom 20.11.2014 und 18.11.2015) ergeben soll. Dort ist zwar geregelt, dass die Feststellung des Nichtbestehens eines Vorkaufsrechts sowie die Entscheidung über die Ausübung bzw. Nichtausübung von Vorkaufsrechten (in unbegrenzter Höhe) zu den Aufgaben des ersten Bürgermeisters gehören; diese Bestimmung bezieht sich ersichtlich aber nur auf Bauangelegenheiten (so die Überschrift der Nr. 4) und ist daher für das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht nicht einschlägig. Dies haben die Kläger im Rahmen ihrer Stellungnahme zum Anhörungsschreiben vom 13. August 2019 auch eingeräumt.
Unabhängig davon kann nach der Rechtsauffassung des Senats, zu der die Kläger vorab gehört wurden, offen bleiben, ob tatsächlich nach der damals gültigen Geschäftsordnung nicht der Gemeinderat, sondern der erste Bürgermeister für die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts zuständig gewesen ist. Denn selbst wenn der erste Bürgermeister hierfür zuständig gewesen wäre, war jedenfalls er es, der dem Landratsamt gegenüber das Ausübungsverlangen ausgesprochen hat. Soweit er sich dabei auf die Begründung der Gemeinderatsbeschlüsse bezieht, ist dies unschädlich. Denn Gemeinderatsbeschlüsse müssen entweder vollzogen (Art. 36 GO) oder im Beanstandungsverfahren beseitigt werden, wozu der erste Bürgermeister verpflichtet wäre (Art. 59 Abs. 2 GO). Unterlässt der erste Bürgermeister eine Beanstandung, so ist er zum Vollzug verpflichtet (vgl. Widtmann/Grasser/Glaser, GO, Stand Mai 2018, Art. 29 Rn. 24, Art. 37 Rn. 2; Becker/Heckmann/Kempen/Manssen, Öffentliches Recht in Bayern, 7. Aufl. 2017, Teil 2 Rn. 180). Durch den vorliegend vorgenommenen Vollzug hat sich der erste Bürgermeister die Entscheidung des Gemeinderats zu Eigen gemacht. Von einer Unwirksamkeit des Ausübungsverlangens kann daher im Zusammenhang mit der Organkompetenz nicht ausgegangen werden. Die in der Antragsbegründung zitierten Urteile besagen nichts Gegenteiliges, sie sind hier nicht einschlägig. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Juni 2008 – 4 BV 07.211 – (BayVBl 2009, 90) beschäftigt sich mit der Frage einer ordnungsgemäßen Ladung und einer daraus eventuell folgenden Unwirksamkeit des in der Sitzung gefassten Gemeinderatsbeschlusses; das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. März 2004 – 22 B 03.1362 – (BayVBl 2004, 494) hält die Schaffung eines in der Gemeindeordnung nicht vorgesehenen weiteren Organs (Volksfestbeirat) für unzulässig und beschäftigt sich mit den daraus resultierenden Fehlerfolgen für einen daraufhin erlassenen Bescheid (eventuelle Heilung nach Art. 45, 46 BayVwVfG). Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. März 2003 – 4 B 00.2823 – (BayVBl 2003, 501) und die darin in Bezug genommenen Urteile vom 5. März 1957 – 150 IV 54 – (VGH n.F. 10, 64/65 f.) und vom 13. Dezember 1954 – 225 II 53 – (VGH n.F. 8, 69/72) sind ebenso wenig einschlägig wie der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Juni 2015 – 22 ZB 14.2797 u.a. – (juris), da sie die umgekehrte Fallgestaltung, nämlich ein unberechtigtes Handeln des ersten Bürgermeisters ohne Gemeinderatsbeschluss betreffen. Damit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts (auch) in diesem Punkt im Ergebnis richtig und eine Zulassung der Berufung scheidet insoweit aus.
c) Soweit die Kläger im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 13. September 2019 zum Anhörungsschreiben vom 13. August 2019 nunmehr geltend machen, bei einer Unzuständigkeit des ersten Bürgermeisters nach § 13 Abs. 2 Nr. 4 Buchst. g der Geschäftsordnung sei gemäß § 9 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. h der Geschäftsordnung der für „Angelegenheiten des Natur- und Umweltschutzes einschließlich Umweltverträglichkeitsprüfung“ zuständige beschließende Bau- und Umweltausschuss zuständig gewesen, ist dieser neue Vortrag, da außerhalb der Antragbegründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO liegend, verfristet und nicht zu berücksichtigen.
4. Ebenso wenig greift auch der weitere Einwand der Kläger gegen die Richtigkeit des Urteils durch, die Zwei-Monats-Frist des Art. 39 Abs. 7 Satz 1 BayNatSchG sei abgelaufen gewesen, weil der Bescheid des Landratsamts vom 13. Juli 2017 den Klägern erst am 14. Juli 2017 zugestellt worden sei, das Landratsamt aber eine beglaubigte Abschrift des notariellen Kaufvertrags vom 3. April 2017 bereits bezüglich der Frage der Genehmigungspflicht nach dem Grundstücksverkehrsgesetz erhalten und dieses bereits am 19. April 2017 ein Negativzeugnis i.S.v. § 5 GrdstVG ausgestellt habe, was einer Genehmigung gleichstehe (§ 5 Satz 2 GrdstVG).
Diesbezüglich verweist das Verwaltungsgericht zu Recht auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach die Übersendung einer Abschrift des notariellen Kaufvertrags an die beim Landratsamt für den Vollzug des Grundstücksverkehrsgesetzes zuständige Stelle ohne zusätzlichen Hinweis auch auf das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht und den diesbezüglichen Zweck der Vorlage für das Auslösen des Laufs der Ausübungsfrist nicht genügt, da sich die untere Naturschutzbehörde dann die Übersendung der Kaufvertragsabschrift an die für den Vollzug des Grundstücksverkehrsgesetzes zuständige Stelle insoweit nicht zurechnen lassen müsse (vgl. BayVGH, U.v. 15.9.2006 – 9 B 04.1233 – juris Rn. 36 m.w.N.). Nachdem es vorliegend bei Übersendung der Kaufvertragsabschrift an die für den Vollzug des Grundstücksverkehrsgesetzes zuständige Stelle an Hinweisen auf das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht und den diesbezüglichen Zweck der Vorlage fehlte (UA Rn. 24), trägt auch der Hinweis der Kläger auf den Grundsatz der Einheit der Verwaltung (Art. 77 Abs. 2 BV) und auf den Gesichtspunkt des Organisationsverschuldens nicht (vgl. schon BGH, U.v. 26.1.1973 – V ZR 2/71 – BGHZ 60, 275/278).
5. Auch der weitere Einwand der Kläger, ein naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht könne bei der Nutzung eines Grundstücks als Ausgleichsfläche nicht ausgeübt werden, führt nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils.
Hierzu führen die Kläger aus, nach der Begründung des Marktes vom 27. Juni 2017 sei beabsichtigt, das Grundstück ausschließlich als Ausgleichsfläche, also für Eingriffe durch seine gemeindliche Bauleitplanung, zu nutzen. Damit diene das Vorkaufsrecht nicht nur den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, sondern zumindest in gleicher Weise bzw. sogar primär der Realisierung der Bauleitplanung des Marktes. Bei der Ausweisung eines Baugebiets handele es sich um einen Eingriff in Natur und Landschaft (§ 14 BNatSchG), was bedeute, dass dieser den Kompensationsbedarf, der die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigen solle, erst zur Entstehung bringe. Damit handele es sich bei der Ausübung eines naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts zur Bereitstellung von Vorkaufsflächen (gemeint wohl Ausgleichsflächen) nicht um einen originären, sondern um einen abgeleiteten Naturschutzbelang, was aber nicht zulässig sei. Der Sinn und Zweck des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts umfasse nicht den Zweck, Eingriffe in Natur und Landschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern. Vielmehr habe der Bundesgesetzgeber hierzu das baurechtliche Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BauGB geschaffen. Das Ziel, Ausgleichsflächen zu erhalten, könne daher mit Hilfe des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts nach Art. 39 BayNatSchG nicht erreicht werden. Das Verwaltungsgericht Regensburg habe in seinem Urteil vom 10. Januar 2017 – RO 4 K 16.1290 – (juris) zu Recht darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die Überlagerung des naturschutzrechtlichen Rechtfertigungsgrunds durch den beabsichtigten Endzweck des Ausgleichs einer Bauleitplanung nicht berücksichtige.
Mit diesen Ausführungen erwecken die Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Ausführungen des Verwaltungsgerichts. Dieses ist in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs davon ausgegangen, dass es zur Rechtfertigung der Vorkaufsrechtsausübung ausreiche, dass der Vorkaufsberechtigte eine ökologische Aufwertung eines Grundstücks im Sinn der von ihm benannten Zielrichtung durchführen wolle (UA Rn. 26). Diese ökologische Aufwertung durch Umgestaltung des Grundstücks sei gemäß dem Gestaltungsplan vom 11. Juni 2018 konkret zu erwarten (UA Rn. 27). Letzteres greifen die Kläger nicht an. Der Umstand, dass der Markt bei der Ausübung des Vorkaufsrechts möglicherweise vorrangig die Motivation hatte, das Grundstück gegebenenfalls zukünftig als Ausgleichsfläche zu nutzen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht entscheidend. Denn naturschutzrechtlich unerhebliche Beweggründe der Gemeinde, die Ausübung des Vorkaufsrechts zu verlangen, lassen tatsächlich vorliegende Rechtfertigungsgründe – hier die konkret bevorstehende ökologische Aufwertung des Grundstücks – nicht entfallen (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 14 ZB 15.2071 – juris Rn. 13 m.w.N.). Hieran hält der Senat fest. Er hat das von den Klägern zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 10. Januar 2017 – RO 4 K 16.1290 – (juris) zwischenzeitlich durch Urteil vom 1. Oktober 2019 – 14 BV 17.419 – (vorgesehen zur Veröffentlichung in juris) aufgehoben.
Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge gemäß § 154 Abs. 2, §§ 159, 162 Abs. 3 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.6.1 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (wie Vorinstanz).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen